Reichl und Zilker kennen nur eine kranke Psyche
Das MCS-Syndrom
(Vielfachchemikalienüberempfindlichkeit) wird oft als eine Krankheit des 20. Jahrhunderts
bezeichnet. Insbesondere in den USA wurde und wird dieses Syndrom intensiv
erforscht. Bei der Pathogenese der MCS verdichten
sich die Hinweise auf Umweltfaktoren, insbesondere Chemikalien.
In Deutschland sind erste
Bestrebungen zu erkennen, in Sachen MCS durch das Umweltbundesamt ein
Forschungsprogramm zu starten. Bisher wird allerdings die Existenz des MCS-Krankheitsbildes von Repräsentanten der deutschen
Schulmedizin vehement verneint.
Die DGUHT beschäftigt sich
seit Jahren mit der MCS-Problematik. Die folgende
Stellungnahme soll diese Aktivitäten - auch als Angebot auf konstruktive
Mitarbeit der Gesellschaft bei dem Forschungsvorhaben des Bundesumweltamtes -
unterstreichen.
Es geht um den
"Taschenatlas der Toxikologie - Substanzen, Wirkungen, Umwelt",
herausgegeben von Privatdozent
Auf wenigen Seiten wird in
einem vom Herausgeber und von Herrn Prof.
1. Selbstverständlich gibt
es Zusammenhänge zwischen "Psyche" und "Umweltgiften". Es
wird in diesem Kapitel aber völlig einseitig die Richtung erkrankte Psyche
(vermeintliche Ursache: Umweltvergiftung) beschrieben, nicht jedoch die
Richtung Umweltvergiftung (insbesondere durch neurotoxische Noxen).
Selbst unter der Überschrift "Umweltgifte als Krankheitsverursacher"
wirkt das Gift nur über die Psyche.
2. Es wird nahezu
abgestritten, daß es eine "unspezifische
Symptomatik" durch Umweltnoxen gibt. Es wird
suggeriert, Umweltgifte müßten "spezifische
Wirkungen" hervorrufen, ansonsten kämen nur psychische Ursachen in Frage.
3. Der Zynismus des
gesamten Beitrags einschließlich der Illustrationen läßt
jegliche Objektivität vermissen. Das Kapitel kumuliert in der entlarvenden
Polemik der Autoren, die die Schäden durch Umweltgifte nicht in ihrer
Toxizität, sondern ausschließlich in den entstehenden Kosten aufgrund
gewonnener Prozesse von vermeintlichen Umweltopfern sehen. Die beiden Autoren
kommen zu dem Schluß, daß
dies aber der Preis ist, den die moderne Gesellschaft für die zunehmende
(völlig ungefährliche??) Chemisierung und Energisierung unseres Lebens bezahlen
muß.
4. Der Beitrag diskutiert
in keiner Weise die Ergebnisse internationaler Forschungen auf dem Gebiet der
in unserem Jahrhundert neu hinzugetretenen komplexen Umwelterkrankungen wie
MCS-IES, SBS, CFS und viele andere mehr. Literaturhinweise, die zu einer
Versachlichung der Diskussion führen könnten, fehlen. Man geht offenbar davon
aus, daß diese Umwelterkrankungen oder Syndrome nur
einen gemeinsamen Nenner haben können: die Psyche!
5. Dem großen Kreis der
Umweltkranken und den Selbsthilfegruppen werden in erster Linie lobbyistische
Interessen unterstellt. Kein Wort über die therapeutischen Ansätze und ersten
Erfolge dieser Selbsthilfegruppen. Es ist das Fazit der Verfasser, daß eine Besserung der Symptome bei diesen vermeintlichen
Umweltkranken wohl am ehesten durch psychotherapeutische Maßnahmen zu erreichen
sein wird. Auf Methoden der modernen Schulmedizin, Präventionsmaßnahmen oder
auf alternative Verfahren wird nicht eingegangen. Defizite in der
Umwelttoxikologie hinsichtlich der Abwehr von Gefahren und Risiken für die
Gesundheit werden nicht angesprochen. Dies gilt sowohl für Forschungsdefizite
als auch für gravierende Defizite in der Bewertung der Rolle der sich neu
entwickelnden regulatorischen Toxikologie.
6. Die DGUHT distanziert
sich von dieser unsachlichen und einseitigen Darstellung des Themenkreises
Umweltgifte und psychische Störungen der Verfasser Reichl
und Zilker. Es ist nahezu ironisch, daß in einem
Vorwort zu diesem "Taschenatlas der Toxikologie - Substanzen, Wirkungen,
Umwelt" dieses "Werk" als ideale Vorbereitung für
pharmakologische und toxikologische Prüfungen angepriesen wird. Dieser
(Selbst-)Einschätzung des Herausgebers und der Mitverfasser können wir
bezüglich der polemischen und unwissenschaftlichen Darstellung des Kapitels
Umweltmedizin nicht folgen.
Rubrik: Umweltmedizin Fr, 24.11.2000 14:49 / Vorstand gez. Prof.
Datum: 19.01.2006