Wenn's zieht,
wird's billiger
Im Juli 2008 kommt
der Energiepass: Schlecht isolierte Häuser verlieren an Wert. Worauf Käufer und
Mieter jetzt schon achten sollten:
Nach Angaben der
Deutschen Energie-Agentur (dena) kostet der Umbau eines
unsanierten Einfamilienhauses von 1970 mit 150 Quadratmetern Wohnfläche in ein
Niedrigenergiehaus im Schnitt 60.000 Euro. "Wer jetzt kein Haus
hat..." - sollte vielleicht besser bis zum Sommer mit dem Erwerb warten,
ließe sich die Gedichtzeile von Rainer Maria Rilke vollenden. Denn wer derzeit
ein Haus oder eine Wohnung kauft, mietet oder pachtet, erwirbt eventuell die
Katze im Sack: eine neue Bleibe ohne Energiepass. Dieser Ausweis erinnert mit
seiner Farbtafel an die bekannten Aufkleber an Kühlschränken oder
Waschmaschinen und gibt auf einen Blick Auskunft über den Energieverbrauch von
Gebäuden und die Effizienz im Vergleich zu Niedrigenergiehäusern. Bereits seit
2002 ist das Papier für Neubauten erforderlich, von 1. Juli dieses Jahres an
wird es schrittweise für alle Immobilien zur Pflicht, die den Nutzer wechseln.
Lage nicht mehr
Kriterium Nummer 1
Dann können Objekte
mit schlechter Energiebilanz dies nur noch schwer verstecken. "Und die
Preise werden sich daran orientieren, wie ein Gebäude beim Energietest
abschneidet", sagt Detlef Manger,
Geschäftsführer für die Region Nord-West beim Immobilienverband IVD. "Das
früher alles entscheidende Kriterium - die Lage der Immobilie - wird an
Bedeutung verlieren."
Auch Stephan Kohler,
Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (dena),
ist sich sicher, dass mit Einführung des Ausweises eine
"Marktbereinigung" stattfinden wird: "Das ist ja auch das
erklärte Ziel - dass Käufer und Mieter alte und unsanierte Gebäude leicht
erkennen und die Energiekosten in ihr Budget mit einbeziehen können." Nach
Angaben der dena kostet der Umbau eines unsanierten
Einfamilienhauses von 1970 mit 150 Quadratmetern Wohnfläche in ein
Niedrigenergiehaus im Schnitt 60.000 Euro. Wer vor Einführung des Energiepasses
ein Haus kaufen oder mieten möchte und sich für die Energiebilanz interessiert,
kann derzeit nur an den Eigentümer appellieren, den Ausweis schon jetzt zu
beantragen. "Im Zuge der Debatte um Energiekosten fragen die Leute jetzt
auch häufiger nach den Heiz- oder Nebenkostenabrechnungen der alten
Bewohner", sagt IVD-Experte Manger.
Generell ist zwischen verbrauchs- und bedarfsorientierten Energiepässen zu
unterscheiden.
Erstere spiegeln
lediglich den Verbrauch der vorherigen Bewohner wider, denn sie beruhen auf
deren Nebenkostenabrechnungen. Bedarfsausweisen, die bereits für Neubauten
verpflichtend sind, liegen hingegen komplexe ingenieurtechnische Berechnungen
zugrunde. Hier muss der Aussteller des Ausweises, zum Beispiel Architekten oder
staatlich anerkannte Energieberater, die Immobilien auch besichtigen. "Es
handelt sich quasi um ein umfassendes Energiegutachten vom Keller bis zum
Dach", sagt Manger. Entsprechend teurer sind die
Bedarfsausweise: Sie kosten nach Angaben der dena
durchschnittlich 150 bis 250 Euro, können aber für größere Mietshäuser deutlich
teurer werden, während die Verbrauchspässe für 25 bis 50 Euro zu haben sind.
Ausgenommen von der Ausweispflicht sind denkmalgeschützte Gebäude und solche
mit bis zu 50 Quadratmetern Nutzfläche.
Noch Wahlrecht
Bis zum 30. September
2008 können Eigentümer noch zwischen den beiden Ausweisvarianten wählen. Bei
Häusern mit mehr als vier Wohneinheiten sowie kleineren Gebäuden, deren
Bauantrag vor dem 1. November 1977 gestellt worden ist, bleibt das Wahlrecht
auch danach bestehen. Für ältere Immobilien muss der teurere Bedarfsausweis
vorliegen. Welche Variante vorzuziehen ist, darüber sind sich Branchenvertreter
uneinig. Ulrike Kirchhoff, Vorstand des bayerischen Landesverbandes von Haus
& Grund, tritt für den günstigeren Verbrauchsausweis ein: "Hier wird
offensichtlich, wie viel Energie tatsächlich verbraucht wird, und das ist das
Entscheidende für Mieter oder Käufer." Kritiker des Verbrauchsausweises
bemängeln, dass insbesondere bei Gebäuden mit nur einer oder wenigen Wohneinheiten
die Verbrauchsgewohnheiten der vorherigen Nutzer das Bild verfälschen könnten.
Bei großen Miethäusern spielt dies hingegen nur eine geringe Rolle, denn der
Ausweis basiert auf dem Durchschnitt der Energiekosten aller Parteien. IVD-Experte Manger meint deshalb,
dass für Hauskäufer der Bedarfsausweis die größere Bedeutung haben wird, bei
Vermietungen dagegen der Verbrauchsausweis: "Wenn ich ein Haus kaufe,
möchte ich ausführlichere Informationen haben als ein Mieter, der seine Wohnung
nach wenigen Monaten kündigen kann, falls der Energieverbrauch nicht den
Erwartungen entspricht."
Lohnende
Modernisierung
Kohler von der dena spricht einen weiteren Vorteil des Bedarfsausweises
an: "Er gibt den Eigentümern konkrete Hinweise, wie sie die Energiebilanz
ihres Hauses verbessern können, zum Beispiel durch den Einbau neuer Fenster." Wer in den Genuss von Fördermitteln
oder Krediten der staatlichen Förderbank KfW kommen möchte, muss seinem Antrag
ebenfalls einen Bedarfsausweis beifügen. "Und die Modernisierung lohnt
sich", sagt Kohler. Im Rahmen eines Projektes der dena,
bei dem Bestandsbauten in Niedrigenergiehäuser umgewandelt werden, seien
bislang bundesweit 150 Häuser saniert worden - darunter Einfamilienhäuser,
Plattenbauten und sogar ein mehr als 200 Jahre altes Fachwerkhaus. "Die Energieeinsparung lag durchschnittlich bei
85 Prozent", sagt Kohler. Der
Bedarfsausweis gibt den Eigentümern konkrete Hinweise, wie sie die
Energiebilanz ihres Hauses verbessern können, zum Beispiel durch den Einbau
neuer Fenster.
Stephan Kohler,
Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur
(Süddeutsche Zeitung
vom 16. 1. 2008/als)