Die Behandlung der Blausäurevergiftung
M. Daunderer, Habilitation
Vergiftungen
mit Blausäure und ihren Salzen kommen gewerblich in der Galvanoplastik,
suizidal, ökonomisch beim Verbrennen oder Verschwelen stickstoffhaltiger organischer
Substanzen und medizinal durch Infusion von Natriumnitroprussid vor.
Das Zyanidion
blockiert durch seine hohe Affinität zum dreiwertigen Eisen die Zytochromoxidase
und damit die Zellatmung. Sauerstoffempfindliche Organe wie Herz und Hirn
reagieren mit einer entsprechenden Symptomatik: Kopfschmerzen, Stenokardie,
Atemstillstand, Herzstillstand.
Zur Diagnostik
einer Blausäurevergiftung bei Patienten mit Atemstillstand eignet sich ein von
uns entwickelter einfacher Nachweis am Krankenbett, bei dem Blut mit Schwefelsäure
vermischt und die dabei entweichende Blausäure mit dem Gasspürgerät und einem
Einsatz für Blausäure nachgewiesen wird.
Zur Therapie
eignet sich hervorragend der Methämoglobinbildner 4-DMAP, der sich durch seinen
schnellen Wirkungseintritt, seine hohe Entgiftungskapazität und seine geringe
Eigentoxizität auszeichnet. Frühere Therapieversuche haben sich entweder als
wirkungslos – Amylnitritinhalation – oder wegen ihres späten Wirkungseintritts
und ihrer Blutdrucknebenwirkungen (Natriumnitrit) bzw., ihrer Azidoseentstehung
(Kelozyanor) als gefährlich erwiesen.
An 16 eigenen
Fällen einer Blausäurevergiftung wurde der schnelle Wirkungseintritt und die
Ungefährlichkeit von 4-DMAP nachgewiesen. Bei 9 Patienten erfolgte die Antidotgabe
von 4-DMAP noch vor Eintritt der Bewusstlosigkeit, bei 7 Patienten trat die
Bewusstlosigkeit im Mittel nach 26,14 Minuten ein. Alle Patienten, die
spätestens 30 Minuten nach Eintritt der Bewusstlosigkeit mit 4-DMAP behandelt
wurden, überlebten, zwei Patienten, die erst nach 90 bzw. 80 Minuten mit 4-DMAP
behandelt wurden, verstarben.
Zur exakten Dosierung von 4-DMAP mit
3-4 mg/kg KG wurde eine Tabelle erstellt.
In einem
zweiten Therapieschritt wird Natriumthiosulfat intravenös injiziert, um über
eine Stimulation der Rhodanase das Zyanidion in untoxischer Form über den Urin
auszuscheiden. In leichten Vergiftungsfällen ohne Bewusstlosigkeit genügt die
alleinige Gabe von Natriumthiosulfat.
Selbstversuche
und die auf eigene Initiative angeregten Versuche an Freiwilligen und am Tier
zur oralen Gabe von 4-DMAP erbrachten, dass hierbei die Resorption fast so
schnell wie nach ihm. Applikation erfolgt und damit diese Anwendung durch Laien
im Katastrophenfall erfolgen kann.
Um einen
rechtzeitigen Einsatz zu ermöglichen, müssen alle Kliniken,
zyanidverarbeitenden Betriebe, Notarztwagen usw. mit diesem Antidot ausgerüstet
sein.