1979 Tampon
mit Zyankali als tödliches Sexspielzeug
Ein 55 jähriger verheirateter Chemie-Hilfsarbeiter
aus Dachau mit zwei Söhnen und eine 37 jährige ledige Lebensmittel-Verkäuferin
hatten in Bad Tölz ein über 5 Jahre geheim gehaltenes Liebesverhältnis. Die
Frau war sehr pedantisch reinlich und putze alles in ihrer Wohnung auf
Hochglanz. Ihr Freund, ein Angestellter in einer Dachauer Eisenwarenfirma
brachte ihr von seinem Arbeitsplatz Kupfercyanid zum Metallreinigen mit. Er war
durch eine jahrelange Tablettensucht impotent, sie verbrachten die Wochenenden
gemeinsam im Bett. Sie bemerkte einmal, dass sie nach dem Putzen mit dem
Reinigungsmittel, als sie vergessen hatte, ihre Finger zu waschen, nach dem
Einführen eines Tampons mit Giftresten unter seinen üblichen sexuellen
Stimulationen mit der Hand erstmals einen gewaltigen Orgasmus hatte.
Fortan genossen sie gemeinsam diesen „Chemie
Orgasmus“.
Am 4.Oktober 1978 wiederholten sie erstmalig in einer
langen gemeinsamen Nacht dreimal hintereinander den gleichen Vorgang. Dafür
träufelte die Frau jeweils einen Tropfen auf einen Tampon, führte ihn selbst
ein und ließ sich von ihrem Freund an den Genitalien streicheln, bis sie zum
Orgasmus kam. Sie küsste ihn ganz heftig und ihm reichte dies voll. Nach dem dritten
Orgasmus nach der durchgeliebten Nacht war sie ganz anders, atmete komisch und
krampfte.
Nun war er ganz verzweifelt, rief die Vermieterin,
die den Notarzt verständigte. Im Krankenhaus verstarb sie am nächsten Tag in
der Klinik. Die Ärzte wussten nicht, woran sie starb – obwohl sie die typische
hellrote Hautfarbe hatte und ich kurz vorher auch über die Blausäurevergiftung
in der Klinik gesprochen hatte. Bei der Sektion in der Rechtsmedizin wurde eine
Blausäurevergiftung diagnostiziert. Allerdings wurde so schlampig seziert, dass
man den in der Scheide steckenden Tampon nicht fand. Erst Monate später bei der
Zweitsektion fand man den gifthaltigen Tampon und Giftspuren an der Hand der
Leiche, die den Tampon eingeführt hatte.
Bei der Erstvernehmung des Mannes sagte der Tölzer
Kripobeamte, der ihn gleich als „Mörder“ ansprach, dass er „lebenslänglich
hinter Gitter komme“. Daraufhin machte er den entscheidenden Kurzschluss -
Fehler: Er bat die Vermieterin, alle Beweise des langjährigen Verhältnis zu
vernichten. Dahinter vermuteten dann die Ermittler, dass der entscheidende
Beweis für ihre Mordtheorie vernichtet wurde.
Er kam in das Untersuchungsgefängnis nach München. Am
Tag des Prozesses wurde er mit einer schweren nächtlichen
Schlafmittelvergiftung nach 100 geschluckten Tabletten auf die Tox der Technischen Universität
eingeliefert, der ich als Oberarzt vorstand. Er war angeklagt, mit einem in
Zyankali vergifteten Tampon in die Scheide während des Geschlechtsverkehrs
seine Freundin getötet zu haben.
Er überlebte diesen Selbstmordversuch knapp. Ich
befragte ihn - wie alle in der
Aufwachphase und später - nach dem
exakten Tathergang. Während er vorher und nachher nach meiner Empfehlung alles
abgestritten hatte, erzählte er mir, dass seine Freundin sich stets zur
Luststeigerung einen Tropfen Zyankali vor dem Orgasmus auf den Tampon in die
Scheide eingeführt hatte, nur am letzten Tag, hatten sie es erstmals mehrmals
hintereinander wiederholt und es wurde ihr dann zuviel, sie starb.
Von einer sexuell stimulierenden Wirkung wusste man
bei Zyankali nichts.
Aber, wenn man die Sauerstoff verdrängende Wirkung
des Zyanids mit der des Kohlenmonoxids beim Rauchen vergleicht, erkennt man die
entspannende und Problemlösende Wirkung des Sauerstoffmangels, die Verklemmten
das Leben und Lieben oft erleichtert:„Zigarette danach“.
Obwohl die Blausäurevergiftung mein
Habilitationsthema war, ich seit 1972
16 eigene Fälle selbst behandelt hatte und die gesamte Weltliteratur
darüber kannte, war mir die Giftaufnahme über die Scheide völlig unbekannt. Ein
Laie konnte dies überhaupt nicht ahnen, ein Mord schied daher völlig aus. Ich
fragte viel nach. Alles wurde völlig klar:
Die Kumulation, Giftanhäufung, in dem gleichen Tampon
war für diese einfachen Menschen nicht vorhersehbar. Der Selbstmordversuch war
durch die innige Liebe des Mannes, der seine Liebste verloren hatte, gut
nachvollziehbar.
Der scheue und verklemmte Angeklagte hatte keine
Chance ohne die enthemmende Wirkung der vorausgegangen Schlafmittel den
peinlichen Sachverhalt offen und logisch zu erzählen. Zu viele Vorurteile und
Gerüchte standen im Raum.
Ich befragte auch alle Spezialisten. Prof.Dr.Nikolaus
Weger, der Cheftoxikologe der Bundeswehr hatte das neue Gegengift 4-DMAP
entwickelt, das ich 1972 erstmalig in der Welt angewandt hatte und somit eine
Sterbende wieder ins Leben zurückgeholt hatte. Er hielt diese Vergiftungsart
trotz meiner ausführlichen Anamnese für unwahrscheinlich. Aber er wollte einen
Tierversuch machen. Bei entsprechenden Giftmengen geschah nichts. Erst als
er dies bei einer Beagle- Hündin im
Versuch mit einer viel höheren Giftmenge
nachgestellt hatte und die „tote Hündin“ mit dem Gegengift 4-DMAP wieder
ins Leben zurückgeholt werden musste, klappte es. Selbst bei der höheren Dosis
wurde die Hündin erst nach 9 Minuten bewusstlos. Weger wusste aus meiner
Habilitationsschrift, dass bei 7 Patienten die
Bewusstlosigkeit im Mittel nach 26 Minuten eintrat. In der
Regel tritt dann der Tod nach weiteren 20 Minuten ein. Da die aufgenommene
Dosis klein und die langjährige Gewöhnung an das Gift hoch war, starb die
Vergiftete erst am nächsten Tag. Von den
körpereigenen Schwefelvorräten hängt es ab, wie die Blausäurevergiftung
überstanden wird. Vorher waren beide nach ihrem Orgasmus stets eingeschlafen
und konnten daher die Beeinträchtigung der Gesundheit mit Verwirrung nicht
bemerken. Nur die Gier nach Luststeigerung war letzten Endes doch tödlich. Da
der Wunsch einseitig von der Frau ausging, konnte man dem Mann die Schuld der
Frau nicht in die Schuhe schieben. Beweisend waren die Giftspuren an ihrer
rechten Hand zum Einführen des Gifttampons und die lange Überlebenszeit. Dies
hatte der Richter nicht erkannt. Sein weiterer Fehler war, nicht einen
Klinischen Toxikologen als Gutachter zu hören, sondern nur den Chemiker des
Instituts für Rechtsmedizin, der die Giftmessung durchgeführt hatte. Natürlich
hatte dieser keine Ahnung von klinischen oder gar psychischen Problemen.
Meine Gespräche bat der Angeklagte damals vertraulich
zu behandeln, da er seine Söhne nicht erschrecken und wieder zurück gewinnen
wollte und ihm alles sehr peinlich war. Daher konnte ich ihm nur die Kraft,
weiter zu leben, stärken. Mit der
Tatsache, dass seine Traumfrau nun tot ist, konnte er sich nur schwer
abfinden.
In einem klassischen Fehlurteil wurde der Angeklagte
nicht – wie vom Staatsanwal
So endete ein typischer Justizirrtum mit Vergifteten!
Dies erinnert mich an die Umweltärztin, die
lebenslänglich in Aichach sitzt, weil man ihr zu Last legt, dass sie sieben
Kinder umgebracht hätte, die im Plötzlichen Kindstod verstorben sind und sie
nicht durchsetzen konnte, dass man wenigsten einige exhumiert und bewiesen
hätte, dass in deren Atemzentrum bis zur 2000 fachen Konzentration von
Quecksilber aus dem mütterlichen Amalgam den Atemstillstand ausgelöst hatte.
Dies hätte vielen Eltern verstorbener Säuglinge entscheidend geholfen, die
heute noch deswegen wegen Kindstötung angeklagt werden.
Seltene Selbstmordarten werden stets den Angehörigen
als vermuteten Tätern in die Schuhe geschoben. Je schlampiger man ermittelt –
wie hier als man den Gifttampon übersah – desto sicherer findet das Gericht
irgendeinen Täter.Dies wissen viele Partner, die die „Tatortsituation“ so
auslegten, dass der gehasste Partner als „Mörder“ in die Falle getappt wäre. Zu
ihrem Pech behandelte ich jedoch die Vergiftung so erfolgreich, dass die Rache
nicht klappte und ich was Neues dazu lernte.
Die Klinische Toxikologie bewegt sich heute noch in
mittelalterlicher Medizin!
Richter dürfen nur gemäß den Gutachtern entscheiden.
Gerichtsgutachter, die nur eine Spur Klinische
Toxikologie beherrschen, gibt es derzeit in Deutschland keinen!
Den Chemiker Drasch forderte ich 1990 bei einer
Anhörung auf, doch endlich auch wie im Ausland die hohe
Quecksilberkonzentration in den Kindstod-Leichen zu messen. Zwar fand er dies
entsprechend hoch wie die Amalgamzahl der Mütter, aber nach nachträglicher
Bezahlung der Studie durch den angeklagten Amalgamhersteller, verschlug es ihm
die Sprache bezüglich der Giftfolgen. Staatsanwalt Schöndorf schäumte deswegen
vor Wut. So viel zur Ehrlichkeit der Gutachter!
Da über den Tampon-Tod ein Film läuft, habe ich
den Fall ausführlicher dargestellt.
Tödliches
Sexspielzeug Zyankali
(Auszug aus meiner neuen Biografie)