Quecksilber und
nicht Interleukin 17 verursacht MS
Der Botenstoff Interleukin 17 ist zwar
ein wichtiger Trigger von Entzündungen bei Autoimmunkrankheiten. Doch bei
Entzündungen im Gehirn spielt der Botenstoff überraschenderweise keine Rolle,
wie Forscher aus der Schweiz und Deutschland festgestellt haben. Damit
widerlegen sie eine verbreitete Annahme, wie Multiple Sklerose.
Die
bisherige Therapie war also völlig falsch!
Bei Autoimmunkrankheiten wie MS,
Rheumatischer Arthritis, Schuppenflechte und juveniler Diabetes (Diabetes Typ
1) greift das Immunsystem versehentlich den eigenen Körper an. Bei diesen
Erkrankungen sollen besonders so genannte Helfer-T-Zellen Trigger sein. Die
eigentliche Aufgabe dieser Zellen ist es, den Körper gegen schädliche
Mikroorganismen zu schützen.
Das Immunsystem funktioniert hoch
kompliziert und unterliegt extrem komplexen Steuerungen und
Kommunikationsformen zwischen den verschiedenen Immunzellen. Manchmal geht aber
etwas schief, und es kommt zur Attacke auf körpereigene Organe.
Unter den Helfer-T-Zellen gibt es verschiedene
Unterklassen
Unter den Helfer-T-Zellen gibt es
verschiedene Unterklassen mit unterschiedlichen Aufgaben und Kompetenzen.
Sowohl Kliniker als auch Forscher versuchen schon lange herauszufinden, zu
welcher Unterklasse die zerstörerischen T-Zellen gehören, die bei
Autoimmunkrankheiten die eigenen Organe angreifen. Vor kurzem wurde eine solche
neue Klasse von Helfer-T-Zellen identifiziert. Sie schütten den Botenstoff
Interleukin 17 aus und werden deshalb als TH17-Zellen bezeichnet. In den
letzten drei Jahren erhärtete sich der Verdacht, dass genau dieser Zelltyp
verantwortlich ist für die Entstehung der erwähnten Autoimmunerkrankungen.
Die von TH17- Zellen ausgeschütteten
hormonähnlichen Botenstoffe werden als Gewebeaggressoren angesehen
Die von TH17- Zellen ausgeschütteten
hormonähnlichen Botenstoffe wurden allgemein verantwortlich dafür gemacht, dass
es zur Zerstörung der Körpergewebe durch Immunzellen kommt. Pharma- und
Biotechunternehmen auf der ganzen Welt haben ihre therapeutischen Strategien
zur Bekämpfung von MS und anderen Autoimmunerkrankungen so ausgelegt, dass vor
allem TH17-Zellen bekämpft werden sollen. Bei der Psoriasis-Therapie wurden
sogar die ersten therapeutischen Erfolge im Menschen gezeigt.
Der Forschergruppe um den Zürcher
Immunologen Professor Burkhard Becher ist es nun in enger Zusammenarbeit mit
Forschenden aus Genf, Mainz und Berlin gelungen, die spezifische Funktion des
Botenstoffes Interleukin 17 zu entschlüsseln. Als die Mainzer und Zürcher
Gruppen ihre bisherigen Forschungsergebnisse verglichen, wurde ihnen klar, dass
die allgemeine Annahme, Interleukin 17 ermögliche den Immunangriff gegen das
Gehirn, nicht richtig sein kann. "Wir waren vollkommen erstaunt, als wir
bemerkten, dass Interleukin 17 im Gehirn
überhaupt keine Rolle zu spielen scheint", sagt Becher (Journal of
Clinical Investigation online vorab).
Interleukin 17 induziert Entzündungen in Haut,
Gelenken und Lunge, aber nicht im Gehirn
Die Mainzer und Zürcher Gruppen haben
gemeinsam versucht herauszufinden, warum Interleukin 17 entgegen allen Annahmen
im Tiermodel der MS keine Rolle zu spielen scheint.
Mithilfe der Gentechnik und genmanipulierten Zellen wurde plötzlich klar, dass
Interleukin 17 in der Tat eine zentrale Rolle bei der Entstehung von
Entzündungen spielt.
"Insbesondere die Haut, die Gelenke,
die Lunge und andere Organe sind davon massiv betroffen; das Gehirn aber
überraschenderweise nicht", erklärt Becher. "Die gute Neuigkeit ist,
dass man nun besser weiß, bei welchen Erkrankungen Interleukin 17 als Bösewicht
auftritt." Bei MS scheint das nicht der Fall zu sein. Aber auch dieses
"negative" Ergebnis ist wichtig, um die Mechanismen des
Krankheitsverlaufes besser zu begreifen.
Becher erwartet, dass die
Forschungsergebnisse einen großen Einfluss auf zukünftige therapeutische
Strategien haben werden. Klar ist nun, dass zwar grundlegende Mechanismen bei
den meisten Autoimmunerkrankungen große Ähnlichkeiten aufweisen. Allerdings ist
jetzt auch erwiesen, dass man diese Erkrankungen nicht alle gleich behandeln
kann. "Das Hirn ist halt anders als die Haut oder die Lunge", sagt
Becher. "Nun müssen wir herausfinden, welche Eigenschaften Immunzellen haben,
die das Gehirn angreifen.
Die
Ausschüttung von Interleukin-17 ist dafür sicherlich nicht
verantwortlich."
Studie:
"IL-17A and IL-17F do not contribute vitally to autoimmune
neuro-inflammation in mice"
ÄZ 17.12.08