1998 Viel Feind viel
Ehr
In vielen Gesprächen mit den
Ureinwohnern von Kreta mittels Pfarrer als Dolmetscher in den menschenleeren Monaten
im Frühjahr und im Herbst, musste ich lernen, dass Menschen, die ungebildet und
dumm sind, in der Regel Fremdenhasser sind und Angst vor allem Neuen haben. Allen
war gleich, dass sie nichts Neues aufkommen lassen wollten. Es sollte alles so
bleiben, wie es immer war. Ein fürchterlicher Gedanke, wenn man an unsere
Enkelkinder denkt, die ja alles Neu gestalten wollen.
Erst die Bildung macht, dass
andere Meinungen und Erfahrungen überdacht werden können.
In vielen Stunden verglich
ich die primitiven Schafhirten, die noch nie einen Deutschen gesehen hatten mit
den Leuten, die mir Morddrohungen zukommen ließen oder sonst schaden wollten.
Die Ähnlichkeit war verblüffend.
Der Pfarrer, der mich
begleitete, setzte alles ins richtige Licht. Er meinte, ohne die Denker, die
Altes prüfen und dort Neues zulassen, wo es nützlich und sinnvoll ist, sorgen
dafür, dass die Welt weiter geht. Diejenigen, die am Alten festkleben sorgen
insgeheim für den Untergang der Kultur. Natürlich werden die Denker anfangs von
den Primitiven gehasst – solange, bis diese selbst die Vorteile des Neuen genießen.
Zuhause wusste ich:
Solange ich von den Alten gehasst wurde, war ich Motor für die Zukunft der Enkelkinder.
So, wie mein „Psycholehrer“
Guardini im Alter betroffen war, dass ihm plötzlich Ehrungen zuteil wurden,
bin ich heute traurig, dass ich
keine Feinde mehr habe, da ich dadurch erfahre,
dass ich zu wenig für die
Modernisierung unserer verstaubten, ans Geld denkenden Medizin mehr tun kann.
Das Los eines Rentners!
Wer viel Feind hat, hat viel Ehr!
(Auszug aus meiner neuen Biografie)