§ Fließbandgutachter
Wahrheit über Fließbandgutachter keine „Ehrverletzung"
Prof. Dr. Otmar Wassermann
Die unseriösen Machenschaften des Gewinnorientierten Heidelberger Arbeitsmediziners Prof. Gerhard Triebig, gegen den z.Zt. die Staatsanwaltschaft ermittelt, wurden von mir im Buch „Käufliche Wissenschaft" (Knaur Verlag 1994, A. Bultmann, F. Schmithals, Hrsg.) angeprangert. Nachdem er sich als Gerichtsgutachter schon erfolgreich disqualifiziert hatte, erteilte jetzt auch das Heidelberger Landgericht Triebig eine gebührende Abfuhr.
Triebig war wegen seiner verlässlichen Ablehnung der Schadensersatzansprüche von Geschädigten bei Berufsgenossenschaften und anderen Versicherungen ehedem ein bevorzugter, weil bewährter Gefälligkeitsgutachter. Er hat mit seinen Fließbandgutachten unzähligen Menschen schwer geschadet, indem er regelmäßig selbst offensichtliche Zusammenhänge zwischen Erkrankungen oder Tod der Betroffenen und gesundheitsschädigenden Einwirkungen am Arbeitsplatz oder aus der Umwelt abstritt. Hierzu produzierte er nicht nur wissenschaftlich dilettantische bzw. falsche Konstrukte, sondern schreckte sogar vor Fälschungen nicht zurück.
Im oben genannten Buch habe ich in meinem Beitrag „Fälschungen und Korruption in der Wissenschaft" das gemeingefährliche Treiben einiger Arbeitsmediziner scharf kritisiert und Triebig angemessen charakterisiert:
?Die Durchleuchtung ihrer Gutachtenberge wäre dringend ratsam. Mit dem besonders fleißigen Triebig, der allein 1990 und 1991, also in 730 Tagen, 1260 „Gutachten" - das heißt etwa 2 pro Tag - produziert hat, befasst sich endlich seit 1993 die Staatsanwaltschaft Heidelberg, nachdem er von einem Dioxin-geschädigten Wissenschaftler, den er ?begutachten" sollte, beim Vertauschen von Blutproben erwischt wurde."
Da Triebig schließlich doch noch einen Anwalt überreden konnte, bei ihm könne dadurch „eine Ehre verletzt werden", ließ er gegen die Feststellung, er sei ?beim Vertauschen von Blutproben erwischt worden", auf Unterlassung und Widerruf klagen, und zwar bei der Androhung von DM 500.000,- DM Strafe oder ersatzweise 6 Monaten Haft im Wiederholungsfalle.
Den Widerruf wollte Triebig laut Klageschrift in folgenden Zeitschriften abgedruckt sehen:
Arbeitsmedizin - Sozialmedizin - Umweltmedizin, Gentner Verlag, Stuttgart
Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Experimentelle Pharmakologie und Toxikologie
Zeitung für Umweltmedizin, Hamburg
Öko-Test, Frankfurt
Die Richterinnen und Richter des Landgerichts Heidelberg urteilen jedoch anders:
?Triebig steht weder der von ihm begehrte Unterlassungs-, noch der von ihm begehrte Widerspruchsanspruch zu. Der Beklagte würde nur dann haften, wenn die von ihm angestellte Behauptung unwahr ist oder wenn er sie zum Zeitpunkt der Äußerung nicht wenigstens für wahr halten durfte, da er ansonsten vom Gebrauch des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz unberechtigterweise abgehalten werden würde. Der Kern der beanstandeten Passagen des Buches stellt sich nach dem bisherigen Sachstand als wahr dar und ist nicht lediglich eine Meinungsäußerung."
Bei der vom Beklagten (Prof. Wassermann) aufgestellten Behauptung handelt sich auch nicht um eine sog. Formalbeleidigung:
?Bei der vom Beklagten aufgestellten Behauptung, die von einem Verlag später in Buchform publiziert worden ist, handelt es sich um eine kritische Auseinandersetzung mit Teilen der Wissenschaft, wobei deren besonderer Wert auf den Umstand gelegt wird, dem unbefangenen Durchschnittsleser die Augen dafür zu öffnen, auch Sachverständigengutachten oder wissenschaftliche Abhandlungen mit kritischen Augen zu sehen. Hierfür besteht nach Auffassung der Kammer ein durchaus legitimes Interesse. Derjenige, der als Sachverständiger oder wissenschaftlich tätig ist, muss sich sachlich gehaltene Kritik, auch wenn sie einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird, gefallen lassen."
Die Klage Triebigs wurde abgewiesen
Es handelt sich hier um ein Grundsatzurteil zum Schutz vor gefährlichen Gutachtern und zum Schutz des Rechtes, die Wahrheit ungestraft zu sagen. Damit gibt eine der Gerechtigkeit verpflichtete Justiz unzähligen, von profitgierigen Gefälligkeitsgutachtern geschädigten Menschen neue Hoffnung. Ich hoffe darüber hinaus, dass es nicht nur den Schutz gegen furchtbare Gutachter, sondern vielmehr auch Wissenschaftlern und Juristen den aufrechten Gang erleichtert - viele haben bislang nur eine latent vorhandene Neigung, diesen zu praktizieren.
Die Landesregierung Baden-Württemberg und die Universität Heidelberg müssen sich ihrer Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit bewusst werden und entscheiden, ob sie einen derartigen ?Wissenschaftler" auf Kosten der - u. a. von ihm geschädigten - Steuerzahler/innen noch länger üppig bezahlen oder ob sie ihn ohne Fortzahlung von Bezügen und unter Aberkennung von Pensionsansprüchen sofort entlassen müssen.
Das Urteil des Landgerichts Heidelberg (Az. 10 154/95; 11.1.96) kann von mir erhalten werden.
Prof. Otmar Wassermann
Direktor des Instituts für Toxikologie, Christian-Albrechts-Universität Kiel, Brunswiker Str. 10, 24 105 Kiel, Tel. 0431/59 73 540, Fax 59 73 558