Zink steuert das Nervensystem
Depressionen, Aggressivität, Angstzustände - es hat schwerwiegende
Folgen, wenn Zink im Gehirn fehlt. Obwohl das seit 50 Jahren bekannt ist,
klärten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung in Frankfurt
erst jetzt auf, was Zink genau im Gehirn bewirkt. Demnach tragen Zink-Ionen
entscheidend dazu bei, Nervensignale an den Synapsen zu regulieren. Sie sorgen
so dafür, dass der Körper Reflexe oder Befehle des Gehirns richtig verarbeitet.
Wie körpereigene Metall-Ionen in die Arbeit der Nervenzellen eingreifen, ist
bislang weitgehend unerforscht. Die Frankfurter Forscher leisten mit ihren
Untersuchungen einen Beitrag, diese Prozesse aufzuklären (Neuron, online: 22.
November 2006).
Zink verstärkt die Glyzinrezeptorantwort.
Ist Zink an den Rezeptor gebunden, strömen Chlorid-Ionen vermehrt ein (linkes
Bild, rechter Ionenkanal). Dies verstärkt die Wirkung von Glyzin innerhalb
neuronaler Schaltkreise. Die Mutation der Zinkbindungsstelle am Glyzinrezeptor
verhindert, dass Zink den Chlorideinstrom verstärkt (rechtes Bild), und
verursacht Symptome ähnlich der menschlichen Schreckerkrankung Hyperekplexie.
Hirnforscher klären heute die Struktur von
Ionenkanälen aus zehntausenden Atomen auf und beschreiben ausgedehnte neuronale
Netzwerke. Wie wichtig aber die kleinen Zink-Ionen für die Hirnphysiologie
sind, haben die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung erst
jetzt herausgefunden - obwohl seit 50 Jahren bekannt ist, dass sie in
bestimmten Hirnregionen stark angereichert sind, und die Pharmaindustrie Zink
schon lange in Anti-Alterungspräparaten einsetzt. Nach den Erkenntnissen der Forscher
helfen Zink-Ionen, die Erregung von Neuronen zu hemmen, indem sie
Glyzin-Rezeptoren an den Synapsen, den Verknüpfungsstellen der Nervenzellen,
regulieren.
Um Signale weiterzuleiten, schütten Nervenzellen Botenstoffe
(Neurotransmitter) aus, die an Rezeptoren nachgeschalteter Empfängerzellen
andocken. Zahlreiche Substanzen regulieren die Aktivität dieser Rezeptoren und
dämpfen oder verstärken damit Nervensignale - wie ein Dimmer. Die Frankfurter
Forscher untersuchten speziell den Glyzin-Rezeptor, der im Rückenmark und der
Netzhaut vorkommt und einen Kanal für Chlorid-Ionen steuert. Um ein Signal zu
dämpfen, setzt das Senderneuron den Botenstoff Glyzin an der Synapse frei. Das
Glyzin bindet am Glyzin-Rezeptor der Empfängerzelle. Daraufhin öffnet sich der
Chlorid-Ionenkanal und erhöht dadurch die Konzentration von Chlorid-Ionen im
Empfängerneuron. Dies hemmt dann die Aktivität des Empfängerneurons. So sorgen
Glyzin und der Glyzinrezeptor dafür, dass der Körper auf Reflexe oder Befehle
des Gehirns nicht überreagiert.
Schon vor ein paar Jahren hatten die Wissenschaftler entdeckt,
dass Zink mit dem Glyzinrezeptor wechselwirkt. Mit Hilfe von Strukturmodellen
und Mutationsanalysen konnten die Hirnforscher nun auch die zinkbindende Stelle
auf dem Rezeptor lokalisieren. Anschließend erzeugten sie gezielt
Punktmutationen in einem Gen des Glyzin-Rezeptors bei Mäusen, so dass die
Rezeptoren kein Zink mehr binden. So konnten sie an der lebenden Maus
beobachteten, was passiert, wenn Zink nicht in das Geschehen an den hemmenden
Synapsen eingreift.
Die Auswirkungen waren beträchtlich. Neben eingeschränkten
Reflexen neigten die Mäuse zu Krämpfen und waren erheblich schreckhafter. Diese
Symptome treten auch bei der seltenen genetischen Krankheit Hyperekplexie auf,
die aufgrund von Mutationen in Glyzinrezeptor-Genen auftritt. Ähnliche Effekte
ruft auch das starke Gift Strychnin aus der Brechnuss hervor, welches die
Glyzinrezeptoren blockiert. Daraus schlossen die Forscher, dass Zink für die
physiologische Funktion von Glyzinrezeptoren essentiell ist. Kann es nicht an
Glyzinrezeptoren binden, strömen weniger Chlorid-Ionen durch den Kanal und die
hemmende Wirkung des Glyzins wird geschwächt.
Die Diskussion um Zink im Gehirn dauert schon lange an. Die
neuen Ergebnisse stehen im Kontrast zu denen anderer Arbeitsgruppen, die vor
kurzem das vielfältige Metall zumindest im Gehirn als arbeitsscheuen
"Herumstreuner" entlarvt haben wollten. "Die früheren
Untersuchungen krankten aber auch an einer breiten Palette schlecht
abschätzbarer Nebenwirkungen", sagt Bodo Laube, einer der beteiligten
Wissenschaftler, "Wir achteten besonders darauf, die Fehlerquellen
vorhergehender Untersuchungen zu vermeiden, und stellten in umfangreichen Tests
sicher, dass die Symptome der Mäuse nur auf das fehlende Zink
zurückgingen."
Während Neurologen relativ genau wissen, wie Psychopharmaka an
unterschiedlichen Rezeptoren wirken, ist noch weit weniger gehend unbekannt,
wie und welche körpereigenen Stoffe die Rezeptoraktivität im Gehirnen wie
regulieren. Umso bedeutender sind also die neuen Erkenntnisse über die
entscheidende Rolle des Zinks in diesem Prozess.
Lit.:
Klaus Hirzel, Ulrike Müller, Tobias Latal, Swen Hülsmann,
Joanna Grudzinska, Mathias W. Seeliger, Heinrich Betz, and Bodo Laube
Hyperekplexia Phenotype of Glycine Receptor α1 Subunit Mutant Mice
Identifies Zn2+ as an Essential Endogenous Modulator of Glycinergic
Neurotransmission. Neuron, online: 22.
November 2006
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