TIERHALTUNG menschliche: Bauer schießt Rinder selbst
13 Jahre hat Hermann Maier mit den Behörden gerungen. Jetzt darf der
Landwirt endlich tun, was er für richtig hält: Er erschießt seine Rinder eigenhändig,
um sie dann zu schlachten. Die ganzjährig im Freien lebenden Tiere seien, so
glaubt Maier, glücklich bis zum Ende.
"Du muss
Ein aufregender
Moment, weil in der Rinderherde bis zu 30 ausgewachsene Bullen leben und man
normalerweise Angst haben sollte. Aber Normalität findet man auf dem
Bioland-Hof der
Neugierig
spähen uns die Rinder an - alle Altersstufen sind vertreten. Das ist das
Besondere dieser Rinderherde, denn normalerweise werden die Jungtiere mit etwa
neun Monaten von ihren Müttern getrennt. "Hast du schon mal das
erbärmliche Schreien voneinander getrennter Mütter und Jungtiere gehört? Dieses
Elend will ich nicht verantworten", sagt Maier. Uria-Rinder nennt der
Schwabe seine Tiere, in Anlehnung an das Ur, den
Auerochsen der Vorzeit. Maier kennt alle Rinder beim Namen. Schwere Bullen
rangeln spielerisch miteinander, so dass ihre langen Hörner bei jedem Stoß laut
knallen. Sobald sie Maier sehen, sind die Tiere lammfromm und lassen sich sogar
streicheln.
Würdevoller
Tod auch für Tiere
Vertrauen
herrscht zwischen Maier und seinen Rindern. Die Tiere haben noch nichts
Schlimmes durch Menschenhand erlebt. Weder werden sie aus der vertrauten Herde
heraus gefangen und auf quälend lange Tiertransporte geschickt, noch dem
Schlachthofstress ausgesetzt. Maier kennzeichnet seine Rinder auch nicht mit
den normalerweise vorgeschriebenen Ohrmarken, sondern mit einem Mikrochip, der
an der Schwanzwurzel implantiert wird. "Das ist nicht nur viel
schmerzloser, sondern auch wesentlich sicherer. Aber leider wird dieses
Verfahren bisher nur geduldet und noch nicht als Ersatz für Ohrmarken
anerkannt."
Überhaupt
hat Maier so seine Probleme mit manchen Vorschriften und Behörden. Das beginnt
mit den Ohrmarken und endet mit dem Tod seiner Rinder. "Wenn Tiere getötet
werden, dann so schonend und würdevoll wie möglich", meint der Landwirt.
Des
Bauern Lösung: Er begibt sich selbst auf die Pirsch. Mitten auf der Weide
erlegt er das Rind seiner Wahl per Kopfschuss aus höchstens fünf Metern
Entfernung. Damit kein Knall die Freunde des Unglücklichen aufschreckt,
schraubt der Bauer einen Schalldämpfer aufs Gewehr. In einer selbst erfundenen
mobilen Schlachtbox blutet das erschossene Rind aus und wird in den hofeigenen
Schlachtraum gefahren. Doch bis Maier das alles durfte, musste er jahrelang mit
der Obrigkeit ringen.
Mitleid
mit schreiendem Bullen
Begonnen
hat alles mit einer kleinen Fleckviehherde mit acht Milc
Die
Jungtiere blieben nun bei ihren Müttern. Maier gewann dadurch zwar keine Milch
mehr, dafür aber Fleisch. Dann aber wurde Maiers Vater krank und die Zeit für
die Betreuung der Herde knapp. Also ließ der Bauer die Herde einfach das ganze
Jahr über im Freien - keine unumstrittene Methode. Nicht wenige prophezeiten
Maier, seine Rinder würden an Kälte und Nässe zugrunde gehen. Doch die Rinder
überlebten, fressen jetzt Gras und Bio-Heu und bekommen weder Hormone noch
Antibiotika oder andere Futterzusätze.
Auch
Maier wollte seine Rinder zuerst im Balinger Schlachthof töten lassen, zumal es
einen Schlachthofbenutzungszwang gab. Bis zu dem Vorfall mit einem Jungbullen
namens Axel vor 20 Jahren. Zwei Stunden hätten sie zu dritt versucht, den sich
wehrenden Bullen in den Transporter zu bekommen. Ohne Erfolg. Als er nicht mehr
habe toben können, habe er die Füße in den Boden gestemmt und jämmerlich
geschrien.
Betäubung
mit dem Bolzenschussgerät
Maier
beschloss, das Tier an Ort und Stelle zu töten. Fortan betäubte er die Tiere
mit einem Bolzenschussgerät direkt auf der Weide. Im Winter ging das leicht,
aber im Sommer, auf der großen Weide, war es meist unmöglich - für Maier Grund
genug, weiter an der Tötungsmethode zu feilen. Jäger kamen nicht in Frage, weil
nur Maier sich den Rindern nähern konnte, ohne für Unruhe zu sorgen. So
beantragte der Landwirt 1988 kurzerhand selbst eine Schießerlaubnis und
Waffenbesitzkarte.
Die
Behörden lehnten Maiers Antrag kategorisch ab. Der starrköpfige Landwirt ließ
sich davon nicht beeindrucken und legte Widerspruch ein. Das anschließende Hin
und Her dauerte unglaubliche 13 Jahre. "Die wollten unsere Art der
Tierhaltung einfach nicht.
Menschen
aus dem Ort beschwerten sich über das Brüllen der Bullen, einmal wegen des Lärmes
und dann, weil sie annahmen, die Tiere schrien vor Durst. Dabei fährt Maier
täglich rund 8000 Liter Wasser von seinem Brunnen hoch zur Weide. Etliche Leute
empfanden Maier nicht als Tierfreund, sondern als jemand, der seine Rinder
verwahrlosen lasse. Andere wiederum freuten sich über die natürlich lebenden
Tiere und deren Laute. Manche kamen von weit her, um im Frühjahr die
"Bullengesänge" zu hören.
Auch
Wissenschaftler interessieren sich für diese besondere Tierhaltungsform und
streiten sich dabei über das Für und Wider. "
Für die
Tiere in den Ruin
Erst im
Jahr 2000 entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, dass die
zuständige Behörde Maier die Schießerlaubnis erteilen muss. Inzwischen gibt es
für Maier viel zu tun: Durch den selbst auferlegten Schlachtstopp während des
Prozesses schwoll die Herde auf 220 Tiere an. Maiers Weideflächen wurden knapp,
Futter musste teuer zugekauft werden. Die Folge: Im Jahr 2000 war der Bauer
pleite und dazu gesundheitlich schwer angeschlagen.
Heute
drückt zwar noch immer der Schuldenberg, aber es geht eindeutig aufwärts. Laut
Maier schätzen die Kunden das Fleisch seiner selbsterlegten Rinder so sehr,
dass es manchmal Lieferengpässe gibt. Wöchentlich schießt Maier jetzt zwei
Rinder, auch Sohn
Jetzt
will Maier auch andere Höfe mit seiner Methode der Fleischgewinnung beglücken:
Sein Verein "Uria" soll die frohe Kunde von den glücklichen Rindern
in die Welt tragen. Vor allem will Maier eine schrittweise Abschaffung der
Schlachttiertransporte erreichen. "Viele Landwirte sind unzufrieden mit
der gängigen Praxis, sie kennen nur keine andere Möglic
Spiegel
online 8.8.06