Uran
Uran ist ein in der Natur vorkommendes radioaktives Schwermetall, das natürlich in Form der Uranisotope Uran-238 (99,3%-Anteil), Uran-235 (0,7%-Anteil) und Uran-234 (0,006%-Anteil) vorkommt. Uran ist radioaktiv und zerfällt vorwiegend unter Aussendung von Alphastrahlen, die besonders biologisch wirksam sind. Die Reichweite der Alpha-Strahlung von Uran beträgt in Luft wenige Zentimeter und in Körpergewebe je nach Dichte wenige Millimeter bis Bruchteile von Millimetern. Sie wird bereits durch Kleidung effektiv abgeschirmt und stellt bei intakter Haut keine Gefahr bei einer Strahlenbelastung von Außen dar. Die radioaktiven Zerfallsprodukte des Uran setzen auch Beta- und Gammastrahlen frei.
Die relative biologische Wirksamkeit von Alpha-Strahlung ist etwa um den Faktor 20 höher als die von Röntgenstrahlen. Eindeutig auf die von natürlichem Uran ausgehende Strahlung zurückzuführende gesundheitliche Effekte sind bisher nicht nachgewiesen worden. Da ionisierende Strahlung jedoch generell Krebserkrankungen erzeugen kann und hierfür keine Schwellenwerte existieren, muss auch für die durch Uran verursachte Strahlung grundsätzlich eine Krebs verursachende Wirkung angenommen werden. Wie bei anderen Strahlenexpositionen ist auch das mit Uran verbundene generelle Strahlenrisiko entscheidend abhängig von der Höhe der Strahlenbelastung.
Angereichertes bzw. abgereichertes Uran unterscheiden sich in ihren relativen Anteilen der Nuklide von natürlich vorkommendem Uran.
Abgereichertes Uran ist ein
Abfallprodukt der Herstellung von Atombomben und von Brennelementen für
Atomkraftwerke. In Atombomben und Brennelementen wird Uran-235 in
angereicherter Form eingesetzt.
Abgereichertes Uran wird wegen seiner hohen Dichte und pyrophoren Wirkung als
panzerbrechende Munition verwendet. Die metallische Form des Urans entzündet
sich selbst beim Aufprall auf harte Hindernisse.
Zur Abschätzung der gesundheitlichen Belastungen durch Uran sind grundsätzlich zwei Wirkungen zu unterscheiden:
Uranmunition selbst verursacht nur eine geringe Strahlenbelastung. Durch Zerfallsprodukte kann es aber nach längerem Kontakt mit der Haut zu gesundheitlich relevanten Teilkörperexpositionen durch Beta-Strahlung kommen.
Uran wird insbesondere dann gesundheitsgefährdend, wenn es inkorporiert wird, d. h. in den menschlichen Körper gelangt. Dies gilt sowohl für die chemotoxische als auch die radiotoxische Wirkung von Uran. Eine Inkorporation kann erfolgen durch:
Liegt das Uran, wenn es in den Körper gelangen konnte, in einer löslichen chemischen Form vor, wird es innerhalb von Tagen über die Nieren ausgeschieden. Die Nieren sind das Zielorgan für die chemisch-toxische Schädigung in Form von Nierenfunktionsstörungen bis hin zum Nierenversagen.
Eine erhöhte innere Strahlenexposition
kann z. B. bei der Verbrennung von abgereichertem Uran unter Bildung schwer
löslicher Uranoxide entstehen. Durch Inhalation dieser schwerlöslichen Oxide
und deren Ablagerung im Lungengewebe kann es durch die lokale, über einen
längeren Zeitraum andauernde Alpha- und Betastrahlung zur Auslösung von
Lungentumoren kommen. Die Latenzzeit für strahlenbedingten Lungenkrebs liegt
bei mehreren Jahren bis Jahrzehnten. Eine interne Exposition kann bei
Verwendung von Uranmunition einen Beitrag zur Strahlenbelastung liefern, wenn
unmittelbar bei einem Beschuss durch den Aufprall der Munition Uranpartikel mit
der Luft oder durch Aufwirbelung von stark kontaminiertem Boden Uran in den
Körper gelangt.
Bisherige Untersuchungen bei Uranbergarbeitern ergaben keine Hinweise für die
Induktion von Leukämien durch Uran und seine Folgeprodukte in der für den
Bergbau typischen chemischen Form und Aerosolzusammensetzung.
Für die Zivilbevölkerung stellt neben der Inhalation die Ingestion von mit Uran kontaminierten Lebensmitteln, Staub und Boden eine weitere Expositionsquelle dar. Hier sind besonders Kinder gefährdet. Beim Handhaben bzw. Spielen mit größeren Munitionsfragmenten kann es auch zu einer Exposition der Haut, hier insbesondere der Hände durch die Beta-Strahlung von Zerfallsprodukten des Urans kommen.
Im Hinblick auf Schutzmaßnahmen gilt für die Zivilbevölkerung Ähnliches wie für militärisches Personal und zivile Hilfskräfte. Neben einer umfassenden Markierung und Absperrung kontaminierter Gebiete und der Einhaltung geeigneter Verhaltensregeln (Einschränkung der Nutzung und des Gebrauchs von landwirtschaftlichen Flächen bzw. Produkten) kommt hier der umfassenden Information über mögliche gesundheitliche Gefahren von Uran eine entscheidende Bedeutung zu. Der zur Freigabe der Flächen notwendige Nachweis, dass keine Gesundheitsgefährdung mehr besteht, kann nach Dekontamination durch Freimessungen erfolgen.
Eine An- bzw. Abreicherung des Urans hat im Gegensatz zu den radiotoxischen Wirkungen keinen Einfluss auf die chemotoxischen Wirkungen. Im Vordergrund der chemotoxischen Wirkungen von Uranverbindungen stehen sowohl bei Aufnahme über die Nahrung als auch über die Atmung Wirkungen auf die Nieren. In der Niere kommt es je nach Höhe der Intoxikation zur Niereninsuffizienz bis hin zum Nierenversagen. Dabei müssen jedoch bestimmte Expositionswerte überschritten werden. Die chemotoxische Wirkung von Uran hauptsächlich auf die Nieren kann dadurch erklärt werden, dass die Nieren das wesentliche Ausscheidungsorgan für inkorporiertes Uran darstellen. Chemotoxische Wirkungen von Uran auf andere Organe treten erst bei weit höheren, bereits Nierenschäden verursachenden Konzentrationen auf. Aufgrund der niedrigen spezifischen Radioaktivität von abgereichertem Uran (engl.: depleted uranium; DU) steht die chemotoxische im Vergleich zur radiotoxischen Wirkung auf den Menschen in aller Regel im Vordergrund.
Abgereichertes Uran hat im
Vergleich zu natürlichem Uran ein etwas geringeres radiotoxisches Potential.
Für eine Bewertung der gesundheitlichen Wirkung von Uran sind daher
insbesondere die Möglichkeiten der Strahlenexposition durch Aufnahme von
Uranpartikel durch die Atemluft, von Uran-kontaminierten Nahrungsmitteln und
Trinkwasser durch Ingestion sowie durch Verletzungen der Haut zu betrachten.
Die größte Expositionsgefahr bei uranhaltiger Munition besteht, wenn die
unmittelbar beim Aufprall und der Verbrennung der Munition freiwerdenden
Uranpartikel eingeatmet werden und so in die Lunge gelangen. Aber auch später
kann der Uranstaub vom Boden wieder aufgewirbelt werden und in die Lunge
gelangen. Das Lungengewebe kann durch die Alpha-Strahlung des Urans geschädigt
werden. Diese Schädigung kann nach vielen Jahren zu Lungenkrebs führen.
Während der schwerlösliche
Teil des Uranstaubs längere Zeit in der Lunge verbleiben kann, gelangt der
lösliche Teil ins Blut und wird mit diesem im Körper verteilt. Hier wird Uran
teilweise im Knochen und in der Niere vermehrt eingelagert und wird durch
letztere ausgeschieden. Die in Knochen durch Einlagerung von Uran zustande
kommende Strahlenbelastung in Verbindung mit der in der dichten Knochensubstanz
sehr geringen Reichweite der Alpha-Strahlung im Bereich von wenigen
Mikrometern, führt nach Inhalation zu einer Strahlenbelastung im Knochenmark,
die deutlich hinter der Strahlenbelastung der Lunge zurücksteht. Eine Induktion
von Leukämien durch eine Bestrahlung des Knochenmarks nach Inhalation von
Uranpartikeln ist daher aufgrund der strahlenbiologischen Erkenntnisse deutlich
unwahrscheinlicher als die Induktion von Lungenkrebs.
Bei einer Aufnahme von mit Uran kontaminierten Lebensmitteln und/oder
Trinkwasser kommt es zur Resorption, d.h. Aufnahme von Uran über die Darmwand.
Abschätzungen gehen von Resorptionsraten beim Menschen von etwa 0,15 bis zu 6%
des aufgenommenen Urans aus. Für die Resorption von Uran bei Kindern liegen
bisher keine Untersuchungen vor. Das primäre radiotoxische Zielorgan bei der
Aufnahme von Uran mit der Nahrung sind die Knochen und in geringerem Ausmaß das
Knochenmark.
In der Vergangenheit waren
größere Personengruppen von Bergarbeitern bei der Uranerzgewinnung und dessen
Verarbeitung erhöhten Uranstaubkonzentrationen ausgesetzt. Die Analyse der
vorliegenden epidemiologischen Daten bei Uranbergarbeitern, die etwa 120 000
exponierte Bergleute umfassen, zeigt ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko durch
eingeatmeten Uranstaub und insbesondere inhaliertes Radon in Abhängigkeit von
der Radonkonzentration unter Tage. Eine Zunahme anderer Krebsarten und von
Leukämien konnte bisher nicht beobachtet werden (S. Darby et al., Journal of the
National Cancer Institute, Vol.87, Seiten 378 - 384, 1995). Im Rahmen der vom BfS
durchgeführten Studie bei deutschen Uranbergarbeitern der ehemaligen SDAG
Wismut konnte bisher ebenfalls keine erhöhte Leukämiehäufigkeit nachgewiesen
werden.
Bisher liegen keine belastbaren epidemiologischen Studien über eine Erhöhung
der Krebshäufigkeit oder anderer gesundheitlicher Beeinträchtigungen vor, die
ursächlich mit der Exposition durch inhaliertes oder mit der Nahrung
aufgenommenes abgereichertes Uran in Verbindung stehen.
Transurane wie Plutonium sind künstliche radioaktive Stoffe, die beim radioaktiven Zerfall vorwiegend Alpha-Strahlung abgeben. Eine Strahlenbelastung kann daher, wie im Falle des Urans insbesondere dann erfolgen, wenn Plutonium inkorporiert wird. Die zu betrachtenden Expositionswege sind somit ebenfalls zum einen das Einatmen von mit Plutonium kontaminierten Staubpartikeln und zum anderen die Aufnahme von Plutonium in den Verdauungstrakt durch kontaminierte Nahrungsmittel, Trinkwasser oder Staub.
Ein substanzieller Anteil
von inhaliertem Plutonium verbleibt für längere Zeit in der Lunge und in den pulmonären
Lymphknoten. Die Verweildauer ist unter anderem abhängig von Partikelgröße und
Löslichkeit. Plutonium, das in die Blutbahn gelangt, wird dann hauptsächlich am
Knochen und später im Knochen, sowie in der Leber deponiert. Geringere Anteile
gelangen in Muskel- und andere Weichteilgewebe. Eine innere Strahlenbelastung
durch Aufnahme von Plutonium mit der Nahrung liegt wegen der relativ geringen
Resorption von Plutonium im Magen-Darm-Trakt des Menschen um etwa den Faktor
1000 unterhalb der Strahlenbelastung nach Inhalation bezogen auf die gleiche
Masse aufgenommenen Plutoniums. Im Vergleich zu Uran wird Plutonium schlechter
im Magen-Darm-Trakt resorbiert.
In tierexperimentellen Untersuchungen wurden nach Plutonium-Expositionen in
Abhängigkeit vom Expositionspfad und der Dosis Tumoren der Lunge, der Knochen
und in geringerem Ausmaß der Leber sowie Leukämien beschrieben. Es liegen nur
wenige Untersuchungen an mit Plutonium exponierten Menschen vor. In einer
Untersuchung an mehr als 5000 Beschäftigten einer Atomwaffenfabrik in den USA
wurde in Abhängigkeit von der Mange an inkorporiertem Plutonium eine nicht
signifikante Erhöhung der Krebserkrankungen gefunden (G.S. Wilkinson et al.,
American Journal of Epidemiology, Vol. 125, Seite 231 - 250, 1987). Für
Leukämien ergab sich für eine Latenzzeit von 5 Jahren nach Exposition eine
signifikante Erhöhung. Für Tumoren der Knochen und der Leber wurde diese
Wirkung aber nicht beobachtet. Bei den Beschäftigten der sowjetischen
Plutonium-Fabrik MAYAK im Südural wurde eine erhöhte Lungenkrebssterblichkeit
in Abhängigkeit von der Menge inkorporierten Plutoniums beobachtet (Gilbert et
al., Radiation Research, Vol. 162, Seite 505-516, 2004).
Nach vorliegenden Informationen des Energieministeriums der USA kann die zusätzliche Alpha-Aktivität durch Transurane maximal einige wenige Promille im Vergleich zur gesamten Alpha-Aktivität von abgereichertem Uran betragen. Die nachfolgende Abschätzungen. Beruhen auf dieser Angaben zur Höhe einer möglicher Kontamination. Die spezifische Alpha-Aktivität von reinem Plutonium-239 im Vergleich zu natürlichem Uran ist bezogen auf die gleiche Masse etwa um den Faktor 200.000 höher. Natürlich vorkommendes Uran hat eine spezifische Alpha-Aktivität von etwa 25.000 Bq je Gramm Uran. Die spezifische Alpha-Aktivität von abgereichertem Uran (0,2% Uran-235, 0,001% Uran-234) liegt bei etwa 15.000 Bq je Gramm Uran. Bei einer maximalen Kontamination des Urans aus der Wiederaufbereitung entsprechend den oben genannten Angaben erhöht sich die spezifische Alpha-Aktivität von Staubpartikeln aus uranhaltiger Munition durch Kontaminationen mit Plutonium nur geringfügig. Die Dosis-Koeffizienten für Plutonium-239 im Vergleich zu Uran-235 bzw. Uran-238 sind bezüglich der Inhalation um etwa den Faktor 20 höher, bezüglich der Aufnahme mit der Nahrung um den Faktor 10 kleiner. Eine Kontamination uranhaltiger Munition mit Plutonium in der oben genannten Größenordnung führt nicht zu einer wesentlichen Erhöhung der inneren Strahlenbelastung und damit der effektiven Dosis im Vergleich zu nicht kontaminierter uranhaltiger Munition. Eine Erhöhung von Krebserkrankungen über die durch abgereichertes Uran unmittelbar verursachte Erkrankungsrate kann durch eine Kontamination mit Plutonium in der oben genannten Größenordnung nicht erklärt werden.
Vor einigen Jahren wurde
über eine möglicherweise erhöhte Zahl von Leukämiefällen bei Soldaten
berichtet, die im Rahmen ihres Einsatzes bei der Balkan-Friedenstruppe in
Kontakt mit DU-Munition gekommen waren. In Deutschland ist in der Altersgruppe
der 20- bis 54-jährigen Männer von jährlich etwa 4 tödlichen Leukämiefällen pro
100.000 Personen auszugehen. Ähnliche Zahlen gelten auch für Italien.
Bestätigen sich die in den Medien berichteten Zahlen bei den italienischen
Soldaten, so liegt die Erkrankungsrate nicht über der zu erwartenden Zahl in
dieser Altersgruppe, d. h. ein zusätzlicher Effekt von DU ist aus diesen Zahlen
nicht ableitbar.
Strahlenbedingte Leukämien und Krebs treten grundsätzlich erst nach einer
gewissen Latenzzeit auf, die bei einigen Jahren bis Jahrzehnten liegt. Die Zeit
zwischen dem Auftreten der in der Presse beschriebenen Leukämien, den in den
angesprochenen individuellen Fällen in Frage kommenden konkreten
Expositionszeiträumen während des Balkaneinsatzes in Verbindung mit den dort
abgeschätzten möglichen Expositionshöhen sind nach den bisher bekannten
Berichten zu kurz, um einen direkten Zusammenhang zwischen Strahlenbelastung
und Erkrankung als wahrscheinlich erscheinen zu lassen.
Die Strahlenexpositionen, die sich aufgrund der bisher vorliegenden wenigen
Messungen und den theoretischen Berechnungen aufgrund der bekannten Mengen
verschossener Munition mit abgereichertem Uran ergeben, liegen in einer
Größenordnung, die einen beobachtbaren Anstieg von strahleninduzierten
Krebserkrankungen und Leukämien nicht erwarten lassen.
Schon in der Vergangenheit wurden weltweit insbesondere für Leukämien häufig örtliche und zeitliche Häufungen, sog. Cluster beobachtet, ohne dass bisher ein einzelner Risikofaktor als auslösende Ursache für die Erkrankungen festgestellt werden konnte. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse gehen davon aus, dass für die Krebsentwicklung mehrere Risikofaktoren zusammenwirken. Es ist bekannt, dass Leukämien nicht nur durch ionisierende Strahlung ausgelöst werden können. Dafür kommen u. a. auch Expositionen durch Lösungsmittel, wie z. B. durch Benzol in Treibstoffen in Frage. Aus diesen Gründen ist es zunächst wichtig, festzustellen, ob es überhaupt zu einer Häufung von Krebsfällen und Leukämien gekommen ist.
Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz http://www.bfs.de/de/ion/wirkungen/uranmunition.html