1971 Wer nichts weiß, muss Bücher lesen
Für den
Giftbegeisterten waren Toxikologiebücher wie die Bibel.
Moeschlin war das
große Vorbild. Ein Mädchen, das nachweislich vor 3 Tagen Unmengen von
Schlaftabletten geschluckt hatte, wurde nicht der Magen gespült, da Moeschlin
schrieb, das sei nach 6 Stunden sinnlos. Als das Mädchen starb, war der Magen
wie mit Gips voll Tabletten ausgefüllt. Nur eine Magenspülung hätte sie retten
können.
Als ein Mann
Batteriesäure geschluckt hatte, schickte Max seine Krankenschwestern auf
mehrere Stationen, um Milch und Eier zu
sammeln für eine
"Eiermilch". Im Moeschlin stand, dies sei die
einzige richtige
Maßnahme. Als dann die Eiermilch fertig war, starb der Patient im Schock, von
dem nichts im Moeschlin stand.
Einen Patienten mit
schweren Herzrhythmusstörungen durch Psychopharmaka ließen wir sterben, da im
Moeschlin stand, dass es hierfür keine Behandlungsmöglichkeit gäbe. Das nötige
Gegengift Physostigmin wurde als Eserin wieder vom Markt genommen, da es in
Europa niemand kannte. Nur die Amerikaner setzten es ein.
Viele solche
Beispiele führten dazu, dass ich eigene Therapieschemata entwarf und sammelte.
Ab 1970 waren diese
hektographierten Zettel ein Geheimtipp. Viele Krankenhäuser benutzten sie.
Pharmafirmen fertigten danach Handelspräparate an. Ärzte riefen Tag und Nacht
beim Praktiker an.
(Auszug aus meiner neuen Biografie)