Müll als Wellness-Mahl für die Mieze
AZ: Herr Grimm, nach mehreren
kritischen und erfolgreichen Büchern über industriell vorgefertigte
Nahrungsmittel für Menschen sind Sie nun zum Fertigfutter für Haustiere
gekommen. Warum das?
Hans-Ulrich Grimm: Ich habe schon seit längerem befürchtet, dass
sich die Leute mehr dafür interessieren, was ihre vierbeinigen Lieblinge
kriegen, als für ihr eigenes Essen. Sie geben oft auch mehr Geld für einen Sack
Trockenfutter aus als für ihren eigenen Braten. Und wissen nicht, was drin in
dem Sack.
Was ist denn drin?
Tiermehl zum Beispiel. Ich war ja in den Fabriken, den
Tierkörperverwertungs-Anlagen. Das stinkt dort zum Himmel. Aber ein
Super-Geschäftsmodell: Die Schlachthöfe zahlen noch Geld dafür, dass sie ihren
Müll loswerden – und der wird dann gegen teures Geld als Wellness-Mahl
für Mieze verkauft.
Hunden und Katzen schmeckt
das aber offensichtlich. Das riecht oft genau so fein, wie das, was Menschen
gern auf dem Teller hätten…
Hunde und Katzen kaufen auch nicht ein. Das machen Herrschen und
Frauchen. Und die kaufen dann goldene Schälchen – mit „Gourmet-Häppchen“ und „Light-Menüs“. Alle gängigen menschlichen Food-Moden tauchen auch beim Tierfutter auf. Die
Produktdesigner klagen schon, dass es für die Tiere eher schädlich sein kann,
wenn sie Futter nach menschlichen Vorlieben kriegen.
Was soll daran gefährlich
sein?
Die Tiere leiden zusehends an den gleichen
Zivilisationskrankheiten wie die Menschen: Diabetes, Krebs, Herzprobleme. Und
sie werden immer fetter. Dabei spielen Aromen und Geschmacksverstärker eine
große Rolle. Und die Futterfabriken freuen sich, wenn der Napf immer schön leer
ist.
Was finden Sie besonders
skandalös am industriellen Tierfutter?
Dass es sich häufig schlicht um Müll handelt, Schlachtabfälle, die mit Chemie geschmacklich so getrimmt werden, dass die Tiere das
essen. Und letztlich nichts anderes mehr wollen. Von diesen Aromen und
Geschmacksverstärkern erfahren die Tierhalter aber nichts – sie dürfen nicht
einmal auf dem Etikett auftauchen, wie mir das zuständige Ministerium sagte.
Kennt die Industrie dabei keine
Ekel-Grenzen?
Eine der Firmen, bei denen ich war, kam vor Jahren in die
Schlagzeilen, weil sie tonnenweise Klärschlamm zu Tierfutter verarbeitet
hatte. Sie werden dann aber nicht als Übeltäter ausgegrenzt, sondern sind heute
noch Lieferant für die großen Heimtierfutterkonzerne.
Das Geschäft läuft dennoch
glänzend. Wie geschmiert könnte man sagen…
Das können Sie wörtlich nehmen. Ich habe noch nie ein so korruptes
Milieu angetroffen wie in der Tiernahrung. Sie Konzerne sponsern schon die
Studenten der Veterinärmedizin, sie finanzieren die wissenschaftlichen Studien,
den Tierärzten ihre Kongresse bis hin zur Tanz-Combo beim Gesellschaftsabend.
An manchen Universitäten finden regelrechte Reklameveranstaltungen für die
Dosenfutterproduzenten statt. Denkt da noch jemand an unabhängige, seriöse
Forschung? Oder gar ans Wohl der Tier?
AZ-Interview, In: AZ Ostern 2007.