Selbstbestimmung bis zum Tod

Das jüngste Medienspektakel um die Koma-Patientin Terri Schiavo hat die Diskussion über Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten erneut entfacht. Der Fall zeigte vielen Menschen, dass nur eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema "Patientenwille" die Selbstbestimmung über Leben und Tod gewährleisten kann. Den Fragen der Öffentlichkeit zu medizinischem und juristischem Hintergrund stellte sich nun das Interdisziplinäre Zentrum für Palliativmedizin (IZP) und das Institut der Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz.


"In Würde leben und in Würde sterben dürfen" sah Dr. Beate Merk, Bayerische Staats -ministerin der Justiz, als eines der wichtigsten, im Grundgesetz verankerten Rechte für den Menschen. Die Debatte über die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen veranlasse die Bayerische Justizministerin, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. April 2003 nochmals zu interpretieren. Dieses besage, dass der beispielsweise in einer Patientenverfügung geäußerte Wille eines Patienten, dessen "Grundleiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen habe", in diesem Augenblick Gültigkeit erlange. Diese Beschreibung beziehe sich nicht nur auf die unmittelbare Sterbephase, sondern auch auf eine Situation, in der klar sei, dass ein Mensch nicht mehr als bewusste Persönlichkeit ins Leben integriert werden könne, wie dies bei einem so genannten Wachkomapatienten der Fall sei, so Merk. Professor Dr. Wolfgang Eisenmenger, Vorstand des Instituts für Rechtsmedizin der LMU, sah in dieser Begrifflichkeit ohnehin ein Problem der Definition, was eine Verwässerung der Lage mit sich bringe. "Bereits mit dem Leben beginnt der irreversible Verlauf, mehr kann man nicht definieren", betonte Eisenmenger.

Aktive und passive Sterbehilfe

Die Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen für die Ärzte, eine verbreitete Unsicherheit aufgrund der nicht eindeutigen Gesetzeslage und zu wenig Wissen auf dem Gebiet der Palliativmedizin sei die Ursache dafür, dass manchen Patienten beispielsweise eine Schmerzbehandlung mit Morphin bei Atemnot verwehrt bleibe, meinte Professor Dr. Gian Domenico Borasio, Palliativmediziner und Neurologe, Geschäftsführer des IZP Klinikum Großhadern der LMU. Dagegen helfe nur, den Wissensstand der Beteiligten zu verbessern und Termini wie "passive" gegen "aktive Sterbehilfe" eindeutig abzugrenzen. Das Unterlassen einer lebenserhaltenden Maßnahme sei dabei zweifelsfrei eine passive Handlung, das "Eingreifen in ein Leben, um den Tod zu beschleunigen, auch wenn der Patient dies so wolle", dagegen eine aktive, erklärte Professor Dr. Heinz Schöch, Lehrstuhl für Strafrecht, Kriminologie, Jugendrecht und Strafvollzug, Juristische Fakultät der LMU. Um der Unwissenheit auf diesem Gebiet entgegenzuwirken, wurde an der LMU bereits eine Pflichtvorlesung "Palliativmedizin" eingeführt, in der unter anderem auch Prüflings -wissen zu Sterbebegleitung und Patientenverfügung vermittelt wird. Denn "solange elementare Grundsätze der Palliativmedizin wie zum Beispiel die Tatsache, dass Menschen in der Sterbephase in der Regel keinen Hunger verspüren, den meisten Ärzten unbekannt bleiben, erschwert dies die Entscheidungsprozesse am Lebensende", stellten Borasio und Eisenmenger unisono fest.

Frühzeitig Vorsorgen

Um die Selbstbestimmung eines Patienten auch noch dann garantieren zu können, wenn dieser selbst seinen Willen nicht mehr äußern kann, müsse sich der Arzt, sofern eine Patientenverfügung vorliegt, dieser fügen. Eigentlich sollte sich jeder ab 18 Jahren um eine solche Verfügung bemühen und diese ständig aktualisieren, so die Justizministerin. "Keine Patientenverfügung ohne Vorsorgevollmacht" riet zudem die Palliativmedizinerin Dr. Elisabeth Albrecht im Rahmen der Pressekonferenz "Patientenwille und Selbstbestimmung", die der Bayerische Notarverein e. V veranstaltete. Die beiden Instrumente würden sich gut ergänzen und die Treuhandperson könnte bei Lücken in der Patientenverfügung dem Willen des Patienten entsprechend fur diesen entscheiden. Wichtig sei beim Verfassen einer solchen Verfügung der stete Dialog mit dem Arzt und einer Person des Vertrauens, waren sich alle Experten einig.

Elektronische Registrierung

Für einen schnellen und unkomplizierten Zugriff auf Vorsorgeverfügungen sorge das seit 2003 verfügbare Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer (ZVR). Dort würden Vorsorgevollmachten sowie damit kombinierte Patientenverfügungen für eine einmalige Gebühr von höchstens 18,50 € dauerhaft registriert. Mit einem Internetzugang als Voraussetzung könne dann das Vormundschaftsgericht im Ernstfall schnell auf elektronischem Weg herausfinden, ob eine Verfügung vorliege und wer bevollmächtigt sei, da die Vertrauensperson direkt mit Adresse registriert und nicht, wie bei der Patientenverfügung, beim Notar hinterlegt sei (www.vorsorgeregister.de).

Eine Broschüre zum Thema Patientenverfügung kann auf der Internetseite des Ministeriums unter www2.justiz.bayern.de/daten/pdf7vorsorge2004.pdf heruntergeladen werden.

Quelle: Bayerisches Ärzteblatt 05/2005, Seite 335