Kindergerechte Arzneien künftig in EU
In den USA ist es schon seit Jahren Gesetz, jetzt hat Europa endlich
nachgezogen: Alle Medikamente, die künftig zugelassen werden, müssen auch für
Kinder getestet werden. Damit soll einer der größten Missstände der modernen
Medizin behoben werden.
Brüssel - Es ist bis heute eines der größten Probleme, mit denen
Kindermediziner im Alltag zu kämpfen haben: Nur etwa 20 Prozent der
Arzneimittel auf dem deutschen Markt sind ausreichend für Kinder und
Jugendliche geprüft und für deren Behandlung zugelassen. Nicht selten müssen
Ärzte auf Intensivstationen in waghalsigen Spontanversuchen herausfinden, wie
Medikamente richtig zu dosieren sind. Oft kommt es dabei zu teils
lebensbedrohlichen Nebenwirkungen.
Im Unterschied zu den USA, wo Hersteller
seit 1997 ihre Medikamente in aufwendigen klinischen Studien auch an Kindern
testen müssen, gab es in Deutschland bisher keine vergleichbare gesetzliche
Regelung. Das wird sich nun ändern: Das Europaparlament billigte am heutigen
Donnerstag in Brüssel eine Verordnung, der zufolge künftig alle neuen
Medikamente vor der Zulassung auch für Kinder klinisch getestet werden müssen.
Die neue - für die Pharmaindustrie verpflichtende - Regelung soll 2007 in Kraft
treten. Da Parlament und Ministerrat sich zuvor auf einen Kompromiss
verständigt hatten, muss das Gesetz vom Rat nur noch formell verabschiedet
werden.
Die Pharmaindustrie hat ihre bisherige Weigerung, freiwillig Medikamente
für Kinder zu testen, mit zu hohen Kosten begründet: Entsprechende klinische
Studien seien extrem aufwendig, da fünf verschiedene Altersgruppen zu
berücksichtigen seien und viele der Medikamente anschließend nur für kleine
Zielgruppen geeignet wären - keine guten Voraussetzungen für gewinnbringende
Geschäfte.
Lukrative Patentschutz-Verlängerung
Die EU bietet der Pharmaindustrie deshalb finanzielle Anreize: Für alle
Arzneimittel, die auf kindgerechte Wirkungen untersucht wurden, wird der
20-jährige Patentschutz um sechs Monate verlängert. Spiegel online 1.6.06