Informationen für
Beschwerdeführer
Nichtamtliche Übersetzung
Frequently Asked Questions1
Was ist der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte?
Was ist die Europäische
Menschenrechtskonvention?
Mit welchen Fällen kann
sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befassen?
Wann können Sie eine
Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht einreichen?
Welche Bedingungen müssen
erfüllt sein, wenn Sie eine Beschwerde einreichen wollen?
Wie wendet man sich an
den Gerichtshof?
Was können Sie mit Ihrer
Beschwerde erreichen?
Mit welchen Fragen kann
sich der Gerichtshof nicht befassen?
Was ist der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte?
Der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte ist ein internationaler Gerichtshof mit Sitz in Straßburg.
Jeder Staat, der die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten ratifiziert hat, entsendet einen Richter - zurzeit sind
es 452. Die Richter gehören dem Gerichtshof in ihrer
persönlichen Eigenschaft an und repräsentieren keinen Staat. Bei der
Bearbeitung von Beschwerden wird der Gerichtshof von einer Kanzlei
unterstützt, die hauptsächlich aus Juristen ( „wissenschaftliche
Mitarbeiter“) aus allen Mitgliedstaaten besteht. Diese Juristen sind
völlig unabhängig von ihrem Herkunftsland und repräsentieren weder die
Beschwerdeführer, noch die Staaten.
Was ist die Europäische
Menschenrechtskonvention?
Die Europäische
Menschenrechtskonvention ist ein internationaler Vertrag, den nur
Mitgliedstaaten des Europarates zeichnen können. Die Konvention, die den
Gerichtshof einrichtet und festlegt, welche Funktionen er zu erfüllen
hat, enthält eine Auflistung der Rechte und Sicherheiten, zu deren
Einhaltung sich die Staaten verpflichtet haben.
Mit welchen Fällen kann sich der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte befassen?
Der Gerichtshof wendet die Europäische
Menschenrechtskonvention an. Die Aufgabe des Gerichtshofes ist es,
sicherzustellen, dass die Staaten die in der Konvention dargelegten
Rechte und Sicherheiten achten. Dies geschieht, indem Klagen
(„Beschwerden“) von Einzelpersonen oder manchmal auch von Staaten geprüft
werden. Wenn der Gerichtshof feststellt, dass ein Mitgliedstaat eines
oder mehrere dieser Rechte und Sicherheiten verletzt hat, fällt er ein
Urteil. Die Urteile sind verbindlich und die betreffenden Staaten sind
dazu verpflichtet, ihnen zu entsprechen.
Wann können Sie eine Beschwerde beim
Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht einreichen?
Wenn Sie der Ansicht sind, dass Sie
persönlich und unmittelbar Opfer einer Verletzung der in der Konvention
oder einem ihrer Protokolle dargelegten Rechte und Sicherheiten sind,
können Sie beim Europäischen Gerichtshof Beschwerde einreichen. Die
Rechtsverletzung muss von einem an die Konvention gebundenen Staat
begangen worden sein.
Welche Rechte werden durch die
Konvention und ihre Protokolle geschützt?
Insbesondere sind die folgenden
Rechte geschützt:
· Recht auf Leben;
· Recht auf ein faires Verfahren vor Gericht, sei es zivilrechtlicher
oder strafrechtlicher Natur;
· Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens ;
· Freiheit der Meinungsäußerung;
· Gedankens-, Gewissens- und Religionsfreiheit;
· Recht auf wirksame Beschwerde;
· Schutz des Eigentums;
· Aktives und passives Wahlrecht
Was verbietet die Konvention und
ihre Protokolle?
Im Besonderen sind die folgenden
Menschenrechtsverletzungen verboten:
· Folter und unmenschlicher oder
erniedrigender Behandlung oder Strafe;
· willkürliche und rechtswidrige Freiheitsentziehung;
· diskriminierende Behandlung, die gegen die in der Konvention
dargelegten Rechte und Sicherheiten verstößt;
· Ausweisung eigener Staatsangehöriger oder Verweigerung deren Einreise;
· die Todesstrafe;
· Kollektivausweisung von Ausländern.
Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, wenn
Sie eine Beschwerde einreichen wollen?
Welche Bedingungen müssen Sie persönlich erfüllen?
· Es ist nicht notwendig, dass Sie
ein Staatsangehöriger einer der durch die Konvention gebundenen Staaten
sind. Die Rechtsverletzung muss lediglich innerhalb des
Zuständigkeitsbereiches eines der Staaten begangen worden sein, dies
bedeutet für gewöhnlich, innerhalb des Staatsgebietes.
· Sie müssen entweder eine Privatperson oder eine juristische Person sein
wie z.B. ein Unternehmen oder eine Gesellschaft.
· Sie müssen persönlich und unmittelbar das Opfer der Rechtsverletzung sein.
Es ist nicht möglich, eine allgemeine Klage gegen ein Gesetz oder eine
Maßnahme einzureichen, weil es Ihnen zum Beispiel unfair erscheint; auch
kann nicht im Namen anderer Menschen Beschwerde eingereicht werden
(sofern sie nicht genau bestimmt wird und Sie ihr offizieller Vertreter
sind).
Gibt es Verfahren, die zuvor in
innerstaatlichen Gerichten befolgt werden müssen?
· Ja. Sie müssen zuvor alle
nationalen Rechtsmittel ausgeschöpft haben, die zur Lösung ihres Problems
beitragen könnten (für
gewöhnlich ist damit eine Klage vor dem zuständigen Gericht gemeint,
gegebenenfalls gefolgt von einer Berufung und dann eventuell einer
weiteren Berufung vor einem höheren Gericht, wie z.B. dem Obersten
Gerichtshof oder einem Verfassungsgericht, falls vorhanden.)
· Es reicht nicht aus, nur von diesen Rechtsmitteln Gebrauch zu machen,
sondern Ihre Beschwerde (das heißt, der Grund Ihrer Beschwerde für eine
von Ihnen angeführten Verletzung der Konvention) muss dabei auch
tatsächlich eingelegt worden sein.
· Nach einer Entscheidung der letzten staatlichen Instanz haben Sie sechs
Monate Zeit vom Zeitpunkt der letzten Urteilsverkündung auf
innerstaatlicher Ebene (allgemein gesagt der Urteilsverkündung des
höchsten Gerichtshofes), um sich an den Gerichtshof zu wenden. Der
Gerichtshof kann Ihre Beschwerde nach Ablauf dieser Frist nicht mehr
annehmen.
Gegen wen kann Beschwerde
eingelegt werden?
· Gegen einen oder mehrere Staaten,
die durch die Konvention gebunden sind und die Ihrer Meinung nach die
Europäische Menschenrechtskonvention verletzt haben (durch eine oder
mehrere Handlungen oder durch Unterlassung, die Sie unmittelbar betroffen
haben).
· Die Handlung oder Unterlassung, über die Sie sich beschweren möchten,
muss von einer oder mehreren öffentlichen Behörden (beispielsweise einem
Gerichtshof oder einer Verwaltungsbehörde) des betroffenen Staates/der
betroffenen Staaten begangen worden sein.
· Der Gerichtshof beschäftigt sich nicht mit Beschwerden gegen
Einzelpersonen oder private Organisationen, wie z.B. kommerzielle
Unternehmen.
Welchen Inhalt kann Ihre
Beschwerde haben?
· Ihre Beschwerde muss sich auf
eines der in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Rechte
beziehen. Rechtsverletzungen umfassen eine große Bandbreite von Punkten
wie z.B. Folter und die Misshandlung von Gefangenen; die Rechtmäßigkeit
von Festnahmen; Mängel bei zivil- oder strafrechtlichen Verhandlungen;
Diskriminierung bei der Ausübung eines in der Konvention verankerten
Rechts; das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung
und der Korrespondenz; Einschränkungen bei der freien Meinungsäußerung,
bei der Übermittlung und dem Empfang von Informationen; die Versammlungs-
und Demonstrationsfreiheit; Ausweisung und Auslieferung; Konfiszierung
von Eigentum sowie Enteignung.
· Sie können lediglich gegen die Verletzung eines Rechts der Europäischen
Menschenrechtskonvention Beschwerde einlegen, jedoch nicht gegen
Rechtsverletzungen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte oder der
Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
Wie wendet man sich an den Gerichtshof?
Indem Sie einen Brief mit
detaillierter Beschreibung Ihrer Beschwerde (Sie werden ein Formular3 erhalten, das Sie ausfüllen müssen) an den
Gerichtshof schicken oder indem Sie das Formular direkt ausfüllen und an
den Gerichtshof schicken. Der Brief und/oder das Formular kann an die
folgende Adresse geschickt werden:
An den Kanzler
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Europarat
F-67075 STRASBOURG CEDEX
· Sie können entweder in einer der
Amtssprachen (Englisch und Französisch) des Gerichtshofs schreiben, oder
in der offiziellen Sprache des Staates, der die Konvention ratifiziert
hat.
· Wenn Sie Ihre Beschwerde per Fax einbringen, muss eine Kopie auf dem
Postweg folgen.
· Kommen Sie nicht nach Straßburg, um Ihre Beschwerde persönlich
vorzubringen. Ihr Fall wird deswegen nicht schneller bearbeitet und
Sie werden auch keine rechtliche Auskunft oder Beratung erhalten.
· Die Kanzlei wird Sie gegebenenfalls um weitere Dokumente, Informationen
oder Erklärungen zu Ihrer Beschwerde bitten.
· Sobald Sie das Beschwerdeformular haben, füllen Sie es sorgfältig und
leserlich aus und schicken Sie es so schnell wie möglich zurück. Ihre
Beschwerde sollte enthalten:
- Eine kurze Zusammenfassung des Sachverhalts, über den Sie sich
beschweren wollen, und die Angabe Ihrer Beschwerdegründe;
- Eine Angabe der von Ihnen bereits in Anspruch genommenen Rechtsmittel;
- Kopien aller in Ihrer Sache ergangenen Entscheidungen der zuständigen
Behörden (diese Dokumente können nicht zurückgeschickt werden, es
liegt also in Ihrem Interesse, nur Kopien zu schicken);
- Ihre Unterschrift als Beschwerdeführer, oder die Unterschrift Ihres
Bevollmächtigten.
· Wenn Sie möchten, dass Ihre
Identität nicht öffentlich gemacht wird, so müssen Sie hierauf sofort
hinweisen und Gründe angeben für ein solches Abweichen der sonst üblichen
Praxis eines öffentlichen Verfahrens. Soweit ausreichend Gründe hierfür
vorliegen, kann der Gerichtshof in besonderen Fällen eine anonyme
Beschwerde zulassen.
· In diesem Stadium des Verfahrens müssen Sie sich noch nicht durch einen
Rechtsanwalt vertreten lassen. Wenn Sie die Beschwerde jedoch durch einen
Verfahrensbevollmächtigten/eine Verfahrensbevollmächtigte einreichen
wollen, müssen Sie Ihrem Formular noch eine Vollmacht4 beifügen.
Was sind die Grundzüge des
Verfahrens?
· Das Verfahren ist ausschließlich
schriftlich. Sie werden über jede Entscheidung des Gerichtshofes
schriftlich informiert. Öffentliche mündliche Verhandlungen sind die
Ausnahme.
· Die Behandlung Ihrer Beschwerde beim Gerichtshof ist kostenlos.
· Obwohl Sich sich in dieser ersten Phase des Verfahrens noch nicht von
einen Anwalt vertreten lassen müssen, benötigen Sie einen Anwalt, sobald
der Regierung die Beschwerde zugestellt wurde. Die meisten Beschwerden
werden allerdings für unzulässig erklärt, ohne dass die Beschwerde der
Regierung zugestellt wird.
· Sie tragen lediglich Ihre eigenen Kosten (Anwaltskosten oder durch
Nachforschungen oder Schriftwechsel entstandene Kosten).
· Nachdem Sie Ihre Beschwerde eingereicht haben, können Sie
Prozesskostenhilfe beantragen. Die Prozesskostenhilfe wird nicht
automatisch bewilligt und die Bewilligung kann erst zu einem späteren
Zeitpunkt des Verfahrens erfolgen.
Welches sind die wichtigsten
Phasen des Prozesses?
· Zunächst muss der Gerichthof
darüber entscheiden, ob Ihre Beschwerde zulässig ist. Die
Beschwerde muss bestimmte, in der Konvention festgelegte Voraussetzungen
erfüllen (siehe oben Welche
Bedingungen müssen erfüllt sein, wenn Sie eine Beschwerde einreichen
wollen?). Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind, wird Ihre
Beschwerde abgewiesen. Wenn Sie mehrere Beschwerden eingereicht haben,
werden unter Umständen einige Beschwerden für zulässig erklärt, andere
wiederum als unzulässig abgewiesen.
· Wenn Ihre Beschwerde oder einer Ihrer Beschwerdepunkte für
unzulässig erklärt wird, ist diese Entscheidung endgültig und kann nicht
revidiert werden.
· Wird Ihre Beschwerde oder einer Ihrer Beschwerdepunkte für zulässig
erklärt, wird der Gerichtshof den Parteien (Sie selbst und der betroffene
Staat) zu einer gütlichen Einigung raten. Wenn es zu keiner gütlichen
Einigung kommt, wird der Gerichtshof die Begründetheit Ihre Beschwerde
prüfen, das heißt, er wird darüber entscheiden, ob die Konvention
verletzt wurde.
Wie lange müssen Sie auf Antwort
warten?
In Anbetracht des derzeitigen
Überhangs an Fällen, müssen Sie gegebenenfalls bis zu einem Jahr warten,
bis der Gerichtshof mit der ersten Überprüfung Ihrer Beschwerde beginnen
kann. Einige Beschwerden werden als dringend eingestuft und vorrangig
bearbeitet, insbesondere wenn sich der Beschwerdeführer in unmittelbarer
physischer Gefahr befindet.
Was können Sie mit Ihrer Beschwerde erreichen?
Wenn der Gerichtshof entscheidet, dass die Konvention verletzt wurde,
kann er Ihnen eine „gerechte Entschädigung” zubilligen. Die Entschädigung
besteht aus einem Geldbetrag für gewisse Schadensarten. Gegebenenfalls
wird der Gerichtshof den betroffenen Staat auffordern, Ihnen die durch
die Einreichung Ihre Beschwerde angefallenen Kosten zu erstatten. Wenn
der Gerichtshof entscheidet, dass die Konvention nicht verletzt wurde,
haben Sie keine zusätzlichen Kosten (wie z.B. die dem beklagten Staat
entstandenen Kosten) zu tragen.
Bitte beachten Sie:
· Der Gerichtshof ist nicht ermächtigt, auf nationaler Ebene getroffene
Entscheidungen oder nationales Recht aufzuheben.
· Der Gerichtshof ist nicht für die Umsetzung der Urteile verantwortlich.
Sobald das Urteil verkündet wurde, geht die Verantwortung auf das
Ministerkomitee des Europarates über, das die Aufgabe hat, die Umsetzung
des Urteils zu überwachen und sicherzustellen, dass jede
Entschädigungszahlung erfolgt.
Mit welchen Fragen kann sich
der Gerichtshof nicht befassen?
· Der Gerichtshof ist kein Berufungsgericht gegenüber
nationalen Gerichten; es gibt keine erneuten Verhandlungen von Fällen, er
kann keine Urteile aufheben, abändern oder revidieren.
· Der Gerichtshof kann sich auch in Ihrer Angelegenheit nicht ummittelbar
an die Behörde wenden, über die Sie sich beklagen. Unter besonderen
Umständen kann der Gerichtshof jedoch vorläufige Maßnahmen ergreifen. Für
gewöhnlich geschieht dies jedoch nur, wenn eine große Gefahr einer
körperlichen Verletzung für den Beschwerdeführer besteht.
· Der Gerichtshof kann Ihnen bei der Suche und der Bezahlung eines
Rechtsanwaltes nicht behilflich sein.
· Der Gerichtshof kann Ihnen keine Informationen zu geltenden
gesetzlichen Bestimmungen des Staates geben, gegen den sich Ihre
Beschwerde richtet.
Sie können den Gerichtshof unter
der folgenden E-Mail Adresse erreichen:
webmaster@echr.coe.int
|