2009 Leben nach dem Tode

Nach 10 Herzstillständen sieht das wiedergewonnene Leben natürlicher aus.

Nach dem Erwachen war der Mensch, der gerade neben mir stand ungeheuer wichtig. Sein Wort war die Verbindung zum Leben und verdränte den dahinterstehenden Tod. Seine Hand zu halten bedeutete, das Leben festzuhalten. Ich sagte es sofort allen und bat zu bleiben. Ich fragte sie aus – wie in der Praxis bei der Anamnese. Am Parkplatz erzählte der Passsant vom TÜV, dass er gerade seine Mutter besuchen will, die immer jammert, ihr aber gar nichts besonderes fehle. Er fand es toll, bei einer Wiederbelebung mit Herzmassage und Defibrillation dabei gewesen zu sein und zu erleben, wie es hilft. Ein Feuerwehrmann vom Notarztwagen lamentierte, dass er nicht transportieren dürfe die 50 Meter zur Notaufnahme, da es ohne Auftrag der Leitstelle nicht bezahlt werde. Von 7 km Entfernung kam das Fahrzeug meines früheren privaten Rettungsunternehmens. Die Rettungssanitäterin fragte mich, was ich hätte. Der Defibrillator hing noch an meiner Brust. Ich erzählte ihr „einen schweren Herzinfarkt mit Kammerflimmern“. Ich war froh, dass es nicht die üblichen Fragen zur Orientierung waren (Datum, Bundeskanzler). Jedes Wort eines Menschen war wie ein herzliches Geschenk, ein Wunder des Lebens. Jeder Mensch machte mich glücklich. Ich sagte es allen, auch aus Angst, dass sie mich als „hirngeschädigt, hoffnungslos“ wieder sterben lassen würden. Wußte ich doch, dass eine Wiederholung sehr wahrscheinlich und gefährlich ist. Das Kammerflimmern trat noch dreimal auf. Neben Defibrillation war auch wieder eine Herzmassage noch nötig. Sofort nach dem Erwachen atmete ich ganz tief mir offenem zahnlosen Froschmaul, um nicht beatmet zu werden und allen zu zeigen, dass ich wach bin.

Die Bläue verschwand schlagartig.

Sofort machte ich Witze. Das Glücksgefühl, wieder am Leben zu sein, tat ich allen kund. Bei allen bedankte ich mich überschwänglich, jedem versprach ich ein Buch von mir. Manche haben mich riesig beeindruckt, wie in der Oper der Kinder-Notarzt Dr. Schmid mit seiner herzlichen Freundlichkeit oder der Rettungssanitäter der Berufsfeuerwehr, der Sohn des Feuerwehrchefs Hölzl, der mit meinem jünsten Sohn bei der Wasserwacht war. Ihre Bücher habe  ich handsigniert. Die Herzlichkeit von ausnahmslos allen Helfern war einerseits durch die Schwere und Seltenheit der Erkrankung bedingt, zudem wußte niemand, ob es gut ginge – ganz im Gegenteil . Mein Sohn der hier mit seiner Frau im Krankenhaus als Assistent gearbeitet hatte, war dabei, andererseits war der menschliche Kontakt das Geheimnis dafür, die Kraft aufzubringen, gegen alle Schmerzen bei der Behandlung anzukämpfen ohne zu murren. Ein Oberarzt fragte, wie es sei, ich sagte ihm, ich dissimuliere – etwas was im Krankenhaus fast nie vorkommt. Das half mir, gemeinsam mit allen, den Kampf um das Leben zu optimieren.

Das Leben nach dem Tode ist definiert durch einen immerwährenden Kampf um das Leben. Dabei spielen die Menschen der Umgebung eine viel größere Rolle als das Materielle. Es ist wunderschön, wieder zu leben, aber die Angst, es wieder zu verlieren, bleibt immanent.

Der Bayer tröstet sich mit dem „Brandner Kasper“, der meinte, nun das ewige Leben zu haben. Ein Sohn schrieb mir ins Krankenhaus: „Dua fei net so viu mitm Boindlkrama schnapseln, sonsd werd a grandig!“

(Zusatz zur Biografie)