2.2.4. Beweise für Hirnschäden durch Gifte mit PET/SPECT

GPM 6/98 - Interview mit Professor Gunnar Heuser, einem der führenden Experten für Chemikalienopfer

Der in Hamburg geborene Toxikologe und Hirnforscher Gunnar Heuser lehrte lange Zeit an der Universitätsklinik von Kalifornien (UCLA). Heute behandelt er in seiner Privatpraxis in Los Angeles Chemisch Verletzte. Außerdem vertritt er die Kranken als medizinischer Gutachter vor Gericht. Um Schäden durch Chemiegifte im Gehirn nachzuweisen, setzt der renommierte Mediziner zwei junge - und teure - Verfahren ein: „Positronen-Emissions-Tomographie" (PET) und „Single Photon Emission Computed Tomography" (SPECT). Daß die Chemisch Verletzte Cindy Duehring 1997 den Alternativen Nobelpreis für ihre aufklärerische Arbeit zu den gesundheitlichen Risiken von Chemiegiften verliehen bekam, geht auf den Vorschlag von Gunnar Heuser zurück.

GPM: Herr Heuser, was leisten PET und SPECT für Chemisch Verletzte, wie Sie die Kranken nennen?

HEUSER: Damit können auch Laien erstmals sehen - bei PET dreidimensional und in Farbe -, was Chemiegifte in ihren Hirnen anrichten. Für jemanden, der oft jahrelang als Simulant angegriffen wurde, ist das sehr wichtig. Viele weinen, wenn sie in meiner Praxis die Bilder sehen.

Was zeigen die Bilder genau?

Aktive Hirnregionen sind auf PET-Bildern rot oder gelb. Blaue Areale sind geschädigt. Bei Chemisch Verletzten sind oft Zentren blau, die etwa für das Erinnerungsvermögen wichtig sind. Deshalb leiden die Patienten unter Gedächtnisstörungen. Auf SPECT-Bildern sind violette Flecken - geradezu Löcher - zu sehen, wo die Durchblutung vermindert ist. Wenn etwa die Scheitellappen des Hirns schlecht versorgt sind, können Patienten Gesehenes und Gehörtes nicht mehr richtig mit Erinnerung verknüpfen. Welche Chemiegifte die Schäden verursachen, kann PET allerdings nicht klären, auch nicht, wann die Exposition stattgefunden hat.

Wieso sind Sie so sicher, daß die Hirnschäden auf das Konto von Chemikalien gehen?

Weil diese Schäden nur im Denkorgan von Pestizid- und Lösemittel-Geschädigten sichtbar sind. Bei Menschen, die nicht solchen Chemikalien ausgesetzt waren, fehlen sie. Auch die Befunde von Patienten mit Depression oder chronischer Müdigkeit sind deutlich anders. Oft werden Chemisch Verletzten ja psychiatrische Diagnosen unterstellt. Die Hirn-Scans bestätigen das nicht.

Wie entfalten denn Chemikalien eigentlich ihre gefährliche Wirkung im Gehirn?

Was im einzelnen passiert, wissen wir noch nicht. Sicher ist, daß die Chemikalien die Blut-Hirn-Schranke überwinden können. Diese Barriere schützt die empfindlichen Nervenzellen normalerweise vor Schadstoffen oder Arzneimolekülen. Offenbar versagt dieser Schleusenwärter bei potenten Chemikalien.

Die neuen Verfahren sind extrem teuer. Können die Patienten sich diese Untersuchungen leisten?

Ein PET-Scan kostet 2000 US-Dollar. Erst seit diesem Jahr zahlen die Versicherungen dafür. Für Gerichtsverfahren sind solche „objektiven Beweise" jedoch unerläßlich. Bei den Fällen geht es immerhin um Berufsunfähigkeitsrenten bis zu 500.000 US-Dollar. Mehr als 50 Arbeiter des Flugzeugherstellers Boeing in Seattle, die 1987 bei der Produktion feuerfester Plastikteile Formaldehyd, Phenolen und Lösemitteln ausgesetzt waren, wurden danach chronisch krank. Ich habe einige untersucht, und sie haben schließlich durch vier Instanzen

ihre Anerkennung als berufsunfähig erkämpft. Womit behandeln Sie ihre Patienten?

Wir setzen für die Mobilisierung von Gehirnzellen auf eine Art Infrarotbestrahlung. Außerdem trainieren die Patienten mit Hilfe von Biofeedback, ihre Gehirndurchblutung zu verbessern. Bei sechs von zehn Patienten hilft das.

Sie halten Kontakt zu Cindy Duehring. Wie geht es ihr?

Ihr geht es extrem schlecht. Der Kontakt zur Außenwelt ist nahezu unterbrochen. Sogar telefonieren fällt ihr schwer. Selbst physische Reize - in diesem Fall Töne - machen ihr zu schaffen.

SPECT-Aufnahmen messen die Durchblutung des Gehirns, dem das Blut Sauerstoff und Nährstoffe liefert. Bei normaler Blutversorgung erscheinen Hirnregionen auf dem Bild gelb bis rot. Bei mangelhafter bis fehlender Durchblutung hingegen werden die betroffenen Regionen blau bis violett dargestellt. Schlechte Sauerstoffversorgung führt zu verringerter Aktivität der Hirnregion. Dunkle Zonen wie im Bild oben finden sich bei Chemisch Verletzten, nicht aber bei psychisch Kranken, als die an MCS Leidende oft behandelt werden.

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