Falsche Erinnerungen

Manfred Spitzer

Frontalhirn an Mandelkern

Letzte Meldungen aus der Nervenheilkunde

Schattauer, 2005

(127 Seiten, 23 Euro)


Das Buch enthält eine Sammlung von relativ kurzen Aufsätzen, die in Form und Inhalt so unterschiedlich sind, daß wir statt der üblichen Rezension eine Präsentation bieten, die sich an den Vorgaben des Verlages orientiert.

Den Autor haben wir vor kurzem bereits vorgestellt (s. Vorsicht Bildschirm!).
Die Intention der nun vorliegenden 'Meldungen aus der Nervenheilkunde' entnehmen wir dem Klappentext:
     »Frontalhirn an Mandelkern« - kommunizieren Organe tatsächlich  miteinander wie Fluglotsen mit Piloten oder Kapitäne mit Maschinenräumen? Die letzen Meldungen aus der Hirnforschung lassen sich tatsächlich in dieser Weise interpretieren: So fordert das Frontalhirn bei Bedarf den Mandelkern auf, er solle sich nicht so aufregen, und je energischer es das tut, desto cooler bleibt Letzterer. Ähnlich autoritär springt das Frontalhirn mit dem Hippocampus um, einem wichtigen Zentrum für alle unsere Lernprozesse.
     Die Geschichte dieses spannenden Funkverkehrs im Gehirn ist nur eine der 'letzten Meldungen' aus der Nervenheilkunde, die Manfred Spitzer in seiner neuen Kollektion neurobiologischer Miniaturen präsentiert. Wie immer geht es um kurze Berichte und Diskussionen aus dem Bereich der Neurobiologie, die aus der Sicht des Autors neben dem Menschen auch Gott und die Welt einschließen und daher gar nicht weit genug verstanden werden können: Wer hätte gedacht, daß es Großmütter nur deshalb gibt, weil es große Gehirne gibt, daß Neuronen die Demokratie lange vor den Griechen erfunden haben, daß ein Blick ins Gehirn wirtschaftliche Entscheidungen erklärt und sogar auf soziale Prozesse wie Bestrafung, Eskalation oder Vorurteile ein Licht zu werfen vermag? Wer hätte vermutet, daß unser Gehirn so plastisch ist, daß es als Zeuge vor Gericht wenig taugt  und daß man heute schon diskutiert, was geschehen soll, wenn wir die Leistung unseres Gedächtnisses nach Belieben herauf- oder herunterregeln können? War uns klar, daß Kinder durch elektronische Medien gefährdet sind oder daß sie manchmal umso schlechter lernen, je mehr sie schon wissen?
     Hirnforschung ist längst nicht mehr eine kryptische Geheimwissenschaft oder ein Randgebiet menschlicher Neugier, sondern sie leistet einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis unsere Kultur und zur Verbesserung unserer Lebensbedingungen.

Die Vielfalt der Themen wird aus dem Inhaltsverzeichnis ersichtlich (leider fehlen informative Untertitel):

Großmütter

Märkte für Informationen

Epilog: Der Markt ist schon weiter ...

Frontalhirn an Mandelkern ...

Epilog: Frontalhirn an Hippocampus ...

Neuroökonomie

Behalten nach dem Lernen: Konsolidierung

Falsche Erinnerungen

Gedächtnis, Person und Gesellschaft

Soziale Neurowissenschaft

Rache ist süß?

Spannung im Scanner

Auge um Auge ...

Arme virtuelle Realität

Internet für die Mädchen!

Kinder lernen schneller

Macht Punkt!

Eins, zwei, viele

Die Felsmalereien der Buschmänner in Afrika

800 Jahre Psychotherapie und Psychosomatik

Transfer ins Leben

Sollen wir Wasser trinken?

Sachverzeichnis

Die Beiträge, die weit über den Bezirk der Neurologie hinausreichen, profitieren von der fachlichen Sachkunde, der umfassenden Allgemeinbildung, vom Darstellungstalent und zusätzlich vom geistreichen Sarkasmus des Autors, sind also sogar als Urlaubslektüre sehr zu empfehlen!

Kurt Eberhard  (Mai, 2005)