Zyklon B
Firmen mit Vergangenheit: Eine Grenze bei Zyklon B
Dürfen Firmen mit Nazi-Vergangenheit am Holocaust-Mahnmal arbeiten?
Ein Auftrag an Degussa sorgt für Diskussion
Von Philipp Gessler
Viele deutsche Firmen haben in der NS-Zeit von der Ermordung von sechs Millionen Juden in den Arbeits- und Vernichtungslagern des Ostens profitiert - doch keine so direkt wie die Frankfurter Firma Degesch (Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung mbH), eine Tochter der Degussa: Sie produzierte und lieferte das damals gängige Insektenvertilgungsmittel Zyklon B ab September 1941 in die Vernichtungslager, wo die SS das Gas als Pulver in die Gaskammern einstreute. Die SS beauftragte die Degesch, den besonderen Geruch des Gases, als Warnsignal gesetzlich vorgeschrieben, zu beseitigen.
Doch der Geruch haftet dem Chemie-Unternehmen Degussa noch heute an: Seit dem Wochenende ist klar, dass der Frankfurter Konzern den Auftrag verliert, einen Anti-Graffiti-Lack für die die 2.751 Stelen des in Berlin entstehenden Denkmals für die ermordeten Juden Europas südlich des Brandenburger Tors zu liefern. Das Kuratorium der Bundesstiftung zur Errichtung des so genannten Holocaust-Mahnmals hat sich, ohne Abstimmung, aber mit klarer Mehrheit, dafür ausgesprochen, den Vertrag mit Degussa zu stornieren. Mindestens 20 Stelen auf dem Baufeld aber haben schon die Beschichtung bekommen. Der Auftrag an Degussa soll mehrere hunderttausend Euro wert sein. Insgesamt soll das Mahnmal rund 27,6 Millionen Euro kosten.
Die
Firma Geithner Bau aus Wilhemshaven liefert die Stelen, produziert werden sie
derzeit im Werk Joachimsthal in Brandenburg. Von Degussa bezog Geithner das
Anti-Graffiti-Mittel Protectosil, das dem Architekten Peter Eisenman aus New
York besonders gu
Dennoch
hatte sich das Kuratorium nach langen Diskussionen für den Graffitischutz
ausgesprochen. Als nun aber ruchbar wurde, welche Firma genau das Mittel
liefern würde, entbrannte im Vorstand und im 22-köpfigen Kuratorium der
Stiftung eine heftige Diskussion. Auch wenn Degussa sich der eigenen Schuld in
der Nazizei
Das
Gegenargument: Gerade die Bereitschaft Degussas, das Mittel zu liefern,
offenbar sogar zu einem niedrigeren Preis, zeige, dass sich ein Unternehmen
seiner Vergangenheit stelle. Die Diskussion ging hin und her, manche Kuratoren
wechselten während der Debatte auch ihre Position. Schlagend aber war am Ende
die Einsicht, die vor allem von den Vertretern anderer NS-Gedenkstätten
geäußert wurde:
Nun
soll nach Alternativen für das Degussa-Mittel gesucht werden. Auch eine
Sondersitzung des Kuratoriums ist eingeplant, ein Termin steht jedoch noch
nicht fest. Manche Kuratoriumsmitglieder wollen zudem die Diskussion in der
Öffentlichkeit über das umstrittene Antigraffitimittel abwarten. Ein
regelrechter Baustopp jedenfalls wurde nicht ausgesprochen:
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haGalil onLine 27-10-2003
Zusatz: "Degussa bekam später doch diesen Auftrag"
Zyklon B
Aus Materialien der Warschauer 'Hauptkomission zur Untersuchung der Nazi-Verbrechen in Polen' geht hervor, daß der Frankfurter Chemie- und Pharmakonzern Degussa AG die Herstellung und Verteilung des Mordgases Zyklon B koordiniert, gesteuert und kontrolliert hat. Dies teilte die ARD (Allgemeine Rundfunkanstalt Deutschlands) unter dem Titel 'Angeklagt - die deutsche Wirtschaft' mit.
Die für
die Auslieferung des Gifts zuständige Frankfurter Degesch GmbH sei nicht von
der IG Farben, sondern im kaufmännischen Bereich von der Degussa gesteuert
worden. Die GmbH habe damals zu je 42,5 Prozent der IG Farben und der Degussa
und zu 15 Prozent der
Das Zyklon B war bei den «Dessauer Werken für Zucker und chemische Industrie AG» im Auftrag und auf Rechnung der Degussa hergestellt und dann von der Degussa provisionsfrei an die Degesch weitergegeben worden. Die Degesch habe es an die SS ausgeliefert. Ebenso wie das Dessauer Werk, sei auch die zweite Zyklon-B-Fabrik in Kolin östlich von Prag von der Degussa AG kontrolliert worden.
Allein in den Jahren 1942 und 1943 lieferte die Firma Degesch ca. 20 Tonnen Zyklon B nach Auschwitz. Die Degussa profitierte von diesen Giftgaslieferungen an die SS mit rund 300.000 Reichsmark, das entspreche heute drei Millionen Mark. Der damalige Degussa-Chef Hermann Schlosser habe auch die Funktion eines «Wehrwirtschaftsführers» innegehabt. Nach dem Krieg beteuerte er stets, nichts von der Verwendung des Zyklon B bei der SS gewußt zu haben. Schlosser war nach 1950 noch für lange Zeit wiederum Vorstandsvorsitzender der Degussa.
Eine Sprecherin der Degussa erklärte, das Unternehmen wolle zu Details keine Stellung abgeben. Von der Degussa beauftragte Wissenschaftler seien noch mit der historische Ausarbeitungen zu Gange. Sie verwies außerdem auf die in den USA anhängige Sammelklage von ehemaligen Zwangsarbeitern.
In
dieser in New Jersey eingereichten Klageschrift,
hatten US-Anwälte als Wiedergutmachung das gesamte Degussa-Vermögen verlangt.
Sie warfen dem Unternehmen vor, während der NS-Zeit Zahngold jüdischer
Naziopfer eingeschmolzen zu haben und an der Herstellung des KZ-Giftgases
Zyklon B beteilig
Zusatz: "Degussa bekam später doch diesen Auftrag"