1977 Narkose Gegengift Physostigmin  entdeckt

Exakt vor 30 Jahren sollte ich abends in Fulda einen Vortrag über die Entgiftungsbehandlung vor Anästhesisten halten. Anästhesisten waren immer sehr dankbar für praktische Erfahrungen, die locker an vielen Beispielen vorgetragen wurde.

Kurz vor der Abfahrt holte mich ein junger Anästhesist aus dem Hause, da seit vielen Stunden jemand nicht aus der Narkose erwachen wollte. Ich ging hin und fand die Patientin mit dem Bild einer schweren Atropinvergiftung mit heißer, trockener Haut, extrem weiten Pupillen und schnellen Herzrhythmusstörungen. Ich dachte, jemand hat versehentlich viel zu viel Atropin gespritzt.

Von meinem Privatschrank in der Klinik holte ich den Rest des amerikanischen Mittels „Antilirium“, einem vom Markt genommenem Mittel gegen Atropinvergiftungen. Seine Wirksubstanz ist „Physostigminsalicylat“.

Binnen weniger Minuten erwachte die Patientin wie aus einer Leichenstarre, war völlig munter und ansprechbar.

Dann kam der Chefarzt unserer Anästhesie und freute sich sehr. Er meinte, so etwas gäbe es in schwacher Form sehr oft und eben selten so extrem ausgeprägt.

Kurzum, ich hatte die erfolgreiche Behandlung des „Zentralen Anticholinergen Syndroms“ postoperativ entdeckt.

Natürlich hatte ich meinen Zug nach Fulda versäumt. Ich fuhr Richtung Frankfurt und wie ein Wunder gab es unterwegs noch eine Stichverbindung nach Fulda. Trotzdem kam ich über eine Stunde zu spät. Ein anderer Professor redete verzweifelt weiter, bis ich kam.

Ich platzte in die verärgerte Runde und sagte: „Heute habe ich etwas für die Anästhesisten entdeckt, was ebenso wichtig ist, wie die Entdeckung von Lachgas“.

Als ich in der Runde den alten Firmenchef Dr. Franz Köhler sah, ergänzte ich: „So, wie ich Herrn Dr. Köhler kenne, baut er Ihnen diese Ampulle in vier Wochen nach und Sie haben dann keine Probleme mehr mit Patienten, die einfach nicht aus der Narkose erwachen wollen“

So war es auch. Heute heißt die Ampulle Anticholium ® und enthält 2,5 mg Physostigminsalicylat (Dr. Franz Köhler-Chemie, Alsbach). Es ist für Problemfälle in der Anästhesie immer noch das Traummittel.

Weitere systematische Untersuchungen durch mich erbrachten, dass es das Gegengift bei einer lebensbedrohlichen akuten Alkoholvergiftung ist, von Lausbuben für Trinkwetten missbraucht wird und die Mutter für alle Alzheimer-Medikamente ist bzw. für Studenten zum Intensivlernen verwendet wird.

(Auszug aus meiner neuen Biografie)