Feinststaub Neue Studie bestätigt
gesundheitliche Risiken
Baltimore - Immer wenn in US-Städten der Feinststaubgehalt der Luft ansteigt, werden vermehrt ältere
Menschen mit der Diagnose Herzinsuffizienz in Kliniken eingewiesen. Eine neue
landesweite Studie im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2006; 295: 1127-1134) an
11,5 Millionen Mitgliedern der staatlichen Gesundheitskasse für Senioren (Medicare) bestätigt die Risiken, die von den winzigen
Staubpartikeln ausgehen.
Als Feinstaub (Particulate Matter, PM) werden alle
Schwebteilchen in der Luft bezeichnet, die eine Größe von unter 10 Mikrometern
haben (PM10). Diese gelangen nach dem Einatmen bis in die feinen Verästelungen
des Bronchialbaums. Noch tiefer - bis in die Alveolen - gelangt Feinststaub mit einer Größe von unter 2,5 Mikrometern (PM2,5). Viele Experten gehen davon aus, dass Feinstaub auch ins
Blut übergeht, was zahlreiche epidemiologische Befunde erklären würde, die in
den letzten Jahren erhoben wurden. Die Feinststaub-Exposition
war demnach nicht nur mit einem Anstieg von Atemwegserkrankungen verbunden, der
durch die Ablagerungen in den Lunge erklärt werden kann. Es wurden auch
wiederholt Assoziationen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen gefunden, die sich am
besten erklären lassen, wenn die Partikel auch in das Blut gelangen.
Die Feinstaubexposition hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen, nicht
zuletzt wegen des technischen Fortschritts. Moderne Dieselmotoren oder
Öl-Heizungen verbrennen den Rohstoff besser, es kommt zu weniger Ruß, dafür
entsteht aber mehr Feinstaub.
Die schädigende Wirkung ist ein statistisches Phänomen: Ob das Einatmen die
Gesundheit schädigt, kann nicht an einzelnen Patienten, sondern nur in
Kollektiven untersucht werden. Ein besonders großes Kollektiv haben Francesca Dominici von der Bloomberg School of Public Health in Baltimore und Mitarbeiter analysiert. Es handelt
sich um 11,5 Millionen Versicherte der Alterskrankenkasse Medicare,
die ihren Wohnort in der Nähe (im Durchschnitt 5,9 Meilen entfernt) von einer
der vielen Luftmessstationen haben, die es in den USA in 204 städtischen
Bezirken gibt.
Die Hospitalisierungen der Patienten werden in den Medicare National Claims History
Files ICD-9 Ziffern kodiert gespeichert. Dominici und
Mitarbeiter haben diese Daten mit den PM2,5-Emissionswerten
korreliert, die von der Environmental Protection Agency (EPA) gesammelt werden.
Jeder Anstieg der PM2,5-Werte um 10 µg/m3
war noch am gleichen Tag mit einem Anstieg der Hospitalisierungen
wegen Herzinsuffizienz um 28 Prozent assoziiert. Bei den über 75-Jährigen stieg
die Hospitalisierungsrate wegen Herzinsuffizienz
sogar um 36 Prozent. Das sind abstrakte Zahlen, die Dominici
am Beispiel des Cook County, zu dem die
US-Industriestadt Chicago gehört, veranschaulicht. In dem Bezirk beträgt der
durchschnittliche PM2,5-Wert 16 µg/m3, es
werden jedoch Spitzenkonzentration von bis zu 56 µg/m3 erreicht.
Jeder Anstieg der PM2,5-Werte um 10 µg/m3
bedeutet laut Dominici eine zusätzliche auf 100 Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz. An Tagen mit
Spitzenwerten macht das ein Plus von 5/100 Hospitalisierungen.
In absoluten Zahlen bedeutet dies: In allen 204 Bezirken könnten durch die
Reduktion der Feinststäube um 10 µg/m3
jährlich 3.156 Klinikeinweisungen vermieden werden. Das sind etwa 1,27 Prozent
aller 246.598 Hospitalisierungen wegen dieser
Indikation. Ob dies ausreicht, um die Gesetzgeber zu strengeren Auflagen zu
bewegen, bleibt angesichts der damit verbundenen Kosten abzuwarten. Neben den Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz würden jedoch –
pro 10 µg/m3 – pro Jahr noch 1.836 Hospitalisierungen
wegen zerebrovaskulären Erkrankungen, 1.523 Hospitalisierungen wegen ischämischer
Herzerkrankungen, 2.085 Hospitalisierungen wegen
Atemwegsinfektionen und 196 Hospitalisierungen wegen
chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen vermieden.
Ärzteblatt/de ,
8. März 2006