Patienten informieren sich im Internet

Das Internet gewinnt als Quelle für die medizinische Zweitmeinung an Gewicht. Fast vier Fünftel der Internet-Nutzer haben sich schon einmal medizinische Informationen aus dem Web gezogen. Das ergab eine repräsentative Umfrage unter 1 000 Internet-Nutzern, die das auf Online-Befragungen spezialisierte Marktforschungsunternehmen Dialego für das Handelsblatt erstellte.

 

Fast 40 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sie das Internet in der Zukunft noch häufiger in Gesundheitsfragen konsultieren werden. In diese Richtung verweisen auch die Daten der Werbeträger-Marktforschers IVW über die Reichweiten von Online-Portalen. Das auf medizinische Erklärungen für Laien spezialisierte Portal Onmeda erfreut sich danach wachsender Beliebtheit.

 

Obwohl sich kaum jemand in medizinischen Fragen allein auf Informationen aus dem Web verlassen dürfte, genießen die Online-Anbieter von Gesundheitsinformation durchaus das Vertrauen der Nutzern. 65 Prozent der Befragten gaben an, das Informationsangebot sei „eher vertrauenswürdig“. Weitere zehn Prozent halten es demnach sogar für „sehr vertrauenswürdig“.

 

In den Vertriebsabteilung der Pharmakonzerne hat man die steigende Bedeutung des Internets bereits erkannt – anders als die Medizintechnik-Hersteller, die sich im Internet noch bedeckt halten. Pharmakonzerne dagegen treten nicht mehr nur als Sponsor von Veranstaltungen von Patientenvereinigungen auf, sie schalten inzwischen auch Online-Werbung auf deren Internetauftritten.

 

So blinkt etwa auf www.ms-infozentrum.de, einem nach Angaben des Herausgebers unabhängigen Informationsportal für das Leben mit Multipler Sklerose, Werbung des Schweizer Pharmaherstellers Serono. Darunter finden sich allerlei lebensnahe Ratschläge für das Leben mit der Erkrankung des Zentralen Nervensystems.

 

Der ostdeutsche Pharmahersteller Jenapharm wirbt auf der Website www.pille-mit-herz. de freimütig um das Interesse potenzieller Anwenderinnen im jugendlichen Alter. Das Unternehmen, das im Frühjahr eine großzügige Geldspende für die sexuelle Aufklärung von Jugendlichen leistete, bewirbt seine Produkte hier mit Sätzen wie diesem: „Die neueste Entwicklung ist, dass deine Pille jetzt sogar einen Beauty-Effekt hat.“

 

Nur wenige Patienten, die sich im Internet Informationen über Krankheiten und Medikamente besorgen, sind nach den Ergebnissen der Dialego-Umfrage Technik-Freaks. So gaben beinahe 70 Prozent der Befragten an, den Begriff „Telemedizin“ – die Fernüberwachung von Patienten – noch nie gehört zu haben. Die medizinische Patienten-Betreuung auf die Distanz – zum Beispiel über GPS – zählt derzeit zu den wichtigsten Hightech-Entwicklungen in der Medizin. ______

 

Quelle: Handelsblatt, Montag, 13.11.2006, Seite 19