1971 Hyperventilationssyndrom_Verheimlichte Amalgamlüge
Schon viele Leser des Diabetes-Journals haben
sicherlich an sich selbst Beschwerden erlebt, wie sie in diesem Beitrag unter
dem Begriff Hyperventilationssyndrom beschrieben werden. So beängstigend für
den einzelnen auch sein mögen, sind sie letztlich doch ungefährlich; sie können
in der Regel vom Patienten selbst zum Verschwinden gebracht werden. Der
Münchner Kliniker Dr.M.Daunderer, der sich seit
längerem mit diesen Problemen beschäftigt, schildert die für den Patienten
wichtigen Einzelheiten laienverständlich.
Der moderne Mensch ist
mannigfaltigen Stressfaktoren ausgesetzt, auf die es ein buntes Muster von
Reaktionsarten gibt. Eine dieser Reaktionsarten ist das Hyperventilationssyndrom,
das in letzter Zeit sehr häufig beobachtet wird. Wenn diese Störung auch immer
ohne organische Schäden einhergeht, so löst sie doch starke Angst aus; sie ist
zwar unangenehm, jedoch in keiner Weise gefährlich.
Angstgefühl durch verstärktes Atmen
In jeder nervlichen
Belastungssituation wie Überarbeitung, Streit, Leistungssport oder nächtlichen
Angstträumen schaltet sich in unserem Körper das „Aktivitätszentrum“, der Sympatikus, ein und veranlasst, dass das Herz schneller
schlägt, Blutdruck, Atemfrequenz und Atemtiefe ansteigen (Hyperventilation),
die Muskeldurchblutung vermehrt und die Nervenerregbarkeit gesteigert wird.
Dies ist ein ganz normaler Vorgang. Viele meinen nun aber, fest atmen würde
beruhigen, das Angstgefühl auf der Brust würde sich dadurch lösen.
In einer nervlichen
Übererregungssituation regt jedoch eine Hyperventilation den Sympatikus noch mehr an, das Herz schlägt fühlbar
schneller, die bestehende Angst wird dadurch noch verstärkt. Dies führt zu
einer stärkeren Hyperventilation und somit ist ein Teufelskreis geschlossen.
Bei Angst verkrampfen sich auch die Hirngefäße, es gelangt weniger Blut dorthin
und dies führt zu Schwindel, Sehstörungen, Angst, Reizbarkeit und
Konzentrationsschwäche; diese Symptome verstärken das Gefühl der Atemnot und
der Patient atmet noch intensiver. Es treten auch starke Krämpfe in der
Skelettmuskulatur auf, denn zum Ausgleich des durch den Kohlensäuremangel zu
alkalischen Blutes verbinden sich Kalziumionen
vorübergehend mit dem Bluteiweiß; das Fehlen von Kalzium erregt die Nerven und
führt somit zu einer Muskelverkrampfung. Wer weiß, wie unangenehm ein
Wadenkrampf ist, der kann sich vorstellen, wie beunruhigend für einen
ängstlichen Patienten ein solcher Krampf in der Brustwand- oder Bauchmuskulatur
sein muss. Ein Krampf der Rippenmuskulatur links wird vom Patienten daher als
vom Herz ausgehend, rechts von der Lunge ausgehend, ein Krampf der
Bauchmuskulatur rechts als von Leber und Galle ausgehend, links als vom Magen
kommend, ein Krampf der Rückenmuskulatur als von den Nieren ausgehend gedeutet.
Krampfartige Zustände
Nach langer Hyperventilation
kommt es zu einem Krampf der Finger („Pfötchenstellung“), der Füße
(„Spitzfußstellung“) und der Lippen („Karpfenmaul“) sowie einem Zittern von
Armen und Beinen (Hyperventilationstetanie). Ein
leicht verstärktes Atmen bewirkt, dass der Patient ununterbrochen unter einigen
Symptomen, wie Ameisenlaufen, Schwindel, Druck auf den Ohren o.ä. leidet. Die Zeit der verstärkten Atmung kann einige
Stunden dem eigentlichen Anfall vorausgehen, so dass sich die nicht
aufgeklärten Patienten selten über den Auslösemechanismus im klaren
sind.
Im folgenden
sind die sicheren und die eventuellen Zeichen des Hyperventilationssyndroms
aufgeführt; das Kribbeln in den Armen und das Schwächegefühl in den Beinen sind
die charakteristischen Frühsymptome:
A. Sichere Zeichen des Hyperventilationssyndroms:
1. Kribbeln (Ameisenlaufen) in den Armen (Beinen)
2. Schwäche in den Beinen
3. Atemnot
4. Angst
5. Krampfartige Muskelschmerzen im Bereich der
Brustwand, im Bauch, im Rücken oder in den Extremitäten („Herz“, „Magen“,
„Galle“, „Nieren“ usw.)
B. Eventuelle Zeichen des Hyperventilationssyndroms:
1. Zittern
2. Kalte Arme und Beine
3. Herzjagen
4. Heiße und kalte Schauer
5. Sehstörungen (Schwarzwerden und Flimmern vor den
Augen)
6. Übelkeit, Brechreiz
7. Kloßgefühl im Hals
8. Druckgefühl auf den Ohren
9. Kopfschmerzen
10. Abgeschlagenheit, Konzentrationsmangel,
Denkstörungen, Schlafstörungen
Falls die unter A genannten
Zeichen bei einem Anfall beobachtet werden, handelt es sich um ein
Hyperventilationssyndrom. Durch folgende einfache Maßnahmen kann man die
Vielzahl von unangenehmen körperlichen Erscheinungen ohne fremde Hilfe
schlagartig wieder zum Verschwinden bringen:
In eine Plastiktüte atmen
Man hält die eigene
geschlossene Hand dicht vor Nase und Mund, so dass beim Ausatmen keine Luft
entweichen kann und atmet somit nur die Luft ein, die man gerade ausgeatmet
hat, um keinen Sauerstoff zu sich zu nehmen. Noch besser ist es, wenn man eine
kleine Plastiktüte dicht vor Nase und Mund hält. Dabei sollte man sich zwingen,
möglichst wenig und oberflächlich zu atmen. Schon nach wenigen Sekunden
verspürt man dann eine Besserung und nach einigen Minuten Atmen mit obiger
Technik sind meist alle Beschwerden vollständig verschwunden. Bei sehr
aufgeregten Patienten ist es beim ersten Mal praktisch, wenn ein Angehöriger
bei dieser Therapie mithilft. Falls jedoch trotz Atmens in die Plastiktüte nach
einigen Minuten noch keine Besserung eingetreten ist, muss man die Hilfe eine
Arztes anfordern, da dann eventuell zusätzlich eine organische Erkrankung
vorliegen kann, die zuerst behoben werden muss.
Wie eingangs betont, handelt
es sich beim Hyperventilationssyndrom um eine Art der Erregungsverarbeitung, zu
der jeder normale Mensch in einer starken psychischen Belastungssituation
kommen kann. Die meisten Menschen reagieren nur selten in ihrem Leben auf diese
Art. Falls die Ursache noch fortbesteht oder bei nervlich gering
Belastungsfähigen tritt jedoch ein durch den ersten, meist sehr eindrucksvollen
Anfall ein Lernmechanismus ein und die Anfälle wiederholen sich laufend. Daher
ist es wichtig, dass gerade die ersten Anfälle richtig angegangen werden. Bekommt
der Patient hierbei z.B. eine Beruhigungsspritze in die Vene, die auch sofort
wirkt, dann meint er das nächste Mal, ohne die sofortige Spritze müsse er
sterben und die zusätzliche Angst verschlimmert diesen Anfall erheblich. Hat er
jedoch schon früh gelernt, die Beschwerden mit den beschriebenen einfachen
Mitteln schnell zum Verschwinden zu bringen, dann stärkt dies sein
Selbstvertrauen und er gelangt nicht in das verhängnisvolle Gefühl der
Abhängigkeit. Auch eine ausschließliche Behandlung mit Psychopharmaka hilft
nicht, birgt jedoch die große Gefahr der Medikamentenabhängigkeit (z.B. Valium).
Eine Kalziumspritze beruhigt
nun zwar, fördert jedoch einerseits auch die Abhängigkeit von Medikamenten und
birgt andererseits bei Wiederholung die Gefahr, dass durch Blockierung der
Nebenschilddrüse der Kalziumspiegel im Blut gesenkt wird, was schwere Krämpfe
verursachen kann. Daher darf auch kein Kalzium geschluckt werden. Lediglich der
Kalzium-Gehalt des Äthanol-amino-phosphorsäureesters
in der Zusammensetzung von Phosetamin ® (Dr. F.
Köhler Chemie, 6146 Alsbach) beruhigt die Nerven ohne Gefahr einer
Abhängigkeitsentstehung.
Da während eines Anfalls
Blutdruck und Puls als Folge der Angst sehr hoch sind,
sinken sie in der Erholungsphase stark ab. In Verbindung mit den dann noch
meist vorhandenen leichten Tetaniesymptomen, wie
Kribbeln in den Armen und Beinen, Schwindel und Sehstörungen, denken viele
Patienten, das ganze sei auf einen zu niedrigen Blutdruck zurückzuführen,
deshalb nehmen sie Kreislauf- oder Herzmittel. Diese wirken jedoch auch
anregend auf das Gehirn, die Atmung wird verstärkt und ein neuer Anfall wird
eingeleitet.
Richtlinien zur Vorbeugung
Zur Vermeidung neuer Anfälle
sollte man folgendes beachten:
Quelle: Diabetes-Journal 5/1975
(Diese eigene Info war 1971 die
Grundlage eines gemeinsamen Forschungsprojektes von mir mit dem
Lehrstuhlinhaber für
Klinische Psychologie, Prof.Butollo und mehreren Doktoranten
Diese Schrift wurde jahrelang bei
allen diesbezüglichen Notarzteinsätzen und im Ärztlichen Notdienst verteilt
und war bei allen Ärzten sehr
beliebt, da sie die Rückfallquote schlagartig fast aufhob.
Auf Wunsch von Herrn Prof.Mehnert erschien sie in seinem „Diabetes Journal.
s. auch Notarzteinsatz
Olympiade Eröffnung
Ursache der Hyperventilation ist
Zahnquecksilber, die Amalgamentgiftung machte dieses Symptom seltener)
Dr.Daunderer