2011 Düsseldorfer Tabelle

Für das Unterhaltsrecht bringt das neue Jahr zahlreiche Änderungen mit sich. Seit dem 1. Januar gilt die neue Düsseldorfer Tabelle, die wichtige Leitlinien für die Gerichte für die Festlegung des Unterhalts aufstellt. Gewinner der Neuregelung sind in erster Linie die Unterhaltspflichtigen. Ihr Selbstbehalt wurde erhöht. Eher verschlechtert hat sich dagegen die unterhaltsrechtliche Situation für einige Unterhaltsberechtigte. Denn durch die Erhöhung der Selbstbehaltsätze drohen sie nun in die Sozialhilfe abzurutschen, wenn das Geld nicht mehr für den Regelsatz ausreicht. Über wichtige Neuerungen rund ums Unterhaltsrecht informiert die Redaktion von anwalt.de.

Düsseldorfer Tabelle im Unterhaltsrecht

Bereits seit 1962 gibt das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf im Normalfall alle zwei Jahre turnusgemäß die sog. Düsseldorfer Tabelle heraus, die den Familienrichtern bei der Festlegung des Unterhalts von Kindern als Orientierungshilfe dient. Wie hoch der jeweilige Unterhalt tatsächlich ausfällt, wird jedoch jeweils vom Gericht im konkreten Einzelfall festgelegt.

Zwar ist die Düsseldorfer Tabelle kein Gesetz, das von den Familienrichtern bei der Festlegung der Bedarfssätze zwingend berücksichtigt werden muss. Allerdings dient sie als wichtiger Orientierungsmaßstab und soll die Berechnung des Unterhalts in der Praxis erleichtern. Die Tabelle wird vom Oberlandesgericht Düsseldorf unter Abstimmung mit den Familiensenaten anderer Oberlandesgerichte und dem Bundesjustizministerium erstellt.

Anpassung der Düsseldorfer Tabelle

Anfang letzten Jahres waren mit der Düsseldorfer Tabelle 2010 die Unterhaltssätze für Kinder um durchschnittlich 13 Prozent erhöht worden. Dahinter stand eine Gesetzesreform, wonach sich der Unterhalt nicht mehr nach der Lohnentwicklung der Eltern, sondern an dem steuerrechtlichen Existenzminimum der Eltern ausrichtet. Da sowohl Kindergeld als auch Kinderfreibetrag erhöht worden war, mussten die Unterhaltssätze entsprechend korrigiert werden.

Die Düsseldorfer Tabelle 2010 war auf Kritik gestoßen. Denn obwohl der Kindesunterhalt angehoben worden war, wurde die „Bedarfserhöhung“ nicht entsprechend auch Unterhaltspflichtigen für ihren notwendigen Eigenbedarf zugestanden. Ihr Selbstbehalt blieb 2010 unverändert. Als Selbstbehalt wird das Minimum bezeichnet, das dem Unterhaltspflichtigen nach Abzug der Unterhaltspflichten von seinem Einkommen verbleiben muss. Dies wurde nun mit der Düsseldorfer Tabelle 2011 korrigiert und die Selbstbehaltsätze angehoben.

Selbstbehalt für Erwerbstätige angehoben

Dementsprechend wurde der Selbstbehalt beim Unterhalt für Kinder bis 21 Jahre von 900 Euro auf 950 Euro erhöht. Für den Unterhalt bezüglich Ex-Ehegatten wurde der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen um 50 Euro auf 1050 Euro angehoben. Der Selbstbehalt beim Unterhalt für volljährige Kinder mit abgeschlossener Berufsausbildung beträgt 1150 Euro (zuvor: 1100 Euro). Jedoch betrifft die Erhöhung nur erwerbstätige Unterhaltsverpflichtete. Der Selbstbehalt von nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen bleibt auch 2011 unverändert auf dem Niveau von 770 Euro. Die gesamte Düsseldorfer Tabelle finden Sie hier.

 

Folgen des höheren Selbstbehalts

Durch die Anhebung des Selbstbehalts drohen Kinder aus ärmeren Familien oder unterhaltsberechtigte Ex-Partner vermehrt in die Sozialhilfe abzustürzen. Dem entsprechend ist mit einer weiteren Belastung der Sozialkassen zu rechnen. Ein Anstieg der sog. Mangelfälle ist zu erwarten, weil sich, quasi spiegelbildlich zur Erhöhung des Selbstbehalts, der den Unterhaltsberechtigten zur Verfügung stehende Einkommensteil insgesamt um eben diese 50 Euro verringert.

Von einem Mangelfall spricht man, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen zur Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht ausreicht. In diesen Fällen wird nach Abzug des Selbstbehalts das verbleibende Einkommen auf alle Unterhaltsberechtigten gleichmäßig verteilt.

Mehr Selbstbehalt beim Elternunterhalt

Nicht nur Eltern sind gegenüber ihren Kindern unterhaltsverpflichtet. Auch Kinder, deren Eltern pflegebedürftig sind und deren Rente oder Pflegeversicherungen nicht mehr ausreicht, müssen für ihre Eltern Unterhalt zahlen. Die Düsseldorfer Tabelle 2011 spricht unterhaltspflichtigen Kindern beim Verwandtenunterhalt einen monatlichen Selbstbehalt in Höhe von 1500 Euro zu.

Mit dieser Erhöhung um 100 Euro profitiert diese Gruppe der Unterhaltspflichtigen am meisten von der neuen Düsseldorfer Tabelle. Dass die Anhebung des Selbstbehalts beim Elternunterhalt höher ausfällt als die beim Kindesunterhalt, hängt mit der hohen Schutzbedürftigkeit zusammen, die Kinder im Unterhaltsrecht genießen, und mit der vergleichsweise nicht so engen familiären Bindung von Erwachsenen.

Änderungen beim Kindesunterhalt

Die Bedarfssätze für den Kindesunterhalt bleiben weitgehend unverändert. Allerdings dürfen sich volljährige Studenten freuen, die außerhalb des Elternhauses leben. Ihre Bedarfssätze wurden zum 1. Januar 2011 von bislang 640 Euro auf 670 Euro erhöht. In diesem Betrag sind Mietkosten in Höhe von 280 Euro enthalten (vorher: 270 Euro). Damit wurden die Bedarfssätze an den seit Oktober geltenden BAföG-Höchstsatz angepasst. Diese Sätze können auf unterhaltsberechtigte volljährige Kinder übertragen werden, wenn sie nicht mehr im Elternhaus, sondern in einem anderen Haushalt leben.

Einfluss der Hartz-IV-Reform

Bei der Vorstellung der neuen Düsseldorfer Tabelle wies das OLG darauf hin, dass die Regelsätze unter Berücksichtigung der Hartz-IV-Reform festgelegt worden sind. Denn die Höhe der Unterhaltssätze orientiert sich an dem Existenzminimum. Sollten sich bei den aktuellen Verhandlungen im Vermittlungsausschuss noch wesentliche Änderungen ergeben oder sollte die Reform sogar scheitern, könnte die Tabelle noch einmal vom Oberlandesgericht Düsseldorf entsprechend angepasst werden.

Neue Leitlinien der Oberlandesgerichte

Die Familiensenate der Oberlandesgerichte haben zum Jahresstart ihre Leitlinien ebenfalls geändert und an die neue Düsseldorfer Tabelle angepasst. Die Leitlinien dienen zur Ergänzung der Düsseldorfer Tabelle und sollen eine jeweilige möglichst einheitliche Rechtsprechung innerhalb der Gerichtsbezirke gewährleisten.

Dabei können die Leitlinien der Gerichte auch voneinander abweichen. Sie gelten im Gerichtsbezirk des jeweiligen Oberlandesgerichts. Das OLG Hamm hat beispielsweise in seinen Leitlinien die Familiengerichte in seinem Bezirk darauf hingewiesen, dass notwendige Kosten des Umgangs mit Kindern das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen mindern können (Nr. 10.7.). Die Unterhaltsleitlinien der Oberlandesgerichte findet man auf den Internetseiten des jeweiligen Oberlandesgerichts.

Aussagen zur Befristung und Herabsetzung

Bemerkenswerterweise hat in diesem Zusammenhang das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein erstmals in seinen Leitlinien zum Unterhaltsrecht für 2011 Aussagen zur Befristung und Herabsetzung des Ehegattenunterhalts getroffen und bestimmt, dass im Regelfall ein Unterhaltsanspruch nicht zu befristen ist, wenn dem Unterhaltsberechtigten wegen der Rollenverteilung in der Ehe berufliche Nachteile entstanden sind, insbesondere wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder und der Gestaltung der Haushaltsführung.

Selbst wenn keine beruflichen Nachteile vorliegen, endet die Solidarität als Grundlage für die Fortzahlung von Unterhalt nicht, betont der Familiensenat. Bei der Abwägung seien alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, also die Dauer der Pflege und Erziehung des Kindes, die Gestaltung der Haushaltsführung, die Erwerbstätigkeit in der Ehe, die Dauer der Ehe und die wirtschaftliche Verflechtung der Eheleute.

Start der europäischen Unterhaltsverordnung

Ab 18.06.2011 gilt die neue Unterhaltsverordnung, die eine Erleichterung bei der europaweiten Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zum Ziel hat. Die zur Durchführung der Verordnung erforderlichen begleitenden Bestimmungen hat das Bundeskabinett am 15.12.2010 beschlossen, sodass sie rechtzeitig zum vorgesehenen Termin starten kann.

Wesentliche Inhaltspunkte der europäischen Unterhaltsverordnung sind verbesserte Möglichkeiten für Unterhaltsberechtigte, europaweit Unterhaltsverpflichtete ausfindig zu machen, und eine erleichterte Vollstreckbarkeit von Unterhaltsansprüchen, etwa durch die unmittelbare Vollstreckung deutscher Gerichtsurteile in fast allen EU-Staaten. Darüber hinaus werden zentrale Behörden in den Mitgliedstaaten für grenzüberschreitende Unterhaltsstreitigkeiten eingerichtet, an die sich die Betroffenen direkt wenden können. Sie helfen etwa bei der Ermittlung des Aufenthaltsorts des Unterhaltsschuldners.

http://www.anwalt.de/redirNL.php?id=15753&t=rechtstipps/pdf.php?id=15753