Strahlung der Nacktscanner Risiko? - Unbekannt
Körpererwärmung oder schwingende Hautzellen: Über die
gesundheitlichen Auswirkungen des Nacktscannens lässt sich nur spekulieren.
Denn sie sind kaum erforscht.
Harmlos oder schädlich? Über die Strahlenbelastung
durch Nacktscannen ist wenig bekannt. Foto: Schiphol TV/ddp
Sicher ist nur, dass kaum etwas sicher ist: Die
Strahlen, mit denen Körperscanner künftig Fluggästen unter die Kleider blicken
sollen, werden in ihrer Wirkung vermutlich irgendwo zwischen infrarotem Licht
und Mikrowellen liegen. So genau weiß das niemand.
Deshalb können selbst Experten über Gesundheitsrisiken
durch sogenannte Terahertz-Strahlen nur spekulieren. Die Wellen, die Papier,
Stoff oder Plastik durchdringen und erst vom Körper absorbiert werden, gelten
zwar als unbedenklich. Doch wirklich nachgeschaut hat bislang kaum jemand.
"Die Forschung hat sich viel zu lange auf den
Mobilfunk konzentriert, da hier die Besorgnis in der Bevölkerung besonders hoch
war", sagt Rüdiger Matthes, Arbeitsgruppenleiter beim Bundesamt für
Strahlenschutz (BfS). Terahertzwellen interessierten dagegen die wenigsten
Mediziner - schließlich gab es bis vor 15 Jahren noch nicht einmal praktikable
Sender und Empfänger für die Strahlen mit den seltsamen Eigenschaften.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Strahlung, die gemeinhin
unter dem Begriff "Terahertz" zusammengefasst wird, ein breites
Frequenzspektrum umfasst. Dieses beginnt bei zehn Gigahertz (zehn Milliarden
Schwingungen pro Sekunde), einer Marke, die etwas über den Frequenzen von
WLan-Netzen liegt, und endet erst beim Tausendfachen, also etwa zehn Terahertz.
Entsprechend vielfältig sind Eigenschaften und mögliche gesundheitliche
Auswirkungen.
Welche Frequenzen und Intensitäten in künftigen Körperscannern eingesetzt
werden sollen, ist im Bundesamt bislang nicht bekannt. "Technische Details
liegen uns nur ganz wenige vor", räumt BfS-Forscher Matthes ein. Die
Geheimnisse der Scanner sind nicht nur sicherheitsrelevant, der Einsatz solcher
Geräte eröffnet auch einen millionenschweren Markt.
Schwingende Hautzellen -
Spekulation!
Da gibt kein Hersteller gerne Einzelheiten preis. Von
solchen Details hängt allerdings ab, ob die Scanner womöglich eine Gefahr
darstellen: Langwellige Strahlen im Bereich von zehn Gigahertz können
beispielsweise einige Millimeter in die Haut eindringen und das Gewebe dabei
erwärmen. Höhere Frequenzen bleiben dagegen außen vor, sind dafür aber
energiereicher.
Fest steht nur: Die Terahertzwellen wirken - anders
als Röntgenstrahlung oder die kosmische Strahlung, der Flugpassagiere
ausgesetzt sind - nicht ionisierend. Sie haben also nicht genügend Energie, um
im Körper Elektronen freizuschlagen und so Zellen zu schädigen; freie Radikale,
die Krebs auslösen könnten, entstehen erst gar nicht.
Mehr zum Thema
·
Diskussion um Nacktscanner Blick durch die
Kleider
·
Brüssel EU verkauft Nacktscanner
·
Flugsicherheit in Russland Nacktscanner-Kino
für alle
·
Sicherheitsdebatte: Nacktscanner Nur keine
Panik
Stattdessen wärmt Terahertzstrahlung die Haut auf -
ein Effekt auf dem auch die derzeitigen Grenzwerte fußen: Menschen sollten
demnach maximal einer Leistungsdichte von zehn Watt pro Quadratmeter ausgesetzt
sein. Die Werte in Körperscannern, so schätzen die BfS-Experten, liegen
wahrscheinlich deutlich niedriger.
"Die große Frage ist, ob neben der thermischen
Wirkung noch andere biologische Effekte auftreten können", sagt Rüdiger
Matthes. Denkbar wäre, dass die Wellen Bestandteile von Hautzellen zum
Schwingen bringen und dabei krankhafte Veränderungen erzeugen. Oder dass das
Blut, das durch die obersten Kapillaren fließt, verändert wird. "Aber das
ist alles reine Spekulation", sagt Matthes.
Die wenigen Studien, die bislang abgeschlossen wurden,
zeichnen jedenfalls kein klares Bild. Ein europäisches Forschungsprojekt aus
dem Jahr 2004 kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass bei einer
Bestrahlungsdauer von einer Stunde keine biologischen Effekte zu verzeichnen
sind. Höhere Intensitäten und manche Frequenzen veränderten dagegen die
Funktionsweise von Zellmembranen und Lymphozyten - jenen weißen Blutkörperchen,
die für die Immunabwehr verantwortlich sind.
Krebsrisiko unklar
Im vergangenen Jahr konnten Physiologen der
Universität Tel Aviv ebenfalls zeigen, dass Terahertzwellen mit einer hohen
Leistungsdichte von drei Watt pro Quadratmeter das Erbgut von Lymphozyten
verändern können, allerdings erst ab einer Bestrahlungsdauer von zwei Stunden.
"Das legt nahe, dass eine derartige Bestrahlung möglicherweise das
Krebsrisiko erhöht", berichten die israelischen Forscher, "sofern
unsere Ergebnisse bestätigt werden können."
Bislang ist dies nicht gelungen. Aktuell läuft im
Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz daher eine Studie, bei der menschliche
Hautzellen unterschiedlich lang mit Terahertzwellen beschossen und anschließend
auf Schäden untersucht werden sollen. Mit Ergebnissen ist erst Ende des Jahres
zu rechnen.
Bis dahin will die Politik aber längst über den
Einsatz von Ganzkörperscannern entschieden haben. "Es wäre wirklich
wünschenswert gewesen, wenn Strahlenschutzforscher die Entwicklung derartiger
Geräte hätten begleiten können", sagt Rüdiger Matthes. "Aber so etwas
wird gerne übersehen."
Spätestens jetzt, wenn womöglich bald jeder Fluggast
solche Scanner passieren müsse, sei es aber an der Zeit "endlich etwas
genauer hinzuschauen".
(SZ vom 08.01.2010/gal)