|
Radioaktivität |
www.toxcenter.de
Handbuch der Umweltgifte CD Ausgabe 6/06 Auszug Kapitel: Radioaktivität Inhalt: 1) Radioaktivität - Beschaffenheit 2) Radioaktivität - Maßeinheiten für die Strahlenbelastung des Menschen 3) Radioaktivität - Vorkommen, Definitionen 4) Radioaktivität - Tschernobyl 5) Radioaktivität - Strahlenbelastung in der Medizin 6) Radioaktivität - Atomwaffen 7) Radioaktivität - Wirkungscharakter 8) Radioaktivität - Symptome 9) Radioaktivität - Nachweis, Erforderliche Meßwerte 10)Radioaktivität - Tragbare Kontaminationsmonitore 11)Radioaktivität - Therapie, Erste und letzte Hilfe 12)Radioaktivität - Radioaktive Unfälle 13)Radioaktivität - Cäsium-Dekontamination von Fleisch (Kreuzer) 14)Radioaktivität - Enterohepatische Elimination von Radiocäsium 15)Radioaktivität - Prophylaxe, Schilddrüsenprophylaxe mit Jod bei Reaktorzwischenfällen 16)Radioaktivität - Maßnahmen beim Kernunfall 17)Radioaktivität - Wasser18)Radioaktivität - Lebensmittel-Vorratshaltung, Trockenvorräte und
Konserven 19)Radioaktivität - Radioaktive Gefahrenquellen, Transportunfälle 20)Radioaktivität - Rundfunk- oder Lautsprecherwarndurchsage (Beispiel) »Achtung, Achtung! 21)Radioaktivität - Panikverhütung, Nur keine Panik! 22)Radioaktivität - So bereiten Sie sich auf den Tag vor, den Sie niemals erleben wollen 23)Radioaktivität - Grundausstattung 24)Radioaktivität - Lebensmittelvorrat 25)Radioaktivität - Risikobewertung, Risiko für Ungeborene, Schutz vor zusätzlicher Kontamination 26)Radioaktivität - Besonderheiten, Mittlerweile haben über 7000 Atomtest- Veteranen ihre Gesundheitsprobleme 27)Radioaktivität - Uranmunition 28)Radioaktivität - Literatur RadioaktivitätBeschaffenheit:Tab. 1: Übersicht über die wichtigsten Radionukleide (Halbwertszeit: Zeit, in der von einer Menge eines radioaktiven Stoffes die Häftezerfallen ist. Halbwertszeiten reichen von Bruchteilen einer Sekunde bis zu vielentausend Jahren)Tab. 2: Radiologische Einheiten Maßeinheiten für die Strahlenbelastung des Menschen1) Die Energiedosis mißt die Energieabgabe von Strahlung an Materie, bezogen aufdie Masse der Materie.Einheit ist das Gray.1 Gray, abgekürzt 1 Gy, ist dieEnergieabgabe von 1 Joule pro Kilogramm Materie.Bis Ende 1985 wurde für dieEnergiedosis die um einen Faktor 100 kleinere Einheit rad verwendet.1 Gy = 100 rad; 1 rad = 1/100 Gy. 2) Die Äquivalentdosis berücksichtigt neben der Energieabgabe an Materie noch die
unterschiedliche Wirkung verschiedener Strahlenarten auf das Zellgewebe eineslebenden Organismus, indem die Energiedosis mit einem »Qualitätsfaktor«multipliziert wird. Einheit ist das Sievert.1 Sievert, abgekürzt 1 Sv, ist dieEnergiedosis (ausgedrückt in Gray) multipliziert mit dem Qualitätsfaktor.Bis Ende
1985 wurde für die Äquivalentdosis die um einen Faktor 100 kleinere Einheit remverwendet.1 Sv = 100 rem; 1 rem = 1/100 Sv. 3) Die effektive Äquivalentdosis bewertet das gesamte Langfristrisiko einerEinzelperson aus ihrer Strahlenbelastung unter Berücksichtigung der
unterschiedlichen Empfindlichkeit der verschiedenen Organe des Körpers. Sie wirderrechnet, indem die einzelnen Organdosen, mit einem Wichtungsfaktor multipliziert,addiert werden.Einheit ist wie bei der Äquivalentdosis das Sievert (früher das rem).Tab. 3: Umrechnung Tab. 4: Radiotoxikologische Einteilung der Isotope Abgesehen von der Entfernung vom Unglücksort (meteorologische
Verdünnungseffekte) und von der Menge des Uraninventars des durchgegangenenReaktors ist für das Ausmaß der Kontamination und Inkorporierung entscheidend,wie lange die Brennstäbe zur Zeit des Unglücks in Betrieb waren, denn je länger der
Abbrand, desto mehr radioaktive Spaltprodukte und die durch Kernaufbauentstandenen Transurane haben sich im Kernreaktor angereichert, insbesondereneben dem Jod-131 die wegen ihrer hohen effektiven Halbwertszeit biologischbesonders gefährlichen Radionuklide wie Strontium-90 und Plutonium-239. NebenQuantität (Messung der Zerfallsraten) muß man auch die Qualität (Art desRadionuklids) kennen, um ein ausgewogenes Urteil zur jeweiligenGefährdungssituation abgeben zu können. VorkommenDefinitionen: - Störfall: Ereignisse, die aus Sicherheitsgründen keine Fortsetzung des Betriebserlauben - Unfall: Eine oder mehrere Personen sind einer Strahlenexposition über denGrenzwert hinaus ausgesetzt.- GAU (größter anzunehmender Unfall): Alle Betriebsangehörigen in der Anlage sind
betroffen, die Bevölkerung ist jedoch durch das Funktionieren vonSicherheitsvorkehrungen im Werk geschützt. - Super-Gau: durch einen Ausfall aller Sicherheitsvorkehrungen (Notkühlsysteme)treten große Mengen radioaktiver Substanzen ins Freie, es kommt zur nukleareninternationalen Katastrophe (Tschernobyl). Das Ausmaß eines Super-Gaus ist abhängig von meteorologischenVerhältnissen: a) Windstille oder Inversionslage:höchste Strahlenaktivität im Umkreis des Kernkraftwerkes. Die Zentralzone hat einenRadius von etwa 5 km, dort sind die meisten Todesfälle zu erwarten. Die Augenzonehat einen Radius von 35-50 km(oder mehr). b) starker Wind aus einer Richtung:Die radioaktive Wolke kann bis zu einem Radius von 1000 km stark erhöhteDosiswerte bringen. c) Regen:Beim Abregnen wird die radioaktive Wolke ausgewaschen, und der Bewuchs bzw.die Erde erreichen maximale Dosiswerte (Tschernobyl/Bayern). Hier kann dieNahrungskette wie in der Zentralzoneradioaktiv verseucht werden. AtomkraftwerkeEine Studie von Professor Eberhard Greiser vom Bremer Institut fürPräventionsforschung hat 1994 ergeben, daß im Umkreis von fünf Kilometern umden Reaktor des AKW das Risiko für Erwachsene, an Blutkrebs zu erkranken, um 78Prozent größer ist als im Durchschnitt der umliegenden Kreise. In der Umgebung von
Krümmel war in der Vergangenheit bereits eine Häufung von Leukämie-Fällen beiKindern festgestellt worden: 1990 bis 1991 waren dort sechs Kinder erkrankt(Stuttgarter Nachrichten, 10.9.94).Abb. 1: Die radioaktive Bodenbelastung durch Cäsium in Bayern im Mai 1986 Auch die Leukämiehäufigkeit bei Kindern, die nahe bestimmter ostdeutscherAtomanlagen wohnen, ist erhöht. Das ergibt sich aus einer unveröffentlichten Studievon Mitarbeitern der Zweigstelle des Bundesgesundheitsamtes (BGA) in Berlin-Karlshorst, wo das Zentrale Krebsregister der DDR angesiedelt war. Demnach warfür die Jahre 1979 bis 1988 das Leukämierisiko für Kinder, die im Umkreis von zehnKilometern um die Atomanlage Dresden-Rossendorf lebten, mehr als doppelt sohoch wie in einer Vergleichsregion: Sechs Kinder erkrankten in dieser Zeit statt dererwarteten 2,84 Fälle. Ebenfalls zweifach erhöht war das Leukämierisiko für Kinderim Zehn-Kilometer-Umkreis des Atomreaktors Rheinsberg. In der Umgebung derReaktoranlage von Greifswald war das Risiko um 50 Prozent erhöht. Alle Anlagen
sind nach der Wende abgeschaltet worden. Nicht ausgeschlossen werden könneallerdings, so Mitarbeiter der Zweigstelle des BGA in Berlin-Karlshorst, daß andereUrsachen als die Strahlenbelastung zu der Risikoerhöhung beigetragen hätten. Dennin manchen Gebieten Ostdeutschlands, die weit von Nuklearanlagen entfernt seien,wie im Landkreis Eberswalde, sei das Leukämierisiko für Kinder in diesem Zeitraumsogar dreifach erhöht gewesen. Dem amtlichen Strahlenbericht der Bundesregierung
für 1990 zufolge war in Deutschland die Strahlenbelastung für die Bevölkerung in derUmgebung Rosendorfs mit Abstand am größten. TschernobylAm 25. April 1986 begann die Mannschaft im Reaktor IV des AtomkraftwerkesTschernobyl den Reaktor »zurückzufahren«; um 14 Uhr wurde - ein Verstoß gegen
alle Bedienungsvorschriften - das Notkühlsystem abgeschaltet. Sinn des gefährlichenUnternehmens: ein Experiment zur Leistungsreduzierung des Reaktors. Doch diesesExperiment geriet außer Kontrolle. Am Morgen des 26. April, um 1 Uhr 24 Minuten
Ortszeit, explodierte der Reaktor, die Halle und das Turbinengebäude wurdenzerstört. Insgesamt 31 Todesopfer forderten die Explosion und der sich unmittelbaranschließende Brand. Nach der Explosion in Block IV, damals drei Jahre in Betrieb,
stieg eine Feuersäule zum Himmel empor, das radioaktive Inventar des Reaktorswurde in große Höhen emporgewirbelt und vom Wind fortgetragen. Zunächstherrschte Ostwind, dann Wind aus südlicher Richtung: die nördliche Ukraine und dasheutige Weißrußland sind deshalb vom radioaktiven Niederschlag der nächsten Tageam stärksten betroffen. Doch auch in Westdeutschland ist nach dem Unfall erhöhteRadioaktivität meßbar. In München wurde in den ersten Maitagen eineGesamtbodenaktivität von 290.000 Becquerel pro Quadratmeter gemessen.Abb. 2: Radioaktive Verseuchung eines Innenhofes in München im Mai 1986Abb. 3: Aktivitätszufuhr auf den Boden von Cs-137 und Sr-90 durch früherenKernwaffenfallout sowie durch den Reaktorunfall in Tschernobyl in München(GSF). Am 9. Mai 1986 betrug die Strahlung auf der Rasenoberfläche 60.000 Bq/qm, diesentspricht einer Dosisleistung für am Boden spielende Kinder von 80 Mikrorem/h.Der Cäsium-Fall-out nach Tschernobyl war mehr als fünfmal so hoch wie nach denAtombombenversuchen der 50er und 60er Jahre (Abb. 3). Während die täglicheAufnahme von Cäsium 137 1981 bei 2,7 Bq (Abb. 4) lag (1964 bei 8,9), muß heutebei einem durchschnittlichen Speiseplan des Erwachsenen nach E. Wirth und C.Leising lnstitut für Strahlenhygiene, Abt. für Radioökologie, BGA) mit einer täglichenStrahlenbelastung von 100-150 Bq Gesamtcäsium gerechnet werden. Da bei einerSchwangeren davon etwa 20% in die Muttermilch übertreten, könnte die Muttermilchmit 30 Bq Cäsium 134 und 137 bei durchschnittlicher Ernährung belastet sein.Stichprobenartige Messungen der Muttermilch erbrachten bei den geringen VoluminaErgebnisse knapp oberhalb der Nachweisgrenze.Die Mütter hatten jedoch strikt allebisher bekannt gewordenen Strahlenbelastungen vermieden.
Abb. 4: Strontium-90- und Caesium-137-Aktivität der Gesamtnahrung (1960-1980) Tab. 5: Abschätzung der effektiven Folgedosen im ersten Jahr (30.4.86 bis29.4.87) bzw. 2. bis 50. Jahr für Kleinkinder und Erwachsene durch Ingestionkontaminierten Nahrungsmittel (in mrem) Nicht immer kann jedoch die Vorsorge so optimal funktionieren. Sicher ist es ohnegroßes persönliches Engagement bzw. umfangreiche staatlicheVorsorgemaßnahmen nicht möglich, von den 50 bzw. 55 mrem Gesamtcäsium fürKleinkinder bzw. Erwachsene als Folgedosis durch Ingestion kontaminierterNahrungsmittel herunter zu kommen.Während 50 mrem zusätzliche Strahlenbelastung für Erwachsenehöchstwahrscheinlich ohne große Bedeutung ist, gibt es derzeit keine gesichertenStudien über die Folgeerscheinungen bei Ungeborenen und Kleinkindern. Alle
unsere heutigen und zukünftigen Maßnahmen sollten sich daher daraufkonzentrieren, die Strahlenbelastung Schwangerer und Kinder bis 18 Jahre zuminimieren. Auf jeden Fall sollte man von diesen Bemühungen Raucherausschließen, da sie ein 2000fach höheres Krebsrisiko haben und auch Personenüber 40 Jahre ausklammern, da sie ihren Krebs wahrscheinlich nicht mehr erleben.Die unterschiedlichen Regenfälle erbrachten, daß im südlichen Bayern die Meßwertedoppelt so hoch als hier angegeben und in Norddeutschland bis 1/10 so hoch lagen.In der derzeit gültigen Srrahlenschutzverordnung wird ein Maximalwert von 54 Bq
Cäsium als Strahlenbelastung täglich toleriert. Zur Verminderung der anfänglicheninhalativen und späteren oralen Jodbelastung war für die große Anzahl von Patienteninsbesondere in Süd- und Westdeutschland mit Jodmangelerscheinungen eineSubstitution mit physiologischen (100 µg) Mengen von Kaliumjodid oderWeiterführung der Schilddrüsenhormonsubstitution wesentlich, da hierdurch dieAufnahme von radioaktivem Jod um bis zu 70% reduziert werden konnte.Für die Zukunft ist es wichtig zu wissen, wer zur Hyperthyreose oder Jodallergieneigt, um Zwischenfälle durch kontraindizierte Jodgabe zu vermeiden. Tab. 6: Radioaktivität (Bq/kg) in einigen Anfang Mai gemessenenNahrungsmittelprobenVon den verbleibenden Nukliden des Reaktorunfalls ist Cäsium als einzigesbedeutungsvoll, da es einerseits mengenmäßig relevant ist und andererseits guteEliminationsmöglichkeiten bestehen. Während in Bayern Zehntausende vonSchweinen, die unglücklicherweise mit hochgradig kontaminierter Molke gefüttert
werden, mit Berliner Blau als Antidot versorgt werden, um später ihr Fleischverkaufen zu können und Tausende von Milchkühen ebenfalls mit Berliner Blaubehandelt werden, um eine cäsiumfreie Milch zu erhalten, ist dies bei Gynäkologenoder Kinderärzten unbekannt, obwohl seit Jahren für diesen Verwendungszweck in
der BRD ein Handelspräparat vorliegt, das weitgehend nur im Ausland bekannt undverwendet wird (Radiogardase Cs, Fa. Heyl, Berlin, siehe auch II-2.4 Gegengifte,G3). WirkungscharakterDie Beobachtung, daß durch die Verabreichung von oralem Berliner Blau (BB) derenterosystemische Kreislauf des Cs-137 durchbrochen und damit die biologischeHalbwertszeit erheblich reduziert wird, führte seinerzeit überhaupt erst zu denÜberlegungen, Berliner Blau auch zur Therapie von Intoxikationen mit Thallium,welches ebenfalls einem ausgeprägten enterosystemischen Kreislauf unterliegt,anzuwenden. In ersten tierexperimentellen Untersuchungen zeigten Nigrovic (1963,1965) und Nigrovic et al. (1966), daß die Ausscheidung von Cs-137 in Rattenerheblich beschleunigt wurde. Während in den Kontrollierten die Ausscheidung imUrin dominierte, überwiegt bei den mit BB behandelten Tieren die fäkaleAusscheidung. Auch an anderen Spezies wie Hunden (Madshus et al., 1966, 1968)und Ziegen (Havlicek et al., 1966) konnte die beschleunigte Dekorporierung von Cs-137 durch BB nachgewiesen werden. Die biologische terminale Halbwertszeit wurdedabei um etwa 50%, von durchschnittlich 10 Tagen auf circa 5 Tage, gesenkt(Nigrovic et al., 1966; Müller, 1974; Madshus et al., 1966,1968). Den experimentellenNachweis der Wirksamkeit von BB bei der Reduktion der Verweildauer vonRadiocaesium im Menschen erbrachten Madshus et al. (1966, 1968) inSelbstversuchen. Die biologische Halbwertszeit des Cs-137, die beim Menschen110-115 Tage beträgt, konnte auf 40 Tage gesenkt werden. Messungen der radioaktiven Belastung des Stuhls mit Germanium-Gamma-Spektrometrie bei 24 Patienten aus dem Münchner Raum ergaben:Tab. 7: Unbehandelte Patienten Bq/kg im Stuhl Alle Patienten ernährten sich und lebten außerordentlich strahlenbewußt. Das Alter
der erwachsenen Patienten lag zwischen 21 und 41 Jahre. NachträglicheBefragungen ergaben, daß die höheren Belastungen bei den Patienten gemessenwurden, die schon früher mehr pflanzliche Nahrungsbestandteile aßen. Nach denAtombombenversuchen war die Häufigkeit leukämiekranker Säuglinge beiVegetarierinnen, die eine erhöhte radioaktive Ganzkörperbelastung aufwiesen,höher. DosierungAlle Patienten mit einer über 20 Bq/kg Stuhl erhöhten Gesamtcäsiumausscheidung
wurden mit Berliner Blau behandelt. Wir gaben statt der üblichen Dosierung von 6mal 0,5 g wegen der geringeren Werte nur 3 mal 0,5 g gleichmäßig über den Tagverteilt. Wir wiesen darauf hin, daß die Kapseln nicht mit stark sauren (Wein) oderstark alkalischen Substanzen oder schwarzem Tee eingenommen werden sollen.Laugen oder Säuren könnten unter Extrembedingungen Blausäure freisetzen. DaBerliner Blau eine leicht stopfende Wirkung hat, sollen ähnlich wirkendeNahrungsmittel gemieden werden. In der derzeitigen Situation mit einem Verhältnisder beiden Cäsiumisotope 134 und 137 von etwa 1 : 2 führt ein Wert von 100 Bq inder aufgenommenen Nahrung zu einer effektiven Dosis von 0,16 mrem. DerTransferfaktor bei Cäsium liegt je nach Fruchtart zwischen 0,002 und 0,2, d.h., inSüdbayern ist 1987 eine durchschnittliche Cäsiumbelastung der Pflanzen von etwa0,1 Bq/kg bis etwa 1,1 Bq/kg Frischsubstanz zu erwarten. Der Transferfaktor drückt
das Verhältnis zwischen Radioaktivitätskonzentration (Bq) je kg Pflanze(Frischsubstanz) zu der Trockensubstanz je kg Boden in Bq aus.
40 Bq Gesamtcäsium in 1 kg Stuhl entsprechen etwa 5770 Bq Gesamtkörpercäsium. Tab. 8: Strahlenexposition infolge des Tschernobyl-Unfalls, bezogen auf dieFalloutwerte im Raum MünchenNukleare WiederaufbereitungsanlagenNukleare Wiederaufarbeitungsanlagen können geringe, aber meßbare Mengenradioaktiven Materials freisetzen, die in die menschliche Nahrungskette übergehen.Das ist das wesentliche Ergebnis von Messungen, die schottische Wissenschaftleranstellten. Im Rahmen einer Blutdruckstudie waren zunächst Elektrolyt-
Konzentrationen im Blut von Hypertonikern gemessen worden, die auf demschottischen Festland und auf den Inseln der Äußeren Hebriden wohnten. Dabeizeigten sich als Nebenbefund bei Inselbewohnern im Mittel etwa fünfmal so hoheWerte an Cäsium 137 wie bei Patienten vom schottischen Festland. Das gleicheVerhältnis fand sich im Urin, über den das Cäsium ausgeschieden wird. Die vonCäsium ausgehende Strahlung lag weit unterhalb kritischer Grenzwerte. DieInselbewohner ernährten sich überwiegend von lokal erzeugten Lebensmitteln,darunter viel Milch und Schaffleisch, aber kaum Fisch. Nachforschungen ergaben,daß das Gras aus dem Küstenbereich und von Heidegebieten einer Insel hoheKonzentrationen radioaktiven Cäsiums, und zwar der beiden Isotope Cs 137 und Cs134 enthielt. Der Hauptteil stammte aus den Atombombenversuchen in derAtmosphäre, die in den 50er Jahren durchgeführt wurden. Allerdings entsteht dabei
nur Cs 137. Die Anwesenheit des Isotops mit der Massenzahl 134 beweist dieHerkunft aus einer atomaren Wiederaufarbeitungsanlage. »Günstige«Meeresströmungen transportieren Abwässer der Anlage Sellafield im NordenEnglands bis zu den fernen Hebriden-Inseln, ohne sie stark zu verdünnen. Offenbarbekommt vor allem die Vegetation der Küstenbereiche, wo auch höhere Cs-134-Werte gemessen wurden, genug Seewasser ab, um das Cäsium anzureichern und indie menschliche Nahrungskette einzuführen (Isles, C.G. et al., 1991). SprengstoffproduktionAnfang der 90er Jahre schlugen deutlich erhöhte Leukämieraten im ehemaligenSprengstoffproduktionsort Stadtallendorf hohe Wellen. Insbesondere für ältereMänner errechneten die Marburger Krebsforscher im Vergleich zu Gießen einneunmal höheres Risiko, an chronischer myeloischer Leukämie zu erkranken.Allerdings sind die Fallzahlen insgesamt niedrig. In den vergangene