Freiheitsentziehung in psychiatrischer
Privatklinik
Gericht:
Europäischer
Gerichtshof für Menschenrechte 3. Sektion Quelle: Inhaltliche Erschließung durch die
Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes.',
Entscheidungsdatum:
16.06.2005
Normen: Art 5 Abs 1 MRK, Art 5 Abs 4 MRK, Art 5
Abs 5 MRK, Art 6 Abs 1 MRK, Art 8 MRK, Art 41
MRK
Aktenzeichen:
61603/00
Dokumenttyp:
Urteil
Entschädigungsanspruch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention:
Staatliche Verantwortung für rechtswidrige Freiheitsentziehung in
psychiatrischer Privatklinik
Orientierungssatz
1.
In Anbetracht der Bedeutung des Rechts auf Freiheit in einer demokratischen
Gesellschaft kann eine Person den Schutz aus der EMRK nicht allein dadurch
verwirken, dass sie sich in eine objektiv rechtswidrige Freiheitsentziehung
gefügt haben mag. Die Einwilligung einer Person, ihre Einwilligungsfähigkeit
unterstellt, in ihren fortdauernden Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik
kann nicht angenommen werden, wenn sie mehrere Fluchtversuche unternommen hat,
wenn sie gefesselt werden musste, um an der Fluch
2.
Der Staat kann für die Unterbringung der Person in einer Privatklinik aufgrund
von 3 Gesichtspunkten nach der EMRK zur Verantwortung gezogen
werden.
Erstens
könnte die Freiheitsentziehung dem Staat wegen der unmittelbaren Mitwirkung der
Behörden an der Unterbringung der Beschwerdeführerin angelastet werden
(polizeiliche Rückführung nach der Flucht).
Zweitens
könnte eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK durch den Staat insoweit
festgestellt werden, als seine Gerichte in den von der Beschwerdeführerin
betriebenen Schadensersatzverfahren die zivilrechtlichen Bestimmungen über
ihren Anspruch nicht im Sinne von Art. 5 EMRK ausgelegt haben.
Drittens
könnt der Staat seine positiven Verpflichtungen, die Beschwerdeführerin vor
Eingriffen durch Private in ihre Freiheitsrechte zu schützen, verletzt haben.
3.
Der Staat ist verpflichtet, Personen, die einer psychiatrischen Behandlung
bedürfen, das Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit aus Art. 8
EMRK zuzusichern. Der Staat kann sich seiner Verantwortung nicht dadurch
entledigen, dass er seine Verpflichtungen in diesem Bereich auf private Stellen
oder Private überträgt. Er bleibt vielmehr verpflichtet, private psychiatrische
Kliniken zu überwachen und zu kontrollieren. Diese Einrichtungen, insbesondere
solche, in denen Personen ohne Gerichtsbeschluss untergebracht sind, bedürfen
nicht nur einer Konzession, sondern es müssen auch die Gründe für die
Unterbringung und medizinische Behandlung einer regelmäßigen fac
4.
Wenn eine gesetzlich vorgeschriebene gerichtliche Genehmigung für eine
Freiheitsentziehung nicht vorliegt, ist sie rechtswidrig.
5.
Auch eine leichte Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit einer Person
ist als Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK
anzusehen, wenn er gegen den Willen der betreffenden Person erfolgt.
6.
Wird eine Person ohne Rechtsgrundlage in einer psychiatrischen Klinik
untergebracht, dort in einem recht jugendlichen Alter mehr als 20 Monate lang
behandelt und waren die Beeinträchtigungen ihrer körperlichen
Unversehrtheit durch die zwangsweise medizinische Behandlung besonders
schwerwiegend, weil sie schwere irreversible
Gesundheitsschädigungen verursacht und ihr als Folge sogar die
Möglic