Feinstaub
ist Körperverletzung!
Seit EU-Richtlinien auf die Reduzierung von Feinstaub in
der Luft pochen, wird viel Staub um Rußfilter und Fahrverbote aufgewirbelt. Zu
Recht? Der Chemiker Michael Braungart gilt als einer der wenigen wirklichen
Feinstaub Experten. Mit ihm sprach unser Redakteur Daniel Streib.
SZ: Früher gab es einfach nur Staub, jetzt gibt es auch
Feinstaub und ultra-Feinstaub. Und die sollen gefährlich sein?
Braungart: Die EU geht davon aus, dass die Lebenserwartung
in Mitteleuropa etwa drei Jahre niedriger ist, dadurch, dass die Menschen
Feinstaub einatmen. Unter Feinstaub versteht man unsichtbare Stäube, die einen
Durchmesser von weniger als zehn Mikrometern haben, Ultra-Feinstaub hat weniger
als 2,5 Mikrometer Durchmesser. Zum Vergleich: Ein Haar hat etwa einen
Durchmesser 1 von 100 Mikrometern.
SZ: Wo kommt Feinstaub her?
Braungart: Es gibt viele Quellen. Zunächst ist da die
Bodenerosion, wir verlieren in Mitteleuropa etwa fünftausendmal mehr Humus als
neu gebildet wird, weil unsere Landwirtschaft nicht % geeignet ist, den Boden
festzuhalten, sowie er eigentlich über die Vegetation festgehalten werden
würde. Durch den Austrag des Bodens über den Wind wird eine erhebliche Menge an
Feinstaub in die Luft geblasen. Weitere zivilisationsbedingte Quellen sind
Feuerungsanlagen, zum Beispiel Müllverbrennungsanlagen. Und der Straßenverkehr
durch Ruß und Abriebe von Reifen und Bremsbelägen. Auch im Haushalt entstehen
Feinstäube, etwa in der Küche, wenn man Fett anbrennen lässt. Zusätzlich geben
technische Geräte wie Laserdrucker und Kopierer Feinstäube ab.
SZ: Wie gefährlich sind Feinstäube?
Braungart: Wir unterscheiden rund 30 Feinstäube. Die
Schädlichkeit hängt davon ab, ob der Feinstaub in der Lunge bleibt, oder ob die
Lunge ihn abbauen oder wieder ausscheiden kann. Bereits normaler, ungiftiger
Staub beeinträchtigt die Lungenfunktion, Asthma ist deshalb inzwischen die
häufigste Kinderkrankheit. Auch die. Zunahme von Allergien sehen wir im
Zusammenhang mit Feinstaub. Stäube, die so fein sind, dass sie sich im ganzen
Körper verteilen, sind besonders gefährlich. Es ist nachgewiesen, dass etwa
Ruß-Stäube Blasenkrebs auslösen können.
SZ: Stuttgart will durch ein Lkw-Verbot in der Innenstadt,
Feinstäube reduzieren. Der richtige Weg?
Braungart: Dieses LKW-Verbot scheint mir eine
Alibi-Aktivität zu sein, weil Dieselruß höchstens etwa fünf Prozent der
Belastung ausmacht. Damit wird man aber die Grenzwerte nicht unterschreiten
können. Die Maßnahme kann höchstens ein kleiner Anfang sein.
SZ: Und was halten Sie von der steuerlichen Förderung beim
Einbau von Rußfiltern in Dieselfahrzeuge?
Braungart: Es macht mich traurig, dass man Menschen, die
ohnehin schon einen subventionierten Dieselpreis haben, zusätzliches Geld gibt.
Das wäre, als ob jemand Geld dafür bekommt, damit er weniger stiehlt. Feinstaub
ist Körperverletzung.
SZ: Haben Gesellschaft und Politik das Problem noch nicht
richtig erkannt?
Braungart: Das hängt mit der menschlichen Wahrnehmung
zusammen. Was man nicht direkt schmecken und fühlen kann, ist eben weiter weg.
Beim Rauchen haben wir begriffen, dass es schädlich ist. Auf die
Gesamtbevölkerung gerechnet, verursacht Feinstaub jedoch mindestens so viele
Schäden wie das Rauchen.
SZ: Welche Maßnahmen empfehlen Sie?
Braungart: Der öffentliche Sektor ist für die Gesundheit
zuständig, daraus kann er sich nicht verabschieden und das Problem sozusagen
auf die Privatpersonen verlagern. Das heißt, wir
brauchen ein umfassendes Feinstaubmanagement. Es müssen
Feinstaubfilter in Großfeuerungsanlagen eingesetzt werden. Zweitens muss die
Erosion der Böden gestoppt werden, zum Beispiel muss die Wasserbindung des
Bodens erhöht werden. Drittens müssen Belastungen durch den Verkehr reduziert
werden. Und das nicht nur beim Abgas. Feinstäube aus Bremsbelägen sind ein
ebenso großes Problem wie Dieselruß. Hier gibt es positive Beispiele: Porsche
verwendet zum Beispiel Bremsbeläge aus Keramik, die keinen messbaren Abrieb
haben. BMW hat Bremsbeläge entwickelt, bei denen der Abrieb keine giftigen
Stoffe mehr enthält.
SZ: Was kann man im Haushalt beachten?
Braungart: Gute Abzugshauben in Küchen sind wichtig.
Feinstäube, die beim Kochen entstehen, können höchst schädlich sein.
Laserdrucker haben im Wohnbereich nichts zu suchen. Oder sie müssen eigene
Absaugeinrichtungen haben, wie das in Skandinavien gesetzlich vorgeschrieben
ist. Dann ist es wichtig, dass man nicht irgendeinen Billig-Staubsauger kauft,
sondern einen, der Feinstaub zurückhalten kann. Ein Fachhändlerkann Sie da
beraten.
Michael Braungart (47) stammt aus Tuttlingen. Der
ehemalige Greenpeace-Aktivist ist Professor für chemische Verfahrenstechnik und
Stoffstrommanagement an der Europa-Universität Lüneburg sowie
Wissenschaftlicher Leiter der von ihm 1987 gegründeten EPEA Internationale
Umweltforschung GmbH.
Quelle: SCHWÄBISCHE ZEITUNG, 7. Juli 2005