Online-Besteller werden zu gläsernen Kunden
Sendeanstalt und Sendedatum: NDR, Dienstag, 27. Oktober 2009 im Ersten
Soziale Netzwerke machen Spaß und sind praktisch. Immer mehr Menschen finden
Kontakte, Freunde oder Geschäftspartner über soziale Netzwerke im Internet.
Aber der Diebstahl von einer Million Datensätzen bei "SchülerVZ
zeigt": Diese Netzwerke erhalten auch unerwünschten Besuch. Nun will die
neue Bundesregierung eine Stiftung Datenschutz gründen. Ein Gütesiegel soll dem
Nutzer zeigen, wo seine Daten sicher sind. Denn schon beim Einkaufen im
Internet sind sie es in der Regel nicht.
Unterwegs im größten Gemischtwarenladen der Welt - dem Internet: Schön in
den eigenen vier Wänden nach allem Möglichen suchen und in Online-Läden
stöbern, dann bequem bestellen, ohne dass irgendjemand mitbekommt, was man da
eigentlich kauft – das ist die Idealvorstellung. Doch stimmt sie wirklich?
Was soziale Netzwerke wie etwa Facebook an Daten über ihre Nutzer sammeln und
speichern, ist enorm - und steht deshalb in der Kritik von Datenschützern.
Jedoch offenbart schon ein einfacher Einkaufsbummel im Netz viel mehr über
alltägliche Vorlieben und Gewohnheiten, als einem lieb sein sollte. Und vielen
Computernutzern ist nicht klar, was sie da alles von sich preisgeben.
Es fängt mit der sogenannten IP-Adresse (Internet-Protocol) an - einer Nummer, durch die der Computer im Internet identifizierbar wird. Sie lässt Rückschlüsse auf den Ort zu, von dem aus sich der User auf den Einkaufsbummel im Netz begibt. Ideal also, um etwa Werbung für Produkte oder Dienstleistungen einzublenden, die in der Nähe des Nutzers zu haben sind. Oder zum Einkommensprofil des potenziellen Kunden passen. Denn dessen Standort lässt sich manchmal sogar bis auf den Stadtteil genau bestimmen.
Weil die Verkäufer im Internet gierig nach noch viel mehr Informationen
sind, haben sie sich zusätzlich etwas viel Raffinierteres einfallen lassen: Sie
markieren alle, die bei ihnen vorbeischauen. Dazu bedienen sie sich den
sogenannten Cookies. Diese "Kekse" genannten Profil-Dateien
funktionieren wie ein Fingerabdruck, der bei jedem Besuch einer Internetseite
genommen wird. Für die Verkäufer im Internet wird daraus ersichtlich, was sich
der Nutzer vorher angesehen hat, wie oft er schon da war und welche Interessen
er hat. Irgendwann weiß der Verkäufer dann so viel, dass er sogar ganz
zielgerichtet verlockende Empfehlungen einblenden kann.
Datenschützer sehen dieses enorme Datensammeln äußert kritisch. Gefahr drohe
insbesondere dann, wenn Informationen aus unterschiedlichen Bereichen
miteinander verknüpft würden, so der Datenschutzbeauftragte des Landes
Schleswig-Holstein, Thilo Weichert.
Vor allem ein Unternehmen sammelt gegenwärtig am eifrigsten Informationen
über Netz-Nutzer: Google. Was in diesem Fall aber auch nahe liegt. Denn der Firma
gehört ein Großteil jener Anwendungen, derer sich Internetnutzer sehr gerne
bedienen. Beispiel Suchmaschine: Google speichert über einen Zeitraum von neun
Monaten alles, was ins Suchfeld eingetippt wurde. Und da Google - nicht nur in
Deutschland - das beliebteste Recherche-Werkzeug ist, lagern auf deren
Computern gigantische Datenmengen. Was Google damit genau vorhat, teilt das
Unternehmen indes nicht mit.
Ebenfalls im Visier der Datenschützer ist die Anwendung "Google
Analytics". Sie ermöglicht Internetseiten-Betreibern eine genaue Analyse
des Nutzerverhaltens. Das Programm protokolliert dazu, was sich die
Seitenbesucher angesehen haben. Da die Auswertung jedoch auf den Rechnern am
Firmensitz von Google in den USA geschieht, ist eine Zusammenführung von
Nutzerdaten und deren Weiterverarbeitung zu eigenen Zwecken jederzeit möglich.
Problematisch auch: "Google Mail". Immerhin sind es keine echten
Personen, die bei "Google Mail" die elektronische Post öffnen,
sondern nur Computer. Die aber scannen die E-Mails akribisch nach
werberelevanten Inhalten und blenden dann die passende Reklame dazu ein. Um dem
zu entgehen, hilft nur der Verzicht auf diesen Dienst.
Das Wissen, welches Individuum da vor dem Computer hockt, ist viel wert. Denn wer exakt weiß, was Kunden wünschen, macht den größten Umsatz. Der Haken: All diese Informationen basieren darauf, dass man beim Surfen quasi ein Abbild seines Lebens hinterlässt. Problematisch wird es spätestens dann, wenn für den Internet-Nutzer nicht mehr klar ist, wohin seine Daten fließen. Was passiert beispielsweise, wenn die Versicherung erfährt, dass man "Burnout-Syndrom" 'gegoogelt' hat oder der Arbeitgeber weiß, dass man die Produkte der Konkurrenz lieber kauft? Thilo Weichert, der Datenschützer des Landes Schleswig-Holstein, berichtet von Fällen, in denen sensible persönliche Daten teilweise für private, aber auch für staatliche Zwecke genutzt wurden. So habe ein Kauf beim Internet-Buchhändler Amazon dazu geführt, dass der Kunde nicht in die USA einreisen durfte.
Gegen die Neugierde von Google & Co. helfen schon wenige Einstellungen am Browser, dem Zugangsprogramm ins Internet: Wer das Ablegen von Cookies auf dem eigenen Rechner verhindern möchte, sollte deren Annahme grundsätzlich blockieren. Möglich auch: Ihren Einsatz temporär zulassen, weil sonst bestimmte Internetseiten nicht mehr benutzt werden können. In jedem Fall ist es empfehlenswert, die Cookies beim Beenden des Browsers zu löschen. Gleiches gilt für den Verlauf, das Verzeichnis der im Internet besuchten Seiten.
Einige Browser bieten auch eine Funktion an, die ansatzweise ein anonymes Surfen im Internet ermöglicht. Hier werden von vornherein keine sensiblen Informationen übermittelt. Ganz unbeobachtet unterwegs zu sein, ist jedoch nur mit einem Anonymisierungsdienst möglich, der alle Daten verschlüsselt aussendet. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein hat auf seinen Internet-Seiten dokumentiert, wie man seine Daten vor Schnüffelei schützt.
Autoren: Christine Buth, Dirk Zblewski
Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein
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Fax: (0431) 988-12 23
Internet: datenschutzzentrum.de