1960 Pharmaindustrie fördert die willenlosen Ärzte

Die Flut an Ärztemustern für die beiden Praxen war unvorstellbar. Die Vertreter brachten bis 100 oder mehr Packungen ihrer neuen Präparate. Am Tag kamen bis zu 10 Vertreter. Da stets viele Patienten da  waren, ließen sie meist wortlos von vielen verschiedenen Präparaten (bis zu 8) viele Muster da.

Vater war zu allen Vertretern sehr freundlich. Ich hörte oft, wie er sagte, das sei sehr gut und er verschreibe es gerne. Dann warf er es in den Müll. Zwar bekamen viele Patienten Ärztemuster, aber viele lehnten es auch ab, da sie wollten, dass ihre Krankenkasse dafür bezahlt. Max richtete Vater eine Kammer ein für Ärztemuster mit Schuhschachteln in Regalen nach Gruppen geordnet. Vater ordnete an, dass alle neu entwickelten Arzneien zwei Jahre warten müssten, bis er sie erstmals bei Patienten versuchte. Da in dieser Zeit sehr häufig üble Nebenwirkungen bei den neuesten Mitteln bekannt wurden, musste er gut die Hälfte nie einsetzen. Ich hatte die Aufgabe, die veralteten und gefährlichen Arzneimittel auszusondern. Schon mit 12 Jahren kannte Max, wie seine Freunde  ihre Automarken, die Arzneimittelgruppen. Vater war sehr unglücklich, dass eigentlich alle Patienten mit dem Wunsch nach einem schnell wirkenden und möglichst teuerem Arzneimittel kamen. Warten, Naturmittel, Hausmittel oder Billiges war sehr verpönt. Wirkungslose Arbid Schnupfen-Tropfen wurden pro Tag bis zu 10 Mal verlangt.

(Auszug aus meiner neuen Biografie)