Naturheilkunde war ursprünglich
reine Giftmeidung
Schon seit der
Antike gab es naturheilkundliche Denkansätze. Erst im
19. Jahrhundert bildete sich eine umfassende Naturheilkunde als Teil der
Lebensreformbewegung heraus. Sie war die Folge der zunehmenden
Industrialisierung, die besonders in den Städten deutlich wurde, in denen viele
Menschen unter den widrigen Lebens- und Abeitsumständen
erkrankten. In einem Haus in Berlin lebten im Durschnitt
78 Menschen. 2 bis 4 Kinder schliefen gemeinsam in einem Bett. Auch die
Kellerräume waren bewohnt. Alles war überfüllt, stickig und von Pilz befallen.
Oft schlief man in der Kleidung, die man tagsüber in den Fabriken getragen
hatte. Viele wurden krank. Daher zog es durch Siedlungsbewegungen Menschen
zurück auf das Land zu einer naturnahen, einfachen und giftfreien Lebensweise
weitab der Großstädte. Der sogenannte Naturismus war
Grundlage dieser Bewegung. Besondere Schwerpunkte in dieser Lebensweise
bildeten unter anderen die Enthaltsamkeit im Bezug auf Alkohol und Tabak, eine
gesunde und frische Ernährung, viel Tageslicht und Bewegung an der frischen
Luft, das Baden und Geselligkeit. In den Siedlungen, die sich durch eigenen
Anbau oft selbst versorgten gab es eine deutlich niedrigere
Säuglingssterblichkeit und weitaus bessere Gesundheit als in den Großstädten,
wo inzwischen der platzsparende und schnell
zubereitete Maggi-Brühwürfel zu einem der Hauptnahrungsmittel wurde (heute
ernährt sich leider ein Großteil der Bevölkerung von solchen ungesunden
Fertignahrungsmitteln). Theodor Hahn war einer der Verfechter der
Naturheilkunde und gab seit 1867 die Zeitschrift "Naturarzt" heraus.
In dieser waren viele Tipps zur gesunden Lebensführung enthalten. Mittlerweile
hat sich dies aber zugunsten einer breiten Industrie, die mit ahnungslosen
Patienten Profit macht, geändert. Hahn würde sich im Grabe umdrehen, wenn er
lesen könnte, was für Pülverchen, Säftchen und Tropfen dort angepriesen werden.
Eine andere Quelle, die weiterhin Einblick in die Grundsätze des Naturismus
gibt, ist das "Vereinsblatt für Freunde der natürlichen Lebensweise"
welches von Eduard Baltzer seit 1868 herausgegeben wurde.
Auch hier finden sich viele praktische Hinweise zu einer gesunden Lebensweise
und zur Heilung von Krankheiten. Es wird allerdings nicht empfohlen, was
einzunehmen ist, sondern nur, was zu vermeiden ist. Viele Naturheilkundler
empfehlen heute, entgegen der damaligen Grundsätze, leider die Einnahme von
gefährlichen Konzentraten, wie sie in der Natur sicher nicht verkommen, unter
Beibehaltung der Krankheitsursachen. Von der Empfehlung einer ursprünglich
gesunden Lebensführung ist man in der Naturheilkunde zum Leidwesen der vielen
kranken Menschen weit entfernt. Was man damals bereits empirisch als
gesundheitsschädlich erkannte, lässt sich heute unter dem Namen
"Alltagsgifte" zusammenfassen. Wobei natürlich erwähnt werden muss,
dass heute noch viel mehr Menschen betroffen sind, da es mittlerweile viel mehr
Gifte gibt.
Quelle :
- BALTZER, Eduard: Der Weg zu Gesundheit und sozialem Heil (=Die natürliche
Lebensweise; 1), Rudolstadt 1882.
- HAHN, Theodor: Praktisches Handbuch der naturgemäßen Heilweise, Bd. 1:
Grundzüge der naturgemäßen Heil- und Lebensweise, Bd. 2: Spezielle Krankheits-
und Heillehre, Berlin 1875.
Vereins-Blatt für Freunde der natürlichen Lebensweise, Nordhausen/Rudolstadt
1868-1886, Frankfurt am Main.
Vielen Dank an
Ulf Sauerbrey!