B Vitamine riskant

Hohe Homocystein-Werte im Blut gelten als Gefahr für Blutgefäße, Herz und Gehirn. Die Werte durch die Einnahme von B-Vitaminen und Folsäure zu senken, kann sogar riskant sein, fand eine neue Studie.

 

Hoher Homocystein-Spiegel: Vitamine bringen Herz in Gefahr

"Die Homocystein-Hypothese ist tot", sagt Dr. Kaare Harald Bønaa von der Tromsø Universität in Norwegen auf dem diesjährigen europäischen Kardiologenkongress in Stockholm. Um den Homocystein-Spiegel und damit das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall in Schach zu halten, empfahlen Experten jahrelang, Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 zuzuführen.

 

Herz in Gefahr

Die NORVIT-Studie (Norwegian Vitamin Trial) bewies jetzt, dass eine Kombination aus Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 sogar zu einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall führt. Bønaa untersuchte knapp 4.000 Personen mit erhöhten Homocystein-Werten, die schon einen Herzinfarkt erlitten hatten. Die Studienteilnehmer wurden in vier Gruppen unterteilt. Eine Gruppe bekam eine Kombination aus Vitamin B6, Vitamin B12 und Folsäure, die zweite nur Vitamin B6, die dritte Folsäure kombiniert mit Vitamin B12 und die vierte ein Scheinmedikament (Placebo). Nach 3,5 Jahren verglichen die Forscher die Zahl der Herzinfarkte und Schlaganfälle in den unterschiedlichen Studienarmen.

 

Vitamine bringen nichts

Der Homocystein-Spiegel sei bei den Patienten, die Vitamin B6 oder eine Kombination aus Folsäure und Vitamin B12 einnahmen, um jeweils 28 Prozent gesunken, berichtet Bonna. Jedoch habe dies nicht den erwarteten positiven Effekt gebracht. Das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt war in der Placebogruppe genauso hoch wie in der Vitamin B6- und Folsäure/Vitamin B12-Gruppe - nämlich 18 Prozent. Ein noch höheres Risiko hatten Personen, die eine Kombination aus Folsäure/Vitamin B12 und Vitamin B6 bekommen hatten - es lag bei 23 Prozent. "Hohe Vitamin B Dosen sollten nicht verschrieben werden, um Herz-Kreislauferkrankungen vorzubeugen", schlussfolgert Bønaa. Ärzte hatten dies bislang empfohlen. Unklar ist bisher, über welchen Mechanismus Folsäure und Vitamin B das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko erhöhen.

 

Krebsrisiko klettert

Die Forscher fanden in der NORVIT-Studie außerdem einen Trend zu mehr Krebserkrankungen bei Patienten, die hohe Folsäuredosen einnahmen. Folsäure ist beim Bau und Einbau von Nukleinsäuren (Erbsubstanz) in den Zellkern und damit an Zellwachstum und -teilung beteiligt. Allerdings bedürfe es weiterer, größerer Studien, um diesen Zusammenhang zu erforschen, so Bønaa. Dass auch hier das Ankurbeln des Zellwachstums eine Rolle spielt, ist wahrscheinlich, aber bisher nicht bewiesen.

 

Riskanter Vitamin B-Cocktail

Schon vor einem Jahr hatte eine Untersuchung Hinweise gefunden, dass die Gabe von B-Vitaminen bei Patienten mit Verengungen der Herzkranzgefäße nicht unproblematisch ist. Nach der Aufdehnung eines verengten Herzkranzgefäßes mit einem Stent entstand bei den Patienten, die einen Vitamin B-Cocktail erhielten, häufiger eine erneute Verengung im Stentbereich als bei Teilnehmern, die keine Vitamine bekommen hatten. Die Untersucher machten die wachstumsfördernde Wirkung der Folsäure für diesen Effekt verantwortlich (Lange H et al: Folate therapy and in-stent restenosis after coronary stenting. N Engl J Med. 2004 Jun 24;350(26):2673-81).

 

Zwei Abbauwege

Homocystein ist ein Stoffwechselprodukt, das beim Abbau der Aminosäure Methionin entsteht. Mit Hilfe von Vitamin B6 wandelt der Körper Homocystein zu Cystein um, das problemlos ausgeschieden wird. Homocystein kann aber auch mit Hilfe von Folsäure und Vitamin B12 in Methionin zurückgewandelt werden. Folsäure gehört zu den B-Vitaminen und ist hitzeempfindlich. Ein Großteil wird bei der Zubereitung von Mahlzeiten zerstört. Nach Angaben von Ernährungsexperten kommen die Deutschen durchschnittlich auf rund 240 Mikrogramm Folsäure täglich, empfohlen sind 400 Mikrogramm.

 

© NetDoktor.de GmbH 14.09.2005