Wissenschaft bei tödlichen Leukämien
Prof. Dr. Herbert Begemann, der Autor des Atlas der Blutkrankheiten war mein Chef. Er führte als Klinikchef alle Behandlungen stets hoch wissenschaftlich durch. Da in der Literatur 1970 die Meinung aufkam, drei verschiedene Antikrebsmittel würden zusammen kombiniert Leukämien wesentlich effektiver bekämpfen als ein einziges, wollte er dies wissenschaftlich überprüfen. Es wurde randomisiert verglichen, ob das einzelne oder alle 3 zusammen als Cytostatikum besser wirken. Im Vorzimmer des Chefarztes lag eine Liste und jeder Stationsarzt musste vor Therapieeinleitung den Namen des Patienten eintragen, der erste für das eine, der zweite für die Dreierkombination usw. Schnell erkannten wir Ärzte, dass die Dreierkombination rasch zum Tode führte im Gegensatz zu dem alten Mittel. Die Studie brauchte aber mindestens 50 Fälle pro Gruppe. Der Chef war nicht bereit, die Studie abzubrechen.
Vor jedem angekündigten Zugang, der aus ganz Deutschland kam, sah ich im Vorzimmer nach, welches Programm dran sei. Wenn es die Einfachtherapie war, schrieb ich meinen Namen mit Fragezeichen des Patientennamens (ich hatte ja noch keinen) ein und erhielt das Recht, für ein „Überlebensbillet.“
Später erfuhr ich von meinem pensionierten Chef, dass er glücklich darüber war, dass meine Station die besten Therapieerfolge hatte, nie erfuhr er warum.