Hormontherapie
Fehler wie bei der Amalgamverharmlosung
Es gab Zeiten, da waren Magengeschwüre eine Sache für Chirurgen oder
Psychotherapeuten. Als australische Ärzte 1982 den Verdacht hatten, das Ulcus ventriculi könnte eine Infektionskrankheit sein, wurden sie
zu erst belächelt, dann bekämpft – bis randomisierte
Studien ihnen Recht gaben, sodass Magengeschwüre heute lege artis
mit Antibiotika behandelt werden. Dies ist nur ein Beispiel aus einer langen Liste
von radikalen Richtungswechseln der Medizin.
Immer wieder stellt sich heraus, dass die breite Akzeptanz einer Lehrmeinung
keine Garantie dafür bietet, dass diese auf Dauer richtig ist. Häufig sind es randomisierte Studien, die feste Überzeugungen als Irrtum
entlarven. Typisch ist auch, dass es erhebliche Widerstände gegen solche
Richtungswechsel gibt.
So gesehen erscheint das, was seit Jahren mit der Hormontherapie (HT) gegen
Wechseljahres- beschwerden (ehedem: Hormonersatztherapie) passiert, als Normalität.
Bis Sommer 2002 galt für diese Therapie eine überwältigend positive Bilanz, die
Mehrheit der Experten erhoffte sich die Prävention von zahlreichen
Altersleiden, darunter Herz-Kreislauf-Krankheiten und Alzheimer-Krankheit. Doch
dann wurden in den USA beide Teile der randomisierten
„WHT“-Studie mit 27.000 Frauen vorzeitig abgebrochen,
weil die eingesetzten Östrogen- und Östrogen-Gestagen-Präparate enttäuschten.
Auch kleinere Studien fielen negativ aus: „Keine Prävention durch Hormone“
lautet seitdem die neue internationale Bewertung – das ist das Gegenteil
dessen, was auch viele deutsche Meinungsbildner vorhergesagt hatten. Und jetzt
läuft der schmerzhafte Prozess, sich von alten Zöpfen zu verabschieden. Das
fällt manchem Gynäkologen schwer, wie unter anderem im „Frauenarzt“, der
Berufsverband der Frauenärzte und von der Deutschen Gesellschaft für
Gynäkologie und Geburtshilfe herausgegeben wird, zu lesen ist. Trotz
international vollzogener Neubewertung der HA versucht man dort, die
niedergelassenen Frauenärzte einzuimpfen, sie könnten die US-Studien
ignorieren. Die Kernthese lautet, auf einen kurzen Nenner gebracht: In diesen
Studien wurden die falschen Frauen mit den falschen Medikamenten behandelt. Und
weil deutsche Gynäkologen andere Frauen behandeln, sollten sie sich nicht
verunsichern lassen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass Instanzen von ganz
anderem Gewicht, nämlich die US-Arzneimittelbehörde FDA und die europäische
Arzneimittelagentur EMEA, ihre Warnhinweise zu Hormonpräparaten längst deutlich
verstärkt haben.