1976 Schnelle TOX Hilfe über Fliegenden Toxikologen

Über 150 Hubschraubereinsätze flog ich zu schweren Vergiftungen, bei denen die örtlichen Krankenhäuser überfordert waren.

- Beim ersten Einsatz lief in Passau eine Wiederbelebung bei einer schweren Zyankalivergiftung. Das Krankenhaus hatte das lebensnotwendige Gegengift 4-DMAP nicht vorrätig und erbat es und meine Beratung. Ich hatte mich ja damit habilitiert und eine (fast) Tote damit wiederbelebt. Der ADAC-Hubschrauber musste in Erding zwischenlanden zum tanken. Verzweifelt funkten die Ärzte, dass es der Patientin so schlecht ginge und die Herzmassage läuft.

Dann kamen wir bei Mühldorf in ein Gewitter, der Hubschrauber musste tief fliegen. Plötzlich riss der Pilot das Steuer hoch, beinahe wäre er in eine Starkstromleitung gerast: der sichere Tod für alle. Er wollte umkehren. Wir fragten an der Klinik nach. Flehentlich baten sie uns, doch zu kommen. Blitz, Donner und ein Wolkenbruch machten den Weiterflug zur Höllenfahrt. Dann waren wir durch die Gewitterfront durch, da kam der Funkspruch: "Die Reanimation ist abgebrochen, danke". Wir kehrten um und mir wurde es fürchterlich übel, ich erbrach alle Behältnisse voll, die wir an Bord hatten. Daraufhin bestellte ich mir stets den geräumigen, sichereren SAR-Hubschrauber der Bundeswehr, der sicherer flog und zudem geräumiger war. Stets nahm ich einen Assistenten, nachts eine Schwester oder am Wochenende einen Sohn als Helfer mit. Dies war für Schwervergiftete, die beatmet werden mussten, sehr wertvoll.

Aus Kempten wurde ein Pärchen, die vor Liebeskummer gemeinsam ein Fläschchen E605-forte für 6,50 DM geschluckt hatten und wegen ihres Herzstillstandes wiederbelebt werden mussten, eingeflogen. Leider dauerte es zu lange, bis sie das lebensnotwendige Antidot Atropin erhielten, so dass sie infolge ihres Hirnödems Hirntod blieben. Ich blieb zwar 5 Tage und Nächte bei ihnen, um zahlreiche Komplikationen zu beheben, aber der Tod war unausweichlich.

- Eine Woche später wurde ihre Mutter nach Einnahme von 300

Tabletten mit einer schweren Carbromalvergiftung von mir in Dialyse eingeflogen. Sie überlebte.

-Aus einem Kreiskrankenhaus wurde eine 16jährige eingeflogen, nachdem sie bei einer forcierten Diurese 20 l vom Chefarzt der Anästhesie zuviel bekommen hatte. Weil der Chef rechtliche Probleme befürchtete, holten wir das Mädchen auf die TOX. Der Transport im Lungenödem unter Maskenbeatmung war extrem schwierig. "Die stirbt sicher", rief mir der Chef hämisch nach. Sie überlebte die Vergiftung, starb jedoch nach drei Wochen an den Folgen der Schocklunge auf der Anästhesie.

- Kurz danach rief der Chef wieder an und sagte, "kommen´s rasch, ich habe einen schweren Vergiftungsfall für sie". Bei der Ankunft stand er schon am Hubschrauberplatz. Der Patient war sein Sohn, ein 21jähriger Fixer mit einer schweren Vergiftung mit Alkohol, Morphium und Psychopharmaka. Ich spritzte sofort Physostigmin und er erholte sich schlagartig. Der Transport war nach Aufheben der schweren Herzrhythmusstörungen nicht mehr so riskant. Der Patient überlebte. Sein Vater sprach danach auf allen Ärztekongressen über den Segen des Physostigmintestes.

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(Auszug aus meiner neuen Biografie)