Bleientgiftung
In der aufschlussreichen Diskussion
wurde die von Busse et al. (2009) durchgeführte Bleientgiftung bei
Drogenabhängigen, die mit Blei belastet waren, von verschiedenen
Arbeitsmedizinern abgelehnt bzw. sogar davor gewarnt (1). Als Ablehnungsgründe
wurden u.a. „ernsthafte Nebenwirkungen“ der Chelattherapie genannt oder auch, dass
bei Überschreiten des geltenden Grenzwerte für Blei (HBM II-Wert von 250 µg/L)
nicht automatisch von einer Bleivergiftung auszugehen ist. Hier wurden als
Beispiel auf gesunde Arbeiter hingewiesen, die auch bei Bleiwerten im Vollblut
über 700 µg/ L keinerlei Symptome aufweisen würden.
Diese Aussagen sind irritierend und
verharmlosend, und selbst der HBM-II-Wert von 250µg Blei/ L erscheint deutlich
zu hoch, wenn die aktuelle wissenschaftliche Datenlage zu Blei betrachtet wird:
In
einer Studie an fast 14000 Personen wurde kürzlich nachgewiesen, dass
Blutbleiwerte zwischen 20 und 100 µg/ L das Risiko, an Herzinfarkt oder
Schlaganfall zu sterben, signifikant erhöhen gegenüber Bleiwerte unter 20µg/ L.
(2) Beachtlich dabei ist, dass 38% aller U.S.-Amerikaner einen Blutbleiwert
über 20 µg/L aufweisen. Eine andere Studie an fast 10000 Personen zeigte, dass
das Risiko, an Krebs zu sterben, schon bei Blutbleiwerten über 50 µg/ L
signifikant erhöht ist. (3) Beängstlich ist vor diesem Hintergrund, dass der
Bleigehalt der heutigen menschlichen Knochen im Vergleich zu den Knochen
unserer Vorfahren um das zehn- bis 1000-fache höher ist. (4-6) Der Bleigehalt in den Rippen korrelierte auch
mit der Erkrankungshäufigkeit von Krebs, Gehirn- und Knochenerkrankungen. (7)
Ist es daher angemessen, giftiges
Blei im Körper zu belassen und durch irreführende Artikel klinisch tätige Ärzte
vor einem „Verfahren wegen Körperverletzung“ bei „nicht indizierter
Chelattherapie“ zu warnen?
1. Muttray et
al. Zu dem Beitrag: Bleiintoxikation durch gestrecktes Marihuana in Leipzig von
Busse et al. In Heft 44/2008. Dtsch Arztebl 2009; 106: 479-80.
2. Menke et al. Blood lead below 0.48 micromol/L (10
microg/dL) and mortality among US adults. Circulation 2006; 114: 1388-94.
3.
Schober et
al. Blood lead levels and death from all causes, cardiovascular disease, and
cancer: results from the NHANES III mortality study. Environ Health Perspect.
2006; 114: 1538-41.
4. Ericson JE et al. Skeletal concentrations of lead in
ancient Peruvians. N Engl J Med 1979; 300: 946-951.
5. Ericson JE et al. Skeletal concentrations of lead,
cadmium, zinc, and silver in ancient North American Pecos Indians. Environ
Health Perspect 1991; 93:217-223
6. Patterson C et al. Natural skeletal levels of lead in
Homo sapiens sapiens uncontaminated by technological lead. Sci Total
Environ 1991; 107: 205-236.
7. Yoshinaga J et al. Trace elements in ribs of elderly
people and elemental variation in the presence of chronic disease. Sci Total
Environ 1995; 162: 239-252.
Dr. med. Joachim Mutter
Tagesklinik für Integrative Medizin
Lohnerhofstrasse 2
D-78467 Konstanz/Germany
Leserbrief
zu der Diskussion (DÄ 2009; 106 (28-29):
479-480) zum Beitrag von Busse et al. Bleiintoxikation durch gestrecktes
Marihuana in Leipzig. DÄ 2008; 105: 757-62.