Wahlgeschenke an Pharma- und
Gentech-Konzerne
Heute
erscheint die aktuelle Ausgabe von „Stichwort BAYER“. Unser Autor Jan Pehrke
beschäftigt sich darin mit den Geschenken der neuen Regierung an BAYER und Co.
Weitere Themen des Heftes sind Arbeitsbedingungen bei BAYER, Risiken von
Antibaby-Pillen, das Schicksal der an Finanzinvestoren verkauften Firmen sowie
das Leid der Opfer von Bhopal.
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Wahlsieger BAYER: „Ein positives Signal“
Nicht
nur zur Weihnachtszeit: Die neue schwarz-gelbe Koalition hat die Wunschliste
großer Unternehmen in ihrem Regierungsprogramm konsequent abgearbeitet.
Ein bisschen BAYER musste auch direkt an den
Koalitionsverhandlungen von CDU und FDP beteiligt sein: In den Präsentkörben,
die den PolitikerInnen helfen sollten, die langen Nächte durchzustehen, fanden
sich neben Schokoriegeln und Frucht-Mixen auch ASPIRIN-Packungen. Aber es lag
wohl nicht nur daran, dass die Begehrlichkeiten des Leverkusener Multis der neuen
Regierung kaum Kopfschmerzen bereiteten: Merkel & Co. kamen fast allen
Wünschen des Unternehmens nach. So kann sich nun die Steuerabteilung des
Konzerns ebenso über die im Koalitionsvertrag festgelegte Politik freuen wie
die Pharma-, Gentechnik-, Kunststoff- und Pestizid-Sparte.
Noch
weniger Unternehmenssteuern
„Wir wollen eine Steuerpolitik, die für die
Unternehmen in Deutschland Rahmenbedingungen schafft, die ihr auch in Zeiten
der Globalisierung ihre starke Stellung ermöglicht“, erklären CDU und FDP in
ihrem Koalitionsvertrag. Also setzten die beiden Parteien die Tradition von
Rot/Grün und Schwarz/Rot fort und
beschenkten die Konzerne abermals mit einer Unternehmenssteuerreform.
Die im so genannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz zusammengefassten Maßnahmen
ersparen BAYER & Co. Abgaben in Höhe von ca. 2,4 Milliarden Euro.
Perfiderweise hebeln die PolitikerInnen zu diesem Behufe gerade eine der
Regelungen aus, welche zumindest teilweise zur Gegenfinanzierung der letzten
Bescherung diente und so die Öffentlichkeit besänftigt hatte: die Zinsschranke.
Diese Zinsschranke war jedoch nicht nur aus
finanziellen Gründen ein sinnvolles Instrument. Sie hat nämlich den
Gepflogenheiten der Multis ein Ende bereitet, ihren Zinsaufwand in der Bundesrepublik steuerlich geltend zu machen, während
sich ihre ausländischen Tochterfirmen die Zinserträge gutschreiben ließen. Auch die Einkaufstouren der Global
Player verbilligte die Regelung; BAYER etwa sparte beim Erwerb einer
ROCHE-Sparte. In Basel ansässig und steuerpflichtig, tauchte diese bei den
hiesigen Finanzämtern nur als Kostenfaktor auf, weil BAYER die fälligen Zinsen
für den zum Kauf nötigen Kredit steuerlich geltend machte. Jetzt beginnt dieses
muntere Spiel dank Merkel & Co. von vorn. Bis zu einer Höhe von drei Millionen
sind Zinszahlungen wieder abzugsfähig.
Aber die KoalitionärInnen schaffen noch weitere
Kaufanreize. Künftig dürfen die Unternehmen bei Übernahmen nämlich die
Verlustvorträge der erworbenen Firmen - also die Verrechnung von aktuellen
Verlusten mit früheren Gewinnen - nutzen, was erkleckliche Steuerrückzahlungen
verspricht. Dieses im Konjunkturpaket II auf zwei Jahre befristete
Steuersparmodell stellt das Konjunkturpaket III nun auf Dauer. Auch bei
Rationalisierungen hilft künftig das Finanzamt. Schwarz/Gelb will nämlich „den
Abzug von Verlusten bei Umstrukturierungen innerhalb verbundener Unternehmen -
soweit erforderlich - wieder zulassen (...)“. Neben dieser passenderweise
„Konzernklausel“ genannten „Wachstumsbeschleunigung“ erleichtert die Regierungskoalition
den Firmen zudem die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten ihrer
Tochter-Gesellschaften. Auch ihre Mietzahlungen können sie in größerem Umfang
als bisher als gewerbesteuerlich wirksame Kosten zu verbuchen.
BAYER & Co. hatten
die Wirtschaftskrise als günstige Gelegenheit genutzt, mit düsteren
Zukunftsprognosen Steuer-Vergünstigungen zu verlangen und hatten mit ihrem
Alarmismus Erfolg. „Da Betriebe durch die Zinsschranke, durch Hinzurechnungen
bei der Gewerbesteuer und die eingeschränkte Verlustverrechnung in
Insolvenzgefahren geraten, brauchen wir sofort wirksam werdende Korrekturen bei
der Unternehmenssteuerreform“, bauchredete FDP-Chefunterhändler Hermann Otto
Solms im Verlauf der Koalitionsvertragsverhandlungen und machte sich ans Werk.
„Die zukünftige Regierungskoalition hat die
krisenverschärfende Wirkung zentraler Elemente der Unternehmenssteuerreform
2008 erkannt“, lobte der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI)
daraufhin und stellte trocken fest: „Sie decken sich im Wesentlichen mit den
vom BDI formulierten Nachbesserungsvorschlägen“.
Nur einer dieser „Nachbesserungsvorschläge“,
den gerade BAYER bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit einbrachte,
findet sich nicht im Papier wieder: die steuerliche Begünstigung von Forschungsausgaben.
„Dies würde die Kreativität und den Erfindergeist in der Wirtschaft
unterstützen und Investitionen in die Arbeitsplätze von morgen belohnen“, hatte
BAYER-Chef Werner Wenning in Aussicht gestellt. Doch die Politik scheute davor
zurück, sich noch stärker an den Forschungsaufwändungen der Konzerne zu
beteiligen als sie es ohnehin schon tut - der Anteil beträgt momentan ca. sechs
Prozent - und gestand nur mittelständischen Betrieben bei ihren
Labor-Aktivitäten ein steuerliches Entgegenkommen zu.
Auch so kommt das Konjunkturpaket III, in dem
die Bundesregierung Profitbeschleuniger für BAYER & Co. mit Steuersenkungen
für Familien und anderen „Reformen“ zusammengefasst hat, damit die
Konzern-Beglückung nicht so auffällt, die SteuerzahlerInnen teuer genug. 8,5 Milliarden Euro hat Angela Merkel dafür
veranschlagt. Und während die Unternehmen sich die Hände reiben, bricht bei den
MinisterpräsidentInnen der Länder wegen der zu erwartenden steuerlichen
Mindereinnahmen die Panik aus. „Ihr habt sie ja wohl nicht mehr alle“, polterte
etwa der schleswig-holsteinische Landesvater Peter Harry Christiansen. Nur mit
erheblichen Zugeständnissen dürfte Merkel ihn und seine KollegInnen zu einem
„Ja“ im Bundesrat bewegen.
Medizin
für Pharma-Profite
Auch die einzelnen BAYER-Sparten profitieren
vom Regierungswechsel, denn die Wachstumsbeschleuniger aus Berlin kennen keine
Risiko-Technologien. „Moderne Technologien sind keine Bedrohung, sondern eine
Chance für Deutschland“, heißt es im Koalitionsvertrag. Deshalb bekennen sich
CDU und FDP in dem Dokument dazu, die Nanotechnologie, die Biotechnologie sowie
die Entwicklung neuer chemischer Produkte weiter zu fördern und halten darüber
hinaus fest: „in der Pharmaforschung muss langfristig investiert werden
können“.
Zu diesem Behufe möchten Merkel & Co. die
Profit-Aussichten für „innovative Arzneimittel“ stärken - allerdings ohne die
Finanzkraft der Krankenkassen noch weiter zu schwächen. „Vereinbarungen
zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Herstellern können ein Weg sein, um
dieses Ziel zu erreichen“, steht im Koalitionsvertrag. Das hatte im Vorfeld
noch anders geklungen. Da wollten die
GesundheitspolitikerInnen BAYER
& Co. noch das Recht nehmen, die Preise für neue Arzneien selber
festzulegen. „Wir wissen, wie es im Haifisch-Becken zugeht“, gab sich die
CDUlerin Annette Widmann-Mauz kämpferisch. Aber als Big Pharma einmal kurz die
Zähne zeigte, schreckten die GesundheitsexpertInnen doch vor der Beschneidung
der Fanggründe zurück und setzten auf eine Verhandlungslösung zwischen
Krankenkassen und Pillen-Produzenten.
Außerdem kündigt die CDU/FDP-Regierung an, den
Arzneimittelmarkt neu zu gestalten und angebliche „Überregulierungen“
abzubauen. Auch für das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im
Gesundheitswesen“ (IQWIG), das Kosten/Nutzen-Analysen von Arzneimitteln
durchführt und dabei nach Meinung von BAYER & Co. allzu oft zu negativen
Ergebnisse kommt, hat die christlich-liberale Koalition neue Pläne. Sie will
die Arbeit des IQWIG „unter dem Gesichtspunkt stringenter und transparenter
Verfahren überprüfen und damit die Akzeptanz (...) verbessern“. Dazu soll nach
Informationen des Spiegel auch die
Maßnahme beitragen, den bisherigen Chef Dr. Peter Sawicki abzulösen, was der
vom Leverkusener Pharma-Riesen gegründete „Verband der Forschenden
Arzneimittelhersteller“ (VFA) seit langem fordert, nicht nur weil der Mediziner
sich in der Vergangenheit immer wieder kritisch über die Risiken und
Nebenwirkungen von BAYER-Arzneien wie GLUCOBAY, ADALAT und TRASYLOL geäußert
hatte (Anmerkung: der Rausschmiss von Sawicki wurde mittlerweile beschlossen).
Der VFA begrüßte dann auch die
gesundheitspolitische Agenda der neuen Regierung als „Zeichen der Vernunft“.
„Die Teilhabe aller Patientinnen und Patienten am medizinischen Fortschritt zu
sichern, ist erfreulicherweise die politische Leitlinie der Koalitionäre. Die
forschenden Pharma-Unternehmen werden sich ihrer Verantwortung bei der
Erreichung dieses Ziels stellen. Sie sind bereit, auf besondere
Versorgungsqualität zielende Verträge mit Kassen zu schließen, die dem
Wettbewerbsrecht unterliegen. Ebenso stehen die Hersteller zur
Kosten-Nutzen-Bewertung, wenn sie künftig nach klaren, eindeutigen Kriterien
erfolgt“, schrieb die Lobby-Organisation in ihrem Kommentar zum fertigen
Koalitionsvertrag.
Mehr
Chancen für Gentech
Die grüne Gentechnik betrachtet Schwarz/Gelb
als „wichtige Zukunftsbranche“, deren glänzende Aussichten abermals nur
„Überregulierungen“ trüben. Warnungen vor der Risiko-Technologie verweisen CDU
und FDP ins Reich der irrationalen Ängste.
Eine „stärkere Wissenschaftsorientierung“ schreiben sich die
KoalitionärInnen deshalb für die Zukunft auf die Fahnen - und eine stärkere
Wirtschaftsorientierung durch „effizientere Zulassungsverfahren“.
Den aus dem bösen Brüssel stammenden
„Ineffizienzen“ der Vergangenheit sollen derweil auf ihrem Weg nach Berlin ins
bundesdeutsche Recht noch einige verborgene Effizienz-Reserven erschlossen
werden. So wollen die Christlich-Liberalen für eine „praktikable Anwendung“ der
EU-Richtlinie, die Rückstände nicht zugelassener Gentech-Pflanzen in
Lebensmitteln verbietet, das Gentechnikgesetz und das
EU-Gentechnik-Durchführungsgesetz ändern. Was einmal der größte Gentech-GAU der
Nuller-Jahre war, der Fund von nicht zugelassenem Gentech-Reis made by BAYER in
ganz normalen Supermarkt-Packungen von UNCLE BEN & Co., wäre damit künftig
kein Skandal mehr - zumindest kein offizieller.
Merkel & Co. scheuen im Koalitionsvertrag
nicht einmal davor zurück, sich offen zu bestimmten Gentechnik-Produkten wie
der genmanipulierten Kartoffel AMFLORA von BASF zu bekennen und ließen den
gentech-freundlichen Worten auch alsbald Taten folgen. Am 18. November brach
die CDU/FDP-Koalition mit der Tradition der Vorgängerregierung, sich bei Entscheidungen über den Import von genmanipulierten
Ackerfrüchten in die EU zu enthalten, und stimmte für den SYNGENTA-Mais „Mir
604“.
Auch sonst haben CDU und FDP noch so manche
„Überregulierung“ erspäht. Aus diesem Grund haben die beiden Parteien vor,
EU-Richtlinien künftig nur noch 1:1 zu übernehmen. Im Pestizidbereich
beabsichtigt die Koalition, das Zulassungsprocedere zu vereinfachen und zu
beschleunigen, natürlich nur „zum besseren Schutz von Mensch, Tier und Umwelt“.
Biozide und Chemikalien haben es bei den Behörden ebenfalls bald leichter, Und
wenn sich die Bundesregierung ganz generell zur „Vereinfachung“ von
Genehmigungsverfahren bekennt, dann geschieht das unter dem Signum des
„Bürokratieabbaus“.
Weitere
Geschenke
Daneben verspricht der Koalitionsvertrag noch
weitere geldwerte Vorteile für den Chemie-Multi. Der Emissionshandel, der den
Konzernen nur ein bestimmtes Kontingent an Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten
zugesteht, um diese zu Investitionen in den Klimaschutz zu bewegen, müsste für
BAYER und andere energie-intensive Unternehmen weiterhin kosten- und damit
folgenlos bleiben, meinen die freien und christlichen DemokratInnen.
Bei der europäischen Chemikalien-Verordnung
REACH, die eine Untersuchung von Substanzen auf ihre gesundheitsgefährdenden
Wirkungen hin vorschreibt, kann der Leverkusener Multi vielleicht bald
ebenfalls sparen, denn die Koalitionspartner streben eine Senkung der Gebühren
an, die bei der Registrierung der Stoffe anfällt.
Zudem braucht sich der Konzern nicht mehr an
den steigenden Gesundheitskosten beteiligen, für die er durch seine immer
teureren Medikamente zu einem Gutteil selber sorgt: Die Regierungsparteien
haben freundlicherweise den Arbeitgeberanteil an der Krankenkassen-Finanzierung
eingefroren. Die Quittung dafür bekamen die ArbeitnehmerInnen schon, als die
Tinte des Koalitionsvertrages noch kaum trocken war. Am 1. Dezember kündigte
die DAK als erste Kasse an, einen Zusatzbeitrag zu erheben.
Sogar Entwicklungshilfe für den Global Player
steht in Aussicht. Nach Meinung des neuen verantwortlichen Ministers Dirk
Niebel (FDP) ist diese nämlich „auch interessen-geleitet. Ich habe nie einen
Hehl daraus gemacht. Entwicklungszusammenarbeit muss nicht schädlich für
deutsche Unternehmen sein“. Und sein FDP-Kollege Rainer Brüderle vertritt BAYER
derweil als Außendienst-Mitarbeiter in den Regionen mit höherem
Bruttosozialprodukt. „Ich verstehe mich als Türöffner der deutschen
Wirtschaft“, sagte er in einem Faz-Interview.
„Positives
Signal“
Glänzende Aussichten halten die frisch
gewählten PolitikerInnen und ihr Programm also für den Pharma-Riese bereit. Als
im „Ergebnis sehr ordentlich“ begrüßt BAYER-Chef Werner Wenning dann auch den
schwarz-gelben Koalitionsvertrag: „Ich glaube sogar, dass von diesem Vertrag
ein positives Signal ausgehen kann. Der Vertrag betont den Charakter
Deutschlands als Industrieland, er rückt Innovation und Wachstum in den
Mittelpunkt. Das halte ich für ganz wichtig. Es wird allzu oft übersehen, wie
wichtig die Industrie für unser Land ist. Sie ist die Basis unseres Wohlstands
und unserer Arbeitsplätze. Wir müssen also den Industrie-Standort Deutschland
stärken - und da sehe ich gute Ansätze“.
„Gute Ansätze“ und im „Ergebnis sehr
ordentlich“ - bei aller Zufriedenheit kann Wenning sich den gönnerhaften
Oberlehrer-Ton nicht verkneifen und demonstriert damit einmal mehr, wer
wirklich das Sagen hat im Lande.
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