Rauchergift in der Gaststätte

Auch Nichtraucherplätze hochgradig mit Schadstoffen belastet

30 Prozent aller Lokale, die regelmäßig Speisen anbieten und über 75 Quadratmeter bzw. über mehr als 40 Sitzplätze verfügen, sollen nach einer Vereinbarung zwischen dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) und dem Gesundheitsministerium bis zum 1. März 2006 mindestens 30 Prozent des Platzangebotes für Nichtraucher bereithalten. Doch was den Nichtrauchern geboten wird, sind keine rauchfreien Plätze, sondern meist ausgesprochene Giftinhalationszonen.

Das zeigen Feinstaubmessungen der Nichtraucher-Initiative Deutschland und des Ärztlichen Arbeitskreises Rauchen und Gesundheit Mitte Januar und Anfang Februar dieses Jahres in München und Berlin. Die Werte für die besonders gesundheitsschädlichen kleinen (weil lungengängig) Partikel mit der Parti-kelmasse (PM) 1,0 und 2,5 liegen um ein Vielfaches über den Werten, die in tabakrauchfreien Innenräumen und in der Außenluft zu messen sind. Während in von Tabakrauch unbelasteten Räumen die Werte für PM1,0 durchwegs bei 0 und 1 Mikrogramm liegen, betragen sie in Nichtraucherzonen von Gaststätten gemeinsam genutzten Räumen 5, 10, 15 und mehr Mikrogramm. Für die ebenfalls lungen-gängigen bis zu 2,5 Mikrometer großen Partikel gilt für rauchfreie Räume in der Regel ein PM-Wert von 1 bis 3, während die Nichtraucherzonen in "Gemeinschaftsräumen" mit 10, 25, 35 und mehr Mikrogramm an gesundheitsschädlichen Feinstaub belastet sind.

FAZIT: Ein wirksamer Schutz vor dem Innenraumschadstoff Tabakrauch ist nur durch ein generelles Rauchverbot wie in Italien, Irland, Norwegen usw. sowie ab Mitte 2007 auch in Großbritannien zu erreichen.

Ein Paradebeispiel für die Unwirksamkeit von Nichtraucherplätzen bietet das traditionsreiche Münchner Lokal Unionsbräu Haidhausen. Es wird geführt von Ludwig Hagn, dem Präsidenten des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes und Stellvertretenden Präsidenten des Dehoga. Am Eingang des Lokals verkünden Aufkleber, dass hier den Bedürfnissen sowohl der rauchenden als auch der nichtrauchenden Gäste Rechnung getragen wird. Doch wer darauf setzt, wird schnell eines Besseren belehrt. Im Gastraum gibt es zwei Tischreihen, eine mit und eine ohne Aschenbecher. Da die Trennung zwischen Raucher- und Nichtrauchertischen der Länge nach erfolgt (der Raum ist etwa fünfmal so lang wie breit), sitzen Nichtraucher und Raucher stets Tisch an Tisch. Kein Wunder also, dass die Messungen an Nichtraucherplätzen dieselbe Schadstoffbelastung bringen wie die an Raucherplätzen.

Der Unionsbräu bietet auch einen eigenen Raum für Nichtraucher an. Dieser wird jedoch vom Raucherraum her belüftet und weist deshalb nur um etwa ein Drittel geringere Feinstaubwerte auf.

Das Weisse Brauhaus, ein zweites renommiertes Traditionslokal in München, hat eine ganze Nichtraucher-Etage. Sie liegt jedoch oberhalb der Raucheretage im ersten Stock. Die warme schadstoffhaltige Luft steigt deshalb nach oben und reichert die dort befindliche Luft mit Tabakverbrennungsprodukten an, so dass - je nach Abstand zur obersten Treppenstufe - Feinstaubwerte von bis zu 10 (PM 1,0) und 20 Mikrogramm (PM 2,5) zu messen sind. Gesundheitsschädlich sind - wenn es sich um Tabakrauch handelt - bereits Feinstaubwerte über 4 Mikrogramm bei 2,5 Mikrometer großen Partikeln.

Der Münchner Ratskeller weist von allen getesteten Gaststätten vor allem dank der großen Nichtraucherzone die geringsten Feinstaubwerte an Nichtraucherplätzen auf. Schadstoffbelastet sind jedoch vor allem die Übergangsbereiche zwischen Raucher- und Nichtraucherzonen über mehrere Meter hinweg. Voll mit Tabakverbrennungsprodukten belastet ist der Gang mit den "Rauchernischen".

Auch gut abgetrennte Nichtraucherräume sind nicht ganz schadstofffrei. Das zeigt sich z.B. beim vegetarischen Restaurant Prinz Myshkin in der Münchner Innenstadt. Es verfügt zwar über einen großen Raum für Nichtraucher und einen kleinen für Raucher. Von letzterem können Schadstoffe vor allem durch Personenbewegungen und Luftverwirbelungen in den Nichtraucherraum transportiert werden. Wirklich tabakrauchfreie Luft können nur gänzlich rauchfreie Gaststätten bieten.

Im Münchner Hofbräuhaus dem Rauchertod ganz nah Eine richtige Raucherhöhle ist die Schwemme im Hofbräuhaus. Hier wurden die mit Abstand höchsten Feinstaubwerte gemessen: zwischen 64 und 94 Mikrogramm bei den PM1,0-Partikeln und 140 bis 288 bei den PM2,5-Partikeln. Ein Aufenthalt dort stellt sowohl für die nichtrauchenden als auch für die rauchenden Gäste eine erhebliche Gesundheitsgefahr dar. Zwar ist das Personal auch in den anderen Gaststätten durch Passivrauchen gesundheitlich gefährdet. Doch das Risiko, an Herzinfarkt oder Lungenkrebs zu erkranken und zu sterben, ist für das Personal im Hofbräuhaus extrem hoch.

Der EU-Feinstaubgrenzwert von 50 Mikrogramm für die Außenluft bezieht sich auf Partikel der Größe 10 Mikrometer (PM10), also relativ große Partikel. Im Hofbräuhaus waren die gemessenen Werte bis zu zwölfmal so hoch (zwischen 321 und 584 Mikrogramm). Die Luft an Durchgangsstraßen für Lastwagen ist also im Vergleich zur Luft im Hofbräuhaus fast Reinluft.

Auch Berliner Politiker-Lokale voller Schadstoffe Anschauungsunterricht über Innenraumschadstoffe gibt es in Berlin u.a. im Café Einstein und im Re-staurant Ständige Vertretung. Beide Lokale werden gern von Politikern aufgesucht. Der EU-Grenzwert wird in beiden Lokalen um das Drei- und Vierfache überschritten. Bei den kleinen und deshalb gesundheitsschädlicheren Partikeln liegen das Einstein und die Ständige Vertretung ebenfalls in der Spitzen-gruppe. Die PM1,0-Werte liegen im Durchschnitt bei 25 (Einstein) und 50 (Ständige Vertretung) Mikrogramm und die PM2,5-Werte bei 55 bzw. 107 Mikrogramm. Würde Trinkwasser auch nur einen Bruchteil dieser Schadstoffmengen enthalten, würde es sofort für ungenießbar erklärt werden. Diejenigen, die das Trinkwasser derart verschmutzen, würden strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Die Erfahrung mit den Feinstaubmessungen in Gaststätten lassen u.a. folgende Schlussfolgerung zu: Je später der Abend, desto gesundheitsschädlicher die Luft. Der Grund dafür ist ganz banal: Wer isst, raucht nicht. Zwischen 18 und 20 Uhr ist die Luft deshalb weniger belastet als danach.

Die NID fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, die Verbreitung des hochgiftigen Schadstoffgemisches Tabakrauch so zu regeln, dass die Bürger wirksam vor Tabakrauchimmissionen geschützt werden.

Ernst-Günther Krause, geschäftsführender Vizepräsident

 

Quelle: http://www.nichtraucherschutz.de/presse/index.html#Pressemitteilung%20vom%2019.%20Februar%202006