2007 Medizindienst statt Militärdienst familiäres Zukunftsideal
Vorgeschichte
Mein Vater wurde 1938 als 28 Jähriger weg von seiner
Chirurgenausbildung bei Prof. Lebsche/Sauerbruch zum
Militäreinsatz Russlandfeldzug als Fliegerarzt-Offizier eingezogen. Dort half
er am Dnjepr der schwer leidenden kranken Zivilbevölkerung - obwohl dies
offiziell streng verboten war. Nach einer sehr schweren Geburt mit der Zange in
einem russischen Dorf bekam er eine kleine Goldmünze von einer glücklichen
jungen Mutter geschenkt. Hinter den „feindlichen“ Linien versorgte er alle
Kranken, seine Einheit wurde von den Freischärlern stets geschont. Bei der
Krankenversorgung holte er sich eine Hepatitis und eine Ruhr, kurz darauf eine
Splitterverletzung im Knie. Nach einem kurzen Sanatoriumsaufenthalt in Riva wurde er nach Sardinien verlegt. Dort führte er bei
den Einheimischen die Malaria-Diagnostik durch.
Folter in Kriegsgefangenschaft
In Kriegsgefangenschaft kam er als Leiter des
Deutschen Militärhospitals an der französischen Küste. Im Gefangenlager in Biarez in Nordafrika wurde mein Vater von einem hohen
amerikanischen Offizier gefoltert unter der illusorischen Frage, wie er als
Arzt in der Hitler-Wehrmacht Offizier werden konnte.
Dabei versprach ihm dieser Offizier, dass „Amerika dafür Sorge tragen werde, dass
niemals mehr ein Deutscher eine Waffe tragen muss.“
Im Gegensatz zu dieser vollmundigen Versprechung musste
Deutschland kaum zehn Jahre später wieder die allgemeine Wehrpflicht einführen!
Medizindienst statt Militärdienst
Mein Vater richtete auch in Biarez
eine Ambulanz für die Einheimischen als Rot-Kreuz-Stelle ein. Seinen Traum
setzte er durch, anstelle einer Wehrmachtsuniform nur im Weißzeug mit Rotem
Kreuz leben und arbeiten zu dürfen.
Als Leiter des französischen Gefangenenstraflagers von 4000 Deutschen
schrieb er in altdeutscher Schrift auf die zahlreichen Todesbescheinigungen,
die nach Genf zum Roten Kreuz geschickt wurden „Hungerödeme“ bei den
verhungerten Soldaten. . Mein Vater wurde deswegen durch die Franzosen gefoltert.
Eine Kommission des Roten Kreuzes in Genf beendete jedoch den Verkauf der
Lebensmittel für die Gefangenen an die einheimische Bevölkerung durch die
französische Lagerverwaltung. Jeder bekam wieder seine Essensration.
Jeder vierte Gefangene wurde ohnehin beim Sammeln und Entsorgen der
Landminen zerrissen.
Das Gefangenenlager galt als vorbildlich: alle Gefangenen lernten neben
der beschwerlichen Arbeit in der Wüste französisch und die französische
Geschichte und Kultur, jeder lernte aus den Messing-Geschossen Trinkgefäße zu
schneiden und künstlerisch zu ziselieren. Das Wachpersonal verkaufte sie.
Als „typisch Deutsch“ sah mein Vater an, überall in der Welt durch hilfreiche Medizin zur gegenseitigen Völkerverständigung beizutragen und Waffen völlig zu ächten.
Mit der Rot-Kreuz-Binde am Arm werden mehr Konflikte gelöst als mit Bomben und Raketen.
Natürlich habe ich meines Vaters Ideale das ganze Leben fortgesetzt:
- beim Pflichtwehrdienst als Offizier-Arzt weigerte ich mich Waffen zu tragen oder bei Schießübungen teil zunehmen.
- ich trug nie die Bundeswehr- Uniform, ließ sie mehrmals wegen „Blutflecken“ reinigen.
- kritisierte mit unzähligen Beschwerdebriefen ans Verteidigungsministerium die ungesunde Ernährung der Wehrpflichtigen und vieles anderes - bis zu meiner vorzeitigen Ausmusterung.
Alle meine Buben gingen im 14. Lebensjahr zu sozialen Einrichtungen:
- Michael zu den Johannitern, wurde dort Jugendzug-Führer und
absolvierte die
Verpflichtung
zum Katastrophenschutz (10 Jahre)
- Peter zunächst bei den Maltesern, dann den aktiveren Johannitern mit Zivildienst
- Johannes zur Wasserwacht am Flaucher, damit auch Zivildienst.
Bei unzähligen Massenveranstaltungen haben die hilfsbereiten jungen
Sanitätshelfer für ein viel friedlicheres Gefüge gesorgt als martialische
Polizisten in Kriegsausrüstung.
Wenn Deutschland statt Soldaten Rot-Kreuz-Helfer an alle Krisengebiete der Welt schicken würde, gäbe es auch nicht mehr Tote in der Zivilbevölkerung als bisher. Aber viel mehr Glück und Zufriedenheit und alles wäre billiger.
Wann kapieren auch Staatmänner, dass Medizindienst statt Militärdienst für uns Deutsche angemessener ist nach unserer kriegerischen Vergangenheit?
(Auszug aus meiner neuen Biografie)