Kalkreiniger verätzte Säugling vorsätzlich

Verbrüht, geschlagen und mit Kalkreiniger gefüttert: Ein Ehepaar steht vor Gericht, weil es seine Tochter jahrelang gequält hat. Nach den Misshandlungen brachten sie das Kind in die Klinik, um Geld von der Versicherung zu bekommen. Ärzte und Jugendamt schöpften keinen Verdacht.

Mit 1000 Euro von der Versicherung habe sie gerechnet, sagte die Anklagte Mandy N. Deshalb setzte sie die Tochter in die Badewanne und übergoss die Oberschenkel mit kochendem Wasser. Da war Lea-Marie 15 Monate alt. Dann rief sie die Nachbarin und den Notarzt. Die Tochter wurde in die Rostocker Uni-Klinik gefahren. Dort erzählte die Mutter, das Kind hätte versucht, den auf dem "kippligen" Herd stehenden Kochtopf mit Kartoffeln "runterzureißen" – mit 15 Monaten!

Das Kind spuckte häufig, Ärzte stellten irgendwann Verätzungen in der Speiseröhre fest. Die Angeklagte gab an, ihr Mann hätte vergessen, den Kalkreiniger aus dem Wasserkocher ordentlich wegzuspülen. Sie hätte dann einen Tee gekocht. "Ich habe den Kalkreiniger in ein Glas gegossen, einen Schluck Tee dazu und dann das Kind in den Arm genommen, den Mund gewaltsam geöffnet und ihr das verabreicht." Verabreicht. 21 Mal. "Wie viel?", fragt eine Richterin und presst die Lippen aufeinander. "Erst so viel, am Ende so viel", zeigt die Angeklagte mit den Fingern. "Ein halbes Glas also", fragt die Staatsanwältin. "Ein halbes Glas", bestätigt Mandy N. Und einen Schluck Tee.

Geschrien, gespuckt und geweint habe Lea-Marie. Die Angeklagte rief ihren Mann an, und dann fuhren sie wieder zum Arzt. "Wieso?", fragt der Richter. Er wird das während der Verhandlung noch oft fragen. Die Antwort: ein Schulterzucken. "Ich weiß, es ist Wahnsinn, was ich meiner Tochter angetan habe. Ich frage mich jeden Tag, warum?", sagt Mandy N. Tilo weint manchmal, sie nicht.

Dieses "Wieso?" wird laut Staatsanwältin die entscheidende Frage in diesem Prozess sein. War es schlichte Überforderung oder einfach Brutalität? Die Unfallversicherung zahlt im Fall einer dauerhaften Invalidität der Tochter 150.000 Euro. Daran will die Angeklagte aber nicht gedacht haben.

Die heute fünfjährige Lea-Marie,  lebt nun bei einer Pflegemutter. Ihr Martyrium begann mit 15 Monaten. Sie hat einen Schlauch in der Nase, ist schwerkrank und klammert sich mit Händen und Füßen an die Pflegeperson, wenn Besuch kommt. Sie hat Angst, zurück zu den Eltern zu müssen. "Als Mama mir den bösen Tee gegeben hat, hat Papa mich immer festgehalten", sagte sie der Staatsanwältin.

Über vier Jahre lang quälte das Elternpaar N. aus Teterow in Mecklenburg-Vorpommern die eigene Tochter. Erst war es kochendes Wasser, dann der Teppichklopfer - am Ende Kalkreiniger mit einem Schluck Tee.

 

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,451737,00.html