Glück ist keine Glückssache
Hans Gerber*
hat seit neun Jahren MS, Hans Gerbers Ehe ist gescheitert, er ist
alleinerziehender Vater. Hans Derber, der Ex-Manager, ist - wie früher im Beruf – z. Z.
in erster Linie als Krisenmanager gefragt. Hans Gerben sitzt seit vier Jahren
im Rollstuhl er hat Seh- und Sprachprobleme, die Spastik
macht ihm arg zu Schaffen und immer wieder leidet er unter massiven
Schlafstörungen. Hans Gerber ist glücklich. Ja, ich weiß, es klingt verrückt
aber ich bin absolut glücklich. Meine Tochter ist ein wunderbares Mädchen, sie
hilft mir viel und vertraut mir all‘ ihre Sorgen an. Seit einem Jahr gibt es
auch eine neue Frau im Leben von Hans Gerber.
„Eine, die“, wie er sagt, „mit MS nichts am
Hut hat, die in seiner Firma einen Spitzenjob hat und oft- mals
abends völlig erschöpft neben ihm auf dem Sofa einschläft. Das Tollste jedoch
ist: Nach Jahren der Ablehnung und des Nichts-Wert-Seins hat Hans Derber eine
Frau gefunden die zu ihm aufschaut, ihn bewundert, ihn um Rat fragt. „Ja“,sagt er, „ich bin wieder gefragt.
Die MS ist das eine, mein Glück das andere. Das
Wichtigere“.
Spinnt der
Mann? Verkennt er völlig seine traurige Lage? Oder redet er sich sein
bedauernswertes Leben nur schön?
Keineswegs:
Schwierigkeiten, Probleme, Sorgen, selbst Krankheit & Co. sind nicht das
Gegenteil von Glück. Doch wie will man Glück definieren? Die Psychologen
meinen, Glück sei eine Empfindung absoluter Harmonie des Bewusstseins,
Mediziner nennen spezielle Botenstoffe die in bestimmten Situationen
ausgeschüttet werden und dem Gehirn das Signal geben „Sei glücklich“.
Glücksforscher schließlich - es gibt sie wirklich - formulieren „Happiness“ als „subjektives Wohlbefinden.
Ihrer
Erkenntnis nach kann Glück sowohl ein Gefühl aber auch ein Zustand sein.
Wichtig sind dabei nicht die realen Tatsachen, sondern das ureigene Erleben
eines Menschen.
Und somit
wird klar, warum Hans Derber glücklich sein kann. Weder die MS, seine
gescheiterte Ehe, noch die Tatsache, dass er an den Rollstuhl gefesselt ist,
haben ihn verzweifeln lassen.
„Mein Leben
ist wunderbar. Meine Tochter und meine neue Partnerin machen mich stark und
glücklicht erklärt er und strahlt.
Gut und schön,
werden jetzt viele denken, aber wie kann man trotz derber Schicksalsschläge,
geplagt von
Schmerzen und Ängsten, ein glücklicher Mensch werden?
Theoretisch und wenn man den Glücksforschern glaubt, ganz einfach, denn die
Experten haben festgestellt: Der Mensch fühlt sich glücklich, wenn im
alltäglichen Leben die Zahl der angenehmen Augenblicke die Summe der unangenehmen
Momente deutlich übersteigt. Was jedoch zur Folge hat: Man muss aktiv werden.
„Jeder ist
seines Glückes Schmied“, sagt der Volksmund und offensichtlich ist an dieser
Weisheit etwas dran. Der Journalist und Autor Jürgen J. Drews rät in seinem leider
vergriffenen Buch „Mein Glücks Programm“ zu drei einfachen aber sehr effektiven
Tricks:
Der Foto-Tipp:
Suchen sie
ein Foto, das eine Situation zeigt, in der Sie sehr glücklich waren.
Hintergrund:
Je länger und tiefer man in ein Bild eintaucht, auf dem man glücklich war,
desto mehr
schaltet der Tagesstress und die Angst vor morgen ab.
Der Musik-Tipp:
Sie sind
kein großer Fotosammler? Macht nichts. Auch der „Musik-Trick fördert das
Glücklichsein.
Die alte,
leicht zerkratzte Platte von Tina Turner oder Elvis, das Klavierkonzert von
Tschaikowsky
oder das
Märchen „Peter und der Wolf“, - ganz
gleich, welchem Hörgenuss man sich hingibt, man wird in schönen Erinnerungen
schwelgen, die gut tun. Wichtig: Auch wenn einem vor Rührung die Tränen kommen
- nicht schlimm. Im Gegenteil. „Einfach noch einmal hören“, rät J.J. Drews.
Der Genuss-Tipp:
Glück geht
auch durch den Magen. Jeder hat an bestimmte Speisen und Getränke glückliche
Erinnerungen, Omas Sülze, die Curry-Wurst mit Pommes rot-weiß, oder das Filet
im argentinischen Steakhouse in der Innenstadt -
Deshalb: Machen Sie sich auf und gönnen Sie sich einen Gaumenschmaus „von
damals“. Nehmen Sie einen lieben Menschen mit auf ihre Zeitreise zu den
glücklichen „Ess-Momenten.
Der Extra-Tipp:
Lachen Sie!
Es ist nämlich nicht nur ein Spruch, das Lachen gesund ist, sondern auch
wissenschaftlich bewiesen. Mit jedem herzlichen Lachen gesundet die Seele ein
wenig mehr und dem Glück ist der Weg qeebnet. Doch
kann man überhaupt diese wohlgemeinten tipps nutzen?
Man kann! Und man kann sich auf den Weg machen, um glücklich zu werden. Hier
einige Ratschläge, die Psychologen erarbeitet haben. Wir stellen bewusst jene
in den Fokus, die für Menschen mit chronischen Erkrankungen wie MS oder deren
Angehörige wichtig sind.
- Trauern
Sie nicht Fähigkeiten nach, die Sie nicht mehr haben. Freuen Sie sich an allem,
was Sie
noch (lernen) können.
- Sehen Sie
das positive. Betrachten Sie Belastung nicht als Stress, sondern als
Herausforderung
- Seien Sie
lässig und legen Sie nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Auch sollten Sie nicht
ewig über die eigenen Formulierungen
nachdenken
- Bleiben
Sie ruhig und fühlen Sie sich nicht immer gleich persönlich attackiert.
Der “Angriff“ eines anderen gilt selten
ihnen, sondern in der Regel „Irgendjemandem“
der dem „Angreifer‘ gerade vor die „Flinte“
kommt.
-
Gemeinsamkeit macht glücklich. Gehen Sie unter Menschen, pflegen Sie Kontakte,
selbst wenn Sie sich dazu zwingen müssen. Es tut verdammt
gut, Zeit in der Gemeinschaft
zu verbringen.
- Werden
Sie aktiv. Dazu müssen Sie kein Sportler sein. Ein Besuch in der Oper, das
regelmäßige
Treffen mit einem Freund oder eine Fahrt aufs Land, kann die
schönsten Glücksgefühle in Ihnen
auslösen.
- Seien Sie
offen. Ob im Kaffee oder im Kaufhaus – sprechen Sie Menschen an. Sie werden
staunen wie gut das funktioniert. Und: Aus vielen lockeren
Gesprächen sind schon feste
Freundschaften oder gar Liebesgeschichten entstanden.
- Machen
Sie sich klar: Schwierige Lebenslagen können auch dazu dienen, sich in eine
neue Richtung aufzumachen.
- Glauben
Sie an das Gute, denn selbst das vermeidlich Schlechte kann positive Aspekte
haben. Nicht umsonst erklären gerade Menschen mit
fürchterlichen Leiden, dass sie seit
ihrer Erkrankung intensiver leben.
- Vergeben
und Verzeihen Sie. Aus der Psychologie weiß man, dass Menschen, die oft
gekränkt,
nachtragend, voll Groll oder gar Hass sind, in erster Linie
sich selbst das Leben unerträglich machen.
- Arbeiten
Sie mit Tricks. Alles was Ihnen gut tut (und anderen nicht schadet) ist
erlaubt.
Legen Sie sich ein neues Hobby zu, gestallten Sie Ihre
Wohnung um, nutzen Sie die Kraft
der Rituale. Wenn Sie sich auf ein immer wiederkehrendes
Ereignis, beispielsweise den
monatlichen Kinobesuch freuen können, haben Sie einen
Glücksmoment sicher.
Und selbst, wenn der Film nicht so toll war – der Abend,
außerhalb der eigenen vier Wände
und unter anderen Menschen, wird es sicherlich sein.
Apropos:
Hans Gerber hat einen Teil für Jugendliche aus
sozialschwachen Familien gegründet.
„In den Kellerraum, der uns zu Verfügung gestellt wurde,
komme ich nur, wenn meine
Jungs mich runterschleppen.
Aber die machen das ohne wenn und aber. Das ich im Rolli
sitze, ist für die kein Problem.
Im Gegenteil. Sie finden es cool, wenn sie mit dem Rollstuhl
hin und wieder durch die
Gegend fetzen können. Und ich? Das Zusammensein mit den
Jungs gibt mir so viel
und ich denke oft: Ich bin wirklich ein Hans im Glück.