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SUPERBAKTERIEN
Keim
lässt Menschen lebendig verfaulen
Eine unheimliche fleischfressende Krankheit breitet sich in den USA aus.
Völlig gesunde, junge Menschen verfaulen am lebendigen Leib. Schuld ist ein
Antibiotika-resistenter Superkeim, der früher nur in Krankenhäusern auftrat,
mittlerweile aber den Weg in die Bevölkerung gefunden hat.
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Janice N. Carr/ CDC Staphylococcus aureus: Werden im Blut zur Gefahr |
Es beginnt ganz harmlos mit Halsschmerzen und Abgeschlagenheit.
Doch dann kann alles sehr schnell gehen: Innerhalb weniger Tage schwillt die
Haut an den betroffenen Stellen an, wird heiß und wirft Blasen. Irgendwann
wechselt die Farbe von rot zu schwarz - die Betroffenen fangen an zu faulen.
Jeder fünfte Patient stirbt. Auch die Behandlung der sogenannten
nekrotisierenden Fasziitis klingt wenig verlockend: Das infizierte Fleisch muss
vollständig herausgeschnitten werden. Manchmal werden auch ganze Gliedmaßen
entfernt.
Bislang war die furchterregende Krankheit selten, sie trat vor allem in
Krankenhäusern auf. Doch amerikanische Ärzte sind besorgt, denn die Zahl der
Fälle hat in den letzten Jahren zugenommen. Allein in den Jahren 2003 und 2004
wurden in einem kalifornischen Zentrum 14 Patienten mit der fleischfressenden
Krankheit gemeldet, berichtet das "New England Journal of Medicine".
Das erschreckende dabei war aber nicht die Krankheit selbst, sondern ihr
Auslöser: Während normalerweise eine Infektion mit Streptokokken-Bakterien zu
der Erkrankung führt, waren in diesen Fällen Staphylokokken für das langsame
Verfaulen verantwortlich. Noch dazu handelte es sich um einen Bakterienstamm,
gegen den das Antibiotikum Methicillin nicht wirkt: der sogenannte
Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA).
Die Keime breiten sich immer weiter aus
Staphylokokken sind kugelförmige Bakterien, die in der Nase und auf der Haut
von Menschen vorkommen. Dort sind sie ungefährlich. Gelangen sie allerdings
über offene Wunden ins Blut, kann eine Blutvergiftung auftreten, gegen die nur
Antibiotika helfen. Einige Stämme des Erregers haben aber eine Resistenz gegen
einzelne Antibiotika entwickelt.
Bislang waren diese "Superbakterien" vor allem in Krankenhäusern
aufgetreten. Doch keiner der kalifornischen Patienten hatte sich in der Nähe
einer Klinik aufgehalten oder war vor kurzem von dort entlassen worden. Die
MRSA haben ihren Weg in die Bevölkerung gefunden und breiten sich immer weiter
aus. Erst kürzlich hatten Wissenschaftler der Vanderbilt University in
Nashville von 500 gesunden Kindern Nasenabstriche genommen und bei 9,7 Prozent
von ihnen MRSA festgestellt. Bei einer Untersuchung vor drei Jahren hatte nur
ein Prozent der Kinder die Bakterien in der Nase.
Anstieg resistenter Keime auch in Deutschland
Die resistenten Bakterien, die in der Bevölkerung im Umlauf sind, scheinen sich
von den bisherigen "Superbugs" zu unterscheiden. "Wenn man sich
die Geschichte der Ausbrüche anschaut wird klar, dass sich die Biologie der
MRSA verändert hat", sagt Scott Fridkin von den Centres for Disease
Control and Prevention gegenüber der BBC. Die MRSA-Bakterien in der
Bevölkerung, die sogenannten Community-MRSA, hätten sich unabhängig von denen
in Krankenhäusern entwickelt und gehörten einem neuen Stamm an.
Auch in Deutschland befürchten Experten, dass sich resistente Keime in der
Bevölkerung ausbreiten. "Bisher sind nur einzelne Fälle von CMRSA
aufgetreten, aber es gibt einen Anstieg", sagt Wolfgang Witte vom Berliner
Robert Koch Institut (RKI) gegenüber SPIEGEL ONLINE. Gemeinsam mit der
Uniklinik Heidelberg ermittelt das RKI zurzeit, wie weit MRSA in der
Bevölkerung verbreitet ist. In den Jahren 2003 und 2004 waren drei der von
ihnen untersuchten 250 Personen mit methicillin-resistenten Staphylokokken
infiziert. Ein Fall, in dem die Keime eine nekrotisierende Fasziitis - die fleischfressende
Krankheit - ausgelöst haben, ist Witte aus Deutschland nicht bekannt.