Tabakindustrie beherrscht Medizin und Politik mit Lügen
German Tobacco Industry’s Successful Efforts to Maintain Scientific and
Political Respectability to Prevent Regulation of Secondhand
Smoke
Annette Bornhäuser, Jennifer McCarthy, Stanton A. Glantz Ph.D.
Einführung
Trotz seiner Führungsrolle im Umweltschutz ist Deutschland heute eines der
wenigen industrialisierten Länder in denen die Tabakindustrie in der
Geschäftswelt sowie vonseiten der Regierung, der Wissenschaft und der
Gesellschaft im Allgemeinen als eine legitime Größe angesehen wird. Die
Tabakindustrie in Deutschland hat es erfolgreich verstanden, die Umsetzung der
Erkenntnisse über die Schädlichkeit des Passivrauchens in wirksame
Gesundheitspolitiken zu verhindern. Sie bediente sich hierzu einer sorgfältig
geplanten Kollaboration mit Wissenschaftlern und politischen
Entscheidungsträgern, und eines ausgeklügelten PR-Programms das in den 1970er
Jahren eingeleitet wurde und seitdem still betrieben wird.
Die Branchenorganisation, der Verband der Cigarettenindustrie
(VdC, kurz „Verband“) wurde im Jahr 1948 von der
Tabakindustrie in Deutschland gegründet. Der Verband vertritt sowohl nationale
als auch multinationale Tabakkonzerne, die in Deutschland ihre Geschäfte
treiben und war bzw. ist in der bundesdeutschen Hauptstadt (Bonn, Berlin)
ansässig, um politische Entscheidungen bestmöglich zu beeinflussen. Bereits in
den frühen Siebzigerjahren wurde das Thema Passivrauchen in Deutschland zum
Politikum, doch die Bundesregierung schaffe es nicht, einen damals
existierenden Gesetzesvorschlag für eine Rechtsvorschrift zum Schutz vor
Passivrauchen zu erlassen. Vielmehr hat die Bundesregierung es bis heute
versäumt, eine wirksame Gesetzgebung zum Schutz vor Tabakrauch im öffentlichen
Raum zu erlassen.
Aufgrund der Einsicht dass Passivrauchen der entscheidende Faktor für
Lebensfähigkeit der Tabakindustrie ist, hat sich der Verband bereits lange vor
der Bundesregierung und den wichtigsten Organisationen im Gesundheitswesen und
Interessengemeinschaften dieses Thema zu eigen gemacht. Dies hatte zur Folge,
dass die Tabakindustrie Regierungshandeln zum Schutz der Bürger vor den
giftigen Inhaltsstoffen des Tabakrauchs erfolgreich verhindert hat.
Der Verband hat Einfluss auf Wissenschaft und Politik genommen indem er die
wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Zusammenhang von Passivrauchen und
Krankheit bestritten hat, Forschungsarbeiten durchgeführt oder finanziert hat,
unabhängige Wissenschaftler rekrutiert hat, Einfluss auf hochrangige
Arbeitsgruppen und Kommissionen genommen hat sowie an wissenschaftlichen
Tagungen teilgenomen, diese koordiniert oder
finanziell gefördert hat.
Im Jahr 1975 wurde der „Forschungsrat Rauchen und Gesundheit“ gegründet. Er
diente der Wissenschaftlichen Abteilung des Verbandes als Beratungsorgan und
sollte den Eindruck vermitteln, dass die Tabakindustrie sich der objektiven
Erforschung und Weiterentwicklung seines Produktes verschrieben hat.
Untersuchungen die als zu heikel galten um sie an externe Wissenschaftler zu
vergeben wurden in einem Labor in München durchgeführt das von Franz Adlkofer geleitet wurde. Im Jahr 1992wurde der
Forschungsrat Rauchen und Gesundheit ersetzt durch die vom Verband gegründete
Stiftung VERUM, deren Wissenschaftlicher und Geschäftsführender Direktor
wiederum Adlkofer wurde.
Der Ärztliche Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit, eine kleine
Nichtregierungsorganisation, die seit den 1970er Jahren im Bereich
Nichtraucherschutz aktiv ist und von Ferdinand Schmidt gegründet wurde, machte
zahllose Versuche, die Regierungspolitik Deutschlands zu beeinflussen. Die
Tabakindustrie reagierte darauf - erfolgreich - damit, dass sie den Ärztlichen
Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit und Schmidt als jenseits der politischen
Mitte darstellte. Vermutlich die wichtigste Autorität im Gesundheitsbereich,
die mit der Tabakindustrie seit den 1980er Jahren verbündet war ist Karl Überla, bis 1985 Präsident des Bundesamtes für Gesundheit
und zugleich Leiter einer privaten Forschungseinrichtung in München, der
Gesellschaft für Information und Statistik in der Medizin (GIS). Im Jahr 1982
nahm der Verband die Überla’s GIS unter Vertrag für
eine Untersuchung über „Passivrauchen und Lungenkrebs“.
Im Jahr 1983 stellte das Bundesgesundheitsministerium eine Arbeitsgruppe über
„Krebsgefährdung durch Rauchen“ zusammen, als ein Beitrag vonseiten Deutschlands
zum EU-Aktionsprogramm „Europa gegen den Krebs“. Von den 24 Mitgliedern, die
das Ministerium geladen hatte, hatten zumindest fünf Personen, Franz Adlkofer, Dietrich Schmähl,
Gerhard Lehnert, Klaus Thurau und Jürgen v. Troschke
für den Verband gearbeitet oder von diesem Finanzmittel erhalten.
Im Großen und Ganzen ist es der Tabakindustrie in Deutschland gelungen, einen
Grad der Angesehenheit aufrechtzuerhalten die ihr Zugang zu hochrangigen
Autoritäten und Wissenschaftlern verschaffte die entweder selbst politikrelevante
Ämter innehatten oder die als Sachverständige oder Mitglieder von
wissenschaftlichen Beiräten direkten Zugang zur Politik hatten. Beispiele
hierfür sind Karl Überla, Präsident des
Bundesgesundheitsamtes, Dietrich Henschler,
Vorsitzender der MAK-Kommission, und Helmut Valentin, Präsident der Deutschen
Gesellschaft für Arbeitsmedizin sowie der Bayrischen Akademie für Arbeits- und
Sozialmedizin.
Trotz der Tatsache, dass die Einstellung der deutschen Bevölkerung
Einschränkungen des Rauchens deutlich unterstützen, war die Tabakindustrie
bemüht, die Tabakkontrolle als eine ernsthafte Bedrohung für die Europäische
Kultur darzustellen, indem diese als zu offen, modern und aufgeklärt für
derartige Aktivitäten porträtiert wurde.
Ungeachtet der Tatsache, dass Umfragen die von der Tabakindustrie durchgeführt
und geheim gehalten wurden für Deutschland sogar eine stärkere Befürwortung von
Einschränkungen des Rauchens zeigten als in den Vereinigten Staaten, karikierte
die Tabakindustrie in Deutschland Maßnahmen zum Schutz der arbeitenden
Bevölkerung vor Passivrauch als US-amerikanischen Extremismus.
Etliche erfolglose Anläufe zur Verabschiedung eines Nichtraucherschutzgesetzes
folgten in den Jahren darauf und am 3. Oktober 2003 trat die novellierte
Arbeitsstättenverordnung in Kraft, die die Arbeitgeber nominell dazu
verpflichtet, ihre Angestellten am Arbeitsplatz vor dem Tabakrauch zu schützen
(ausgenommen sind Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr). Durch diese Verordnung
werden jedoch übergreifend keine rauchfreien Arbeitsplätze geschaffen und bis
Januar 2006 hatte die Bundesregierung noch kein bedeutsames Programm aufgelegt
um die Umsetzung und Vollzug der Verordnung zu fördern.
Im Jahr 2003 waren nahezu ein Drittel (32,5%) der deutschen Bevölkerung Raucher,
neueste Daten zeigen, dass in Deutschland täglich mindestens neun Menschen an
den Folgen des Passivrauchens sterben. Da dieser Berechnung lediglich die
häufige Exposition von Nichtrauchern zu Hause zugrunde liegt, ist die wirkliche
Zahl der Todesopfer wahrscheinlich deutlich höher. Dennoch garantieren bisher
nur wenige Gesetze Rauchfreiheit und hat bis heute keine der wichtigsten
Gesundheitsorganisation in Deutschland sich kontinuierlich dem Passivrauchen
angenommen bzw. dieses zu einem Hauptthema gemacht.
Die Gesundheitspolitik wird in Deutschland bis zum heutigen Tag von
Tabakindustrieinteressen dominiert.
http://www.tabakkontrolle.de/
(Komplette Studie)