Die Tabakindustrie ist
offenbar weiterhin beschäftigt mit der Erfindung immer neuer Strategien zur
Verschleierung der finanziellen Unterstützung ihnen genehmer Forschung.
In diesem Fall wurde in den
USA mit Mitteln der Vector Group - einer Muttergesellschaft von
Zigarettenfirmen - eine Stiftung gegründet, die dann als Geldgeber fungierte.
Weder die
Universitätsleitung noch die Leitung der Fachzeitschrift, die die
Forschungsergebnisse veröffentlichte, waren über diesen Hintergrund informiert.
Zu vermeidbaren Risiken
durch unnötige Belastung durch Röntgenstrahlen erschien in der International
Herald Tribune ein Bericht unter der Überschrift: "Eine von der Industrie
finanzierte Lungenkrebsstudie in den USA wurde angezweifelt". Nach eingehenden
Recherchen der New York Times auf der Basis von Steuerabrechnungen deckten
Journalisten eine versteckte Forschungsförderung durch die Zigarettenindustrie
auf.
Der Hintergrund der
geförderten Forschung war die Früherkennung des Lungenkrebs mittels häufiger
CT-Untersuchungen, als würden die Chancen der frühzeitigen Entdeckung des
beginnenden Tumors die Risiken der wiederholten multiplen Strahlenbelastungen
für Gesunde rechtfertigen. Das Konzept von Dr. Claudia Henschke vom Weill
Cornell Medical College, New York, interessierte jedoch die Tabaklobby wegen
der mit einem günstigen Ergebnis verbundenen Aussicht, Lungenkrebs ,auch nach
dessen Entstehung, noch mit Erfolg behandeln zu können. Damit die Forderung
nicht zu offensichtlich durch die Industrie erfolgen musste, gründete die
Gruppe um Dr. Henschke eine „Stiftung für Lungenkrebs: Früherkennung, Vorsorge
und Behandlung". Die Leitung des Weill Cornell College erfuhr davon
nichts, da laut Aussage des Dekans Dr. Antonio Gotto die Gründung der Stiftung
ohne Zustimmung der Universität erfolgte, was allerdings in den USA für
Fakultätsmitglieder, also ordentliche Professoren, statthaft sein soll.
Die Stiftung erhielt die
Summe von 3,6 Mio. $ Dollar in den Jahren 2000 bis 2003 von der Vector Group,
der Muttergesellschaft der Fa. Liggett Tobacco, die Zigaretten herstellt.
Im Oktober 2006 erschien die
Ergebnismitteilung der Studie, die in der Krebsforschung einiges Aufsehen
erregte, da 80 % der Lungenkrebstodesfälle mittels Einsatzes der CT-Scans
verhütet werden könnten. Am Schluss der Publikation in der Zeitschrift New
England Journal of Mediane (NEJM) wurde als Geldgeber lediglich die Stiftung
„Foundation for Lung Cancer: Early Detection, Prevention and Treatment" genannt
und weitergehende Interessenkonflikte verneint. Journalisten der New York Times
erkundigten sich beim Herausgeber des NEJM, Dr. Jeffrey Drazen, der sich
überrascht zeigte: „In den sieben Jahren, die ich hier arbeite, haben wir
niemals wissentlich irgendetwas publiziert, das von Zigarettenherstellern
finanziell unterstützt wurde" wird er zitiert. Erst am 2.4.2008 teilte
Frau Henschke in einem "Letter to the Editor" die Geldzuwendung der
Vector Group mit. Inzwischen häufen sich die Fälle, in denen Universitäten
keine Drittmittel mehr von der Zigarettenindustrie annehmen.
Die zunehmende Sorge vor
einer möglichen Beeinflussung von Forschungsergebnissen durch die Industrie
oder generell die Geldgeber hat dazu geführt, dass fast alle medizinischen
Zeitschriften und Berufsorganisationen darauf dringen, dass Forscher ihre
Finanzquellen genau offen legen und etwaige Interessenkonflikte benennen.
Dr. Henschke und Kollegen
bevorzugten den Umweg über eine Stiftung. Der frühere Herausgeber des NEJM, Dr.
Jerome Kassirer, Autor eines Buches über Interessenkonflikte, glaubt daher,
Weill Cornell habe die Stiftung gegründet, um die Annahme des Geldes von der
Zigarettencompany zu verschleiern. Man müsse sich die Frage stellen, warum die
Tabakindustrie Dr. Henschkes Forschung fördere. Sie wolle zeigen, dass
Lungenkrebs nicht so schlimm sei, wie alle denken, weil Screening
(Früherkennung) Kranke retten kann, und das fände er empörend. Henschke und
Kollegen rechtfertigten sich in einer E-Mail wie folgt: "
In der Tat hatte Vector
bereits am 4.12.2000 eine Pressemitteilung herausgegeben, dass beabsichtigt
sei, Dr. Henschkes Arbeit mit 2,4 Mio. $ an Weill Cornell zu fördern, in den
Tageszeitungen Business Week und USA Today wurde diese Schenkung daraufhin
mitgeteilt. Allerdings wurde nicht erwähnt, dass die Stiftung so eilig aus der
Taufe gehoben wurde, dass in der Steuererklärung für 2000 noch behauptet wurde
„noch nicht organisiert" (not yet organized). Nachdem sie von der Stiftung
erfahren hatten, zeigten sich prominente Krebsforscher und
Zeitschriftenherausgeber erstaunt von Henschkes Beziehung zur Tabakindustrie.
Die Zigarettenhersteller sind inzwischen bei Verfechtern der Krebsbekämpfung
und bei Krebsforschern so verrufen, dass jede Beziehung zu dieser Industrie die
Forscher als befangen kennzeichnet und ihre Ergebnisse nicht veröffentlicht werden.
Der Direktor und Chefarzt der American Cancer Society (ACS), Dr. Otis Bradley,
meint dazu: „Wenn Blutgeld benutzt wird, soll man das jedem deutlich sagen,
dass Blutgeld genommen wurde". Die ACS hatte nämlich seit 2004 bis 2007
auch jährlich 100.000 $ Fördermittel an Henschke gezahlt, was nich
umwelt-medizin-gesellschaft 21/2/2008