§ Berufsgenossenschaften praktisch abgeschafft

 

Im April 07 hat das Bundesarbeits- und Sozialministerium (BMAuS) den Teil 2 der geplanten Novellierung der Gesetzlichen Unfallversicherung - UVRG - interessierten Kreisen aus Politik und Wirtschaft vorgelegt.

 

Darin wird das GUV-Recht derart grundlegend verändert, dass Opfer von Arbeits- und Wegeunfällen kaum noch auf nennenswerte Entschädigungen für die ihnen zugefügten, chronisch gewordenen Körperverletzungen hoffen können.

Für Berufserkrankungen wird die derzeit geltende Berufskrankheitenliste bis auf zwei darin verzeichneten entschädigungsfähigen Erkrankungen nicht mehr gelten.

 

Nach unserer Analyse bedeuten die darin vorgesehenen Änderungen eine nahezu unglaubliche Reduktion der künftigen Entschädigungen für die Opfer. Das erscheint uns mit dem Zweck der GUV - Haftungsablösung der Risiken der Einzelunternehmen - nicht mehr vereinbar.

 

Damit Sie eine kleine Vorstellung von dem Geplanten erhalten Sie hier einen kurzen Auszug aus unserer abeKra- Resolution. Sie und unsere umfangreiche Begründung/Stellungnahme übersenden wir Ihnen als Anhänge - den Sie sich bitte ausdrucken möchten. Die Stellungnahme ersetzt auch gleichzeitig einen Lehrgang zum künftigen GUV-Recht.

 

abeKra protestiert gegen diese Planungen und hat den Abgeordneten Müntefering bereits aufgefordert, die Planungen aus seinem Arbeits- und Sozialministerium zu stoppen bzw. nicht weiter zu verfolgen - zumal gleichzeitig eine ´Reform´ des Sozialgerichtsgesetzes in Planung ist, die den Sozialversicherten und VersicherungsnehmerInnen in der GUV wesentliche Rechtsschutzmittel entziehen will - z.B.:

 

- Verkürzung der Äußerungsfristen vor Gericht, also Schmälerung des Rechts auf rechtliches Gehör,

- Entzug des Rechts, dem Gericht einen Arzt oder Ärztin des eigenen Vertrauens zwecks Begutachtung zu benennen,

- Anrufung der zweiten Tatsacheninstanz nur noch nach ausdrücklicher Revisionszulassung,

- Rechtsanwaltszwang ab der zweiten Instanz.

 

Da das UVRG zahlreiche Ungereimtheiten sowie Begriffs- wie Textpassagenungenauigkeiten enthält und vielfach mit reichlich mehrdeutigen Begrifflichkeiten arbeitet, ist zu erwarten, dass nahezu alle neuen Bestimmungen durch die Sozialgerichtsbarkeit überprüft werden müssten - das SGG macht das nur noch im Ausnahmefall möglich.

 

Aus beiden Gesetzesentwürfen zusammen wird also ein Paar Schuh - und das ist sehr deprimierend.

 

Selbstverständlich berührt das UVRG auch die Frage, ob VersicherungsnehmerInnen - also die Opfer von arbeitsbedingten Körperverletzungen in abhängigen Arbeitsverhältnissen und selbstständige kleine Gewerbetreibende - hier zu Lande nur Bürger zweiter Klasse sind, die ihr BürgerInnenrecht verloren haben, ausreichend Rentenschädigung für ihnen von Weisungsberechtigten mittelbar zugefügte chronische Körperverletzungen verlangen zu können - im Vergleich zu VersicherungsnehmerInnen auf Privatversicherungs- und Zivilrechtsbasis.  

 

 

Aus der abeKra-Resolution:

 

(..)

I. Ein erschreckendes Bündel von Entschädigungskürzungen und Rechteentzug für Geschädigte

 

Im Wesentlichen sieht der Arbeitsentwurf vor:

 

• Den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen (UVT) wird erlaubt, arbeitsfähig erklärte Verletzte in Arbeitsplätze zu vermitteln. Dadurch entsteht eine ´Neben´-Arbeitsagentur in der Hand einer Unternehmensvereinigung im Range einer öffentlich rechtlichen Körperschaft, die die VersicherungsnehmerInnen (VersicherungsN) überwachen und kontrollieren darf.

 

• Die Haftpflichtversicherungsrente wird in eine einkommensabhängige Erwerbsminderungsrente

(EM-Rente) und einen einkommensunabhängigen Gesundheitsschadensausgleich (GdS) aufgegliedert werden.

 

• Die EM-Rente ist nicht mehr nach der bisherigen abstrakten Schadensbemessung (Minderung der Erwerbsfähigkeit – MdE) zu bemessen. Die künftige EM-Rente wird auf der Basis der Differenz zwischen dem vom Haftpflichtversicherer der GUV geschätzt erzielbaren Einkommen ohne und mit Gesundheitsschaden der VersicherungsN berechnet. Es handelt sich dabei um eine abstrakt negative Schadensschätzung, nicht aber um eine Berechnung des individuell konkret entstandenen Schadens.

 

• Bei vollständiger Erwerbsminderung beträgt die EM-Vollrente nur noch 60% des zuvor erzielten Jahreseinkommens – statt wie bisher 66%. Bei teilweiser Erwerbsminderung wird Teilrente geleistet. Sie wird in Höhe des Prozentsatzes der Vollrente (= 60% ) festgesetzt, der der Höhe der Erwerbsminderung (GdS) entspricht – siehe Beispiel in der Begründung zu dieser Resolution.

 

• EM-Rente für Berufserkrankungen – im Unterschied zu EM-Renten für Arbeits- und Wegeunfälle - ist künftig erst ab dem Tag zu leisten, an dem der UVT von diesem Versicherungsfall erfahren hat.

 

• Die EM-Rente wird erst nach sechs Jahren auf Dauer gewährt. Davor kann sie geändert oder entzogen werden.

 

• Bei Arbeitslosigkeit wird die EMR nur gezahlt, wenn chronisch Verletzte beweisen können, sie haben ihren Arbeitsplatz infolge dieser – bzw. bei mehreren Versicherungsfällen - aller versicherten Gesundheitsschäden bzw. Funktionseinschränkungen – verloren.

 

• Die Zahlung der EMR wird mit Eintritt in das Rentenalter beendet.

 

• Die UVT entrichten die nach der EMR berechneten, meist sehr niedrigen Rentenbeiträge an die GRV kurz vor Eintritt in das Rentenalter der VersicherungsN en block – als Ausgleich sowohl für die Kürzung des Prozentanteils vom Jahreseinkommen als auch für den Vollentzug der EMR und des GdS zwischen 30 und 49% ab der Altersruhezeit. Die Vorteile für die UVT sind erheblich. Sie holen sich die RV-Beiträge von den VersicherungsN durch doppelte Kürzungen zurück.

 

• Der Gesundheitsschadensausgleichs (GdS) wird dem Grad der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertenrecht (SGB IX) angeglichen und Verletzte ab einem Schädigungsgrad von 30% im Erwerbs- und Privatleben entschädigt.

 

• Ab Eintritt in das Rentenalter wird VersicherungsN mit einem GdS zwischen 30 und 49 % der Gesundheitsschadensausgleich entzogen – als lindere das Alter alle Schmerzen,

 

• hingegen RentnerInnen ab einem Schädigungsgrad von 50% den Gesundheitsschadensausgleich weiter erhalten.

 

• Der GdS wird innerhalb der ersten drei Jahre nur als vorläufige Entschädigung gewährt, deren Prozentsatz auch ohne Änderung der Verhältnisse geändert werden kann.

 

• Die mtl. GdS-Beträge haben der jährlichen Anpassung nach dem GRV-Recht zu folgen. Dies, obgleich die GUV-Renten ansonsten mit dem Recht der GRV – Erwerb von Rentenansprüchen (durch langjährige Zahlung eigener Versicherungsbeiträge) nichts zu tun haben und reine Entschädigungen für die Verletzungsfolgen im Sinne von Schmerzensgeld sind. Auch das begünstigt die UVT.

 

• Für Berufserkrankte wird eine Verjährungsfrist eingeführt. Ist die Krankheit/Schädigung mehr als zehn Jahre vor Kenntnis durch den UVT eingetreten, verfallen die Ansprüche. Für Wiederaufnahmeverfahren nach Ablehnung gilt eine Zehnjahresverjährungsfrist ab Antragsmeldung beim UVT.

 

An Willkür ist auch der folgende Punkt nicht zu überbieten:

 

In diesem Entwurf werden mehrere GdS-Körperorganschädigungstaxen präsentiert. Prozente und Beträge sind vom Ministerium festgesetzt. Die Beträge sind sittenwidrig niedrig – und spielen die sog. leichter Verletzten mit chronischen Schäden übel gegen die Schwerverletzten aus. Das erweckt den Eindruck, hier wolle sich auch der Staat als größter Arbeitgeber der Republik aus seiner Verursacherverantwortung stehlen und die Kosten für Körperverletzungen seiner MitarbeiterInnen auf diese selbst abwälzen. Dazu passt, dass die radioaktiv (z.B. durch Radar) geschädigten ehemaligen NVA-Soldaten, deren Ermittlungsverfahren seit 1991 (und später) auch derzeit noch auf der Rechtsbasis der RVO durchgeführt werden, im Unterschied zu anderen VersicherungsN nach Inkrafttreten des UVRG keinen Bestandsschutz nach dem SGB VII haben sollen. Deren Entschädigungsanträge sind dann gleich auf der Basis des UVRG zu entscheiden – was bedingt, sie werden leer ausgehen. (..)"

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Angela Vogel, abeKra-Geschäftsführerin

 

 


 

Teil 2

 

Arbeitsentwurf UVRG:

Begründung der abeKra-Resolution und Stellungnahme

 

 

 


 


Inhaltsverzeichnis:


Vorbemerkung. 3

1. Versicherungspflicht 3

2. Neudefinition und Berechnung der Haftungsleistungen der GUV für Personenschäden in §§ 56 – 71 UVRG   5

2.1. Die neue – einkommensabhängige - Erwerbsminderungsrente. 5

Variante 1. 7

Variante 2. 7

Variante 3. 7

Variante 4. 8

2.2. Die Schadensbemessung bleibt abstrakt – negativ abstrakt 8

2.3. EM-Vollrente soll nur noch 60% des Jahresarbeitsverdienstes betragen. 9

3. Der neue – einkommensunabhängige -Gesundheitsschadensausgleich nach dem Grad des Gesundheitsschadens (GdS) -  9

3.1. Die GdS-Taxe. 13

GdS-Prozentsatz. 13

4. Teilübernahme des Arbeitsplatzrisikos für Verletzte durch die GUV.. 14

5. Beginn und Ende der GUV-Entschädigungszahlungen in Form der EMR und GdS. 15

6. Befristung und Überprüfung bewilligter GUV-Renten. 17

7. Beiträge der GUV an die RV und andere Altersvorsorgeeinrichtungen. 18

8. Neufassung des § 9 SGB VII 19

8.1. Änderung des Bezeichnungsprinzips für Berufskrankheiten. 20

8.2 Der neue § 9 Abs. 1b in Verbindung mit der neuen Sperrklausel 21

8.3. Sperrklausel 23

8.4. Zehn Jahre Verjährungsfrist 23

8.5. Die Vermutungsregel in § 9 Abs. 3 UVRG.. 24

8.6. Das Elend des BK-Rechts wird fortgeschrieben - und verschärft 24

8.7. Zusammenfassung. 28

9.     BK-Krankheiten bei ehemaligen Wehrdienstpflichtigen der NVA.. 29

10. Sozialdatenschutz. 29

11. Fazit 31

Schlussbemerkung. 32

Anhang. 33

Dokument 1. 33

Dokument 2. 34

Dokument 3, Synopse. 35

Dokument 4. 37


 

Vorbemerkung

Die Entwürfe UVRG, Teil 1 und Teil 2, unterscheiden sich in der Vorlageform entscheidend voneinander. In Teil 1, Organisationsreform der GUV, sind alle Passagen ausgedruckt und extra gekennzeichnet, die gestrichen oder verändert worden sind. Der Entwurf und seine Neuerungen sind dadurch leicht und ohne großen Aufwand nachzuvollziehen.

Nicht so bei Teil 2. Hier sind die Ergänzungen, Streichungen etc. ausgedruckt – ohne genau kenntlich zu machen, wie die Passage vorher lautete und ohne den Kontext im Gesamten noch einmal wiederzugeben. Eine Analyse dieses Teils 2 ist somit außerordentlich erschwert, umständlich und zeitaufwändig.

Schon das spricht für sich, zumal in der Begründung dieses Arbeitsentwurfs des BMAuS zu lesen ist:

·         "Das generelle Leistungsniveau wird nicht zurückgeführt."

Wer sich allerdings der Mühe unterzieht, diesen Arbeitsentwurf genau durchzuarbeiten, der erkennt schnell: Auch das generelle (und nicht nur das konkrete einzelfallbezogene) Leistungsniveau wird z.T. drastisch reduziert. Der Satz in der Begründung zu diesem UVRG-Entwurf behauptet also die Unwahrheit.

Das wussten die Verantwortlichen auch, denn und das ist der rechtliche Hintergrund, eine Absenkung des Leistungsniveaus würde

·         "mit dem Zweck der Unfallversicherung – Ablösung der Haftpflicht der Unternehmer – nicht im Einklang stehen" (S. 58 UVRG vom 27. April 2007).

Es lässt sich feststellen: Nahezu alles, was dieser Entwurf enthält, steht tatsächlich nicht mit dem Zweck der Unfallversicherung im Einklang. Die geplanten Einschränkungen bei gleichzeitiger weit gehender Aufrechterhaltung der Haftungsablösung sind u.a. auch deshalb verfassungswidrig, weil die Opfer ihre Rechte zivilrechtlich nach wie vor in der Regel nicht einklagen werden können – siehe dazu ausführlicher unter Punkt 1.

Das UVRG suggeriert den Schutz der GUV für die Opfer der Arbeit, ist aber derart formuliert, dass der Schutz nur noch ausnahmsweise gewährt werden wird.  

Die folgende Begründung unserer Resolution und gleichzeitige Stellungnahme beschränkt sich auf die für die VersicherungsN wichtigsten der geplanten Vorgaben in diesem UVRG.

1. Versicherungspflicht

In der GUV sind die Unternehmer bzw. die Unternehmen versichert. Sie sind die Versicherten und Leistungsberechtigten im Schadensfalle und somit auch die Leistungsempfänger. Die ArbeitnehmerInnen sind nur Objekt dieser Versicherung. Der versicherte Gegenstand ist deren Arbeitskraft, also alle jene Funktionen, die sie brauchen, um ihre abhängigen Berufstätigkeiten verrichten zu können.

Die fortgesetzte Rede von den Leistungen für Versicherte ist also falsch, wenn damit jene Personen gemeint werden, die einen Arbeitsfunktionsschaden erlitten haben und dafür von ihren Arbeitgebern zu entschädigen wären bzw. sind.

Die Leistungen der GUV für die Versicherten bestehen darin, die Ersetzungs- und/oder Reparaturkosten im Schadensfalles sowie jene Kosten zu übernehmen, die bei der Ersetzung/Repa­ratur/Wiederherstellung des Zustandes des Objektes entstehen. Da im Zustand des Objektes nach einem Schadensereignis immer eine Differenz verbleibt, die irreparabel ist, muss die GUV auch dafür die entsprechende Entschädigungszahlungen für ihre Unternehmensklientel übernehmen.

Gäbe es diese Solidarversicherung der Unternehmen "GUV" nicht, müsste jedes einzelne Unternehmen diese Kosten selbst tragen, kommt es beim Betreiben der Unternehmung zum Personenschäden von MitarbeiterInnen,.

Das ist der vom BMAuS angesprochene "Zweck" der GUV – und der Kern der Legitimation des Zwangs für alle in Deutschland operierenden Unternehmen, sich in der GUV versichern zu müssen.

Dagegen war in den letzten Jahren allerdings eine mächtige Opposition entstanden. Insbesondere Klein- und Mittelständler hatten die Beseitigung dieses "Monopols" der BGen verlangt, hatten EU-Gremien aller Art heftig bearbeitet, diese Monopolstellung aus Gründen der Liberalisierung und des fairen Wettbewerbs zu beseitigen.

Dass sie einen gewissen Erfolg hatten, zeigt der UVRG-Entwurf zur Novellierung des SGB VII. Er enthält eine gewisse Einschränkung der sog. Versicherungspflicht.

Bislang konnte eine Berufsgenossenschaft in ihrer Satzung bestimmen, welche Unternehmen bei ihr versichert sein mussten – und welche freiwillig bzw. welche von der Versicherungspflicht befreit sein sollten. Zukünftig soll – siehe § 3 des Entwurfs (UVRG) - diese Versicherungspflicht kraft Satzung für Unternehmer und deren Lebenspartner entfallen. Nach § 213 UVRG können sie ab 2008 beantragen, aus dem GUV-Vertrag entlassen zu werden. Tun sie das nicht, läuft ihr Vertrag als freiwillige Vereinbarung weiter.

Damit ist tatsächlich eine kleine Schneise in das sog. BG-Monopol geschlagen. Sie wird vertieft durch eine weitere neue Regelung, die die Haftungsablösung selbst betrifft.

Danach wird § 104, Beschränkung der Haftung der Unternehmer, im Absatz 1, nach Satz 1 um eine Formulierung erweitert. Der künftig geltende § 104 UVRG soll dann lauten

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben.

Der Vorsatz braucht sich nur auf das den Versicherungsfall verursachende Handeln oder Unterlassen zu beziehen."

Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches[1] findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

Diese – neue - Haftungsbeschränkung gilt dann allerdings auch für andere im Betrieb tätige Personen – siehe die §§ 105 und 106 UVRG. Erfasst werden sollen damit möglicherweise die kollateralen Versicherungsfälle, deren Eintritt bei oder infolge der (angewiesenen) Arbeitstätigkeiten von den Verantwortlichen gleichsam in Kauf genommen wurden; Risiken also, die sich durch beschränkten Vorsatz i.S. gro­ber Fahrlässigkeit seitens der Weisungsbefugten realisierten, d.h. zu Arbeitsunfällen oder Berufs­er­krankungen führten. Inwieweit hier vor allem und tatsächlich auch Arbeitsschutzversäumnisse der Betriebsverantwortlichen rechtlich mit erfasst werden, das dürfte sich freilich erst an Hand der Rechtsprechung zeigen. Da andererseits die Arbeitsschutznormen in Deutschland seit der Jahrtausendwende mit der u.a. neuen GefahrstoffVO und den erheblich ausgedünnten Technischen Regeln Gefahrstoffe (TRGS) in kaum glaublichem Ausmaß in die Selbstverantwortung der Unternehmen gestellt wurde und Kontrolle von außen kaum mehr stattfindet, REACH auf europäischer Ebene aber die Beweislastumkehr für die (relative) Gefahrlosigkeit für alle in den Verkehr gebachten, darunter auch die sog. Altarbeitsstoffe und – produkte, gebracht hat, ist hier die Gemengelage derzeit reichlich unübersichtlich. Bislang war es jedenfalls immer so, dass sich die Unternehmen juristisch rauszuwinden wussten. Hier müsste deshalb zumindest der Begriff des "Vorsatzes", bezogen auf das verursachende oder unterbliebene Handeln" eines Betriebsverantwortlichen und/oder des Unternehmers in der rechtlichen Formulierung des UVRG-Arbeitsentwurfes klarer eingegrenzt und eindeutiger bestimmt werden.

Interessant ist freilich in diesem Zusammenhang die Begründung des BMAuS. Danach beziehe sich die "Ergänzung des § 104 Abs. 1" UVRG "insbesondere auf Gewalttaten im schulischen Bereich" - und weiter:

"Mit ihr werden die Anforderungen an das Verschulden bei Vorsatztaten auf das den Versicherungsfall herbeiführende Handeln beschränkt. Die bisherige Rechtslage, nach der sich der Vorsatz auch auf den konkreten Erfolgseintritt erstrecken muss, hat bei der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zu unangemessenen Benachteiligungen für die Betroffenen geführt. Der faktisch kaum zu führende Verschuldensnachweis für die konkreten Verletzungsfolgen bewirkt regelmäßig den Ausschluss von Schmerzensgeldansprüchen und damit massive Nachteile für die Geschädigten".

Ich bezweifle, dass der Zusatz in Zukunft juristisch die grobe Fahrlässigkeit bzw. das, was in der Kriegsführung der Kollateralschaden heißt, miterfasst, weil in dieser Ergänzung am Begriff des Vorsatzes festgehalten wird. Der Verweis auf die grobe Fahrlässigkeit aber fehlt. Allerdings ist klar, dass sich der Vorsatz im Zivilrecht immer auch auf Pflichtwidrigkeiten bezieht und insofern einen Teil von Fahrlässigkeit miterfasst – ist diese jedoch nicht pflichtwidrig und der Verursacher hat kein Wissen/Bewusstsein um die Gefährdungen und hätte es auch bei Bemühen nicht haben können, in die er andere mit seiner Handlung oder Unterlassung bringt, dann bestehen wohl wenig Aussichten, zivilrechtlich Schadensersatz/Schmerzensgeld direkt vom Weisungsbefugten zu fordern und erfolgreich erstreiten zu können.

2. Neudefinition und Berechnung der Haftungsleistungen der GUV für Personenschäden in §§ 56 – 71 UVRG

Die künftigen Renten- oder Abfindungsentschädigungen der GUV sind im ersten bis vierten Unterabschnitt des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels des UVRG geregelt. Danach soll es zukünftig keine einheitlichen Rentenentschädigungsleistungen mehr geben. Damit geht einher, dass sich die Bundesregierung vom bisherigen abstrakten Schadensberechnungsprinzip abwendet und - scheinbar - einen konkreten, auf den individuellen Schadensfall bezogenen Schadens­ausgleich einführen möchte. Dementsprechend soll sich auch die Begrifflichkeit ändern. §§ 56 – 59 UVRG sind die hier entscheidenden Paragraphen.

2.1. Die neue – einkommensabhängige - Erwerbsminderungsrente

Im ersten Unterabschnitt geht es um "Erwerbsminderungsrenten an Versicherte". Schon hier stutzt man, war der Begriff "Erwerbsminderungsrente" seit Einführung vor wenigen Jahren der Gesetzlichen Rentenversicherung vorbehalten. Die volle oder Teilerwerbsminderungsrente hatte die Berufsunfähigkeits- und Früherwerbsunfähigkeitsrente der GRV, also die Invalidenrenten für teil – oder gänzlich arbeitsunfähig gewordene Rentenversicherte abgelöst. Jetzt soll dieser Begriff also Eingang in das Haftungsrecht der GUV finden – was, nebenbei bemerkt, dem Gerücht neue Nahrung gibt, dass die GRV in naher Zukunft in einer weiteren Novellierungsrunde überhaupt keine Invalidenrenten mehr zahlen wird. Welchen Sinn diese Umbenennung im Kontext der geplanten engen Verzahnung zwischen Haftpflichtversicherung und allgemeiner Solidarversicherung abhängig Versicherter hat und welche Logik dahinter steckt, wird sich aus den folgenden Darlegungen erschließen.

Was also soll diese GUV-Erwerbsminderungsrente sein, wie ist sie definiert und was soll sie umfassen?

In § 56 UVRG sind zunächst "Voraussetzungen und Höhe des Rentenanspruchs" dargelegt. Abs. 1 lautet:

·         (1) Versicherte mit einer Erwerbsminderung infolge eines Versicherungsfalls von mindestens 10 Prozent über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus haben Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente.

In § 56 SGB VII heißt es dagegen nur "...Anspruch auf Rente", sonst hat sich nichts geändert. Die wesentlichen Neuerungen enthält dagegen Abs. 2 – siehe den gesamten § 56 UVRG und SGB VII zum Vergleich im Anhang.

Jetzt zur Definition.

Danach ist

·         "Erwerbsminderung (..) der durch die eingetretenen gesundheitlichen Schädigungen verursachte vollständige oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden Arbeitsmarkt."

Es geht also nicht mehr um eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, die sich "nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (richtet)" – wie es in § 56 Abs. 2 des SGB VII heißt.

Es geht stattdessen nur noch um "Arbeitsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden Arbeitsmarkt", also einem Segment des Gesamtarbeitsmarktes. Das klingt erst mal nicht beunruhigend, doch in dem neuen Text heißt es weiter:  Schädigungsfolgen sind nur diejenigen, die

·         "nach Heilbehandlung und erbrachten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben verbleiben"

und, wichtiger noch,

·         "für die Bestimmung der Höhe der Erwerbsminderung wird das Erwerbseinkommen, das Versicherte nach Eintritt des Versicherungsfalles durch eine ihnen zumutbare Tätigkeit erzielen können, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie ohne die infolge des Versicherungsfalles eingetretenen gesundheitlichen Schädigungen erzielen könnten. (..) Zumutbar ist eine Tätigkeit, die die Versicherten mit der ihnen verbliebenen Leistungsfähigkeit und aufgrund der bezogenen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben verrichten können. Dabei ist auch die bisherige Tätigkeit zu berücksichtigen; die zumutbare Tätigkeit soll der bisherigen Tätigkeit sozial gleichwertig sein".

Die Erwerbsminderungsrente ergibt sich also aus der Differenz zwischen dem vor dem Schadensereignis erzielten Einkommen bzw. dem Einkommen, was ein/e VersicherungsN/Nehmerin ohne diese Gesundheitsschäden erzielen könnte und dem Einkommen, was ein Geschädigter nach der medizinischen und beruflichen REHA, also mit den verbliebenen Schädigungen an Einkommen erzielen könnte – nicht aber tatsächlich erzielt.

Diese Schätzungen obliegen dem GUV-Haftpflichtversicherer. Dieser muss im Wege von Ermessensentscheidungen festlegen, wie die Berufsaussichten eines VersicherungsN ohne das Unfall-/Berufskrankheitsereignis in Euro und Cent ausgesehen haben könnten und ob die von ihm für einen solchen VersicherungsN angepeilte Tätigkeit plus Einkommen nach dem Eintritt des Versicherungsfall für diesen a) zumutbar im Sinne von b) sozial gleichwertig mit seiner vorangegangenen Tätigkeit/Einkommen ist. Für einen Haftpflichtversicherer, dessen Kostenberechnung von diesen seinen Einschätzungen abhängt, ist es mit Sicherheit zu viel verlangt, sich derart von der eigenen Interessenlage (und der seiner Mitglieder) distanzieren zu können. Nach rechtstaatlichen Maßstäben wäre hier nach Lage der Dinge Befangenheit anzunehmen, doch schreiben die Berliner Administerialen den UVT offenbar lieber die übermenschliche Kraft zu, von eigenen Interessen und Kostenkalkulationen im erforderlichen Maß auch immer absehen zu können.

Doch sehen wir weiter. Die dem Geschädigten zumutbare Tätigkeit soll explizit "sozial gleichwertig" und nicht etwa ökonomisch oder wirtschaftlich gleichwertig sein. Der Begriff "sozial" ist nicht weiter definiert, doch scheint er soziologisch gemeint zu sein, also den gesellschaftlichen Status i.S.v. Ansehen im Auge zu haben. Es ist also ein äußerst ´weicher´, wenig Rechtssicherheit verheißender Begriff. Welche Tätigkeit Ansehen genießt, wird schließlich sehr unterschiedlich gedeutet. Auch lässt der Entwurf offen, ob sich das zugeschriebene Ansehen auch im Einkommen ausdrücken muss.

Mehrere – hier nicht abschließend aufgefächerte - Varianten sind deshalb auf dieser Basis denkbar:

Variante 1

Angenommen eine Fabrikarbeiterin verdiente in einem Volljob 1.400 Euro brutto mtl.; nach ihrem Arbeitsunfall verbleiben ihr chronische Gesundheitsschäden. Die Fabrikarbeit kann sie nicht mehr verrichten. Nach der medizinischen REHA findet sie einen Job als Bürohilfe in sitzender Tätigkeit. Der UVT akzeptiert den Büro-Job als sozial gleichwertig mit ihrer vorangegangenen Fabrikarbeit. Sie verdient mit 7,50 Euro brutto die Stunde noch 1.200 Euro brutto. Von den zu Grunde zu legenden 400 Euro Differenz berechnet sich eine Vollrente von 60% (siehe dazu weiter unten). Das sind 240 Euro. Da sie aber nur eine Erwerbsminderung von 20% hat, erhält sie sage und schreibe einen mtl. Entschädigungsbetrag von 48 Euro überwiesen. Den gleichen Betrag hat der UVT an die RV zu entrichten – siehe auch dazu weiter unten.

Variante 2

Ein Schlosser findet mit seiner – anerkannten – Berufskrankheit keine neue Arbeit. Er bleibt arbeitslos. Der UVT weist ihm eine sozial gleichwertige Arbeit nach, doch der Versicherte nimmt den neuen Job nicht an, weil er sich diese Tätigkeit nicht mehr zutraut. Der UVT akzeptiert das nicht und auch der beigezogene Gutachter meint, hier wolle jemand ohne Mühe an das Geld anderer gelangen; der Mann simuliere. Ergo berechnet der UVT die Erwerbsminderungsrente auf der Basis des (Tarif)-Lohns für die abgelehnte Arbeitsstelle; der VersicherungsN muss seine (aller Wahrscheinlichkeit nach) realistische Einschätzung seiner verbliebenen Leistungsfähigkeit teuer bezahlen. Seine Erwerbsminderungsrente fällt denkbar niedrig aus, sofern er überhaupt eine EM-Rente erhält.

Variante 3

Ein gelernter Bankkaufmann hat einen Wegeunfall mit Kopfbeteiligung erlitten. Er wird gekündigt, angeblich, weil die Bank rationalisiert. Eine Umsetzung innerhalb des Bankkonsortiums ist nicht möglich. Er nimmt einen Job als Verkaufsfahrer im Nahbereich an und verdient erheblich weniger als vorher. Ausgleich dafür erhält er im ersten Jahr danach nicht, weil der UVT bestreitet, es handele sich dabei um eine sozial gleichwertige Tätigkeit. Hier wäre der UVT jetzt berechtigt, eine fiktive, wohl aber nach Tarif bezahlte Einkommenssumme als Kaufmann anzusetzen und den Einkommensverlust danach zu berechnen. Der Mann erhält also sehr viel weniger Entschädigung als er reale Verluste hat, es sei denn, er kann nachweisen, dass er keine Möglichkeiten mehr hat als Kaufmann zu arbeiten – dieses Arbeitsmarktsegment ihm also verschlossen ist. Es kann sogar sein, dass er die Beweislast auch für den Nachweis trägt, dass es die Folgen seines Wegeunfalls waren, die zum Verlust seiner Stelle als Bankkaufmann geführt haben – auch in diesem Punkt ist die gesetzliche Formulierung zu wenig eindeutig. Nach § 56 Abs. 2 UVRG bessert sich seine finanzielle Lage erst nach Ablauf eines Jahres etwas. Jetzt muss der UVT die Zumutbarkeit absenken, braucht aber dennoch nicht die reale Einkommenslage berechnen, sondern, so heißt es hier:

·         "In diesen Fällen ist die Höhe der Erwerbsminderung zugunsten der Versicherten neu zu bestimmen; hierzu ist das erzielbare Einkommen um 10%, nach Ablauf des zweiten Jahres um 20% und nach Ablauf des dritten Jahres um 30% abzusenken."

Variante 4

Ein lärmgeschädigter Maschinenführer verbleibt zunächst auf seinem Arbeitsplatz und wird erst einige Jahre später gekündigt, auch in diesem Fall angeblich aus Rationalisierungsgründen. Der Mann bleibt für den UVT versicherungsrechtlich fast ein Nullsummenfall. Weil er seinen Arbeitsplatz behalten konnte, steht ihm keine EMR zu. Da er nach seiner Kündigung nicht nachweisen kann, dass der Verlust seines Arbeitsplatzes Folge seiner Schwerhörigkeit war und nicht die der weiteren technologischen Entwicklung, erhält er auch als Arbeitsloser keine EMR, also keine Erwerbsminderungsrente.

2.2. Die Schadensbemessung bleibt abstrakt – negativ abstrakt

Alle Varianten zeigen: Wir haben es bei dieser neuen GUV-Erwerbsminderungsrente also nicht mit einer konkreten, sondern mit einer negativ abstrakten Schadensberechnung zu tun: Schätzungsgröße minus Schätzungsgröße = Differenzbetrag. Die einschlägigen Behauptungen des BMAuS dazu erweisen sich bei genauer Betrachtung also als unzutreffend und irreführend.

In dieser Konstruktion GUV-"Erwerbsminderungsrente" spielen die Termini a) (abstrakte) Chancen auf den jeweiligen Teilsegmenten des Arbeitsmarktes und b) (individuelle) Zumutbarkeit eine zentrale Rolle. Doch, was hier scheinbar im Sinne der Rechtsprechung zur Zumutbarkeit im vor Jahren geltenden Alters- und Invalidenrentenrecht nach mehr Schutz und Wahrung der Freiheitsrechte in der Wahl eines zukünftigen Arbeitsplatzes für die VersicherungsN klingt, ist hier ins Gegenteil verkehrt. Um so mehr adäquate Arbeitsmöglichkeiten der Haftpflichtversicherer schätzt, um so mehr schrumpft die Möglichkeit für die VersicherungsN, die erlittenen Erwerbsminderungen finanziell auszugleichen. Anders gesagt:

Um so höher die Zumutbarkeitsschwelle, um so geringer wird die GUV-Erwerbs­min­de­rungs­rente.

Damit gibt der Gesetzgeber dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein sehr breit nutzbares rechtliches Instrumentarium in die Hand, für die geschädigten VersicherungsN noch weniger als zuvor haften zu müssen. Den Opfern aber mutet er weitere erhebliche Beweishürden zu – Beweishürden, die diese objektiv gesehen nur in den wenigsten Fällen werden überwinden können. 

2.3. EM-Vollrente soll nur noch 60% des Jahresarbeitsverdienstes betragen

§ 56 Abs. 5 UVRG senkt die bisherige Höhe der Entschädigungsrente von 66 % (zwei Drittel) des Jahresarbeitsverdienstes auf 60 % ab. Wie bisher wird aber

·         "bei teilweiser Erwerbsminderung (..) Teilrente geleistet; sie wird in Höhe des Prozentsatzes der Vollrente festgesetzt, der der Höhe der Erwerbsminderung entspricht".

Begründet wird diese Kürzung der Höhe der Entschädigung (und Bezugsgröße aller Entschädigungsberechnungen) mit der in dieser Weise irreführenden Begründung, dass

·         "diese Berechnung in pauschalierter Form die gesetzlichen Abzüge für Steuern und Sozialversicherung (berücksichtigt), so dass die Verletzten im Ergebnis ein pauschaliertes Netto erhalten".

Hier ist festzuhalten: Die Sozialabgaben und die Steuern sind zunächst einmal das Eigentum der Lohnabhängigen, also Lohnbestandteile. Diese soll nun die GUV pauschaliert abziehen dürfen – ohne sie aber weiter geben zu müssen an den Staat einerseits (Steuern) und zumindest eine der Solidarsozialversicherungen andererseits ((G)KV).

Da sie künftig für die VersicherungsN Beiträge für die GRV zahlen sollen, bedeutet das nichts anderes als dass die UVT von Gesetzes wegen sollen abkassieren dürfen. Tatsächlich holen sie sich die angeblichen Beiträge an die GRV nachgerade in doppelter Form von den Opfern zurück. Einmal in Form der Absenkung des Gesamtniveaus der Erwerbsminderungsrente und zum anderen durch die Abkehr von der bisherigen abstrakten MdE-Bemessung der GUV-Rente.

Die Opfer, für die die GUV zu haften hätte, sollen also zweifach ´abgeschöpft´ werden – was die BMAuS-Ministerialen in diesem UVRG offensichtlich beabsichtigen, mit nicht nachvollziehbaren Gesetzesbegründungen zu legitimieren.

3. Der neue – einkommensunabhängige -Gesundheitsschadensausgleich nach dem Grad des Gesundheitsschadens (GdS) -

Diese – neue – Entschädigungsform ist in den §§ 62 ff UVRG geregelt. Im Unterschied zur – neuen - GUV-Erwerbsminderungsrente wird sie unabhängig vom individuellen Einkommen gewährt und berechnet.

Entscheidend ist allein der Grad des erlittenen Gesundheitsschadens, seine berufliche Ursächlichkeit und – bei Berufskrankheiten – seine Verzeichnung in der Berufskrankheitenliste (BKL).

§ 62a UVRG besagt:

·         "(1) Versicherte haben Anspruch auf Gesundheitsschadensausgleich, wenn sie infolge eines Ver­siche­rungsfalles eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben und der Grad der Schädi­gungsfolgen nicht nur vorübergehend mindestens 30% beträgt.

·         (2) Gesundheitliche Schädigungen sind alle körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheitsstörungen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der durch die Gesundheitsstörungen bedingten Funktionsbeeinträchtigungen zu beurteilen. Gesundheitsstörungen sind nicht nur vorübergehend, wenn sie mehr als sechs Monate bestehen. Bei Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen maßgebend, der sich bei Erwachsenen bei gleicher Gesundheitsstörung ergibt.

·         (3) Versicherte, bei denen ein Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 50% festgestellt ist, sind schwer verletzte Versicherte (Schwerverletzte)."

Damit führt das UVRG  die neue Kategorie "Grad der Schädigung" – GdS – ein. Die Höhe dieses Gesundheitsschadensausgleichs ist in § 62b UVRG normiert. Absatz 1 lautet:

·         "Die Höhe des Gesundheitsschadensausgleichs bemisst sich nach dem Grad der Schädigungsfolgen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 0 bis 100 zu bemessen; ein um fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Zur Festsetzung des Grades der Schädigungsfolgen finden die in der Rechtsverordnung nach § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz niedergelegten Grundsätze entsprechende Anwendung."

So weit das UVRG, doch: einen Absatz 17 kennt § 30 des BVG derzeit nicht, auch keine RechtsVO, die einen solchen Absatz 17 verfügt hätte. In der Begründung des BMAuS zum UVRG heißt es erläuternd:

·         "Die Bemessung des Gesundheitsschadens nach dem Grad der Schädigung folgt dem sozialen Ent­schä­di­gungsrecht" (S. 79).

Da ein chronischer Gesundheitsschaden nach SGB IX, Teilhabe, derart Geschädigte mit Schwerbehinderten gleich stellt, kann die bisherige Eingangs-MdE in der GUV von 20% dem Eingangs-GdB im sozialen Entschädigungsrecht von 30% ebenfalls gleich gestellt, bzw. angeglichen werden. Nach dieser Leseart sollen alle bisher mit 20% MdE bewerteten GUV-Versicherten künftig einen GdS von 30% erhalten. Da der GdS auch inhaltlich weiter gefasst ist als die bisherige MdE und sich auf Behinderungen im gesamten Leben, also nicht nur im Erwerbsleben bezieht, ist diese ´Um­wid­mung´ auch in sich plausibel – siehe dazu die entsprechende Normierung in § 220a UVRG.

In der Begründung unter Nummer 15 zu den §§ 62a-62e UVRG ist definiert, was genauer unter dem GdS zu verstehen ist und was er zu berücksichtigen hat:

·         "Der Gesundheitsschadensausgleich (..) bestimmt sich nach dem Grad der Schädigungsfolgen (GdS). Dieser beschreibt in Prozentsätzen die Beeinträchtigung der Teilhabe am Erwerbsleben und am Leben in der Gemeinschaft durch ein Abweichen der körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit vor dem für das Lebensalter typischen Zustand. Auch allgemeine Beeinträchtigungen im Erwerbsleben wie z.B. verlorene berufliche Lebensperspektive, fehlende berufliche Mobilität und ähnliches werden bei der Feststellung berücksichtigt. Die Bemessung nach dem GdS stellt eine Abkehr von der bisherigen Bemessungsgröße Minderung der Erwerbsfähigkeit dar. Diese Abkehr ist notwendig, weil der Gesundheitsschaden nicht ausschließlich nach Maßgabe der Leistungsbeeinträchtigung im Erwerbsleben gemessen werden darf." (S. 77)

Auf diesem Hintergrund scheint es zunächst einsichtig zu sein, dass sich die GUV-Gutachter bei der Einstufung des GdS künftig wie die Gutachter der Versorgungsämter (heute: Integrationsämter) auf die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) stützen sollen. Bei diesen AHP, so das BMAuS allerdings sachlich mit stark interessengebundenem Zungenschlag (siehe dazu weiter unten) weiter, handele es sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung "um antizipierte Sachverständigengutachten", aber:

·         "da die Rechtsprechung wiederholt gerügt hat, dass die AHP nicht demokratisch legitimiert sind, soll durch eine Änderung des Bundesversorgungsgesetzes eine Rechtsgrundlage im Sinne eines materiellen Gesetzes geschaffen werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf der Bundesregierung soll Bundestag und Bundesrat im ersten Halbjahr 2007 zugeleitet werden. Die aufgrund des künftigen § 30 Abs. 7 BVG zu erlassende Rechtsverordnung legitimiert die AHP. Sofern diese Rechtsverordnung bei Inkrafttreten des UVRG noch nicht erlassen worden ist, sind für die Bemessung des Gesundheitsschadens die bisherigen Anhaltspunkte weiter anzuwenden (§ 220a Abs. 3)."

Wer die Auseinandersetzungen um die seit Jahr und Tag behördlich semi-illegale Anwendung dieser "Anhaltspunkte" kennt[2], der wird die Dreistigkeit bestaunen, mit der sich das BMAuS hier auf die "höchstrichterliche Rechtsprechung" stützt. In seiner Entscheidung vom 18. September 2003 – Az.: B 9 SB 3/02 R- - hatte das BSG gesagt, es schreite gegen die weitere Anwendung der "Anhaltspunkte" seit 1996 nur deshalb nicht ein, weil a) das damalige BMA unter N. Blüm verbindlich zugesichert hatte, für die "Anhaltspunkte" bis 2003 im BVG eine materiell gesetzliche Grundlage zu schaffen und es gegenwärtig b) keinen praktikablen Ersatz für die "Anhaltspunkte" gäbe. Zwar billigte das BSG den "Anhaltspunkten" den Status von antizipierenden Sachverständigengutachten zu, doch mit der wesentlichen Einschränkung, dass sie keinen der Maßstäbe erfüllten, die antizipierende Sachverständigengutachten erfüllen müssten – vor allem den der demokratischen Legitimation nicht. In Wahrheit hatte das BSG den "Anhaltspunkten" damit den Charakter antizipierender Sachverständigengutachten abgesprochen - und sie lediglich aus pragmatischen Gründen[3] und auf das Versprechen des damaligen Bundesministers N. Blüm hin, diesen Missstand sehr bald zu beseitigen, für – noch – anwendbar erklärt.

Auf diesem Hintergrund wird erkennbar, welchen Grad der Dreistigkeit (GdD) das BMAuS erreicht, wenn es im Begründungstext zu diesem UVRG gleichzeitig andeutet, die Rechtsgrundlage für die "Anhaltspunkte" – nach § 62 Abs. 1 UVRG in § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz normiert - könnte zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des UVRG 2008 zwar immer noch fehlen, doch könnten die "Anhaltspunkt" nach § 220a UVRG dann auch übergangsweise genutzt werden.

Zur Erinnerung: In der Neuauflage der – damals nur leicht überarbeiteten – "Anhaltspunkte" von 2004 hatten wir noch lesen können:

·         "Im Hinblick auf die bevorstehende Verrechtlichung der „Anhaltspunkte“ wurde von einer weitergehenden, systematischen Überarbeitung abgesehen. Bis zur Verrechtlichung gelten die „Anhaltspunkte“ weiter als antizipierte Sachverständigengutachten wie untergesetzliche Normen (s. zuletzt BSG: B 9 SB 3/02 R und B 9 SB 6/02 R vom 18.09.2003). Die von den Herausgebern seit über 30 Jahren definierte Zielsetzung bleibt bestehen: Dem ärztlichen Sachverständigen/Gutachter die Grundlagen für eine sachgerechte, einwandfreie und bei gleichen Sachverhalten einheitliche Beurteilung an die Hand zu geben und zu gewährleisten, dass auch  unterschiedliche Behinderungen/gesundheitliche Beeinträchtigungen angemessen und in sachgerechter Relation zueinander bewertet werden können."

Derzeit schreiben wir das Jahr 2007. Bis heute hat die Bundesregierung diese vom BSG seit 1994 vehement angemahnte sog. "Verrechtlichung" dieser "Anhaltspunkte" nicht zu Stande gebracht. Wohl aus gutem Grund, denn es lässt sich weder wissenschaftlich noch nach Plausibilitätsgesichtspunkten begründen, dass es sich bei dieser Knochentaxe tatsächlich um medizinische Erfahrungssätze bzw. - werte handelt, die gutachterlich allgemein für Männlein und Weiblein, für jung und alt, für Gewerbliche wie Schreibtischarbeiter, für arm und reich, für krumm und gerade, für hell und dunkel, für dünn und dick, für schwach und stark in den verschiedensten Körperfunktionen (usw.) entwickelt und als prinzipielle Richtschnur für die GdB-Bewertungen vorgegeben werden könnten.

Insofern dürfte es unmöglich sein, die erforderliche materiell gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen. Doch anstatt die "Anhaltspunkte" zurückzuziehen und nach demokratisch legitimierbaren medizinisch wie sozialversicherungsrechtlich sinnvollen Lösungen zu suchen, spielen die jeweiligen Bundes- und Landesregierungen mit gezinkten Karten, verraten die Interessen von Millionen geschädigter/behinderter BürgerInnen in diesem Land und flüchten sich in eine hier zu Lande auch von der Rechtsprechung immer wieder gestützte, entschuldigte und damit letztlich begünstigte Illegalität.

Es kann also nur als Tüpfelchen auf dem i (i wie illegal) bezeichnet werden, wenn das BMAuS nun auch die UVT auffordert - siehe Begründungstext - dass:

·         "die heutigen von den UVT entwickelten Erfahrungswerte, Orientierungswerte, Tabellen oder antizipierten Sachverständigengutachten (..) von der Deutschen Unfallversicherung spätestens bis zum 31. Dezember 2011 an die Vorschriften über die Festsetzung des Gesundheits­scha­densausgleichs anzupassen (sind) (§ 220a Abs. 2)". 

Das scheint die MdE-Tabellen sowie die verschiedenen sog. Merkblätter wie z.B. das Königsteiner (Lärmschwerhörigkeit) oder das Bamberger Merkblatt (Hauterkrankungen) zu meinen. Diese benutzen die UVT immer wieder a) widerrechtlich und teils b) versicherungsrechtlich bzw. teils c) medizinisch falsch. Ziel dabei ist stets, a) die Kausalität zwischen beruflicher Exposition und angeblich entsprechender Erkrankung auf wenige Fallkonstellationen einzuengen oder ganz zu bestreiten (normierte Verlaufsform einer Erkrankung) sowie b) die Einzelfall-MdE an einer Allgemeinnorm messend unter die erforderlichen 10%-MdE-Marke (Stütz-MdE) zu drücken bzw. ganz zu entziehen.

Die dafür gegebene Begründung lautet sinngemäß stets gleich. Der "Versicherte" müsste nach den maßgeblichen medizinischen Erfahrungswerten längst wieder hergestellt und arbeitsfähig sein. Damit wird auf die von den UVT zugebilligten allgemeinen Normheilungszeiten und Normheilungsgeschwindigkeit einschließlich deren Schätzungen von Schwere und Komplikationsgrad verwiesen – als angebliche Erfahrungswerte. Wehe also dem VersicherungsN, dessen Körper und Geist individuell mit davon abweichenden Heilungsverzögerungen reagiert.

Dieses sog. Erfahrungswissen taugt aber auch dazu, arbeitsmedizinisch einen typischen Erkrankungs-/Schä­di­gungs­verlauf bei gewissen Berufskrankheiten zu konstruieren, den jeweils realen Verlauf bei einem VersicherungsN daran zu messen und dann zu sagen, dieser Verlauf ist a-typisch: das spricht gegen die Kausalität; es kann sich nicht um diese oder jene Berufskrankheit handeln, die so und so verlaufen würde, nicht aber so.

Dazu muss man wissen: Seit Jahr und Tag versuchen die UVT Gutachten ihrer ausgewählten medizinischen MitarbeiterInnen in den arbeitsmedizinischen und anderen Fachbereichen der Universitäten und Kliniken im Land zu antizipierenden Sachverständigengutachten mit maßgeblichem Leitcharakter für alle anderen GutachterInnen zu etablieren.

Es ist ihnen bis heute nicht wirklich gelungen. Es waren vor allem RichterInnen des Unfallsenats des BSG, aber auch des großen Senats, die in einzelnen Fällen angeblich akzeptierte Erfahrungswerte als unzureichend gesichert abgelehnt, aber auch prinzipiell bestritten haben, es könne sich bei diesen Gutachten bzw. "Merkblättern" irgendwelcher (meist von den UVT heimlich bzw. über Strohmänner inaugurierten) medizinischen Fachgesellschaften und deren einschlägige Produkte wie es etwa das sog. Bamberger Merkblatt ist, tatsächlich um antizipierende Sachverständigengutachten handeln. Dies, weil diese Gutachten die essentiellen Kriterien nicht erfüllten, die an derartige Arbeiten mit antizipierenden Grundlagencharakter zu stellen seien. Sie erfüllten insbesondere weder das Transparenz-, Unabhängigkeits-, Neutralitäts- noch das Publizitätsgebot. In diesem Sinne argumentierte noch 2001 der BSG-Richter W. Wieser anlässlich des HVBG-Kongresses über die MdE[4] in Hennef.

Der Illegalität des ministeriellen Umgangs mit den "Anhaltspunkten" in den vergangenen Jahren setzt das BMAuS also noch eins drauf, indem es seinerseits die UVT auffordert, auf der neuen rechtlichen Basis des UVRG die auch von diesen Körperschaften des öffentlichen Rechts geübte illegale Praxis einzubringen, entsprechend anzupassen und auf diese Weise munter fortzuschreiben – oder wie es unter § 220a, Übergangsvorschriften zum Leistungsrecht, Absatz 2 UVRG scheinbar unverfänglich heißt:

·         "Soweit für die Bewertung von gesundheitlichen Schädigungen zur Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach § 56 in der am 31. Dezember 2008 geltenden Fassung von den UVT Erfahrungswerte, Orientierungswerte, Tabellen oder antizipierte Sachverständigengutachten aufgestellt worden sind, sind diese bei der Feststellung des Gesundheitsschadensausgleichs zu berücksichtigen. (..)"

3.1. Die GdS-Taxe

Was das BMAuS tatsächlich von den vorgezogenen Gutachten in den sog. Anhaltspunkten hält, demonstriert es im UVRG-Entwurf selbst. In GdS-Taxen gibt es administrativ das vor, was eigentlich erst das Ergebnis der für die neue GUV noch zu erarbeitenden und wissenschaftlich begründeten ´Anhaltspunkte´ sein könnte – gestützt auf die schon im Eckpunktepapier der Bund-Länder-Kommission zur Novellierung des SGB VII präsentierte Schädigungstaxe.

In § 62b Absatz 2 UVRG ist – auch  für Schwerverletzte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres -bestimmt:

·         "Der Gesundheitsschadensausgleich wird als Ausgleichsbetrag in Form einer monatlichen Rente geleistet. Diese beträgt bei einem Grad der Schädigungsfolgen von:

 

GdS-Prozentsatz

GdS-FestbetragHöhe

Andere Vorschläge

Währung

30

50

100/125

Euro

40

100

150/175

Euro

50

175

175/225

Euro

60

275

 

Euro

70

400

 

Euro

80

550

 

Euro

90

725

 

Euro

100

925

 

Euro"

 

Abweichend davon soll nach Absatz 3

·         "der Gesundheitsschadensausgleich für Schwerverletzte, die vollständig erwerbsgemindert oder infolge des Versicherungsfalls arbeitslos sind, bei einem Grad der Schädigungsfolgen von"

 

50

275

Euro

60

400

Euro

70

550

Euro

80

725

Euro

90

925

Euro

100

1.050

Euro

 

betragen.

Ist ein VersicherungsN bereits Rentner und erleidet einen Unfall bzw. erkrankt er erst dann an einer Berufskrankheit – was bei Berufskrebs mit langer Latenzzeit ja sehr häufig ist, aber auch bei neurotoxisch bedingten Altersdemenzen – erhält er je nach Schädigungsgrad die folgend genannte Summe mtl. bis zu seinem (bei Krebserkrankungen meist vorzeitigen) Tod.

 

50

550

Euro

60

725

Euro

70

925

Euro

Ab 80

1.050

Euro

 

Völlig einkommensunabhängig soll der GdS nach dem Willen der Ministerialen gleichwohl doch nicht sein. Wird ein GdS in Form einer mtl. Entschädigung gezahlt, ist diese nach § 62b Abs. 5 UVRG "zum gleichen Zeitpunkt wie die Renten der GRV" anzupassen und zwar nach folgender Vorgabe:

·         "Maßgebend ist der Faktor, der für die Anpassung der vom Jahresarbeitsverdient abhängigen Geldleistungen zugrunde gelegt wird. Die Bundesregierung setzt mit Zustimmung des Bundesrates den Anpassungsfaktor für den Gesundheitsschadensausgleich und die neuen Werte nach Absatz 2 bis 4 in der RechtsVO über die Bestimmung des für die Rentenanpassung in der GRV maßgebenden aktuellen Rentenwertes fest." (S. 18)

Diese Anbindung an das Recht der GRV ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Da der Gesundheitsschadensausgleich eine dem Schmerzensgeld vergleichbare Entschädigung ist, hat er mit dem Recht der GRV nichts zu tun. Um seinen Wert zu erhalten, könnte er (u.a.) eher an die jährliche Inflationsrate angepasst, nicht aber von einem sachfremden Faktor wie dem Rentenanpassungsfaktor abhängig gemacht werden. Tatsächlich gibt es einen politischen Alternativvorschlag – siehe dazu Nr. 41 im Begründungstext zu § 95 Abs. 1 (S.33) – der eine Anpassung an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte vorsieht,

·         "indem die Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigtem Arbeitnehmer für das vergangene Kalenderjahr durch die Bruttolohn- und -gehaltssumme für das vorvergangene Kalenderjahr geteilt wird, die Anpassung darf nicht zu einer Minderung führen".

Auch dieser Vorschlag leidet jedoch an der sachfremden Verquickung von erworbenen Versicherungsansprüchen in der Sozialversicherung und Entschädigungsansprüchen wegen Körperverletzungen gegenüber dem Verursacher bzw. dessen Solidarhaftpflichtversicherung "GUV".  

4. Teilübernahme des Arbeitsplatzrisikos für Verletzte durch die GUV

Für Versicherte, die nachweisen können, dass sie ihren Arbeitsplatz infolge ihrer GUV - geschützten Verletzungen verloren haben, sieht § 58 UVRG eine zeitlich gestaffelte Erhöhung der Erwerbsminderungsrente auf 60% der Vollrente vor – sofern sie sich bei der Arbeitsagentur arbeitslos gemeldet haben

·         zwei Jahre für Versicherte mit einem 30%igen GdS,

·         vier Jahre für Versicherte mit einem 40%igen GdS,

·         auf Dauer für Schwerverletzte (also ab 50% GdS).

Versicherten, die "dem Grunde nach Anspruch auf Arbeitslosengeld" (nach SGB III) haben, wird die Erwerbsminderungsrente auf 90% der Vollrente erhöht. Versicherte mit einem 30 oder 40%igen GdS, die nach SGB IX als schwerbehindert anerkannt sind, müssen den Antrag stellen, Leistungen wie Schwerverletzte zu erhalten.

Der Teilausgleich des Arbeitsplatzrisikos auf Dauer endet mit Eintritt in das Regelrentenalter oder aber dann, wenn sich ein Versicherter weigert, eine zumutbare Arbeitsstelle anzutreten. Die Zumutbarkeitsabstufungen folgen dabei § 121 SGB III – siehe Wortlaut im Anhang.

Laut Begründungstext zu § 58 Abs. 1 UVRG

·         "(werden) bei der Bemessung der Höchstanspruchsdauer (..) auch versicherungsfallunabhängige Gesundheitsschäden insoweit berücksichtigt, als Versicherte, die als schwerbehindert nach § 2 SGB IX anerkannt sind, Versicherten mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 50% hinsichtlich der Anspruchsdauer gleichgestellt werden. (S. 74)

5. Beginn und Ende der GUV-Entschädigungszahlungen in Form der EMR und GdS

a) Beginn

Auch der Beginn von Entschädigungsleistungen ist im UVRG zumindest für Berufskrankheiten neu geregelt. Nach § 9 Absatz 5 soll künftig gelten, dass

·         "Renten wegen Berufskrankheiten nach Absatz 1 oder 2 (..) von dem Zeitpunkt an geleistet (werden), an dem der Versicherungsfall einem UVT bekannt geworden ist".

Diese – bedenkliche, weil Willkür (und Begünstigung) fördernde  – Regelung soll allerdings nicht für die Berufskrankheiten gelten, die der Zugunstenvermutung nach § 9 Abs. 3 unterliegen. Das freilich spielt faktisch aber keine Rolle und ist Augenwischerei, weil es bislang keine einzige Anerkennung nach dieser sog. Zugunstenvermutung in § 9 Abs. 3 SGB VII gegeben hat. Nach dem neuen § 9 Abs. 3 UVRG wird es erst recht keine geben – siehe dazu weiter unten. Doch musste dieser Bezug an dieser Stelle des UVRG erscheinen, weil diese Regelung von der für Arbeits- und Wegeunfälle abweicht. An anderer Stelle eingefügt, hätte sie die - rechtlich unzulässige - Ungleichbehandlung gleicher Tatbestände wahrscheinlich denn doch zu auffällig gemacht.

Bislang richtet sich der Beginn von Entschädigungszahlungen sachlich bezogen für alle Geschädigte nach dem Zeitpunkt des Eintritts der Schädigung. Bei Berufskrankheiten also mit dem Tag der ärztlichen Diagnose der Erkrankung oder aber mit dem Tag, an dem Erwerbsunfähigkeit festgestellt wurde. Mit der vorgesehenen neuen Regelung aber wird – sachfremd und völlig unverhältnismäßig - die Dauer von Entschädigungsleistungen für BK-Erkrankte künstlich verkürzt und willkürlich an ein mehr oder minder vom Zufall abhängendes Ereignis wie (u.a.) eine BK-Verdachtsmeldung bei einem UVT geknüpft.

Nach § 72 Abs. 1 UVRG werden, das gilt aber nur für Opfer von Arbeits- und Wegeunfällen,

·         "(1) Erwerbsminderungsrenten (..) von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem

·         1. der Anspruch auf Verletztengeld oder Übergangsgeld endet,

·         2. der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld oder Übergangsgeld entstanden ist."

Im Unterschied zum SGB VII sieht das UVRG also auch keine gleichzeitige Zahlung von Übergangsgeld und Entschädigungsrente mehr vor.

Das geht zwar wiederum zu Lasten der VersicherungsN, scheint aber in sich stimmig, weil sich – so das BMAuS - die Berechnung des erzielbaren Einkommens ja nach der Entlohnung des Berufs richten soll, den ein Versicherter nach dem Abschluss der beruflichen REHA erwarten kann.

Tatsächlich besticht auch diese Begründung durch ihre formaljuristische Einfalt und unwürdige Irreführung bzgl. des materiellen GUV-Rechts. Man bedenke: Die Übergangsleistungen allein sind derart gering, dass sich kaum ein VersicherungsN in beruflicher REHA damit finanziell über die Runden bringen kann - schon gar nicht dann, wenn es sich um eine Person mit versorgungsbedürftigen Kindern handelt.

Spätestens an diesem Punkt wird überdeutlich: Die GUV-Leistungen auf UVRG-Niveau erfüllen auch nicht mehr ihre Lohnersatzfunktion. Damit geht freilich auch die Berechtigung verloren, dieses Haftpflichtversicherungsrecht weiter als Teil des Sozialversicherungsrechts zu definieren und die UVT auch künftig als Sozialleistungsträger zu privilegieren. Doch wie schon im sog. Eckpunktepapier der Bund-Länder-Kommission zur Novellierung des Rechts der GUV angedeutet, fürchten die Verantwortlichen, dass die Entschädigungskosten für die Wirtschaftskreise der Schadensverursacher auf zivilrechtlichem Wege noch sehr viel teurer werden könnten als unter dem Dach der gesetzlichen Sozialversicherung; abgesehen davon, dass schon der Kommission gegenwärtig war, es werde sich wohl auch kaum ein Privatversicherer finden, der bereit wäre, derartige Risiken überhaupt zu einem bezahlbaren Preis (und mit realistischer Aussicht auf Gewinn) anbieten und versichern.

Spätestens an diesem Punkt entsteht der – bittere – Eindruck, es handelt sich bei diesem UVRG in erster Linie und vor allem um ein Gesetz mit erheblichem Begünstigungscharakter für Verursacher/Verantwortliche für Körperverletzungen ihnen vertraglich Anbefohlener zu deren erheblichem Nachteil.

Doch zurück zur Frage des Beginns von Entschädigungszahlungen.

5.1. Beginn des GdS

Für den Gesundheitsschadensausgleich soll  nach § 72 Abs. 5 UVRG gelten, dass er

·         "von dem Tag an gezahlt" wird, "an dem der Versicherungsfall eingetreten ist; liegen die Voraussetzungen für den Anspruch erst zu einem späteren Zeitpunkt vor, frühestens ab diesem Tag".

In der Begründung wird auf die Funktion des Gesundheitsschadensausgleichs als Schmerzensgeld verwiesen. Ein späterer Leistungseintrittstermin gelte dementsprechend, wenn es erst zu einem späteren Zeitpunkt zu einer merklichen Verschlimmerung des Gesundheitsschadens ab 30% kommt.

5.2. Ende der EM-Renten

Die GUV-EM-Renten (EMR) werden nach § 73 Absatz 8 UVRG bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze befristet. Die Definition dieser Erwerbsminderungsrente bindet die Leistungsdauer dieser Entschädigung an das aktive Erwerbsleben. Daraus folgt, dass sie mit Ende des aktiven Erwerbslebens ebenfalls endet.

5.3 Ende des GdS

Anders beim Gesundheitsschadensausgleich, der nicht als Rente mit Lohnersatzfunktion gilt – so legt es der Arbeitsentwurf jedenfalls nahe und bestätigte Ministerialdirektor Molketin am 4.6.07 telephonisch. Im Unterschied zur künftigen GUV-Erwerbsminderungsrente sollen die mtl. zu zahlenden GdS-Renten für Schwerverletzte ab einem GdS von 50% allerdings nicht mit Erreichen der Regelaltersgrenze von 67 Jahren enden.

Damit bleibt der GdS für Schwerverletzte anrechnungsfrei, damit GRV-Renten-unschädlich. Er ist, wie die bisherige GUV-Rente auch, im Übrigen nicht steuerpflichtig.

Die jeweiligen Beträge sollen sich nach § 62b Absatz 4 UVRG wie für versicherte Rentner wie folgt staffeln:

 

50

550

Euro

60

725

Euro

70

925

Euro

Ab 80

1.050

Euro

 

Wie die UVRG-Arbeitsgruppe im BMAuS nun allerdings zu diesen Taxen für Organschädigungen gekommen sind, darüber findet sich auch im Begründungsteil kein Wort. Dort wird nur darauf verwiesen, dass im Zivilrecht inzwischen erkleckliche Schmerzensgeldbeträge gezahlt würden. Die hier gelisteten Prozente und Beträge scheinen jedoch in keinerlei erkenn- und begründbarer Beziehung zu diesen Summen zu stehen.

Wer weiß schon, ob es sich dabei nicht um die Summen handelt, die die Bund-Länder-Ministerialen GUV-VersicherungsN zuzuteilen bereit waren, je nach dem jeweils individuellen Grad des ministerialen Hangs zu Geiz, Sozialneid, Missgunst, sozialer Impertinenz und Status-Überheblichkeit? Als weitere Zutaten kamen vielleicht mit in den Pott: Die Angaben der UVT, was sie zu geben bereit seien, eine Prise Summenmargenennung seitens des VCI, des BDI und BDA und eine Prise Summenmargenennung seitens des Herrn Walter von der PDB (Partei Deutsche Bank), ein abgezeichnetes Statement der Bertelsmann-Stiftung, gewisse markige Telephonate mit den Ministern Steinbrück, Müntefering, Glose und Schäuble, ach und den unvermeidlichen Herrn Prof. Rürup nicht zu vergessen, dann die Zahlen statistisch gemittelt – und fertig waren sie, diese GdS-Taxen für geschädigte AltersrentnerInnen im künftigen GUV-small is beautiful-law.

5.4. GdS bis 49% endet ab Regelaltersgrenze, ab 50% GdS mtl. Weiterzahlung

Warum allen Geschädigten mit einem GdS zwischen 30 und 49% das Schmerzensgeld ab Erreichen der Altersgrenze entzogen wird – trotz Fortbestehen der Gesundheitsschäden – ist ebenfalls nicht ersichtlich. Auch dafür fehlt jede hinreichende und in sich plausible Begründung. Das aber wäre notwendig gewesen, zumal es sich bei der GUV - wie mehrfach erwähnt - um ein Entschädigungsrecht für Körperverletzungen durch Dritte mit hohen Beweiserfordernissen handelt und nicht um eine beitragsbegründete echte Sozialversicherung, also um so etwas wie einen Solidarsozialversicherungstransfer.

Also auch hier wieder fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit. 

6. Befristung und Überprüfung bewilligter GUV-Renten

6.1. Befristete EM-Rente

Die GUV-Erwerbsminderungsrente wird nach § 62 Abs. 1 UVRG bei "erstmaliger Feststellung" auf "drei Jahre" befristet.

·         "Diese Befristung ist einmal zu wiederholen. Anschließend wird die Rente auf unbestimmte Zeit geleistet."

Innerhalb der Befristungszeiträume kann die Rente jederzeit – so steht es in § 62 Abs. 2 UVRG

"ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden" und zwar "abweichend von der vorherigen Festsetzung entsprechend den im Zeitpunkt der neuen Festsetzung bestehenden Verhältnisse". (S. 16)

Wie stets nahm die BMAuS-Arbeitsgruppe UVRG den für die Versicherten positivsten Verlauf an und textete in der Begründung:

·         "Zukünftig beginnt die Rente erst nach Abschluss der medizinischen und beruflichen Rehabilitation, da sich erst zu diesem Zeitpunkt die individuellen Erwerbsmöglichkeiten erstmalig abschätzen lassen. Da eine sichere Beurteilung erst nach einem gewissen Zeitablauf möglich ist, wird die Rente zweimal befristet geleistet. Zum Abschluss jedes Zeitraums sind die Feststellungen zum erzielbaren Einkommen anhand der tatsächlichen Entwicklung zu überprüfen. Dies folgt dem Schutzgedanken der Unfallversicherung. In vielen Fällen treten Verschlechterungen des Gesundheitszustandes ein, die von Amts wegen zu einer Neufeststellung der Erwerbsminderungsrente führen; die Versicherten müssen in diesem Stadium keine Verschlimmerungsanträge stellen. Zu prüfen ist aber auch, ob zu diesem Zeitpunkt Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation erforderlich sind.

·         Wie bisher kann die Höhe der Erwerbsminderungsrente in den ersten drei Jahren jederzeit neu festgestellt werden. Hierbei und bei der Überprüfung zum Ende der Befristungszeiträume kann eine abweichende Höhe der Erwerbsminderung auch dann festgestellt werden, wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben, z.B. wenn der Gesundheitszustand und die Kenntnisse der Versicherten unverändert sind, der Träger die Erwerbsmöglichkeiten jedoch falsch beurteilt hat." (S. 76)

Auf dem Hintergrund der bisherigen UVT-Praxis betrachtet, bringen auch diese Neuregelungen faktisch erhebliche Verschlechterungen für die VersicherungsN mit sich. Sechs Jahre lang befindet er sich in sehr unsicherer Lage und Ungewissheit, wie es weiter gehen kann.

6.2. Befristung des Gesundheitsschadensausgleichs

Nach § 62c UVRG ist der UVT gehalten, während der ersten drei Jahre auch den Gesundheitsschadensaus nur als eine vorläufige Entscheidung zu gewähren - sofern "das Ausmaß der gesundheitlichen Schädigungen noch nicht abschließend festgestellt werden kann". Das Besondere ist hier: Nach Satz 2 Abs. 1 kann

·         "innerhalb dieses Zeitraums der Prozentsatz des Grades der Schädigungsfolgen jederzeit ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden". (S. 19)

Das ist der Willkür offenbar nicht genug, denn, so heißt es in § 62c Abs. 2, Satz 2 UVRG weiter:

·         "Bei der erstmaligen Feststellung des Gesundheitsschadensausgleichs nach der vorläufigen Entschädigung kann der Prozentsatz des Grades der Schädigungsfolgen abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen nicht geändert hat." (S. 19)

Im Begründungstext findet sich dazu die Erläuterung:

·         "Bei der erstmaligen Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit ist der Zustand der Folgen des Versicherungsfalles maßgebend, der zu diesem Zeitpunkt vorliegt. Eine Bindungswirkung an frühere Feststellungen besteht nicht, da – anders als in der ersten Zeit nach dem Versicherungsfall – mit Schwankungen im Heilverfahren und kurzfristigen Besserungsmöglichkeiten in aller Regel nicht mehr auftreten. Der Grad der Schädigungsfolgen ist somit unabhängig vom Grad der Schädigungsfolgen bei Feststellung des vorläufigen Gesundheitsschadensausgleichs zu ermitteln."(S. 81)

Früher wurde die MdE oft mit dem Argument herabgesetzt, Verletzte hätten sich an ihre Verletzungsfolgen "gewöhnt", also sei es nicht mehr so schlimm. Genau diese – zynische – Haltung scheint sich jetzt hinter der Regelung zu verbergen, den Prozentsatz des GdS nach der vorläufigen Gewährung auch ohne Änderung des Ausmaßes der Funktionsbeeinträchtigungen abweichend vom vorangegangenen Prozentsatz festzulegen. Dass damit auch eine Erhöhung des Prozentsatzes gemeint sein könnte, erscheint mir auf dem Hintergrund meiner Erfahrungen und des in diesem Entwurf vorherrschenden Tenor eher unwahrscheinlich. Die in der Begründung dagegen angeschlagenen Flötentöne dürften eher der Beruhigung von VersicherungsN und deren VertreterInnen dienen – ob allerdings mit Erfolg sei dahin gestellt.

7. Beiträge der GUV an die RV und andere Altersvorsorgeeinrichtungen

Das Bezugsende für die GUV-Erwerbsminderungsrente wird – ich habe schon darauf hingewiesen – damit begründet, dass in Zukunft die UVT für anerkannte VersicherungsN Rentenbeiträge zahlen. Die Bemessungsgrundlage richtet sich nach dem erzielbaren (und nicht dem real erzielten) Einkommen des jeweiligen Verletzten auch für den Fall, dass ein/e VersicherungsNIn infolge der Schädigung arbeitslos bleibt. 

Geregelt sind die Beitragsleistungen der GUV an die GRV – aber auch andere Altersvorsorgeversicherungen bzw. Versorgungswerke - in dem neuen § 188 SGB VI, Zahlung von Beiträgen bei Rentenminderung wegen des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, und für Nichtmitglieder in der GRV in § 61 UVRG, Beiträge zur Alterssicherung für besondere Personengruppen.

§ 188 SGB VI lautet:

·         "Liegen einer Rente wegen Alters geminderte persönliche Entgeltpunkte zugrunde, die auf dem vorherigen Bezug einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beruhen, wird die Minderung durch Zahlung von Beiträgen ausgeglichen, soweit für die Zeit des Bezugs der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gleichzeitig Versicherungspflicht aufgrund des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente aus der GUV bestand. Für je einen geminderten persönlichen Entgeltpunkt ist der Betrag zu zahlen, der sich ergibt, wenn der zur Wiederauffüllung einer im Rahmen eines Versorgungsausgleichs geminderten Rentenanwartschaft für einen Entgeltpunkt zu zahlende Betrag durch den jeweiligen Zugangsfaktor geteilt wird. Der zuständige RVT teilt dem zuständigen UVT die Höhe der auszugleichenden Minderung und des dafür zu zahlenden Betrages mit. Der UVT zahlt die Beiträge rechtzeitig vor dem Beginn der Altersrente unmittelbar an den Träger der Rentenversicherung."

 

Es scheint also keine kontinuierliche Beitragseinzahlung seitens der UVT vorgesehen, sondern eine Gesamtbetragsentrichtung rechtzeitig vor Eintritt des Rentenalters des oder der VersicherungsNin.

Das aber heißt,

die UVT kappen zwar jetzt die GUV-Erwerbsminderungsrenten durch die geplanten Leistungsminderungen, führen die dadurch zurückbehaltenen Entschädigungsgelder aber nicht kontinuierlich an die GRV ab. Sie können also in der Zeit mit diesen Geldern ´arbeiten´, obwohl sie in der GRV zur Begleichung der aktuell fälligen Renten fehlen.

Augenfälliger kann eine Exekutive den Arbeitgeber "Staat" sowie bestimmte gesellschaftliche Kreise, bzw. deren Wirtschaftsunternehmungen, zum Nachteil derjenigen nicht begünstigen, die die Gesetzliche Unfallversicherung ja eigentlich schützen soll.

8. Neufassung des § 9 SGB VII

Die größte Überraschung in diesem Arbeitsentwurf ist aber die Neufassung des § 9 UVRG, des sog. Berufskrankheitenparagrafen.

Hieß es in § 9 Abs. 1 SGB VII noch:

·         (1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

soll § 9 Abs. 1 UVRG künftig wie folgt lauten:

·         ,,(I) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden.

Entfallen ist in dieser Fassung des § 9 Abs. 1 UVRG die Ermächtigung für die BReg, Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen (mit Zustimmung des Bundesrates). Der Text lässt hier offen, wer in Zukunft diese Krankheiten bezeichnet. Nicht offen lässt er, dass es auch weiterhin nur solche Erkrankungen sein sollen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen ... etcpp. verursacht sind.

8.1. Änderung des Bezeichnungsprinzips für Berufskrankheiten

Die Ermächtigung für die BReg findet sich in dem neu eingeschobenen § 9 Abs. 1a. UVRG::

·         (la) Die Bundesregierung bestimmt die Berufskrankheiten nach Absatz 1 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates. In der Rechtsverordnung sind die Krankheiten und die sie verursachenden Einwirkungen zu bezeichnen; liegen wissenschaftliche Erkenntnisse mit hinreichender Sicherheit vor, hat die Bezeichnung außerdem Angaben über Art, Dauer und Ausmaß der Einwirkungen zu enthalten. Die Bundesregierung kann bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

Die Ermächtigung ist demnach eindeutig verändert. Die BReg ist danach nicht mehr befugt, solche Erkrankungen als Berufskrankheiten zu bezeichnen, sondern sie bestimmt sie nach § 9 Abs. 1a UVRG. Zu bezeichnen hingegen sind sie (man beachte die Passivformulierung) in der RechtsVO und zwar "außerdem" nach neuen Kriterien.

Tatsächlich muss dieser Entwurfstext genau gelesen und verstanden werden, weil es auf jedes Wort, dessen Stellung im Satz und Bezüglichkeit im Text ankommt. Also: die Bezeichnung findet in der BerufskrankheitenVO (BKV) statt, von wem bezeichnet wird, bleibt unbestimmt, aber es ist angegeben, was zu bezeichnen ist, nämlich "die Krankheiten und die sie verursachenden Einwirkungen". Über die Kausalität – also hier die sog. generelle Kausalität einer Verursachung und deren Folge, die sich bei jedem derart exponierten Menschen vollziehen kann – wird gesagt, dass sie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nur dann mit hinreichender Sicherheit vorliegt, wenn die Bezeichnung – neben der von der BReg zu bestimmenden Krankheit und Einwirkung –

·         "außerdem Angaben über Art, Dauer und Ausmaß der Einwirkung" enthält.

Das heißt: Eine Berufskrankheit kann nach diesem Entwurf nur dann eine Berufskrankheit im versicherungsrechtlichen Sinne sein, wenn bei ihrer Bezeichnung wissenschaftlich begründete "Angaben" darüber gemacht werden können, welche "Art" der Einwirkung, mit welcher "Dauer" und mit welchem "Ausmaß" diese Einwirkung zu der bezeichneten Erkrankung führt.

Bei all diesen Begriffen handelt es sich um unspezifische Begriffe. Sie sind weder verständlich definiert, noch lässt der Textzusammenhang erkennen, warum und wozu es solche "Angaben" braucht und was sie dazu beitragen, Erkrankungen als Berufskrankheiten bezeichnen zu können. Nicht näher bestimmt ist auch, was diese Angaben für die Erlangung hinreichender Sicherheit bedeuten, dass die Einwirkungs-Erkankungs-Kausalität angenommen werden kann.

Allerdings ist davon auszugehen, soll dieser Teilsatz überhaupt sinnvoll sein, dass mit diesen "Angaben" die Benennung der sog. Einwirkungs- oder Anerkennungsschwelle gemeint ist, ab deren Überschreitung nicht nur die generelle, sondern daraus abgeleitet, auch die konkrete Kausalität im Individualfall versicherungsrechtlich hinreichend gesichert erscheint.    

Dies als richtig unterstellt, ist zunächst zu bemerken, dass der neue § 9 Abs. 1a UVRG erstens Ermächtigung und Ermächtigungsgrundlage für die BReg erheblich einschränkt. Sie wäre nur noch befugt, Erkrankungen als Berufskrankheiten zu bestimmen, also sagen, diese oder jene Erkrankung/Einwirkung wird in der Berufskrankheitenliste (BKL) aufgeführt. Das hat erhebliche Konsequenzen für die Ermächtigungsfreiheit der BReg, welche Erkenntnisse zur generellen Kausalität mit welchen wissenschaftlichen Methoden gewonnen, sie für hinreichend hält, um Einwirkungen/Erkrankungen unter den Schutz der GUV zu stellen, also für entschädigungsfähig zu erklären. Zweitens macht er – der UVRG-Entwurf - die Ermächtigung der BReg von der Erfüllung gewisser weiterer neuer Bedingungen abhängig, nämlich vorher die o.g. "Angaben" über diese Anerkennungsschwellen von hier nicht genannter Seite zu beschaffen und sie in der BKL anzugeben. Drittens verschärft er dadurch die Kausalitätsnachweiserfordernisse, die – generell wie dann auch im konkreten Ermittlungsverfahren im Einzelfall - erfüllt sein müssten, soll eine Erkrankung überhaupt als Berufskrankheit gelten und potentiell unter den Schutz der GUV fallen.

Das schränkt freilich nicht nur die Ermächtigung für die BReg, sondern auch den Schutzradius der GUV ein und zwar erheblich, denn: 

Die BKL, also die Anlage 1 der derzeit geltenden Berufskrankheitsverordnung (BKV), genügt diesen neuen Kausalitätsnachweiserfordernissen in sechsundsechzig (in Ziffern: 66) von insgesamt achtundsechzig (in Ziffern: 68) Berufskrankheits-Ziffer-Positionen nicht.

Dort heisst es meist: "Erkrankungen durch Blei, Quecksilber, Chrom ...etcpp, oder aber es sind die Krankheiten aufgeführt, die durch Einwirkungen von giftigen Arbeitsstoffen, Bakterien, Viren, Rauche, Stäube auf die Schleimhäute, auf die Bronchien, die Lungen, die Lendenwirbelsäule, also auf bestimmte bezeichnete Organe oder Organsysteme, verursacht werden können.

Angaben zur Anerkennungsschwelle enthalten lediglich zwei der gegenwärtig in der BKL enthaltenen BK-Ziffern. Die neuen Kausalitätskriterien setzen also die derzeit geltende BKL fast ganz außer Kraft.  

8.2 Der neue § 9 Abs. 1b in Verbindung mit der neuen Sperrklausel

Die Konsequenzen dieses ´Schachzugs´ finden sich in § 9 Abs. 1b UVRG – im Zusammenhang mit der Neuformulierung der bisherigen Möglichkeit nach § 9 Abs. 2 UVRG, eine Erkrankung im Einzelfall wie eine Berufskrankheit zu entschädigen.

Dieser - ebenfalls neu eingefügte - § 9 Abs. 1b UVRG lautet:

·         "Ist in der Rechtsverordnung nach Absatz l a eine Berufskrankheit nur durch die sie verursachenden Einwirkungen bezeichnet, kann sie im Einzelfall als Berufskrankheit nur anerkannt werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung alle Voraussetzungen nach Absatz I erfüllt sind."

Es ist der Federstrich, der alle Bezeichnungen in der BKV, die keine Angaben enthalten zu Art, Dauer und Ausmaß der Einwirkung zu Einzelfallentscheidungen nach der – bislang so genannten – Öffnungsklausel, also der BK-Einzellfallentscheidung nach § 9 Abs. 2 machen.

Bislang lautete § 9 Abs. 2 SGB VII:

·         "Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind."

Nach dem UVRG soll § 9 Abs. 2 hingegen lauten:

·        "Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung nach Absatz l a bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt sind. Eine Entscheidung nach Satz 1 darf nicht getroffen werden, wenn der Verordnungsgeber die Bezeichnung der Krankheit in der Rechtsverordnung nach Absatz l a prüft. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt jeweils zum Beginn eines Jahres die Krankheiten bekannt, bei denen eine Bezeichnung geprüft wird. Die Sperrwirkung endet spätestens drei Jahre nach der erstmaligen Bekanntgabe."

Die - gefestigte - Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 9 Abs. 2 SGB VII bzw. vor 1997 § 551 Abs. 2 RVO ist in dieser Neuformulierung enthalten. Diese besagte im Kern das, was sich der Gesetzgeber zum § 9 Abs. 2 im 1997 in Kraft getretenen SGB VII zu eigen gemacht und wie folgt begründet hatte:

·         "Die Vorschrift übernimmt das geltende Recht zur Entschädigung einer Krankheit wie eine Berufskrankheit" (§ 551 Abs. 2 RVO). Die bisherige Sollvorschrift wird in eine Verpflichtung der Unfallversicherungsträger umgewandelt. Ferner wird klargestellt, dass die neuen Erkenntnisse im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen müssen. Zu Absatz 2 wird an der herrschenden Auffassung und an der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG festgehalten. Danach ist diese Vorschrift keine Härteklausel, die zur Entschädigung führt, weil die Nichtentschädigung für Betroffene eine individuelle Härte bedeuten würde. Sinn dieser Regelung ist es vielmehr, solche durch die versicherte Tätigkeit verursachten Krankheiten wie eine Berufskrankheit zu entschädigen, die nur deshalb nicht in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen worden sind, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung besonderer Personengruppen durch ihre Arbeit bei der letzten Fassung der Anlg. 1 der Berufskrankheiten-VO noch nicht vorhanden waren oder dem Verordnungsgeber nicht bekannt waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten (BSGE 44, 90, 92 f. und BSG vom 30. 1. 1986 - 2 RU 80/84-).

·         Voraussetzung für die Entschädigung einer Krankheit wie eine Berufskrankheit ist zusätzlich zu den sonstigen Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 2 das Vorliegen neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über den Ursachenzusammenhang zwischen schädigender Einwirkung infolge einer versicherten Tätigkeit und Erkrankung. Wie bei der Entscheidung des Verordnungsgebers im Rahmen des Absatzes 1 muss bei der Anwendung des Absatzes 2 hinreichend gesichert sein, dass die schädigende Einwirkung generell geeignet ist, die Entstehung oder Verschlimmerung einer bestimmten Erkrankung hervorzurufen. Nach herrschender Auffassung gilt eine solche medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnis nicht erst dann als gesichert, wenn alle Fachmediziner eine bestimmte Lehrmeinung einhellig vertreten; es genügt vielmehr, wenn es sich um die überwiegende Meinung der entsprechenden medizinischen Fachleute handelt, die auf dem jeweiligen Gebiet über entsprechende Erfahrungen und Kenntnisse verfügen. Vereinzelte Meinungen - auch von Sachverständigen - reichen dagegen nicht aus (BSG vom 31. 1. 1984 - 2 RU 67/82-). Dies verdeutlicht, dass der in der Kausalitätslehre der Unfallversicherung sonst geltende Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit erst bei der Feststellung der haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität im Rahmen der Einzelfallprüfung anhand eines konkreten Erkrankungsfalles nach Bejahung der generellen Geeignetheit herangezogen werden kann."(Aus der Begründung der BReg zu § 9 Abs. 2 SGB VII).

Daraus folgt:

Da die generelle Kausalität nach dem UVRG in Zukunft nur dann als gesichert gilt, wenn Angaben zu Art, Dauer und Ausmaß der Einwirkung gemacht werden können, die nach überwiegender Mehrheit der medizinischen Sachverständigen geeignet sind, die in Frage stehende Erkrankung zu verursachen, müssen nach § 9 Abs. 1a UVRG alle in diesem Sinne defizitären Bezeichnungen in der BKL ein neues wissenschaftliches Prüfergänzungsverfahren durchlaufen. In die BKL wieder aufgenommen können diese Einwirkungen/Erkrankungen als entschädigungsfähige Berufskrankheiten aber nur dann, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die es rechtfertigen, von einer gesicherten generellen Kausalität zu sprechen.

Das erzeugt die absurde Paradoxie, dass seit 1925 als Berufskrankheiten anerkannte Erkrankungen plötzlich nicht mehr anerkannt und entschädigt werden ´dürfen´, weil sich in ihrer bisherigen BKL-Bezeichnung keine Angaben zu einer Anerkennungsschwelle finden lassen und erst neue Erkenntnisse beizuschaffen sind, die das Gefährdungsrisiko mit Angabe des Mindesteinwirkungsausmaßes ´beweisen´ können.

Diese Absurdität ist Folge des hier benutzten Tricks, alle diese BKL-Positionen zu Fällen rückzustufen, die nach Inkrafttreten dieses UVRG so lange nur nach der Einzelfallregelung ermittelbar sind – bis die gewünschten die Gefährdung auslösenden Einwirkungsschwellen wissenschaftlich erforscht, gremienpolitisch durchgehechelt und regierungspolitisch abgesegnet sind.

·         Damit ist die BKL praktisch-faktisch aufgehoben.

·         Nach § 9 Abs. 1 UVRG können BK-Geschädigte nur noch dann in den Genuss des Schutzes der GUV kommen, wenn sie nachweislich Lungenkrebs durch 25 Jahre Asbestfaserbelastung oder aber die Bergmannsbronchitis haben. Letztere Erkrankung kommt allerdings bereits seit den 90er Jahren praktisch nicht mehr zur Anerkennung, weil die UVT den Kausalitätsnachweis von mehr als 100 Feinstaubjahren Einwirkung unter Hinweis auf die veränderte Technik im Bergbau für schon lange nicht mehr beweisbar erklärt haben und die Sozialgerichtsbarkeit - wie meist - der Argumentation ihrer UVT-Fachkollegen willig folgte.   

·         Und hier, an diesem Punkt angelangt, kommen a) die neue in § 9 Abs. 2 Satz 2 vorgesehene Sperrklausel und b) die in § 9 Abs. 5 UVRG beabsichtigte Verjährungsfrist von zehn Jahren ins juristische Textbezugsspiel.

8.3. Sperrklausel

Sie findet sich in § 9 Abs. 2, Satz 3 und 4 UVRG und ist wie folgt codifiziert:

·         "Eine Entscheidung nach Satz 1 darf nicht getroffen werden, wenn der Verordnungsgeber die Bezeichnung der Krankheit in der Rechtsverordnung nach Absatz l a prüft. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt jeweils zum Beginn eines Jahres die Krankheiten bekannt, bei denen eine Bezeichnung geprüft wird. Die Sperrwirkung endet spätestens drei Jahre nach der erstmaligen Bekanntgabe."

Die Sperrwirkung bezieht sich auf alle jene Erkrankungen, deren Bezeichnung der Verordnungsgeber prüft. Sie bezieht sich nicht auf jene, die – aus welchen Gründen auch immer - nicht oder noch nicht auf dessen Prüfungsagenda stehen. Geschädigte, deren Erkrankungen nicht auf der Prüfungsagenda stehen, haben keine Chance, entschädigt zu werden. Die Prüfung ist unabdingbare Voraussetzung dafür, nach § 9 Abs. 2 UVRG – das gilt im Übrigen auch für die derzeitige Rechtslage – im Zuge einer Einzelfallprüfung anerkannt und ggf. entschädigt zu werden. Für alle Erkrankungen indes, die auf die Prüfungsagenda gelangen, gilt die dreijährige Sperrfrist.

Was das bei sechsundsechzig neu zu prüfenden bisher anerkenungsfähigen Berufskrankheiten heißt, dürfte klar sein und braucht hier nicht weiter ausgeführt zu werden.

8.4. Zehn Jahre Verjährungsfrist

Dazu hat die BMAuS-Administration folgende Erweiterung in § 9 Abs. 5 UVRG vorgesehen:

·          „Ein Versicherungsfall nach Absatz 1 oder 2 ist ausgeschlossen, wenn die Krankheit mehr als 10 Jahre vor dem Zeitpunkt eingetreten ist, in dem sie einem Unfallversicherungsträger bekannt geworden ist. Ist die Anerkennung einer Berufskrankheit durch bestandskräftigen Bescheid eines Unfallversicherungsträgers abgelehnt worden, ist für den Zehnjahreszeitraum in einem weiteren Feststellungsverfahren über dieselbe Krankheit der Zeitpunkt des Bekanntwerdens in diesem Verfahren maßgebend.."

Es läuft alles in allem darauf hinaus, dass wenige der bisherigen Berufskrankheiten in die Prüfung kommen, für manche die Sperrwirkung nach drei Jahren aufgehoben werden wird und für alle anderen der Fälle entweder die neuen der geforderten Kausalitätsnachweise nach § 9 abs. 2 UVRG  nicht zu erbringen sind oder sie dann sowieso verjähren – bevor sich dann, irgendwann, herausstellt:

Diese Kausalitätskriterien sind in der konkreten individuellen Kausalitätsermittlung in 99,9999 % aller Fälle mangels (korrekter) Einwirkungs-Erhebungen und Dosismessungen im Betrieb und fehlender staatlicher Kontrollen der Unternehmens-Dokumentationen über die gefährdenden betrieblichen Einwirkungen bzw. der Dokumentations-Aufbewahrung durch das verantwortliche Unternehmen sowieso unerfüllbar. Ganz im Gegenteil, die VersicherungsN hatten/haben als abhängig Beschäftigte schon von der Arbeitsrechtslage her sowie dem rechtlichen Vorrang der Wahrung von Betriebsgeheimnissen vor der Aufklärung betriebsbedingter Körperverletzungen zu Entschädigungszwecken weder Chancen noch Kompetenzen/Befugnisse, derartige Beweise jemals sichern oder beibringen zu können.

Zu der Frage, ob die generelle Kausalität über die geforderten wissenschaftlichen Erkenntnisse tatsächlich besser zu sichern ist, siehe weiter unten.

8.5. Die Vermutungsregel in § 9 Abs. 3 UVRG

lautet:

·         Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, dass diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

Seit 1997 mit der Verabschiedung des SGB VII der Absatz 3 in den BK-Paragrafen rechtskräftig geworden ist, ist es – ich sagte es schon - zu keiner einzigen bekannt gewordenen Anerkennung und Entschädigung nach der darin verankerten Kausalitätsvermutung[5] gekommen. Das haben die Unfallversicherungsträger, deren Mitglieder und die (Spitzen der) Sozialrichterschaft – gleichsam Arm in Arm vereint – zu verhindern gewusst. Dabei ist dieser Absatz mit der Absicht ins Gesetz aufgenommen worden, VersicherungsN Beweislasterleichterungen zu gewähren – an Stelle der seit Jahrzehnten von den VertreterInnen der VersicherungsN geforderten Beweislastumkehr. Die abgeordneten des Deutschen Bundestages glaubten sich damals auf dem richtigne Weg, zumal Prof. Krasney, damals noch Vizepräsident des BSG, in der entsprechenden Anhörung vor dem Arbeits- und Sozialausschuss des Deutschen Bundestages meinte, diese Vermutungsregel im Sinne des Beweises des ersten Anscheins sei schon fast so etwas wie eine Beweislastumkehr. Sie käme, so Krasney, den Forderungen der VersicherungsN sehr nahe,[6] mehr könne die Beweislastumkehr im BK-Recht den VersicherungsN auch nicht bringen. -

In der Festschrift für F. Watermann zum 75. Geburtstag, Titel: Die soziale Unfallversicherung, unterbreitete derselbe Prof. Krasney den BG-Leadern 1996, mit welcher Interpretation sie dieser drohenden Beinahe-Beweislastumkehr nach § 9 Abs. 3 SGB VII entrinnen könnten:

Da in § 9 Abs. 1 SGB VII ja sowieso schon

·         von einer höheren Belastung Berufstätiger im Vergleich mit der "übrigen Bevölkerung" ausgegangen werde, "dürfte man wohl davon auszugehen haben, dass Abs. 3 ein über den "erheblich höheren Grad" iS des Abs. 1 noch hinausgehendes "erhöhtes" Maß voraussetzt. Der Versicherte" müsse "gegenüber der in § 9 des Regierungsentwurfs angesprochenen Personengruppe in einem (noch erhöhten) Maße der Gefahr der Erkrankung ausgesetzt gewesen sein"[7].

Und so geschah es denn auch. Sowohl die UVT als auch die Sozialgerichtsbarkeit bis hin zum BSG machten sich diese Interpretation zu eigen – Wille des Gesetzgebers hin oder her.

Der Hinweis im UVRG, im Text des § 9 Abs. 3 SGB VII sei die Angabe „Absatz 1" durch die Angabe ,,Absatz l a " zu ersetzen, dürfte nun zusätzlich dafür sorgen, dass die Vermutungsregel auch in Zukunft rechtlich unanwendbar bleibt.  

8.6. Das Elend des BK-Rechts wird fortgeschrieben - und verschärft

Wir meinen: Der UVRG-Arbeitsentwurf schreibt das Irrealitätselend der BK-Liste nicht nur fort, er verschärft es sogar. Dabei spielt die unterstellte Monokausalität eine der Hauptrollen. Tatsächlich gibt es nur ganz, ganz wenige Arbeitsplätze, bei denen konkret von monokausaler Belastung ausgegangen werden kann.

Hinzu treten die Ungereimtheiten bzgl. der arbeitsmedizinischen/toxikologischen Erkenntnisse von Schadwirkungen auf der Präventionsebene einerseits und der Kompensationsebene andererseits. Es werden jeweils verschiedene Kriterien angelegt – monokausal ausgerichtet sind sie allerdings beide. In der BKL haben wir achtundsechzig Positionen, die – neben physikalisch-mechanischen Einwirkungen auch die von Infektionen sowie Strahlen  - hauptsächlich Gefährdungen durch Metalle, Produktteilchen wie Asbest, Quarz etc. und Chemikaliengruppen bezeichnen. Diese Positionen decken nur einen Bruchteil der ca. 5.000 Substanzen ab, die zu Präventionszwecken toxikologisch/pharma­zeutisch/mikrobiologisch und arbeitsmedizinisch erforscht wurden und einen gremienpolitisch bestimmten Einzelgrenzwert zu Präventionszwecken verpasst bekommen haben. Vor jeder Grenzwertsetzung liegen also in der Regel umfangreiche Forschungen – durchaus auch epidemiologischer Art. Diese Forschungen reichen jedoch nicht aus, um im Fall des Falles entsprechende Kompensationen auszulösen – nein, beileibe nicht. Alles muss – hier zu Lande - erst durch das Nadelöhr des im BK-Recht vorgeschriebenen Notwendigkeitsbestimmungsgerangel-, Finanzierungsbeschaffungs-, Forschungsselektions-, Politbequakungs-, Industrielobbyeinspruchs-, Regelablaufsbezeichnungs-, UVT-Ermittlungs- und Sozialrechtsprechungsprozedere.  

Gar keine Rolle spielen in Kompensationsermittlungsverfahren die Ergebnisse von – in der Regel – schrecklichen, grausamen Tierversuchen mit gefährlichen Arbeitsnoxen. Obgleich diese angeblich gemacht werden, um Menschen zu schützen, wird – geht es um Entschädigung – stets bestritten, dass die Tierversuchsergebnisse auf Menschen übertragbar seien. Träfe dies zu, wären allerdings alle diese Tierversuche grausame Placebos, um im Zuge der sog. Prävention den Beschäftigten (und anderen VerbraucherInnen) gewisse Sicherheiten nur vorzutäuschen. 

Präventionsgrenzwerte haben jedoch auch nur ca. 5.000 Substanzen – von schätzungsweise derzeit mehr als 200.000 Substanzen, die industriell/gewerblich in Größenordnungen von mehr als 1000 t jährlich genutzt werden.

Die Pyramide steht also auf dem Kopf – und über die Vielzahl der tatsächlichen gefährdenden Belastungen in den meisten Betrieben kann niemand eine realistische und chemisch zutreffende Aussage machen – zu komplex sind die jeweiligen toxikologisch bedeutsamen Betriebswirklichkeiten. Eins aber lässt sich allerdings schon abschätzen: Sie sind für die menschliche Arbeitsfähigkeit, Gesundheit und Fortpflanzungsfähigkeit auf Dauer viel, viel schädigender als von Verantwortlichen je zugegeben. Sagen lässt sich auch, dass bei einer Vielzahl bekannter und unbekannter giftiger Einwirkungen bei den Belasteten schon aus diesem Grund keine einheitlichen Erkrankungsbilder verursacht werden können. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass sich der biologische Status der Menschenindividuen voneinander unterscheidet und eine unendlich weitere Zahl variabler Einflussgrößen auf Schadstoffe nach ihrer Aufnahme in einen menschlichen Körper wirksam werden. Erkrankungen durch bestimmte bekannte und unbekannte Noxen im Betriebsalltag können also auch die verschiedensten Erkrankungen verursachen, die sich selten einem einzigen sog. typischen Erkrankungsbild zu – oder gar unterordnen lassen.

Sachgerechte Verknüpfungen zwischen dem auf diesem Hintergrund sowieso bescheidenen Präventionswissen und den toxikologisch-arbeitsmedizinischen Beurteilungen in den Kompensationsverfahren existieren dennoch im Prinzip nicht – es sei denn, sie sprechen im Individualfall gegen die UVT-Entschädigungspflicht.

Tatsächlich benutzen die UVT (und die ihnen verpflichteten Ärzte) so regelhaft wie störrisch widerrechtlich die monokausal bestimmten Präventionsgrenzwertsetzungen des Arbeitsschutzes in Kompensationsermittlungsverfahren als vorgezogene Gutachten. Schätzt der UVT, ein oder mehrere Grenzwerte seien im individuellen Arbeitsleben eines geschädigten VersicherungsN ganz überwiegend eingehalten worden, gelten die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen und damit die haftungsbegründende Kausalität als widerlegt bzw. unbewiesen. Dies, obwohl sie selten recherchieren, welche Wirkungen sich produktspezifisch wie toxikologisch aus den unterschiedlichsten Schadstoffgemischen ergeben bzw. ergeben können. Bei ermittelten Mehrfacheinwirkungen von Schadstoffen behelfen sie sich – wenn sie die Mehrfachbelastungen nicht gleich als unerheblich unter den Tisch des Hauses fallen lassen - mit Additionen der jeweilig für typisch apostrophierten toxischen Einzelwirkungen. Eine gutachterlich (begründete) Annahme von Synergismen wird bereits als Affront gewertet. Wissenschaftliche Gutachten, die synergistische Wirkungen mehrerer Schadstoffe, dabei entstehende chemische u.a. Verbindungen und andere Einwirkungsgrößen einbeziehen, werden von den UVT regelhaft als unverwertbar zurückgewiesen – meist mit der Vorhaltung, sie genügten den Ansprüchen des deutschen GUV-Rechts nicht oder enthielten Außenseitermeinungen. Da sind die UVT immer sehr schlau, das wissen sie immer ganz genau.

Bei diesem Ermittlungstreiben spielt die Tatsache, dass der betreffende Mensch nach langjähriger Belastung mit eben dieser und weiteren Stoffgruppen chronisch erkrankt ist, merkwürdigerweise die geringste Rolle. Dies, obwohl auch sein Fall in der Kausalitätserforschung allein schon für den Arbeitsschutz und die Präventionsgrenzwerte gleichermaßen Teil der Beweisführung gewesen sein könnte (oder mit einem vergleichbaren Fall auch tatsächlich war), dass die fragliche(n) Stoffgruppe(n) in bestimmter Weise gefährdend ist/sind und diese Gefährdung bei damit – in ganz unterschiedlichen Dosisgrößen - belasteten Menschen in manifeste reale Gesundheitsschäden mündete als bei jenen, die dem unbelasteten Vergleichskollektiv angehörten.

Das Argument, die jeweilige Toxizität sei ja bei der präventiven Grenzwertsetzung berücksichtigt, ist ebenso regelhaft nicht haltbar. Es unterschlägt, dass Grenzwertsetzungen immer auf statistischen Mittelungen basieren, die – bei verantwortungsvoller Einstufung, wovon ich nach aller Erfahrung inzwischen nicht mehr ausgehe – mit einem Sicherheitsabstand versehen werden, der noch nicht mal ein auf die Toxizität einer Noxe oder Zubereitung bezogener und in diesem Sinne realer Wert ist. Meist ist es nur eine Kompromissgröße nach Maßgabe der industriellen Machbarkeit und Kostenkalkulation aus Arbeitgebersicht. Kostenkalkulationen aus Arbeitnehmersicht spielen dabei keine Rolle. Nahezu tabu ist aber, dass es sich dabei immer auch um eine durch Präventionsregelwerke so oft staatlich genehmigte langjährige gewalttätige Verletzung der körperlichen Integrität der Beschäftigten handelt, die diese zu erdulden haben. Die Lohnabhängigen werden, um ihren Lebensunterhalt verdienen zu können, ja immerhin gezwungen, sich die meiste Zeit ihres Arbeitens, und damit auch Lebens, giftigen Arbeitsstoffen und Produkten auszusetzen und sich langsam irreversibel zu vergiften, manchmal durch einen Arbeitsunfall (Störfall genannt und sehr häufig den Behörden widerrechtlich nicht oder verspätet gemeldet) auch ganz schnell.

Hieran ändert das UVRG nichts – ganz im Gegenteil. Die Forderung im UVRG, nur noch solche Noxen und durch sie verursachte Erkrankungen in die BKL aufzunehmen, wenn eine Einzelnoxe, ein/e bestimmte/r Erkrankungsform/-ort und ein Dosisschwellenwert festlegbar ist, der das Gefährdungsrisiko für die Beschäftigten signifikant von dem Gefährdungsrisiko der übrigen Bevölkerung abgrenzt, ist allein schon aus den oben genannten Gründen unsinnig, wissenschaftlich unhaltbar und mit der versicherungsrechtlichen Erfordernis der Ermittlung der konkreten Kausalität im Individualfall nach dem immer noch geltenden Sozialrecht unzulässig. Derart von Gesetzes wegen künftig vorgehen zu müssen, kann nur einen wesentlichen Effekt erzeugen, nämlich: den versicherungsrechtlichen (und keinen toxikologisch-arbeitsmedizinisch zutreffend begründbaren) Ausschluss Geschädigter vom Schutz der GUV zu erzeugen.

Die Überlegung einzelner Mitglieder der Sektion "Berufskrankheiten", zur besseren Abgrenzung von sog. "Volkskrankheiten" solle der BReg stattdessen künftig nur dann empfohlen werden, eine Erkrankung/Einwirkung in der BKL zu vermerken, bei der sich epidemiologisch ein berufliches Verdoppelungsrisiko erwiesen habe, würde diesen Effekt sogar noch verstärken.

Für die sog. "Doppeldosis" gilt im Prinzip jedoch das selbe wie für die im UVRG geforderten Angaben über Art, Dauer und Ausmaß einer Einwirkung, also für eine gesetzlich vorgeschriebene Angabe der sog. Anerkennungsschwelle. Bei beidem liegt immer eine statistische Mittelung epidemiologisch gewonnener Belastungs-/Erkrankungsdaten zu Grunde. Die dabei untersuchten belasteten und – im Vergleich dazu – unbelasteten Untersuchungskollektive müssen sehr groß sein, genauer müssen meist Zehntausende von Personen umfassen, um zu erkennen, ob sich erstens überhaupt eine signifikante Beziehung zwischen Belastungen und Erkrankungen ergibt, wie sich die Belastungsgrößen in der Zeit verteilen und ob sich dadurch ein Gefährdungsrisiko größer als 1 abzeichnet.

Bei der sog. Verdoppelungsdosis, d.h. der Dosiseinwirkung, bei der sich das Erkrankungsrisiko verdoppelt, soll dann die Schwelle liegen, bei der eine Kausalität unterstellt werden kann. Unterhalb dieser Dosiseinwirkung, so wird behauptet, sei die Kausalität nicht als hinreihend gesichert anzusehen. Eine solche scharfe Grenze ist auf dem Hintergrund der vorhergehenden Mittelwertbildung der Risikoberechnung aber absurd.

Dies, weil sich nämlich immer nur der Zufall (in der unbelasteten Gruppe) oder ein Risiko größer als 1 in der belasteten Gruppe realisiert – im prozentualen Vergleich zur Anzahl der erkrankten Personen im unbelasteten Kollektiv.

Das zeigt, die Erfindung einer solchen weiteren epidemiologischen Signifikanzgröße, nämlich der Verdoppelung eines Erkrankungsrisikos, ist wissenschaftlich sinnlos und müsste auch haftungsrechtlich so gewertet werden.

Eine Risikoverdoppelung in der belasteten Gruppe hieße dann nur, dass nicht mehr der Eintritt des Risikos versichert ist, eine chronische Schädigung zu erleiden, sondern nur der Eintritt des Risikos bei denjenigen aus der belasteten Gruppe, die, sagen wir z.B. hundert Tage im Jahr mehr exponiert waren als andere aus der Gruppe der Belasteten -

obwohl sich das erhöhte Risiko aus der Anzahl der Erkrankungen aus dem gesamten Kollektiv der Belasteten (ob niedrig, mittel und hoch belastet) im Vergleich zur Anzahl der gleichen Erkrankungen in dem unbelasteten Kollektiv errechnete und daraus auf die Expositions-Wirkungs­kausalität mit diesen/r bestimmten Einwirkung/en geschlossen wurde.

Daraus ergäbe sich die paradoxe Situation, dass im BK-Ermittlungsverfahren nur ein Teil der betroffenen Personen anerkannt würde, die mit der fraglichen Noxe gearbeitet haben, krank wurden und Teilnehmer einer epidemiologischen Studie waren (oder es nach ihren Expositionsdaten hätten sein können), obwohl die Studie epidemiologisch zeigen konnte, dass alle der erfassten Exponierten, also auch die niedriger und/oder kürzer Exponierten, ein gegenüber einer nichtexponierten Gruppe größeres Risiko als 1 hatten, chronisch zu erkranken.

Man kann nicht hergehen und mit Personen ein Risiko berechnen, die man anschließend aussondert und so tut, als seien deren (oder diese) Belastungsdaten nicht Teil des errechneten statistisch durchschnittlichen Risikos gewesen und damit deren (diese) Gesundheitsschädigung auch nicht die konkrete Realisierung des epidemiologisch-statistisch erkannten Ursache-Wirkungszusammenhangs.

Es wäre also ein Irrtum zu glauben, dass sich aus einem derartig epidemiologisch gewonnenen generellen Kausalitätsnachweis eine wissenschaftlich richtige und vertretbare Ableitung der erforderliche Dosisgrößenordnung für den Einzelfall, also für die konkrete Kausalität, gewinnen lässt. Das wäre ein logisch unzulässiger und damit unwissenschaftlicher Rückschluss. Argumentationen, die damit arbeiten, sind falsch und unhaltbar.

Das gilt für die sog. Anerkennungsschwelle ebenso wie für die sog. Doppeldosis.

Unterm Strich all dieser – überflüssigen - Forschungen wird also nicht das Erhoffte stehen, sondern nur teure Untersuchungen mit langen Forschungszeiten und geringer epidemiologischer Aussage-Power, weil die Untersuchung großer Kollektive finanziell nicht leistbar war – und man sich eben bescheiden musste. Hinzu kommt dann: Derartige Studien sind immer angreifbar und können nur bedingt herangezogen werden – abgesehen davon, dass sich das Gefährdungsrisiko in Studien an kleinen Gruppen sowieso meist nicht erkennen lässt, weil es im sog. epidemiologischen Rauschen untergeht.

Bei einer solchen Sach- und Wissenschaftslage a) Angaben zur Anerkennungsschwelle in der BKL oder b) den epidemiologischen Nachweis der Doppeldosis zu Abgrenzungszwecken beruflicher Belasteter von jenen der "übrigen Bevölkerung" zu fordern oder aber in Betracht zu ziehen, kann deshalb, vorsichtig ausgedrückt, letztendlich nur den Effekt haben, es dem Verordnungsgeber zu erschweren oder zu verunmöglichen, Erkrankungen als Berufskrankheiten dem Schutz der GUV zu unterstellen oder – das betrifft die bisher in der BKL bezeichneten Positionen - unterstellt zu lassen.   

8.7. Zusammenfassung 

Anstatt das Berufskrankheitenrecht (BKR) endlich vom Kopf auf die Füße zu stellen, weigert sich das BMAuS auch jetzt wieder, die Arbeitsrealitäten zur Kenntnis zu nehmen und sich endlich auf der Höhe des gegenwärtigen unabhängigen arbeitsmedizinischen, epidemiologischen und toxikologischen Wissens zu bewegen.

  1. Es gibt keine Monokausalität im Sinne von: Eine Einwirkung – eine Körperschädigung. In der betrieblichen Realität sind ArbeitnehmerInnen regelhaft einer Vielzahl toxisch wirkender Arbeits- und Produktstoffen sowie negativen physikalisch-mechanischen Belastungen körperlich wie geistig ausgesetzt. Es ist ebenso regelhaft nicht möglich herauszufinden, welche Einwirkungen/Substanzen es waren, wie lange sie einwirkten, in welcher Höhe und mit welchen koagierenden Folgen im und für die körpereigene Biochemie.
  2. Diese Sachlage ist seit langem bekannt. Trotzdem fordert der Entwurf weiter die Monokausalität der Zusammenhangserforschung zwischen Einwirkungen am Arbeitsplatz und Erkrankungen durch die "Angaben über Art, Dauer und Ausmaß der Einwirkungen".
  3. Das ist nicht nur ärgerlich. Der Entwurf gibt ein ganz bestimmtes, wissenschaftlich äußerst fragwürdiges Dosis-Wirkungsmodell als wissenschaftlich und versicherungsrechtlich bindend vor. Damit greift der Entwurf nicht nur erheblich in die Wissenschaftsfreiheit der beteiligten WissenschaftlerInnen ein, sondern reduziert den Schutz der GUV für die Betroffenen unter Vorspiegelung falscher Annahmen, denn:
  4. Dieses Dosis-Wirkungs-Modell ist nicht nur irreal, es geht auch an dem vorbei, was auf der Basis verfügbarer Daten mit epidemiologischen Methoden überhaupt erforscht werden kann.
  5. Derartig irreführend argumentierten nicht einmal die Väter des Berufskrankheitenrechts bei dessen Einführung 1925, also vor sage und schreibe 82 Jahren – weshalb sie in der BKL auch nur ganz unspezifisch "Erkrankungen durch" bestimmte Substanzen bzw.. Zubereitungsgruppen als entschädigungsfähig bezeichneten. Sie gingen nicht von einem derartig falschen Dosis-Wirkungsschema wie die Produzenten des UVRG-Entwurfs aus und es ist ihnen auch nicht in den Sinn gekommen, wissenschaftlich unzulässige resp. falsche Schemata rechtlich bindend machen zu wollen.
  6. Deshalb muss es als Wissenschaftsbetrug im Staatsauftrag gewertet werden, wenn beteiligte WissenschaftlerInnen nach § 9 Abs. 2 UVRG einmal mehr so tun müssen, als seien einzelne Substanzen herauszulösen und auf einer solchen isolierten, realitätsfremden Basis kausale Zusammenhangsfragen mit bestimmten Gesundheitsschäden und der Häufigkeit ihres Auftretens zutreffend zu beantworten. Das gilt ebenso für die Forderungen des Müntefering-Ministerium, die GremienärztInnen hätten die Konzentration von Einwirkungen genau zu beziffern, die diese oder jene oder eine ganz andere einzelne Erkrankung verursachen könnten und die es (angeblich) dann auch erlauben (sollen), ernsthaft von quantifizierbaren Anerkennungsschwellen zu sprechen, um damit einen versicherungsrechtlichen Maßstab dafür zu haben, ob im konkreten BK-Ermitt­lungsfall ein/e VersicherungsN entschädigt werden kann oder nicht.
  7. Jeder, der sich auch nur ein bisschen mit der epidemiologischen Forschung und ihren Methoden auskennt, wird wissen, was das bedeutet, nämlich: Man muss epidemiologische Studien Ergebnis orientiert ´zurecht zubbeln´ und passend machen, kurz: fälschen. 
  8. Die geforderten Angaben zu Art, Dauer und Ausmaß der Einwirkungen an Arbeitsplätzen, - hier: von sechsundsechzig Erkrankungen/Einwirkungen - zu beschaffen, ist eine weder finanziell noch von der Forschung in absehbaren Zeiträumen zu leistende Mammutaufgabe. Wie dargelegt, kann wissenschaftlich begründet auch nicht dargelegt werden, warum sie notwendig sei und juristisch begründet gesetzlich eingefordert werden muss oder soll – letzteres auch und vor allem unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der dann abzuwägenden Rechtsgüter. 
  9. Dieser § 9 UVRG kann deshalb insgesamt eigentlich nur als ein Konstrukt bezeichnet werden, dessen einziger Zweck darin besteht, die Entschädigung von akut oder chronisch verletzten Lohnabhängigen systematisch zu verhindern. 

Auch aus diesen Gründen lehnen wir § 9 SGB VII sowie dessen Neufassung in § 9 UVRG ab. 

9.  BK-Krankheiten bei ehemaligen Wehrdienstpflichtigen der NVA

In § 215 UVRG ist eine Erweiterung des Absatzes 1 vorgesehen. Er soll künftig lauten:

·         Für die Übernahme der vor dem 1. Januar 1992 eingetretenen Unfälle und Krankheiten als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten nach dem Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung ist § 1150 abs. 2 und 3 der RVO in der am Tag vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Fassung weiter anzuwenden. § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 der RVO gilt nicht für Versicherungsfälle aus dem Wehrdienst ehemaliger Wehrdienstpflichtiger der Nationalen Volksarmee der DDR. Tritt bei diesen Personen nach dem 31.12 1991 eine Berufskrankheit auf, die infolge des Wehrdienstes entstanden ist, gelten die Vorschriften dieses Buches."

Das scheint zu bedeuten, dass die bislang noch nach dem Recht der RVO ermittelten Geschädigtenfälle nicht nach dem derzeit geltenden SGB VII, sondern mit Inkrafttreten des UVRG übergangslos nach diesem abgehandelt werden sollen. Das erzeugt erhebliche Nachteile für diese ja nicht kleine Personengruppe, vor allem für den großen Kreis der strahlengeschädigten Ex-NVA-Soldaten.

Hier ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass insbesondere diese schlechter gestellt werden sollen als – bspw. – die Radaropfer von Polizei und Bundeswehr. Hinzu kommt, dass beide Gruppen hingehalten werden können – durch die Prüfung der Anhaltspunkte für die Art, Dauer und Ausmaß der Belastung mit ionisierenden Strahlen. Auch das ist nicht hinnehmbar. Moralisch ist es zudem auch deshalb so bedenklich, weil es sich hier meist um Zwangsverpflichtete handelt, die rechtlich keine Alternative hatten. Sie konnten die Wehrpflicht nicht verweigern, ansonsten sie im Knast und bei den berüchtigten Bautruppen gelandet wären.

Eine Verpflichtung von Gesetzes wegen zum Heroismus jedoch kann es weder im Allgemeinen noch im Besonderen geben, auch nicht für ehemalige Angehörige der Nationalen Volksarmee, zumal diese so wenig wie ihre am Radar arbeitenden Westkollegen in der Bundeswehr um die Gefahren wussten, denen sie ausgesetzt wurden – eine Unwissenheit, die man den dafür Verantwortlichen in Ost und West aber gerade nicht unterstellen sollte.

10. Sozialdatenschutz

Es scheint nur eine einzige Änderung zugunsten der VersicherungsN zu geben. Im Unterschied zu § 200 Abs. 2 SGB VII sieht der Sozialdatenschutzparagraph 200 Abs. 2 UVRG im Gesetzestext selbst vor, dass die VersicherungsN auch selbst Gutachter benennen können sollen. Bislang verbarg sich dieses Recht für die VersicherungsN in der Bundestagsdrucksache 13/4853, dem Protokoll der Beschlüsse des Parlamentsausschusses für Arbeit und Soziales zum 1997 in Kraft getretenen SGB VII. Damals vereinbarten die Abgeordneten mit dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaft, dass dieses Recht, sollte das informationelle Selbstbestimmungsrecht der VersicherungsN nicht funktionieren, in den Gesetzestext des § 200 Abs. 2 SGB VII direkt und explizit aufgenommen werden würde.

Jetzt scheint es so weit zu sein. Aber auch das grenzt an Täuschung, denn längst entscheiden nicht mehr die in den Ermittlungsverfahren beauftragten externen Gutachter über Diagnose, Schädigungsausmaß, hinreichende medizinische Beweislage und Kausalitätsbewertung. Darüber entscheiden sog. BG-Beratungsärzte. Diese gelten aber als vollwertige UVT-Mitarbeiterinnen und dürfen deshalb nach geltender Rechtslage ohne Einverständnis der VersicherungsN deren Akten und Sozialdaten einsehen – zum Zwecke der ´Stellungnahme´.

Tatsächlich können unabhängige, verfahrenskorrekt beauftragte externe medizinische Sachverständige schreiben, was sie wollen. Passt dem UVT das Gutachten nicht, geht es an ihren sog. BG-Beratungsarzt - und der erklärt in der Regel, es sei nicht tauglich[8]. Der UVT-Bescheid stützt sich dann auf eben diese ablehnende Stellungnahme des UVT-Beratungsarztes und behauptet, dass Gutachten des mit Zustimmung oder auf Vorschlag des/der VersicherungsN verfahrensgemäß beauftragten unabhängigen Gutachters habe zu viele Fragen offen gelassen, sei fehlerhaft oder gänzlich unverwertbar gewesen. Punkt.  

Honorarärzte der GUV-Haftpflichtversicherer werden mit diesem Trick zu Obergutachtern über die Gutachten unabhängiger medizinischer Sachverständiger im Land – was im Übrigen von Sozialrichtern gern gesehen sowie in ihrer Rechtsprechung befürwortet wird. Ein Grund liegt dabei auf der Hand, auch wenn diese ihn bestreiten werden. SozialrichterInnen fürchten nicht eben selten selbst, der Sozialdatenschutz für VersicherungsN könne auch ihnen ihre nicht nur zuweilen außerordentlich vertrauensvolle Zusammenarbeit mit jenen Gutachtern erschweren, deren regelhafte Ablehnungsgutachten zu Gunsten der UVT für Übersichtlichkeit in ihrem sozialrichterlichen Arbeitsalltag sorgen und zwar ohne dass sie gerichtsinterne Unannehmlichkeiten  oder Zerwürfnisse mit den UVT-Kollegen riskieren (müssen).

Sozialdatenschutz ist aber nirgends im Sozial- und Gesundheitswesen so wichtig wie gerade im Bereich der GUV. Keine anderen der Sozialleistungsträger erhalten im Zuge der hier über alle Maßen strengen und umfangreichen Kausalitätserfordernisse, den damit verbundenen Ermittlungen der BGen in alle Richtungen sowie Beweiserbringungen seitens der VersicherungsN eine derart umfassende (verbriefte) Kenntnis von solch vielen Privat(geschäfts)geheimnissen der VersicherungsN wie die UVT – und nirgends wird er, der Sozialdatenschutz, mit immer neuen Methoden zuweilen derart - ja, das lässt sich mit Fug und Recht so sagen: niederträchtig - unterlaufen. 

Wer weiß denn heute nicht, dass alle diese Informationen für Pharma- und Chemieunternehmen, Arbeitgeber aller Art, für die Werbebranche, Verlage, politische Parteien, Gesellschaftsforschungsinstitute im Dienste der Konzerne, privatisierte Universitäten, Demoskopie im Dienste von Wirtschaftsverbänden, Medienimperien und parteipolitische Kreise, für die Immobilienwirtschaft (Vermietungen/Notverkäufe!) Versicherungen, Banken, Gesundheits- und Wellness-Industrie (u.a.) teils sogar unfassbar große Summen wert sind. Mehr als alle anderen Daten offenbaren diese Sozialdaten Entscheidendes über die Wirtschafts- und Finanzkraft der VersicherungsN (bzw. deren Angehörige), über deren Gesundheits- und damit Leistungszustand, deren soziale Beziehungen, Gewohnheiten, Weltanschauungen und geistigen Interessen, kurz: deren persönliches Profil in jeglicher Hinsicht – und damit auch über deren Bedürftigkeiten, Neigungen, Zwangsneurosen, Süchtig- und Verführbarkeiten - und damit nicht zuletzt: über deren Zahlungswillig-/Zahlungsverführbarkeit. Mit solchen Daten in der Hand lassen sich Millionen von VersicherungsN wirtschaftlich, sozial, kulturell und politisch sehr effektiv steuern, in jeglicher Hinsicht manipulieren und über die Tische ziehen – z.B. mit einem Gesetzeswerk wie diesem UVRG.

Die explizite Ergänzung im § 200 Abs. 2 UVRG bedeutet also keine Verbesserung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der VersicherungsN. Die UVT offenbaren die ihnen anvertrauten Sozialdaten derzeit über ihr großes und stark verzweigtes Netz von BG-Beratungsärzte (oder sog. medizinische Fachgesellschaften) und damit unerlaubt x-beliebigen Leuten in x-beliebigen Arztpraxen, Krankenhäusern oder Gremien, die häufig in einem undurchschaubaren dichten, finanziell für sie teils sehr lukrativen Lobbyismus- und Verpflichtungsnetz agieren.

Um die oftmals bösen Folgen dieses nicht kontrollierbaren Sozialdatentransfers für die VersicherungsN aber scheren sich die darin verwickelten Akteure meist nicht im geringsten.

Um so notwendiger ist es, für die Rechtswirklichkeit des Sozialdatenschutzes zu sorgen und die o.g. Umgehungspraktiken wirksam auch von Rechts wegen zu unterbinden. Das aber kann der geplante Zusatz in § 200 Abs. 2 UVRG nicht leisten.   

11. Fazit

Insgesamt vermittelt dieser Arbeitsentwurf den Eindruck, fast ausschließlich zu Lasten von GUV-VersicherungsN zu gehen. Den eigentlich Versicherten, nämlich den Arbeitgebern, deren Risikoversicherung es ja immerhin ist, werden stattdessen nur Vorteile versprochen – wie Senkung ihrer Prämien und Entbürokratisierung usw. usf. Das allerdings steht im krassem Widerspruch zu der Tatsache, dass die Träger der GUV seit Jahr und Tag unterfinanziert sind – im Verhältnis zu den in den Betrieben tatsächlich vorgestern, gestern und heute verursachten Gesundheitsschäden bei Beschäftigten und den damit verbundenen Verwaltungs- und Gutachter(zusatz)kosten, bzw. REHA- und manchmal dann auch Entschädigungsbeträgen für Geschädigte. Angesichts des BG-Wort­geklingels und Schönschilderungen aus der virtuellen "Anderwelt" über gelungene Präventionsanstrengungen können die meisten der Geschädigten nur gequält lachen – wenn sie überhaupt noch dazu fähig sind. Die angeblich so ´guten´ Zahlen über den Rückgang der gemeldeten Arbeitsunfälle und Berufserkrankungen ließen sich nämlich auch ganz anders erklären - was ich an dieser Stelle aber nicht näher ausführen will.  

Wichtiger hier ist, dass sich das Problem der permanenten Unterfinanzierung der UVT, auch jener der öffentlichen Hand, nicht mit windigen Wortgeburten wie "zielgenauer Leistung" und ähnlichem übertünchen und aus der Welt schaffen lässt, indem man den etwas leichter Geschädigten die Entschädigungen teils massiv kürzt, ihre Rechte kappt und sie by the way dafür verantwortlich zu machen versucht, dass sie u.U. nicht wieder (richtig) auf die Beine kommen, gefürchtete Komplikationen erleiden bzw. in der Folge dann auch von der auch zukünftig sinkenden Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft im gewerblichen Sektor und in der Verwaltung besonders betroffen sind bzw. sein werden 

Insbesondere für toxisch und radioaktiv geschädigte Berufserkrankte wie toxisch Geschädigte generell, aber auch Arbeits- und Wegeunfallopfer mit ganz bestimmten leichter erscheinenden, aber oft irreversiblen körpersystemischen Folgeschäden gilt – und daran möchten wir hier noch einmal ganz ausdrücklich erinnern – dass sie unheilbar sind, ja sich oftmals durch die Lebenstätigkeit des Körpers selbst (z.B. durch Ernährung, auch bei richtiger Ernährung mit wirklich guten, unbelasteten und dem gestörten, entgleisten, chronisch kranken Stoffwechsel zuträglichen Lebensmitteln!) oft auch noch verschlimmern. Medizinische Behandlungen können dann meist nur noch so etwas wie zeitweise Linderungen dieser vielfältigen Leidenssymptomatik bewirken.

Nicht zufällig mussten Vertreter der UVT auf dem Symposium zur "MdE" 2001 in Hennef einräumen, dass Gutachter und UVT-Verwaltungen die Minderung der Erwerbsfähigkeit u.a. bei neurotoxischen bzw. neuroimmunologischen Gesundheitsschäden regelhaft viel zu niedrig bewerten und einstufen.

Damals versprachen UVT-Direktoren Abhilfe. Das UVRT scheint die Einlösung dieses Versprechens zu sein – nach UVT-(Mitglieder)-Art und Art ihrer Vertrauten im Weisungsbereich des Bundesarbeits- und Sozialministers Müntefering. 

Schlussbemerkung

§ 9 UVRG beinhaltet die Abschaffung des Berufskrankheitenrechts sozusagen auf kaltem Wege – schön verteilt über viele, viele Jahre – und das gesamte UVRG so tiefe Einschnitte in die Rechte sowie die begründeten Ansprüche auf Entschädigung beruflich akut und/oder chronisch Verletzter, dass der Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung – die Haftungsablösung – von Gesetzes wegen nicht mehr gewährleistet sein wird, sollte die Berliner Große Koalition das UVRG in dieser Form beschließen.

Da es auch und im Übrigen gegen das Verursacherprinzip verstößt, kann das letzte Wort mit Sicherheit  auch dann nicht als gesprochen gelten, sollte es Gesetzeskraft erlangen.


 


   Teil 3

Anhang

Dokument 1

§ 47 SGB 5 Höhe und Berechnung des Krankengeldes

 (1) Das Krankengeld beträgt 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld darf 90 vom Hundert des bei entsprechender Anwendung des Absatzes 2 berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Für die Berechnung des Nettoarbeitsentgelts nach Satz 2 ist der sich aus dem kalendertäglichen Hinzurechnungsbetrag nach Absatz 2 Satz 6 ergebende Anteil am Nettoarbeitsentgelt mit dem Vomhundertsatz anzusetzen, der sich aus dem Verhältnis des kalendertäglichen Regelentgeltbetrages nach Absatz 2 Satz 1 bis 5 zu dem sich aus diesem Regelentgeltbetrag ergebenden Nettoarbeitsentgelt ergibt. Das nach Satz 1 bis 3 berechnete kalendertägliche Krankengeld darf das sich aus dem Arbeitsentgelt nach Absatz 2 Satz 1 bis 5 ergebende kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Das Regelentgelt wird nach den Absätzen 2, 4 und 6 berechnet. Das Krankengeld wird für Kalendertage gezahlt. Ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit dreißig Tagen anzusetzen. Bei der Berechnung des Regelentgelts nach Satz 1 und des Nettoarbeitsentgelts nach den Sätzen 2 und 4 sind die für die jeweilige Beitragsbemessung und Beitragstragung geltenden Besonderheiten der Gleitzone nach § 20 Abs. 2 des Vierten Buches nicht zu berücksichtigen.

(2) Für die Berechnung des Regelentgelts ist das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde. Das Ergebnis ist mit der Zahl der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden zu vervielfachen und durch sieben zu teilen. Ist das Arbeitsentgelt nach Monaten bemessen oder ist eine Berechnung des Regelentgelts nach den Sätzen 1 und 2 nicht möglich, gilt der dreißigste Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts als Regelentgelt. Wenn mit einer Arbeitsleistung Arbeitsentgelt erzielt wird, das für Zeiten einer Freistellung vor oder nach dieser Arbeitsleistung fällig wird (Wertguthaben nach § 7 Abs. 1a des Vierten Buches), ist für die Berechnung des Regelentgelts das im Bemessungszeitraum der Beitragsberechnung zugrundeliegende und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt maßgebend; Wertguthaben, die nicht gemäß einer Vereinbarung über flexible Arbeitszeitregelungen verwendet werden (§ 23b Abs. 2 des Vierten Buches), bleiben außer Betracht. Bei der Anwendung des Satzes 1 gilt als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die Arbeitszeit, die dem gezahlten Arbeitsentgelt entspricht. Für die Berechnung des Regelentgelts ist der dreihundertsechzigste Teil des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts, das in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit nach § 23a des Vierten Buches der Beitragsberechnung zugrunde gelegen hat, dem nach Satz 1 bis 5 berechneten Arbeitsentgelt hinzuzurechnen.

(3) Die Satzung kann bei nicht kontinuierlicher Arbeitsverrichtung und –vergütung abweichende Bestimmungen zur Zahlung und Berechnung des Krankengeldes vorsehen, die sicherstellen, dass das Krankengeld seine Entgeltersatzfunktion erfüllt.

(4) Für Seeleute gelten als Regelentgelt die beitragspflichtigen Einnahmen nach § 233 Abs. 1. Für Versicherte, die nicht Arbeitnehmer sind, gilt als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend war. Für nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherte ist das Regelentgelt aus dem Arbeitseinkommen zu berechnen, das der Beitragsbemessung für die letzten zwölf Kalendermonate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zugrunde gelegen hat; dabei ist für den Kalendertag der dreihundertsechzigste Teil dieses Betrages anzusetzen. Die Zahl dreihundertsechzig ist um die Zahl der Kalendertage zu vermindern, in denen eine Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz nicht bestand oder für die nach § 234 Abs. 1 Satz 3 Arbeitseinkommen nicht zugrunde zu legen ist. Die Beträge nach § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 bleiben außer Betracht.

(5) (weggefallen)

(6) Das Regelentgelt wird bis zur Höhe des Betrages der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt.

·         § 47a SGB 5 Krankengeldübertragungsregelung (..)

·         § 47b SGB 5 Höhe und Berechnung des Krankengeldes bei Beziehern von Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld oder Winterausfallgeld

(1) Das Krankengeld für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 wird in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes oder des Unterhaltsgeldes gewährt, den der Versicherte zuletzt bezogen hat. Das Krankengeld wird vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt.

(2) Ändern sich während des Bezuges von Krankengeld die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld maßgeblichen Verhältnisse des Versicherten, so ist auf Antrag des Versicherten als Krankengeld derjenige Betrag zu gewähren, den der Versicherte als Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld erhalten würde, wenn er nicht erkrankt wäre. Änderungen, die zu einer Erhöhung des Krankengeldes um weniger als zehn vom Hundert führen würden, werden nicht berücksichtigt.

(3) Für Versicherte, die während des Bezuges von Kurzarbeiter- oder Winterausfallgeld arbeitsunfähig erkranken, wird das Krankengeld nach dem regelmäßigen Arbeitsentgelt, das zuletzt vor Eintritt des Arbeitsausfalls erzielt wurde (Regelentgelt), berechnet.

(4) Für Versicherte, die arbeitsunfähig erkranken, bevor in ihrem Betrieb die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeiter- oder Winterausfallgeld nach dem Dritten Buch erfüllt sind, wird, solange Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle besteht, neben dem Arbeitsentgelt als Krankengeld der Betrag des Kurzarbeiter- oder Winterausfallgeldes gewährt, den der Versicherte erhielte, wenn er nicht arbeitsunfähig wäre. Der Arbeitgeber hat das Krankengeld kostenlos zu errechnen und auszuzahlen. Der Arbeitnehmer hat die erforderlichen Angaben zu machen.

(5) Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ist von dem Arbeitsentgelt auszugehen, das bei der Bemessung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zugrunde gelegt wurde.

(6) In den Fällen des § 232a Abs. 3 wird das Krankengeld abweichend von Absatz 3 nach dem Arbeitsentgelt unter Hinzurechnung des Winterausfallgeldes berechnet. Die Absätze 4 und 5 gelten entsprechend.

Dokument 2

Verweis in § 104 UVRG, Beschränkung der Haftung der Unternehmer:

SGB X § 116, Ansprüche gegen Schadensersatzpflichtige

(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Dazu gehören auch 1. die Beiträge, die von Sozialleistungen zu zahlen sind, und  2. die Beiträge zur Krankenversicherung, die für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld unbeschadet des § 224 Abs. 1 des Fünften Buches zu zahlen wären.

(2) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch Gesetz der Höhe nach begrenzt, geht er auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.

(3) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch ein mitwirkendes Verschulden oder eine mitwirkende Verantwortlichkeit des Geschädigten begrenzt, geht auf den ersicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe von dem nach Absatz 1 bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Anteil über, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Ersatzanspruch durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist. Der Anspruchsübergang ist ausgeschlossen, soweit der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches werden.

(4) Stehen der Durchsetzung der Ansprüche auf Ersatz eines Schadens tatsächliche Hindernisse entgegen, hat die Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten und seiner Hinterbliebenen Vorrang vor den übergegangenen Ansprüchen nach Absatz 1.

(5) Hat ein Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe auf Grund des Schadensereignisses dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen keine höheren Sozialleistungen zu erbringen als vor diesem Ereignis, geht in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 und 2 der Schadenersatzanspruch nur insoweit über, als der geschuldete Schadenersatz nicht zur vollen Deckung des eigenen Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.

(6) Ein Übergang nach Absatz 1 ist bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch Familienangehörige, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft leben, ausgeschlossen. Ein Ersatzanspruch nach Absatz 1 kann dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder einem Hinterbliebenen nach Eintritt des Schadensereignisses die Ehe geschlossen hat und in häuslicher Gemeinschaft lebt.

(7) Haben der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen von dem zum Schadenersatz Verpflichteten auf einen übergegangenen Anspruch mit befreiender Wirkung gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe Leistungen erhalten, haben sie insoweit dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe die erbrachten Leistungen zu erstatten. Haben die Leistungen gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe keine befreiende Wirkung, haften der zum Schadenersatz  Verpflichtete und der Geschädigte oder dessen Hinterbliebene dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe als Gesamtschuldner.

(8) Weist der Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nicht höhere Leistungen nach, sind vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 je Schadensfall für nicht stationäre ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln 5 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu ersetzen.

(9) Die Vereinbarung einer Pauschalierung der Ersatzansprüche ist zulässig.

(10) Die Bundesagentur für Arbeit gilt als Versicherungsträger im Sinne dieser Vorschrift.

Dokument 3, Synopse

§ 56 UVRG, Voraussetzungen und Höhe des Rentenanspruchs

(1) Versicherte mit einer Erwerbsminderung infolge eines Versicherungsfalls von mindestens 10 Prozent über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus haben Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente.

(2) Erwerbsminderung ist der durch die eingetretenen gesundheitlichen Schädigungen verursachte vollständige oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden Arbeitsmarkt. Dabei sind nur die Schädigungsfolgen zu berücksichtigen, die nach Heilbehandlung und erbrachten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben verbleiben. Für die Bestimmung der Höhe der Erwerbsminderung wird das Erwerbseinkommen, das Versicherte nach Eintritt des Versicherungsfalls durch eine ihnen zumutbare Tätigkeit erzielen können, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie ohne die infolge des Versicherungsfalls eingetretenen gesundheitlichen Schädigungen erzielen könnten. Bei der Beurteilung der Erwerbsmöglichkeiten vor und nach dem Versicherungsfall ist, soweit dies nach dem Gesundheitszustand der Versicherten möglich ist, jeweils eine vollzeitige Erwerbstätigkeit zugrunde zu legen. Die Höhe der Erwerbsminderung wird in ganzen Prozentpunkten bemessen. Zumutbar ist eine Tätigkeit, die die Versicherten mit der ihnen verbliebenen Leistungsfähigkeit und aufgrund der bezogenen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben verrichten können. Dabei ist auch die bisherige Tätigkeit zu berücksichtigen; die zumutbare Tätigkeit soll der bisherigen Tätigkeit sozial gleichwertig sein. Sind die Versicherten mindestens ein Jahr seit Feststellung der Erwerbsminderungsrente arbeitslos, sind ihnen auch Tätigkeiten zumutbar, die der bisherigen Tätigkeit sozial nicht gleichwertig sind. In diesen Fällen ist die Höhe der Erwerbsminderung zugunsten der Versicherten neu zu bestimmen; hierzu ist das erzielbare Einkommen um 10 Prozent, nach Ablauf des zweiten Jahres um 20 Prozent und nach Ablauf des dritten Jahres um 30 Prozent abzusenken.

(3) Treten bei Versicherten mehrere Versicherungsfälle ein, sind alle hierdurch verursachten gesundheitlichen Schädigungen so zu behandeln, als wären sie durch einen Versicherungsfall verursacht worden. Die Versicherten erhalten in diesen Fällen eine Gesamtrente.

(4) Das erzielbare Einkommen ohne die infolge des Versicherungsfalls eingetretenen gesundheitlichen Schädigungen ist regelmäßig nach dem in den letzten zwölf Monaten vor dem Versicherungsfall erzielten Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu bestimmen; mindestens ist der Jahresarbeitsverdienst zugrunde zu legen. Ist in den Fällen der 86, 87 Abs. 1 oder § 89 der Jahresarbeitsverdienst neu festzustellen, ist die Höhe der Erwerbsminderung entsprechend neu zu bestimmen.

(5) Bei vollständiger Erwerbsminderung wird Vollrente geleistet; sie beträgt 60 Prozent des Jahresarbeitsverdienstes. Bei teilweiser Erwerbsminderung wird Teilrente geleistet; sie wird in Höhe des Prozentsatzes der Vollrente festgesetzt, der der Höhe der Erwerbsminderung entspricht.

(6) Haben Versicherte zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch erreicht, wird die Erwerbsminderungsrente in Form einer einmaligen Leistung in Höhe der fünffachen Jahresrente, nach Vollendung des siebzigsten Lebensjahres in Höhe der dreifachen Jahresrente erbracht. Eine Gesamtrentenbildung unter Berücksichtigung von Versicherungsfällen vor Erreichen der Regelaltersgrenze findet nicht statt.

§ 56 SGB VII, Voraussetzungen und Höhe des Rentenanspruchs

(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren.

(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden. Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

(3) Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht. SGB 7 § 57 Erhöhung der Rente bei Schwerverletzten Können Versicherte mit Anspruch auf eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert oder mehr oder auf mehrere Renten, deren Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 50 erreichen (Schwerverletzte), infolge des Versicherungsfalls einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen und haben sie keinen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, erhöht sich die Rente um 10 vom Hundert.

Dokument 4

§ 121 SGB III, Zumutbare Beschäftigungen

(1) Einem Arbeitslosen sind alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen.

(2) Aus allgemeinen Gründen ist eine Beschäftigung einem Arbeitslosen insbesondere nicht zumutbar, wenn die Beschäftigung gegen gesetzliche, tarifliche oder in Betriebsvereinbarungen festgelegte Bestimmungen über Arbeitsbedingungen oder gegen Bestimmungen des Arbeitsschutzes verstößt.

(3) Aus personenbezogenen Gründen ist eine Beschäftigung einem Arbeitslosen insbesondere nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Arbeitsentgelt erheblich niedriger ist als das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde liegende Arbeitsentgelt. In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit ist eine Minderung um mehr als 20 Prozent und in den folgenden drei Monaten um mehr als 30 Prozent dieses Arbeitsentgelts nicht zumutbar. Vom siebten Monat der Arbeitslosigkeit an ist dem Arbeitslosen eine Beschäftigung nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen niedriger ist als das Arbeitslosengeld.

(4) Aus personenbezogenen Gründen ist einem Arbeitslosen eine Beschäftigung auch nicht zumutbar, wenn die täglichen Pendelzeiten zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte im Vergleich zur Arbeitszeit unverhältnismäßig lang sind. Als unverhältnismäßig lang sind im Regelfall Pendelzeiten von insgesamt mehr als zweieinhalb Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden und Pendelzeiten von mehr als zwei Stunden bei einer Arbeitszeit von sechs Stunden und weniger anzusehen. Sind in einer Region unter vergleichbaren Arbeitnehmern längere Pendelzeiten üblich, bilden diese den Maßstab. Ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs ist einem Arbeitslosen zumutbar, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Arbeitslose innerhalb der ersten drei Monate der Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung innerhalb des zumutbaren Pendelbereichs aufnehmen wird. Vom vierten Monat der Arbeitslosigkeit an ist einem Arbeitslosen ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs in der Regel zumutbar. Die Sätze 4 und 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Umzug ein wichtiger Grund entgegensteht. Ein wichtiger Grund kann sich insbesondere aus familiären Bindungen ergeben.

(5) Eine Beschäftigung ist nicht schon deshalb unzumutbar, weil sie befristet ist, vorübergehend eine getrennte Haushaltsführung erfordert oder nicht zum Kreis der Beschäftigungen gehört, für die der Arbeitnehmer ausgebildet ist oder die er bisher ausgeübt hat.


 

 


Resolution

zum Arbeitsentwurf des UVRG, Teil 2

aus dem Hause Müntefering vom 27. April 2007

auf der Basis einer ausführlichen Analyse und Kritik

Dr. Angela Vogel

 

 



Hätten Sie es gewusst...?

Was ist die Gesetzliche Unfallversicherung?

·         Die Gesetzliche Unfallversicherung (GUV) ist die gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung aller Unternehmen für Körperverletzungen ihrer MitarbeiterInnen, die diese infolge der Arbeit im Arbeitgeberbetrieb erlitten haben.

Warum zahlen nur die ArbeitgeberInnen Beiträge?

·         Die Unternehmen tragen die Versicherungsbeiträge in der GUV, weil es ihre Risikohaftpflichtversicherung für den Fall ist, dass MitarbeiterInnen infolge angewiesener Arbeiten[9] akute oder chronische Körperverletzungen erleiden.

Wer ist in der GUV versichert?

·         Versichert sind nur die Unternehmen. Im Schadensfalle müssen sie verschuldensunabhängig nicht selbst haften. Die GUV haftet für sie – mit wenigen Ausnahmen.

·         Die abhängig Beschäftigten sind nicht die Versicherten. Werden sie Opfer von Körperverletzungen sind sie nur die VersicherungsnehmerInnen (VersicherungsN).

·         Obwohl nicht sie die Versicherten sind, bürdet ihnen der Gesetzgeber dennoch die Beweislast dafür auf, dass ihre Arbeitgeber ihre Risikohaftpflichtversicherung im Fall des Falles in Anspruch nehmen können. Gesetzlich eingeräumte Chancen, den Verursacherbeweise erbringen zu können, haben sie nicht. Das Gesetz schützt die Versicherten – nicht die VersicherungsN. 

Was bedeuten sog. Leistungskürzungen in der GUV?

Für die Lohnabhängigen:

·         Es sind Kürzungen von Entschädigungen für erlittene Körperverletzungen durch unselbstständige Tätigkeit. Sie mindern für Lohnabhängige die Geltung des Grundrechts auf Wahrung ihrer körperlichen Unversehrtheit und Integrität während ihrer weisungsgebundenen Arbeitstätigkeiten.

 Für die Unternehmen, bzw. Verursacher:

·         Um so weniger sie als die Verantwortlichen/Verursacher haften müssen, um so größer ihr legaler Spielraum, Körperverletzungsgefahren für ihre Mitarbeiterinnen a) in Kauf zu nehmen, b) nicht zu beseitigen und/oder c) zu ignorieren, zu leugnen.

·         Der Eintritt der Körperverletzung ihrer Untergebenen kostet sie nur die seit ca. zwei Jahrzehnten (inflationsbereinigt) sinkenden GUV-Versiche­rungsprämien.

·         Es gilt das Prinzip der Selbstveranwortung der Unternehmen in Sachen Arbeitsschutz. Kontrollen und Sanktionen sind kaum (mehr) vorgesehen, seitdem die Rot-Grüne-Koalition den staatlichen Arbeitsschutz nach EU-Vorlagen auf ein (vorläufiges) Mindestmaß reduziert hat. Behördlich verfügte Arbeitsschutzauflagen waren schon zuvor die Ausnahme.  

Für Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaatsgebot und Demokratie:

·         Die Körperverletzungen von Lohnabhängigen durch Wirtschaftsbetriebe wäre dann von Rechts wegen (sehr viel) weniger ´wert´ als die nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu entschädigenden Körperverletzungen anderer Gesellschaftsmitglieder. Das ist rechtsstaatlich nicht haltbar.

·         Damit verliert die GUV ihren eigentlich Schutzweck für abhängig Beschäftigte noch mehr. Das widerspricht (einmal mehr) dem Sozialstaatsprinzip.

·         Eine Nicht- oder Geringentschädigung von Körperverletzungen von Lohnabhängigen durch die Verursacher bzw. ihrer Haftpflichtversicherung – wie in der derzeit geplanten ´Reform´ der GUV vorgesehen - bereitet insofern auch rechtlich einer Form moderner gesellschaftlicher Leibeigenschaft den Weg – und damit auch dem Ende der Demokratie.

 


 



Resolution

Am 27. April stellte die BMAuS-Arbeitsgruppe um Ministerialdirektor Molketin, ehemaliger Direktor einer Unfallkasse, ausgewählten Personen und Organisationen aus Wirtschaftskreisen Teil 2 des sog. UVRG-Arbeitsentwurfs vor.

Teil 2 dieses UVRG regelt die Entschädigungsleistungen der GUV für die Opfer von Körperverletzungen infolge lohnabhängiger Arbeit auf ein historisches Tief herunter.

Beabsichtigt ist ferner, die Beweishürden sowohl für die bezeichnungsermächtigte Bundesregierung als auch für die Geschädigten so weit zu erhöhen, dass nahezu das gesamt Berufskrankheitenrecht nicht mehr greifen kann und materiell rechtlich nach und nach ´verschwindet´ .

I. Ein erschreckendes Bündel von Entschädigungskürzungen und Rechteentzug für Geschädigte

Im Wesentlichen sieht der Arbeitsentwurf vor:

·         Den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen (UVT) wird erlaubt, arbeitsfähig erklärte Verletzte in Arbeitsplätze zu vermitteln. Dadurch entsteht eine ´Neben´-Arbeitsagentur in der Hand einer Unternehmensvereinigung im Range einer öffentlich rechtlichen Körperschaft, die die VersicherungsnehmerInnen (VersicherungsN) überwachen und kontrollieren darf.

·         Die Haftpflichtversicherungsrente wird in eine einkommensabhängige Erwerbsminderungsrente (EM-­Rente) und einen einkommensunabhängigen Gesundheitsschadensausgleich (GdS) aufgegliedert werden.

·         Die EM-Rente ist nicht mehr nach der bisherigen abstrakten Schadensbemessung (Minderung der Erwerbsfähigkeit – MdE) zu bemessen. Die künftige EM-Rente wird auf der Basis der Differenz zwischen dem vom Haftpflichtversicherer der GUV geschätzt erzielbaren Einkommen ohne und mit Gesundheitsschaden der VersicherungsN berechnet. Es handelt sich dabei um eine abstrakt negative Schadensschätzung, nicht aber um eine Berechnung des individuell konkret entstandenen Schadens. 

·         Bei vollständiger Erwerbsminderung beträgt die EM-Vollrente nur noch 60% des zuvor erzielten Jahreseinkommens – statt wie bisher 66%. Bei teilweiser Erwerbsminderung wird Teilrente geleistet. Sie wird in Höhe des Prozentsatzes der Vollrente (= 60% ) festgesetzt, der der Höhe der Erwerbsminderung (GdS) entspricht – siehe Beispiel in der Begründung zu dieser Resolution.

·         EM-Rente für Berufserkrankungen – im Unterschied zu EM-Renten für Arbeits- und Wegeunfälle - ist künftig erst ab dem Tag zu leisten, an dem der UVT von diesem Versicherungsfall erfahren hat.

·         Die EM-Rente wird erst nach sechs Jahren auf Dauer gewährt. Davor kann sie geändert oder entzogen werden. 

·         Bei Arbeitslosigkeit wird die EMR nur gezahlt, wenn chronisch Verletzte beweisen können, sie haben ihren Arbeitsplatz infolge dieser – bzw. bei mehreren Versicherungsfällen - aller versicherten Gesundheitsschäden bzw. Funktionseinschränkungen – verloren. 

·         Die Zahlung der EMR wird mit Eintritt in das Rentenalter beendet.

·         Die UVT entrichten die nach der EMR berechneten, meist sehr niedrigen Rentenbeiträge an die GRV kurz vor Eintritt in das Rentenalter der VersicherungsN en block – als Ausgleich sowohl für die Kürzung des Prozentanteils vom Jahreseinkommen als auch für den Vollentzug der EMR und des GdS zwischen 30 und 49% ab der Altersruhezeit. Die Vorteile für die UVT sind erheblich. Sie holen sich die RV-Beiträge von den VersicherungsN durch doppelte Kürzungen zurück.

·         Der Gesundheitsschadensausgleichs (GdS) wird dem Grad der Behinderung (GdB) nach dem Schwer­behindertenrecht (SGB IX) angeglichen und Verletzte ab einem Schädigungsgrad von 30% im Erwerbs- und Privatleben entschädigt.

·         Ab Eintritt in das Rentenalter wird VersicherungsN mit einem GdS zwischen 30 und 49 % der Gesundheitsschadensausgleich entzogen – als lindere das Alter alle Schmerzen, 

·         hingegen RentnerInnen ab einem Schädigungsgrad von 50% den Gesundheitsschadensausgleich weiter erhalten. 

·         Der GdS wird innerhalb der ersten drei Jahre nur als vorläufige Entschädigung gewährt, deren Prozentsatz auch ohne Änderung der Verhältnisse geändert werden kann. 

·         Die mtl. GdS-Beträge haben der jährlichen Anpassung nach dem GRV-Recht zu folgen. Dies, obgleich die GUV-Renten ansonsten mit dem Recht der GRV – Erwerb von Rentenansprüchen (durch langjährige Zahlung eigener Versicherungsbeiträge) nichts zu tun haben und reine Entschädigungen für die Verletzungsfolgen im Sinne von Schmerzensgeld sind. Auch das begünstigt die UVT.

·         Für Berufserkrankte wird eine Verjährungsfrist eingeführt. Ist die Krankheit/Schädigung mehr als zehn Jahre vor Kenntnis durch den UVT eingetreten, verfallen die Ansprüche. Für Wiederaufnahme­verfahren nach Ablehnung gilt eine Zehnjahresverjährungsfrist ab Antragsmeldung beim UVT.

An Willkür ist auch der folgende Punkt nicht zu überbieten: 

In diesem Entwurf werden mehrere GdS-Körperorganschädigungstaxen präsentiert. Prozente und Beträge sind vom Ministerium festgesetzt. Die Beträge sind sittenwidrig niedrig – und spielen die sog. leichter Verletzten mit chronischen Schäden übel gegen die Schwerverletzten aus.

Das erweckt den Eindruck, hier wolle sich auch der Staat als größter Arbeitgeber der Republik aus seiner Verursacherverantwortung stehlen und die Kosten für Körperverletzungen seiner MitarbeiterInnen auf diese selbst abwälzen. Dazu passt, dass die strahlengeschädigten (z.B. durch Radar) geschädigten ehemaligen NVA-Soldaten, deren Ermittlungsverfahren seit 1991 (und später) auch derzeit noch auf der Rechtsbasis der RVO durchgeführt werden, im Unterschied zu anderen VersicherungsN nach Inkrafttreten des UVRG keinen Bestandsschutz nach dem SGB VII haben sollen. Deren Entschädigungsanträge sind dann gleich auf der Basis des UVRG zu entscheiden – was bedingt, sie werden leer ausgehen. 

Scheinbares Zugeständnis in § 200 Abs. 2 UVRG

Dem § 200 Abs. 2 UVRG wird folgender Satz angefügt: „Der Versicherte kann dem Unfallversicherungsträger andere Gutachter benennen." Das scheint die einzige Verbesserung zu sein, die der Entwurf für die VersicherungsN vorsieht, doch scheint es nur so, denn: Seit mehreren Jahren entscheiden nicht mehr die Gutachten externer Sachverständiger bei nicht UVT-konformer Bewertung über die Haftung des UVT, sondern die Fallbewertungen seitens der sog. BG-Beratungsärzte.

Damit haben die UVT längst eine Methode entwickelt, das nach § 200 Abs. 2 SGB VII garantierte informa­­tionelle Selbstbestimmungsrecht der VersicherungsN auszuhebeln. Die BG-Bera­tungs­­­ärzte gelten als UVT-Mitarbeiter, obwohl sie meist eigene Praxen führen, in Kliniken etc. arbeiten. Kein UVT braucht also einen VersicherungsN um Erlaubnis zu fragen, ob dessen – hoch sensiblen – Gesundheits- und Wirtschaftsdaten einem BG-Beratungsarzt offenbart werden dürfen - siehe dazu auch in der Begründung.

Die Ergänzung des § 200 Abs. 2 im UVRG ist also ein bisschen Kosmetik an einem Gesetzesentwurf, dessen Hauptabsicht es ist, den Opfern der Arbeit das Fell über die Ohren zu ziehen.

II. Abschaffung der Entschädigung von Berufskrankheiten durch die Hintertür

Wir lehnen auch die Neufassung des Berufskrankheitenrechts ab.

1. Sie hebelt das bestehende Berufskrankheitenrecht aus, weil sie neue, auf jahrzehntelange Sicht bzw. nie überwindbare versicherungsrechtliche Hürden schafft, den Schutz der GUV zu erlangen.

·         Die Ermächtigungsgrundlage für die Bundesregierung (BReg), auf wissenschaftlicher Basis Erkrankungen als Berufskrankheiten in der Berufskrankheitenliste (BKL) zu bezeichnen, wird verändert.

·         Ab 2008 kann dann kein VersicherungsN mehr nach § 9 Abs. 1 und 1a UVRG i.V.m. den sechsundsechzig BK-Ziffern in der BKL entschädigt werden, deren generelle Kausalität die Administration des BMAuS jetzt nur deshalb als fraglich einstuft, weil ihre Bezeichnungen in der BKL keine Angaben über Art, Dauer und Ausmaß der Einwirkung enthalten.

·         Entschädigungsfähig nach § 9 Abs. 1 UVRG sind also dann nur noch zwei Erkrankungen/­Ge­sund­­heits­schäden: 1) die Berufskrankheitenziffer 4104, Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren und 2) die BK-Ziffer 4111, Chronisch obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren.

·         Alle bisher entschädigungsfähigen Tatbestände der BKL ohne Angaben zu dieser neuen Anerkennungsschwelle müssen – auf der Grund­lage von § 9 Abs. 1b UVRG – nach der sog. Öffnungsklausel in § 9 Abs. 2 UVRG, An­erkennung einer Erkrankung wie eine Berufskrankheit, abgehandelt werden – entschädigt werden aber nicht, denn:

·         Nach § 9 Abs. 2 UVRG muss die BReg alle Bezeichnungen in der bisherigen BKL um diese neuen, administrativ verfügten Angaben zur Anerkennungsschwelle ergänzen. Da scheint die Forschung gefragt.

·         Das dauert. 

·         Während dieser Erforschung bzw. auch während der Prüfung der Kausalität potentiell neuer Berufskrankheiten, gilt jedoch die neue Sperrklausel nach § 9 Abs. 2 UVRG. Sie besagt, alle BK-Ermitt­lungsverfahren werden so lange auf Eis gelegt bis die zusätzlichen Angaben vorliegen, längstens aber drei Jahre.

·         Da die Bezeichnung der Anerkennungsschwelle dann auch Voraussetzung für eine Anerkennung des Versicherungsfalls nach § 9 Abs. 2 UVRG, Einzelfallregelung, ist, werden die VersicherungsN getäuscht, sie könnten vielleicht nach Ende der Sperrfrist doch noch GUV-Versicherungsschutz erhalten.   

·         Der wissenschaftliche Erkenntniswert dieser Anerkennungsschwelle ist jedoch gleich Null. Es ist nur eine weitere wissenschaftlich verbrämte versicherungsrechtliche Hürde, den Kreis der Anspruchsberechtigten zu minimieren.

·         Das ist der Grund, warum hier Bürokraten den Irrtum zur wissenschaftlich gesicherten Grundannahme erklären, hohe Einwirkungsdosen verursachten hohe und niedrige eben geringe Schädigungsrisiken. Das aber impliziert Wissenschaftsfälschung – im Staatsauftrag und von Gesetzes wegen.  

·         Erkennbar wird hier also nicht nur ein versicherungsrechtliches Harakiri. 

·         Das geplante neue Entschädigungsrecht für Berufserkrankungen beinhaltet auch tiefe Eingriffe in die Wissenschafts- und Forschungsfreiheit. Die Administration maßt sich an, WissenschaftlerInnen vorzuschreiben, von welchen Annahmen sie bei der Erforschung der Kausalität zwischen bestimmten arbeitsplatzbedingten Einwirkungen und Gesundheitsschäden auszugehen und unter welchen Maßgaben sie die Kausalität als gesichert oder ungesichert anzusehen haben. 

III. Fazit

·         Buchstäblich alle diese Änderungen gehen zu Lasten der VersicherungsN. Die behauptete verbesserte "Zielgenauigkeit der Leistungen" ist nur eine der in der Begründung dieses UVRG-Entwurfs enthaltenen Irreführungen.

·         Wir protestieren schärfstens gegen die Absicht des BMAuS, diesen Gesetzesentwurf weiter zu verfolgen. Es ist einfach ungeheuerlich, was er enthält und in welchem Maße er es wagt, gegen rechtsstaatliche und sozialrechtlich geltende Regeln zu verstoßen.

·         Dabei beklagen wir nicht nur den geplanten Entschädigungsentzug bzw. die Entschädigungsminimierung für die wohl meisten der von Arbeitsunfällen und Wegeunfällen betroffenen Lohnabhängigen.

·         Wir sind empört, dass hier die Bundesadministration quasi durch die Hintertür plant, die Entschädigung von Berufserkrankten - zeitlich gestaffelt - auf einige wenige Entschädigungstatbestände derart zu minimieren, dass tatsächliche Entschädigungskosten für Berufserkrankungen kaum mehr entstehen. 


 

 



[1] Siehe den Wortlaut des § 116 SGB X im Anhang unter Dokument 2. Darin geht es um den Forderungsübergang z.B. auf das Sozialamt etc., der bei Haftung seitens des Unternehmers nicht stattfinden darf. 

[2] Vgl. dazu den Beitrag von Ingrid Trageser, Agenda 2010: Schwerbehinderung und Krankenversicherung unter dem Vorzeichen von MCS, in: A. Vogel (Hrsg.), Horizonte, Altenstadt 2004,  S. 50f.

[3] "Entgegen der Ansicht des Klägers sind die AHP 1996 auch - noch - nicht insgesamt aus rechtsstaatlichen Gründen unanwendbar geworden (vgl zur stärker werdenden Kritik Schorn in Müller-Wenner/Schorn, SGB IX, 2003, § 69, RdNr 43ff mwN), denn sie sind zur Konkretisierung des Normbefehls des § 69 SGB IX weiterhin geeignet und praktisch kaum zu ersetzen." – lautet unter Rd-Nr. 17 die entsprechende Formulierung in der BSG-Entscheidung vom 18.9.03.

[4] vgl. dazu die Äußerungen des damaligen BSG-Richters W. Wieser, Die MdE: Rechtsgrundlagen und Grundprobleme, in: Kolloquium zu Fragen der MdE – insbesondere bei Berufskrankheit, 10. Januar 2001 in Hennef, S. S. 39ff

[5] P. Becker, Der Unterlassungszwang bei Berufskrankheiten, Dissertation, Gießen 2003, S. 52.

[6] Die Tonbandaufnahme dieser Anhörung ist in meinem Besitz.

[7] O. Krasney, Berufskrankheiten – die Achillesferse der gesetzlichen Unfallversicherung?  in: HVBG, Die soziale Unfallversicherung – Beiträge zur Standortbestimmung. Dr. Friedrich Watermann zum 75. Geburtstag, Berlin 1996, S. 96.

[8] Es ist unglaublich, welche abenteuerlichen und (meist) nachweislich unzutreffenden Tatsachenbehauptungen und Bewertungsargumente diese sog. Beratungsärzte oft bringen – sieht man mal davon ab, dass es ihnen als niedergelassenen Ärzten nach der ärztlichen Berufsordnung eigentlich verboten ist, Ferndiagnosen zu erstellen und auf dieser Basis ärztliche Untersuchungsbefunde anderer Ärzte, durch klinische Untersuchung am lebendigen Patienten gewonnen, anzuzweifeln. Auch dazu sind sie nach der ärztlichen Berufsordnung nicht befugt. Gleichwohl werden sie regelhaft zu solchen Pflichtverstößen von den UVT aufgefordert und vertraglich verpflichtet. 

[9] Einschließlich der An- und Abfahrt zum und vom jeweiligen Arbeitsplatz.