Asbest
Beschaffenheit:
Asbest ist eine Gruppe natürlicher silikastischer Minerale
mit charakteristischer feinfaseriger Struktur. Nach seinem Vorkommen, seinen
strukturellen und chemisch-physikalischen Eigenschaften ist zwischen Serpentinasbest und Amphibolasbest zu
unterscheiden. Für asbesthaltige Bauprodukte wird überwiegend der Serpentinasbest Chrysotil, der sogenannte
Weißasbest, verwendet, aber auch die Amphibolasbeste Krokydolith (sogenannter Blauasbest), Amosit
(sogenannter Braunasbest), Aktinolith u.a.
Asbest ist insbesondere wegen seiner Hitzebeständigkeit, seiner
Widerstandsfähigkeit gegen Umwelteinflüsse und seiner hohen Zugfestigkeit in
mehr als 3000 Produkten verarbeitet worden; hiervon sind die Bauprokukte nur
ein Teil. Die Asbest-Weltproduktion betrug 1976 5,2 Mio. t. Hiervon entfallen
94% auf Chrysotil, 4% auf Krokydolith und 2% auf Amosit u.a. Typisch für Weißasbest ist die leichte
Zerfaserbarkeit , für Blauasbest die leichte Längsspaltbarkeit zu feinsten
Fasern, die eingeatmet werden können (,,atembare“ Fasern). Die einmal
freigesetzten Fasern neigen zur weiteren Längsspaltung. Bei schwach gebundenen
Asbestprodukten in Innenräumen kann es somit durch äußere Beanspruchungen,
durch klimatische Einflüsse oder Alterung der Prokukte (Zerfall der Bindung),
zur kontinuierlichen oder unvorhersehbaren stoßweisen Abgabe atembarer Fasern,
dem sogenannten Asbestfaserstaub’, an die Raumluft kommen. Bei vergleichbaren
mechanischen Beanspruchungen neigt Blauasbest stärker zur Faseremission als
Weißasbest. Die Menge des freigesetzten Staubes hängt nahezu ausschließlich vom
baulichen Zustand (Oberflächenbeschaffenheit, Beschädigung) der Bauteile und
der Art und Intensität der äußeren Einwirkungen (Luftumwältzung, Reparaturen,
Erschütterungen, Hitze, Kälte) auf die Bauteile ab. Es ist damit zu rechnen,
daß sich im Laufe der Zeit auch der Zustand solcher Produkte, die derzeit noch
intakt sind, verschlechtert.
Zu den technisch bedeutsamen Eigenschaften gehören:
-Nichtbrennbarkeit,
-Hitzebeständigkeit,
-chemische Stabilität,
-Verrottungsfestigkeit,
-geringe elektrische Leitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit,
-große Elastizität und Zugfestigkeit (die mit steigender
Temperatur in gewissen Grenzen noch zunimmt!),
-hohe Adsorptions-und Isolierfähigkeit,
-gute Verspinn-und Verwebbarkeit,
-gute Benetzbarkeit durch anorganische und organische
Bindemittel,
-hohe spezifische Oberfläche,
-niedrige Rohstoffkosten.
Vorkommen/ Verwendung:
Schon die Griechen und Römer schätzten Asbest als ,,ewige“
Dochte in Tempellampen oder als unbrennbare Kremationsgewänder bei der
Feuerbestattung von Königen. Einer Sage zufolge besaß Karl der Große ein
Asbest-Tischtuch, welches nach ,,zünftigen“ Gelagen zwecks Reinigung ins Feuer
gehalten wurde. Auch Marco Polo beschrieb unbrennbare Textilien, die er auf
Reisen in Ostsibirien entdeckte. Anfang des 19. Jahrhunderts diente Asbest
zunehmend als Isolationsmaterial zum Schutz vor Hitzeeinwirkungen, gegen Ende des Jahrhunderts zur industriellen
Herstellung von Filtern und Bremsbelägen. Der erste, in größerem Stil
asbestverarbeitende Betrieb begann 1871 in Frankfurt mit der Prokuktion.
Die Arbeitsbedingungen waren nach
heutigen Maßstäben katastrophal. Die Arbeiter versanken förmlich im Asbest. Die Sicht in den Arbeitsräumen betrug
durch den aufgewirbelten Staub nur wenige Meter.
Unter Fasern sind hier Partikel mit Längen größer als 5 pm,
Durchmessern kleiner als 3 firn und einem Verhältnis Länge zu Durchmesser
größer als 3 : 1 zu verstehen.
Die betroffenen Beschäftigten starben häufig bereits nach
wenigen Jahren an ,,Schwindsucht“, wie die
damalige Diagnose lautete. Erst Anfang dieses Jahrhunderts erkannten
Ärzte, daß es sich dabei um eine
spezielle Form der Staublunge handelte, die sogenannte Asbestose. Damit war die erste Berufskrankheit der
Asbestarbeiter beschrieben. In den 40er Jahren kam die Erkenntnis hinzu, daß
Asbest auch zu vermehrter Tumorbildung im Bereich der Lunge führen kann. Die
Asbestose und der asbestbedingte Lungenkrebs sind seit 1936 bzw. 1943
anerkannte Berufskrankheiten. Die besonderen Eigenschaften führten seit der
Jahrhundertwende zu einem immer breiteren Anwendungsspektrum. Im Laufe der Zeit
fand der Asbest in ca. 3500 verschiedenen Produkten Anwendung, beschränkt auf
folgende Einsatzgebiete:
70% für Asbestzement,
5 % für Brems-und Kupplungsbeläge,
8% für Fußbodenbeläge,
6% für Textilien,
6% für bautechnische Produkte und
5% für sonstige Einsatzgebiete.
Die
Weltproduktion von Asbest belief sich 1980 auf 4,8 Mio. Tonnen (davon 2,15 Mio.
Tonnen aus der GUS). Der Verbrauch in der verarbeitenden Industrie der
Abnehmerländer ist nach einem starken Anstieg bis in die sechziger Jahre
infolge der gesundheitlichen Problematik drastisch zurückgegangen. Seit die
toxischen Eigenschaften lungengängiger Fasern allgemein bekannt sind (Auftreten
von Asbestose, Lungenkrebs und Mesotheliom), wurden die
Arbeitsschutz-Vorschriften erheblich verschärft sowie die Suche nach
Ersatzstoffen bedeutend intensiviert. Dies führte zu einem Rückgang des Verbrauchs
innerhalb der letzten zehn Jahre auf nur noch 22% im Vergleich zu 1980.
In den Jahren 1950 bis 1980 stieg der Verbrauch stetig an
von 30000 Tonnen auf 180000 Tonnen. Neun Jahre später (1989) waren es nur noch
40000 Tonnen. Nach Schätzungen belaufen sich die weltweiten Asbest-Reserven auf
324 Millionen Tonnen.
Die Konzentration von Asbestfasern in der Außenluft beträgt
im Jahresmittel in Ballungsgebieten etwa 50 bis 150 Fasern pro m3. In
Innenräumen findet sich Asbest u.a. in: Dichtungen, Lacken, Kitten,
Klebstoffen, PVC Fußbodenbelägen, Fußböden aus PVC mit Asbestpappe an der
Unterseite bis etwa 1982, Heizungsisolierungen, Nachtspeicheröfen, Toastern,
Fönen, Haartrocknern für Dauerwellen. Amerikanische Talkumpuderproben
enthielten bis zu 14% Asbest (GAGELMANN, 1992).
In Ballungsgebieten besteht bei uns nach wie vor eine
spürbare Asbestbelastung. Diese spielt – neueren Untersuchungen zufolge –
möglicherweise bei dem häufigeren Auftreten von Bronchial-Ca. Gegenüber ländlichen
Gebieten eine Rolle.Dies lässt eine Untersuchung vermuten, die in einem
ländlichen Raum (Klinik Michelsberg im unterfränkischen Münnerstadt) und in
einem Ballungsgebiet (Marienhospital Gelsenkirchen) durchgeführt wurde.
Die ländliche Gruppe (n = 150, Durchschnittsalter 56 Jahre,
85 Prozent Raucher) wie auch die Gruppe aus dem Ballungsraum (n = 132,
Durchschnittsalter 63 Jahre, 90 Prozent Raucher) bestand aus Patienten, die aus
diagnostischen Gründen bronchoskopiert wurden. In beiden Kollektiven konnte
eine sichere Asbest staub-Exposition nicht festgestellt werden. Patienten aus
dem Ballungsraum hatten 1,9mal häufiger ein Bronchialkarzinom (16,7 Prozent)
als solche aus ländlichen Gebieten (8,7 Prozent). In der bronchoalveolären
Lavage wurden bei Personen aus dem ländlichen Raum keine Asbestfasern (sog.
Asbestkörperchen gefunden, in der anderen Gruppe jedoch bei 11,4 Prozent der
Patienten – drei von letzteren hatten ein Bronchialkarzinom. Diese
Beobachtungen decken sich mit den Befunden, die z.B. an den Lungen Verstorbener
erhoben wurden: Wer im Ruhrgebiet gelebt hatte, trug wesentlich mehr
Asbestfasern in der Lunge als Landbewohner. Zwar hat sich die Industrie in den
alten Bundesländern verpflichtet, ab spätestens 1990 sämtliche Hochbauprodukte
ohne Asbest herzustellen; die früher verarbeiteten asbesthaltigen Materialien
belasten aber nach wie vor die Umwelt. (SCHWEISFURTH H. et al.:
Atemw.-Lungenkrkh. 16 [1990] 426.)
Nach asbestbedingten Tumoren sollte man vor allem bei
Patienten aus den neuen Bundesländern fahnden.
In der ehemaligen DDR wurde die Asbestherstellung erst 1989 gedrosselt
und beträgt immer noch etwa 50000 t pro
Jahr. Asbest, besonders Zementleichtbauprodukte und Spritzasbest, wurde noch
zum Häuserbau verwendet, als im Westen
bereits Asbestschulen geschlossen wurden. Insgesamt sind auf dem weit kleineren Gebiet der ehemaligen DDR etwa
500 Millionen Tonnen Asbest in Gebäudeaußenflächen verbaut worden gegenüber 300 Millionen Tonnen
in den alten Bundesländern.
Asbest in Baumaterial:
Nach Angaben der Faserzement-Industrie sind an
bundesdeutschen Gebäuden in der Nachkriegszeit 220 Millionen Quadratmeter Asbestzementplatten
befestigt worden. Davon sind 30 Millionen ohne Oberflächenbehandlung, die die
eingearbeiteten Asbestfasern bindet. Von diesen unbeschichteten Platten sollen
im Jahr rund 500 Tonnen Fasern emittieren. Die Asbestzementprodukte, die ca. 10
bis 15% Asbest, hauptsächlich Chrysotil, enthalten, stellen kein
„festgebundenes“ Material dar. Langjährige Untersuchungen im Ausland wie auch
in der Bundesrepublik zeigten, dass
dieses Baumaterial korrodiert und verwittert; und zwar durch den Einfluss des
Wetters (Sonnenschein, Frost, Regen, Wind), von Luftschadstoffen (hauptsächlich
von Schwefeldioxid) und von bestimmten Bakterien. Durch diese Auswirkungen
bildet sich an der Oberfläche der Dach-und Fassadenplatten ein „Asbestfilz“,
aus dem dann die Asbestfasern ins Regenwasser und in die Außenluft freigesetzt
werden.
Der Verwitterungsverlauf bei den Asbestzementprodukten ist
linear. Untersuchungen zeigten, dass die in
die Umwelt emittierten Asbestfasermengen bei ca. 3 g pro 1 m2 und Jahr
liegen. Davon gelangen etwa 20% in die
Luft und der Rest ins Abwasser. In der Bundesrepublik gibt es an den Gebäuden
fast 1000 km2 von verwitterten
Asbestzementplatten.
Die durch Messungen geschätzten Emissionen in die
Gesamtumwelt liegen im Bereich zwischen 1000 und 3000 Tonnen pro Jahr. Davon werden ca. 200
Tonnen in die Außenluft emittiert. Was
die Immissionen (Außenluftkonzentrationen) anbelangt, zeigten die Messwerte
eine breite Streuung. Der Mittelwert lag
bei Asbestfasern länger als 5 ` m bei 750 Fasern je m3. Die Maximalwerte lagen
im Bereich von 1000/m3. In etwa 37% der Fälle waren die Konzentrationen höher
als 500 m3 und in 12% der Fälle waren sie höher als 1000/m3. Sie stellen bei
Einbeziehung des geplanten Vorsorgewertes von 400 langen Fasern/m3 in der
Außenluft der Bundesrepublik ein zusätzlich zur Grundbelastung zu
berücksichtigendes Gesundheitsrisiko dar.
Im Tierversuch konnte festgestellt werden, dass die
„verwitterten“ Asbestfasern aus verschiedenen Dachplatten praktisch die gleiche
krebserregende Potenz hatten wie der im Vergleichsverbrauch benutzte
Standardasbest.
Asbest im Trinkwasser:
Zahlreiche Untersuchungen zeigten, dass auch die
Asbestzementrohre, die hauptsächlich für Trinkwasserleitungen verwendet werden,
nicht beständig sind. Sie korrodieren in Abhängigkeit von dem ph Wert und der
chemischen Zusammensetzung des Wassers. Dabei werden feine Asbestfasern ins
Trinkwasser freigesetzt. Messungen
zeigten, dass mehr als 10 Millionen feine Asbestfasern in einem Liter Wasser
aus solchen Asbestrohrleitungen vorkommen können.
In Rottal wurden 2,6–3,8 Mio. Fasern Asbest pro Liter im
Trinkwasser gemessen, in Hannover bis 700
Mio. im Trinkwasser (Frau Dr. DIETRICH, Ärztezeitung, pers. Mitt.). In
der Literatur wurde empfohlen, solches Trinkwasser vor der Anwendung zu
filtrieren. Ursache sind Druckrohre aus Asbestzement, die in der Bundesrepublik
über etwa 30000 Kilometer zum Transport
des Trinkwassers verlegt sind. Kalkaggressives, das heißt, säurehaltiges Wasser
löst die Zementstruktur der Rohre auf und gibt die ursprünglich gebundenen
Asbestfasern ins Trinkwasser frei. Durch die Folgen des „Sauren Regens“ wird
das Trinkwasser immer kalkärmer und wirkt dadurch auch immer aggressiver auf
Asbestrohre. Fasern aus asbesthaltigem Trinkwasser werden zum Beispiel beim
Kochen, Duschen, in der Sauna, aber auch von Luftbefeuchtern und Klimaanlagen
freigesetzt und gelangen so in die Atemluft.
Asbest in Nachtspeicheröfen:
Beim Betrieb asbesthaltiger Nachtspeichergeräte kann die den
Ofen durchströmende Luft Asbestfasern
freisetzen, die über (meist vorhandene) Heizungs-Ventilatoren an die
Raumluft abgegeben werden. Da nicht alle bis 1976 gebauten
Nachtstromspeicherheizungen Asbest enthalten, empfiehlt es sich, unter Angabe
der Geräte-Typennummer, vom Hersteller des Gerätes oder den
Energieversorgungsunternehmen
entsprechende Informationen über eine mögliche Gefährdung anzufordern.
Asbest in Arzneimitteln:
Wie in der Fernsehsendung „Report“ am 18. Januar 1993
berichtet wurde, sind in einer Untersuchung des
Fraunhofer-Institutes in Hannover in Konakion-Amp. 1 mg und
Rocephin-Amp. Asbestfasern und in
Claforan-Amp. silikathaltige Partikel nachgewiesen worden. Während die
beiden betroffenen Firmen bereits am 19.1.1993 per Telefax reagierten und die
Vorwürfe zurückwiesen, hat das Bundesgesundheitsamt erst am 28.1.1993 in einer
Pressemitteilung Stellung genommen. Darin heißt es, dass derzeit keine
endgültige Bewertung möglich sei, und eine eigene gutachterliche Stellungnahme
zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen wird. Zum Verzicht auf eine gebotene
Arzneitherapie aus Angst vor einer möglichen Asbestbelastung wird nicht
geraten. Auch könne derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass therapeutische
Alternativen ebenfalls mit Asbest-Partikeln belastet sind.
Umweltrelevanz, Gefährdungspotential:
Die langfristige Persistenz vieler Asbestprodukte erhält ein
toxisches Potential in der Umwelt aufrecht, das zwar je nach Emissionssituation von Ort zu Ort
unterschiedlich groß ist, das aber grundsätzlich in der Atmosphäre aller Wohngebiete besteht. Durch
Spritzasbest, asbesthaltige Leichtbauplatten und -pappen sowie durch Fußbodenbeläge mit Asbestpappe
als unterstem Trägermaterial (sogenannte „Cushion Vinyls“) können
unkontrollierte Emissionen, insbesondere wenn diese Materialien von
unerfahrenen Hobbybastlern verlegt wurden, freisetzen. Nach heutigen
Erkenntnissen bilden besonders die zu Isolationszwecken aufgebrachten
Spritzasbestbeläge, die durch ihren hohen Asbestgehalt und die lockere
Einbindung der Fasern charakterisiert sind, eine Gefahr für die Umwelt. So
stellte man beispielsweise bei einigen Häusern, die im Fassadenbereich mit
Spritzasbest versehen wurden, fest, dass die in die Räume einströmende
Außenluft feinste Asbestfasern mitführte, wenn die Fassaden nicht entsprechend
winddicht waren. Häufig wurden damals auch Spritzasbestbeläge zwecks
Wärmedämmung auf Betondecken über Druckbelüftungs Hohldecken aufgebracht. Dies
hat zur Folge, dass die frische Klimaluft unmittelbar vor dem Eintritt in die
zu belüftenden Räume entlang den lockeren Spritzasbestbelägen strömt und
eventuell feine Asbestfasern mitreißt. Besorgniserregend ist auch die Anwendung
von Spritzasbestbelägen dort, wo offen laufende Ventilatoren starke
Luftturbulenzen erzeugen und dabei die Luft entlang den asbesthaltigen Belägen
in die zu belüftenden Räume drücken. Viele Schulen und andere öffentliche
Gebäude mussten inzwischen überprüft und gegebenenfalls saniert werden, nachdem
aus Decken von Klassenzimmern und Treppenhäusern Asbestflocken niedergerieselt
waren. Teils durch mutwillige Zerstörung oder aufgrund altersbedingter
Verwitterung erfolgte die Faserfreisetzung.
Asbestflocken, die sich absetzen und sich einer unmittelbaren Inkorporierung
entziehen, werden vom Schuhwerk zu Feinstaub zermahlen und in die Luft
verwirbelt. Gefährdungspotentiale
stellen auch andere, ehemals großtechnisch eingesetzte Asbestprodukte dar.
Hier drei Beispiele:
a) Die Deutsche Bundesbahn verwendete in den 60er und 70er
Jahren asbesthaltige Deckenverkleidungen
aus Gründen des
Feuer-und Schallschutzes. Jeder Waggon dieser „Silberlinge“ enthält etwa eine
Tonne
Asbest, von denen noch 400 bundesweit
im Einsatz sind. 2.600 Züge wurden bisher entsorgt.
b) Die Berliner Stiftung Warentest musste vor bestimmten
Katzenstreus warnen, nachdem asbestähnliche
Fasern in den
Absorbentien gefunden wurden.
c) Ebenfalls durch die Presse ging die Meldung von asbest-verunreinigtem
Talkum, welches als Gleitmittel in
Pudern, Füllstoff
in der Gummiindustrie, bei der Herstellung von Farben, Kitten und
Spachtelmassen und
als Glättemittel in Textilappreturen
verwendet wird.
Asbest-Emissionen:
Asbestfaser-Emissionen erfolgen anlagegebunden aus
Produktionsstätten und produktgebunden beim
Beseitigen sowie durch Verschleiß asbesthaltiger Produkte. Natürliche
Quellen (Steinbrüche etc.) spielen dabei
eine untergeordnete Rolle. Emissionen in
die Umgebungsluft auf Grund von Verwitterung asbetbeschichteter Dächer und
Fassaden schätzt das Umweltbundesamt auf ca. 100 Tonnen pro Jahr. Die
Jahresmittelwerte der resultierenden Immissionskonzentrationen betragen etwa
100 Fasern/m3.
Zahlreiche Emissionsmessungen wurden in den letzten Jahren
durchgeführt. Leider sind die Messergebnisse auf Grund ihres
Stichprobencharakters, der unterschiedlichen Messplanung und -anordnung
nicht immer vergleichbar, oft handelt es
sich um Stunden-oder Tagesmittelwerte, so dass die Langzeitbelastung nicht
darstellbar ist. Aus diesem Grund wertete die Landesanstalt für
Immissionsschutz Nordrhein-Westfalen vorliegende Messdaten verschiedener
Studien (TÜV-Studie Berlin 1984/88; Studie der Gesellschaft für
Staubmesstechnik und Arbeitsschutz mbH, Neuss 1984/85; Studie des
Fraunhofer-Instituts für Umweltchemie
und Ökotoxikologie, Schmallenberg 1986, und eine Studie des Staatshüttenlabors
Hamburg 1988/89) nach einheitlichen Kriterien neu aus, wobei nur Messergebnisse
gemäß der VDI-Richtlinie 3492 (rasterelektronische Messung von Asbestfasern)
berücksichtigt wurden. Tabelle 1 fasst die Ergebnisse zusammen.
Alternativen:
In den allermeisten Anwendungsgebieten ist die Verwendung
von Asbest technisch nicht mehr notwendig.
Es handelt sich bei den Asbestersatzstoffen um
– organische Synthesefaserstoffe wie Kevlar, Koralon
– anorganische amorphe Kunstfasern, die sich hervorragend
für Isolierzwecke aller Art eignen, vor allem
auch im Hochtemperaturbereich, wobei
hier Keramikfasern im Vordergrund stehen,
– Glas-und Mineralfasern, die sich ebenfalls für
Isolierzwecke bis ca. 600 s C eignen,
– anorganische, kristalline Nicht-Metallfasern,
beispielsweise Kohlenstoff-oder Quarzfasern. Diese sind
fast überall
einsetzbar. Ihr einziger Nachteil ist die zu geringe Kohäsionsfestigkeit.
– Metallfasern, die zu Verstärkungszwecken beispielsweise in
Brems-und Kupplungsbelägen verwendet
werden, oder auch als Bestandteile
von Filtern.
Auch dort, wo auf Asbest nicht verzichtet werden kann, sind Verbesserungen bei
der Verarbeitung mit
erheblicher Staubreduktion möglich, dafür zwei Beispiele:
– Pneumatische Förderung im Asbest-Textil-Bereich.
– Asbest-Garn-Herstellung für Spezialdichtungen (die im
Hochtemperaturbereich bislang unersetzbar
sind).
Wirkungscharakter
Eine Gesundheitsgefährdung durch eingebaute Asbestprodukte
kann nach heutigen Erkenntnissen nur von
schwach gebundenen Asbestprodukten ausgehen, weil diese große Faserstaubmengen
freisetzen können. Die Gefährlichkeit
einmal freigesetzter Fasern erhöht sich durch die weitere Längsspaltung.
Überdies bilden die im Raum als Staub abgelagerten Fasern ein ständig
aktivierbares Gefahrenpotential. Die Einatmung feinster Asbestfasern kann beim
Menschen Krebs der Atmungsorgane, des Brust-oder Bauchraumes hervorrufen,
insbesondere auch eine sonst sehr seltene Krebsform des Rippen-oder Bauchfells,
das Mesotheliom. Die feinen, zumeist mit dem Auge nicht sichtbaren Fasern
brauchen lange Zeit für ihren Weg durch
das Gewebe vom Atemtrakt bis zum Rippenfell, verlieren aber während dieser Zeit
kaum an Gefährlichkeit. Von der Einatmung der Fasern (Exposition) bis zum
Ausbruch der Erkrankung (Manifestation) vergehen im allgemeinen mehrere
Jahrzehnte. Das manifeste Mesotheliom führt rasch zum Tode. Zwar steigt das
Risiko sowohl mit der Dauer der Belastung als auch mit ihrer Intensität; es
sind aber Fälle bekannt geworden, in denen es Jahrzehnte auch nach nur
kurzfristiger Stoßbelastung zu einem Mesotheliom gekommen ist. Außerdem steigt das
Risiko seit der ersten Exposition auch ohne erneute Belastung mit zunehmender
Lebenszeit.
Daher sind Personen, die im Kindesalter erstmalig exponiert werden, auf Grund
ihrer noch langen Lebenserwartung mehr gefährdet als Personen, die erst in
fortgeschrittenem Lebensalter mit diesen Fasern in Kontakt kommen. Zeitpunkt
und Ausmaß der Exposition können weder vorhergesagt noch kontrolliert werden.
Bei den meisten Patienten mit dieser Krebsart wird die
Diagnose im Alter zwischen 50 und 70 Jahren
gestellt. Jüngere Erwachsene unter 40 Jahren befällt der
Bindegewebs-Tumor eher selten. In der Literatur
schwanken die Angaben hierzu zwischen fünf und 16 Prozent, wie Dr. M.J.
KANE und seine Mitarbeiter vom Mount Sinai Medical Center in New York berichten
(Cancer 65, 1449, 1990). In ihrer Klinik
waren von 172 Patienten mit einem Mesotheliom zehn Patienten unter 40 Jahre,
von denen sieben während ihrer Kindheit
mit Asbest in Berührung gekommen waren. In fünf Fällen arbeiteten die Väter mit
diesem Stoff. In einem weiteren Fall hatte ein Jugendlicher fünf Wochen lang in
einem Warenhaus Kontakt mit Asbest. Und ein anderer Patient war als Lehrer 14
Jahre lang in der Schule Asbeststäuben ausgesetzt. Wie die Wissenschaftler berichten, vergingen
vom Auftreten der ersten Symptome wie Schmerzen, Husten, Dyspnoe, Unwohlsein und Umfangserweiterung
des Bauches bis zur Diagnose durchschnittlich fünf Monate. Bei sechs Fällen mit
Pleurabefall habe erst eine Thorakotomie und bei einem Peritonealmesotheliom
eine Laparoskopie Klarheit erbracht. Von den zehn Patienten starben neun trotz
Therapie in einem Zeitraum von etwa 13 Monaten. Nur eine Frau, die ein Jahr
zuvor thorakotomiert, mit Chemotherapie behandelt und bestrahlt worden war,
hatte bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung überlebt.
Eine Arbeitsgruppe um Dr. JOACHIM RÖSLER aus Gießen hat die Sterblichkeit an
bösartigen Tumoren nach beruflicher Asbestfaserstaub-Einwirkung im Vergleich
zur übrigen Bevölkerung untersucht. Dafür wurde
die standardisierte proportionale Mortalitätsrate (SPMR), also das
relative Sterberisiko, anhand von 673
Todesfällen hinsichtlich spezieller Faktoren analysiert.
Die SPMR war nach beruflicher Asbestbelastung deutlich
erhöht, und zwar für alle bösartigen Tumoren,
vor allem für Bronchial-Karzinome und Mesotheliome. So betrug die SPMR
bei den Männern für alle Krebsarten 1,19, für Malignome der Atemwege und der
Lunge 1,43 und für Mesotheliome 4,0. Bei den
Frauen lag die SPMR entsprechend bei 1,42, 3,39 und 14,1. Außerdem ergab
sich, dass Zigarettenrauchen das Risiko, an Lungenkrebs zu sterben, stark
erhöht. So hatten Raucher nach starker beruflicher Asbestbelastung ein 17mal
höheres Risiko als Nicht-Raucher. Die an Bronchial-Ca oder Mesotheliom
gestorbenen Arbeitnehmer hatten in ihrem Berufsleben meist mit der Herstellung
oder Anwendung von Asbesttextilien, asbesthaltigen Reibbelägen oder
Asbestisolierungen zu tun.
Die hohe Mortalitätsrate bei den Frauen könnte nach Ansicht
von RÖSLER daran liegen, dass Frauen in der
Asbestindustrie mehr rauchen als andere Frauen. Außerdem ist der Anteil
der Frauen in der Asbest Textilindustrie besonders hoch, da es hier viele
frauenspezifische Tätigkeiten gibt. Zudem gebe es Hinweise, dass sich die
Karzinogenese bei Frauen und Männern unterscheidet (ÄZ 15.5.1993).
Die lange Latenzzeit zwischen Ansteckung und
Krankheitsausbruch hat es lange Zeit schwierig gemacht, Asbest als Krankheitsursache dingfest zu
machen. In der Statistik der Berufserkrankungen beim Umgang mit Gefahrstoffen nimmt Asbest mit weitem
Abstand den ersten Platz unter den tödlichen Krebserkrankungen ein. Die
Gesundheitsgefährdung von Asbest liegt in der Beschaffenheit seiner
Faserstruktur. Gelangen normale
Staubpartikel in die Lungenbläschen (Alveolen), werden diese dort von
alveolären Phagozyten umschlossen und
abgebaut bzw. abtransportiert. In den Bronchien werden Partikel mit dem
Schleim mundwärts transportiert.
Asbestfasern spalten sich aber in viele lange kleine Einzelfasern auf, die nur
noch unter dem Elektronenmikroskop
sichtbar sind ( # 0,02–2,0 tausendstel Millimeter). Da sie länger sind als die Fresszellen, können sie von diesen nur
unvollständig umschlossen und nicht abtransportiert werden.
Durch von Fasern zerstörte Makrophagen (oder weil die
Phagozyten den Fremdkörper nicht abbauen
können) werden Mediatorstoffe freigesetzt (O2-Radikale, Proteasen,
Wachstumsfaktoren) und u.a. dadurch weitere phagozytierende Zellen angelockt.
Durch die Mediatoren kann es u.U. zu zellulären Veränderungen von Epithelzellen
kommen. Im Alveolarbereich deponierte Fasern, die nicht phagozytiert werden,
können in das Lungengewebe eindringen und entweder auf dem Lymphweg oder durch
direkte Wanderung im Lungengewebe an die Pleuramembran transportiert werden, wo
sie auf die Mesothelzellen einwirken und Tumoren induzieren können. Das
Karzinogenitätsrisiko hängt vom Faserdurchmesser sowie der Faserlänge ab.
Als gefährliche Fasern werden Fasern eingestuft, deren Länge größer als 5 ` m
und deren Durchmesser kleiner als 3 ` m ist und die durch ein Längen-zu Durchmesserverhältnis
von größer als drei zu eins gekennzeichnet sind.
Die Inhalation von Asbestfasern gefährdet den Menschen auf
mindestens zweifache Weise. Zum einen
führt die langjährige Exposition zu einer Lungenfibrose, die sich
röntgenologisch aber erst in einem späten
Krankheitsstadium nachweisen lässt. Schon vorher kommt es zur Dyspnoe
mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit. Durch Lungenfunktionsdiagnostik lassen
sich restriktive Störungen im Sinne einer eingeschränkten Vitalkapazität
feststellen. Der Gasaustausch in den Alveolen ist vermindert. Eine kausale Behandlung ist nicht bekannt, jedoch
verhindert ein Wechsel des Arbeitsplatzes zumindest das Fortschreiten der
Fibrose. Frühmerkmale der Erkrankung sind häufig Pleuraergüsse ohne weitere
Krankheitszeichen. In einer prospektiv angelegten Studie wurde eine klare
Korrelation zwischen Pleurahyalinosen, die als
spezifisches Zeichen für Asbestexposition gelten, und Tumoren des
Magen-Darm-Traktes beobachtet. Besonders
häufig waren Ösophaguskarzinome und der diffuse Typ des Magenkarzinoms. Man
nimmt an, dass die Asbestfasern weniger
über die Nahrung und das Trinkwasser, als über den Reinigungsmechanismus der
Lunge in den Mund gelangen und geschluckt werden, da die Pleurahyalinosen
eindeutig Inhalationsfolgen sind.
Bei einer großangelegten epidemiologischen Untersuchung
wurdefestgestellt, dass unter 17800 Arbeitern
in Betrieben, die Isolierungsmaterialien herstellen, 59 an Karzinomen
des Colon und Rektum erkrankt waren –
statt der statistisch zu erwartenden Zahl von 38,1 (SELIKOFF et al., 1979). Es
gibt zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, die die enge Assoziation
zwischen Auftreten von Colon-und Rektumkarzinomen und Asbestexposition belegen
(MILLER, 1978). Untersuchungen einer
amerikanischen Arbeitsgruppe lassen darauf schließen, dass asbesthaltiges
Wasser bei Fischen körperliche Schäden hervorruft.
Die Wissenschaftler Scott Belanger, Donald Cherry und John Cairns haben
Japan-Kärpflinge asbesthaltigem Wasser ausgesetzt und die Reaktionen der Tiere
auf verschiedene Asbestkonzentrationen untersucht (Aquatic Toxicology 17, 1990, 133). Enthielt
das Wasser mindestens eine Million Fasern pro Liter, so wuchsen die larvalen Fische deutlich
langsamer als in sauberem Wasser. Ihre Epidermis war verglichen mit Fischen aus sauberem Wasser signifikant
verdickt: Sie besaß eine erhöhte Anzahl von Zellschichten. Ebenfalls untersucht wurde, ob sich Asbest in
das Gewebe der Fische einlagerte. Nach dreimonatiger Hälterung in Wasser, das 100 Millionen Fasern
pro Liter enthielt, wurden bei den kleinen Kärpflingen fast 500 Asbestfasern pro Milligramm Körpergewebe,
bezogen auf das Trockengewicht, gefunden. Eine
Konzentration von zehn Milliarden Fasern pro Liter überlebte keine
Fischlarve länger als 42 Tage. Die in den Versuchen verwendeten Konzentrationen
entsprechen, so die Forscher, durchaus natürlichen Bedingungen: Werte von einer
bis hundert Millionen Fasern pro Liter seien von vielen Süßwasserseen und
Flüssen bekannt. Bei jüngst in der Bundesrepublik analysierten
Trinkwasserproben aus asbesthaltigen
Leitungsrohren hatte das Fraunhofer-Institut bei zehn Prozent der Proben
Werte von über einer Million Fasern pro
Liter festgestellt (Ärzte-Zeitg. 7.2.91).
Die Asbestose (Bergflachslunge)
(Berufskrankheit Nr. 4103 BeKV)
Hierbei handelt es sich um eine Lungenerkrankung (chronische
Fibrose) als Reaktion des Lungengewebes
und der Pleura auf korporierte Asbestfasern. Befinden sich die Fasern
schon längere Zeit in der Lunge, bilden sich
durch Eiweiß-Anlagerungen sogenannte Asbestkörperchen. Die Veränderungen führen
zur Lungenfunktionsstörung mit
Sauerstoff-Unterversorgung der Organe und über eine Erhöhung des Lungengefäßwiderstandes zur Herzbelastung.
Die Latenzzeit der Asbestose kann zwischen 2 bis 53 Jahren (Mittel: 25 Jahre) liegen.
Leichte oder erste Beschwerden sind Hustenreiz, Auswurf, Brustschmerzen und
Kurzatmigkeit; schwere Beschwerden sind
Funktionsstörungen von Atmung und Kreislauf, chronische Bronchitis, Brustfellreizung und -entzündung, Emphysem und schließlich
eine ausgedehnte Lungenfibrose. Als Spätfolge kann Lungenkrebs auftreten. Die
Schwere der Erkrankung hängt von der Dauer und Intensität der
Asbestfaserstaub-Einwirkung ab.
Die Asbestose ist nicht heilbar!
Das Bronchialkarzinom
(Berufskrankheit Nr. 4104 BeKV)
Das Bronchialkarzinom stellt das größte asbestbedingte
Gesundheitsrisiko dar. Bei Männern in den Industrieländern ist es die häufigste
Krebsform, wobei zwischen Asbestexposition und Zigarettenrauch ein synergistischer Effekt besteht. Es ist nicht
auszuschließen, dass es auch durch die in der Umwelt vorkommenden
Asbestfaserkonzentrationen zum Bronchialkarzinom kommen kann. Jedoch ist das
Risiko der beruflich Exponierten ungleich größer.
Die Möglichkeiten der Erkrankung ist auch bei Anwohnern von
Asbestbetrieben gegeben, sofern die Bedingungen für Abluftreinigung nicht
beachtet wurden. Ebenso können selbstverständlich auch Kontaktpersonen von
Asbest-exponierten Arbeitnehmern durch verschleppten Asbeststaub
(beispielsweise bei der Reinigung asbestverschmutzter Kleidung) erkranken. In
diesen Fällen ist eine Anerkennung als Berufskrankheit nicht möglich. Es sind
jedoch Entschädigungsansprüche gegen den verursachenden Betrieb berechtigt. Die Latenzzeit des durch Asbest
induzierten Bronchialkarzinoms beträgt mindestens zehn Jahre.
Das Mesotheliom
(Berufskrankheit Nr. 4105 BeKV)
Diese Krebserkrankung im Brustraum ist zwar eine in der
Allgemeinbevölkerung seltene Tumorform, bei
Asbesterkrankten jedoch hat das Mesotheliom einen immer bedeutenderen
Anteil. Das Erkrankungsrisiko ist bei Asbest-Exponierten 100mal höher. Diese
Krankheit nimmt immer einen tödlichen Verlauf vor dem paradoxen Hintergrund,
dass die Betroffenen selten zu stark exponierten Gruppen gehören; hier zählt
mehr die Länge der Einwirkungszeit als die Höhe der Dosis. Schon geringe Mengen
von Asbeststaub können ein Mesotheliom verursachen. Die Latenzzeit für das
Mesotheliom liegt zwischen 11 bis 60 Jahre (Mittel: 31 Jahre). Nach Ansicht von
Professor WOITOWITZ (Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-und
Sozialmedizin am Klinikum der Justus-Liebig-Universität Gießen) muss bei jedem
unklaren Pleuraerguss (Flüssigkeitsansammlung zwischen Brustfell und Lunge) vom
Arzt das Vorliegen eines malignen Mesothelioms in Erwägung gezogen werden, wenn
der Patient Asbestfaserstaub ausgesetzt war. Der ungehemmte Asbestverbrauch
zwischen 1950 und 1975 beginnt sich erst jetzt auszuwirken. Eine tödliche
Krebslawine rollt, so WOITOWITZ, und der Höhepunkt der Krebswelle steht noch
bevor. Auf Grund der langen Latenzzeit (die bei allen Asbesterkrankungen so
heimtückisch ist) ist seiner Ansicht nach in der nächsten Zeit mit einer
massiven Zunahme der Todesfälle durch das maligne Mesotheliom zu rechnen. Unter den 1978–80 erstmals entschädigten
Fällen asbestbedingter Mesotheliome stechen folgende Tätigkeiten als besonders
gefährdend hervor:
Schlosser 17,9 Prozent
Chemiehandwerker
10,4 Prozent
Spinner/Spuler 6,6 Prozent
Installateure 5,7 Prozent
Maurer/Dachdecker
4,7 Prozent
Tischler 4,7 Prozent
Toxizität
Akute Toxizität: TDL0 Ratte: 7100 mg/kg
Oral/Inhalativ: TCL0 Ratte: 12 mg/m3
Umfangreiche Studien haben gezeigt, dass die Einatmung von
Asbestfaserstaub zu Asbestose der Lunge
und/oder der Pleura, zu Bronchialkarzinomen, Mesotheliomen (bösartigen
Tumoren) des Brust-oder Bauchfells sowie
Tumoren des Verdauungstraktes führen kann. Feine Asbestfasern, die in die
Verdauungswege gelangen, sind unter Umständen in der Lage, die Magen-und
Darmwand zu durchdringen, in die Blutbahn zu gelangen und mit dem Blutstrom
durch den Körper zu wandern. Asbestfasern können die Plazenta passieren, so dass auch die
Leibesfrucht gefährdet sein kann (Teratogenität). Noch nicht ganz auszuschließen sind auch mutagene Wirkungen
von Asbest, wenn sehr feine Fasern (Durchmesser kleiner als 0,5 ` m) die Zellwand durchdringen und
das Erbgut (DNA) durch mechanische Reizung verändern. Die gesundheitsschädigende Wirkung von Asbest
wurde um 1900 erstmals in Deutschland erkannt. Seit 1927 ist für die Asbestose die Einwirkung von
Asbestfasern als Ursache erwiesen. 1936 folgte die Anerkennung als
Berufskrankheit. Als weitere anerkannte Berufskrankheit kamen 1943 der
Lungenkrebs (in Verbindung mit
Asbestose) und 1977 die Mesotheliome des Rippen-und Bauchfells hinzu. Nach
Angaben der
Maschinenbau-Berufsgenossenschaft waren 1987 72% aller Berufskrankheiten mit
Todesfolge auf Asbest zurückzuführen
(Lit. 12). Aus dem im Oktober 1990 vom Bundeskabinett verabschiedeten
Unfallverhütungsbericht geht hervor, dass die Anzeigen von Asbestoseerkrankungen
von 1985 bis 1989 um 15% zugenommen haben. Tendenz: Steigend.
Je dünner die Fasern sind, desto größer wird die Gefährdung.
Die Kanzerogenität der einzelnen Asbeste ist
daher unterschiedlich. Am gefährlichsten ist der Krokydolith, da er zur
spontanen Längsspaltung der Faser neigt,
die auch nach der Freisetzung gebundener Fasern und sogar noch nach der
Festsetzung im menschlichen Zellgewebe auftreten kann. Da sich beispielsweise
Glasfasern, deren chemische Zusammensetzung der von Asbest ähnlich ist, nicht
aufspalten lassen und sie zudem einen größeren Querschnitt haben, sind sie weit weniger gefährlich als
Asbestfasern.
Generell ist nicht bekannt, wie kurz und wie dick eine Faser sein muss, um nur
noch eine vernachlässigbare
Kanzerogenität zu haben.
Grenzwerte:
Allgemein kann bei der Beurteilung der Asbestbelastung keine
tolerierbare Asbestfaserkonzentration in
der Atemluft festgelegt werden, da es keinen Schwellenwert für
krebserzeugende Substanzen gibt. Auf
Grund der vielfachen Anwendung sind Asbestbestfasern in
unterschiedlichen Konzentrationen in der
Atmosphäre regelmäßig feststellbar. „Nullbelastungen“ gibt es nicht.
1981 schlug der BGA erstmals einen Orientierungswert für Außenluftbelastungen
vor. Dieser Asbestbelastungswert sollte deutlich unter 1000 Fasern/m3 liegen. Die Arbeitsgruppe
„Krebsrisiko durch Luftverunreinigungen“ des Länderausschusses für Immissionsschutz plädierte für eine
Grenzbelastung von unter 400 Fasern/m3 Luft.
Für Innenräume gilt allgemein das Minimierungsgebot, d.h. bei Vorliegen einer
gegenüber der Außenluft erhöhten
Konzentration an Fasern sollte durch Sanierungsmaßnahmen die Emission dauerhaft
unterbunden werden. Grenzwerte für Innenraumbelastungen sind daher von
behördlicher Seite weder festgelegt noch vorgeschlagen worden. Da auch im Bereich der Trinkwasserversorgung
ehemals Asbestzementrohre (jedoch nur außerhalb von Gebäuden) verwendet wurden, hat die
Bundesregierung auf Drängen des Bundesgesundheitsamtes (BGA) aus Vorsorgegründen bereits 1986 eine
Regelung zur Verhinderung des Asbestfasereintrages aus Asbestrohren vorgenommen
(Trinkwasserverordnung: vgl. Arbeitsschutzregelungen), denn durch Duschen, Wäschetrocknen und dergleichen können die
Asbestfasern aus dem Wasser in die Luft gelangen. Daher wurde eine Anhebung des pH-Wertes des
Trinkwassers auf den jeweiligen pH-Wert der Kalksättigung des Trinkwassers vorgeschrieben. Damit soll die
Auflösung der Zementmatrix durch saures Wasser unterbunden und eine Faserabgabe
dauerhaft vermieden werden.
Die amerikanische Umweltschutzbehörde (EPA) schlägt als
gesundheitlich unbedenklichen Grenzwert der
Wasserbelastung 7 Millionen Fasern ( ‹ 10 ` m Länge) pro Liter
Trinkwasser vor. Gemäß deutscher Messmethodik
entspricht dies einem Wert von etwa 14 Millionen Fasern ( 8 5 ` m) pro Liter
Trinkwasser. Der höchste vom BGA
gemessene Gehalt an Asbestfasern im Trinkwasser aus Asbestzementrohren,
dessen pH-Wert nicht auf den der
Kalksättigung eingestellt war, betrug in der Bundesrepublik 1 Million
Fasern ( 8 5 ` m) pro Liter Wasser. Bei
Einstellung des Trinkwassers auf den vorgeschriebenen pH-Wert wurden bei
Asbestrohren vom BGA bisher Werte von weniger als 1000 (Bestimmungsgrenze) bis
10000 Fasern (länger als 5 Mikrometer)
pro Liter ermittelt. Dies entspricht weniger als einem tausendstel des
US-Grenzwertes.
Risikobewertung:
● Epidemiologisch zeigt sich
international und national bei 45 Kollektiven bzw. Teilkollektiven von am Arbeitsplatz asbestgefährdeten Beschäftigten
28mal eine Überschreitung des Verdoppelungswertes der allgemein zu erwartenden
Lungenkrebssterblichkeit (bis maximal zum 8,5fachen).
●Nicht nur für Nichtraucher, sondern
auch für Zigarettenraucher unter den früher stark asbestgefährdeten
Arbeitnehmern ist der Risikofaktor Asbest für die Verursachung des Lungenkrebses
präventivmedizinisch als wesentlich anzusehen.
●Die Gründe für Fallbeispiele mit falschnegativen
Zählergebnissen der „Asbest-Körperchen“-Methode
sind inzwischen weitgehend erforscht: Der fast ausschließlich (zu 94
Prozent) am Arbeitsplatz verwendete Weißasbest (Chrysotil) trägt nur zu etwa 2
Prozent in der menschlichen Lunge zu den auffindbaren Asbest Körperchen bei
(„Fahrerflucht-Phänomen“). Etwa bei Patienten mit Asbestose, Lungenkrebs oder Mesotheliom im
Berufskrankheitenverfahren postmortal aus der Zahl von „Asbest-Körperchen“ pro cm3 Lungengewebe speziell eine Jahrzehnte
zurückliegende Chrysotilgefährdung am Arbeitsplatz ausschließen zu wollen, kann
somit medizinisch nicht begründet werden (WOITOWITZ).
●THIELE (1986) hat vorgeschlagen, folgende Merkmale zu Grunde
zu legen: Gesicherte, mindestens 3jährige berufliche Exposition (falls diese
massiv, auch kürzer). Falls Asbest- Körperchen gezählt: 6 30 ml/Lunge,
Latenzzeit 15–20 Jahre. Gleichzeitiges Vorhandensein asbesttypischer
Pleuraveränderungen. In Österreich
entschädigt man solche Fälle nach Einzelprüfung (Asbest-Spätschäden).
●In der DDR hat man gefunden, dass nach
60 Kontaktschichten gegenüber Asbest (entspricht etwa 3 Monaten) das Lungenkrebsrisiko
signifikant ansteigt. Hiernach wird die BK-Anerkennung unter Beachtung einer
Latenzzeit von mindestens 10 Jahren eingerichtet – Asbestose wird dazu nicht
gefordert.
●Die manchmal schleppende administrative
und gutachterliche Behandlung der Mesotheliomfälle bedarf der Beschleunigung. Lange Verfahrensdauern
sind nur dann zu rechtfertigen, wenn der medizinische und arbeitstechnische Sachverhalt schwierig
oder ungewöhnlich ist.
Nachweis
Die Messung von Asbestfaserkonzentrationen in der Raumluft
ist mit den heute verfügbaren Messmethoden möglich. Eine direkte Risikoabschätzung kann
damit jedoch nur mit Einschränkungen getroffen
werden, da in der Regel schwer vorhersehbare Schwankungen der
Faserkonzentrationen im Raum – abhängig von Luftbewegungen, Aktivitäten –
auftreten können. Außerdem ist bei Messungen nicht sichergestellt, dass auch
die möglichen Spitzenwerte der Faserkonzentrationen (Stoßbelastung) ermittelt
werden. Die Messung der
Asbestfaserkonzentration im Innenraum kann vor der Sanierung allenfalls dazu
benutzt werden, das Fehlen oder
Vorhandensein einer momentanen hohen Asbestfaserkonzentration im Gebäude
nachzuweisen und damit zusätzliche Hinweise zur Dringlichkeit einer Sanierung
zu erhalten.
Analytische Nachweismethoden:
a) Qualitativ:
– Phasenkontrastmikroskopie (mit optischer Einfärbung bei
Verwendung von polyrisiertem Licht),
– Elektronenmikroskopie (mit Hilfe der energiedispersiven
Röntgenbeugungsanalyse bzw. der Elektro
nenstrahlbereichsbeugung).
b) Quantitativ:
– Rasterelektronenmikroskopie (REM): Diese Methode ist die
geeignetste (aber zugleich teuerste), da
auch Fasern mit
geringem Durchmesser ausgemacht werden.
– Infrarotspektroskopie (z.B. FTIR-Mikroskopie),
– Röntgenbeugungsanalyse,
– Polarisationsmikroskopie,
– Membranfiltermethoden,
– Konimetermessungen.
Diagnostische Methoden (ROTH, 1988):
– Thorax-Röntgenaufnahme,
– Sputumzytologie, Bronchoskopie mit Biopsie,
– Pleuroskopie,
– Computer-Tomographie des Thorax in High
resolution-Technik,
– Laryngoskopie.
Durch Lungenfunktionsprüfungen oder Röntgen-Thoraxuntersuchungen können erste
Hinweise auf eine
lungenfibroseerzeugende Asbestfaserstaubwirkung diagnostizierbar werden.
Diese frühen Zeichen einer beginnenden
Lungenasbestose wären allerdings im Einzelfall noch wenig krankheitsspezifisch
und daher nur im Rahmen einer
epidemiologischen Studie an einer größeren Gruppe entsprechend belasteter Personen und unter Heranziehung einer
unbelasteten Vergleichsgruppe verwertbar. Auch kann die Methode der
Asbestfaseranalyse mit Hilfe der bronchoalveolären Lungenlavage als
diagnostische Möglichkeit angesehen
werden. Hierbei werden unter örtlicher Betäubung gewisse Mengen einer
Spülflüssigkeit in den Atemtrakt eingeführt, anschließend wieder aufgesaugt und
im Hinblick auf Asbestfasern bzw.
Asbestkörperchen, das sind mit einer eisenhaltigen Eiweißhülle umgebene
Asbestfasern, analysiert.
Neben klinischen Daten stützt sich die Diagnose des
Mesothelioms auf den oft typischen Röntgenbefund, wobei das Computer-Tomogramm die klarsten
Aussagen über Struktur und Ausdehnung ermöglicht. Dieses Verfahren hat hierbei die
konventionellen Röntgen-Schichtaufnahmen völlig ersetzt. Sinngemäß Gleiches gilt für das Vollbild der Asbestose.
Biopsie-Material und/oder Ergusscytologie sind unerlässlich, die durch
bestimmte immunhistochemische Verfahren
(CEA, Keratin und andere) ergänzt werden sollen. Sinngemäß das gleiche gilt für Tumormarker am
Patienten (CEA), womit eine Abgrenzung zum Adenokarzinom möglich ist. Sparsame
Handhabung der Biopsie-Verfahren ist freilich geboten, weil der Stichkanal
Durchtrittspforte für Tumorwucherungen
werden kann. Abgrenzungsschwierigkeiten zur proliferativen Pleuritis kommen
vor. Die BK-Anerkennung des Mesothelioms
(Nr. 4105) sollte zu Lebzeiten dann regelmäßig möglich sein, wenn zeitgerecht eine Asbest-Einwirkung in
der Asbest-Industrie oder in der sonstigen typischen Asbest Verarbeitung
zugrunde liegt, auch im Schiffbau und Schiffsmaschinenbetrieb. Aus diesen
Bereichen gibt es keine asbestfreien
Fälle, die das Abwarten einer Lungenfeinstaubanalyse rechtfertigen würden.
Therapie
Erste Hilfe:
Nach Einatmen erkennbarer Staubmengen den Verletzten an die
frische Luft bringen, benetzte Kleidungsstücke entfernen, betroffene
Körperteile mit Wasser und Seife gründlich reinigen. Inhalationen,
Sauerstoffbeatmung, Bronchodilatatoren und Antibiotika können das
Krankheitsbild vorübergehend verbessern.
Überwachungsuntersuchung nach BG-Grundsatz G 1.2.
Vorgeschriebene arbeitsmedizinische
Nachsorgeuntersuchungen
(gemäß Gefahrstoffverordnung):
Erste Nachuntersuchung: nach 12–36 Monaten
Therapie des Mesothelioms:
Die Behandlung durch Operation hat nur in bestimmten
Kliniken und für Einzelfälle Erfolge gebracht:
weithin wird sie abgelehnt. Bestimmte Medikamente (Adriblastin und Abkömmlinge)
können zur Lebensverlängerung um 6 Monate führen. Die Strahlentherapie ist beim
Mesotheliom zumeist nicht sinnvoll).
Eine medikamentöse Verklebung des Pleuraspaltes kann nützlich sein, um
das quälende Nachlaufen des Ergusses zu
verhindern. Intensive Schmerzlinderung ist oft geboten.
Sanierung
Asbest in Haushaltsgeräten entsorgen:
Asbestprobleme haben nicht nur Schulen, Sport-und
Schwimmhallen, sondern auch Privathaushalte.
Bei zahlreichen Haushaltsgeräten ist bis in die siebziger Jahre hinein
Asbest zur Wärmeisolierung verwendet
worden. Alte Toaster, Haartrockner, Bügeleisen, Warmhalteplatten und
Durchlauferhitzer sowie mit Weichasbest beschichtete Gasherd-Topfuntersetzer
sollten deshalb ausrangiert werden.
Leicht gebundenes und deshalb ausfaserndes Asbestmaterial, das sich in
den Atemorganen „einnisten“ und
Lungenkrebs auslösen kann, findet sich auch in Nachtstromspeicheröfen vor dem
Baujahr 1977 und in Asbestpappen, wie
sie bis 1981 noch als Unterlagen für Fußbodenbeläge verwendet worden sind. Es empfiehlt sich, sich bei den Herstellern
über den Asbestgehalt älteren Haushaltsgeräts unter Angabe der Typnummer zu erkundigen. Mit dem Ausbau von
Geräten sollten Fachleute beauftragt werden, die ein Aufwirbeln des Asbeststaubes vermeiden. Dies
gilt auch für Gegenstände aus festgebundenem Asbest, wie Dachplatten, Fensterbretter, Blumenkästen und
Balkonverkleidungen. Auto-Brems-und -Kupplungsbeläge mit dem Umweltzeichen
enthalten kein Asbest mehr und sind ihrer umweltschädlichen Konkurrenz auch durch längere Haltbarkeit und weniger
Geräusche überlegen. Im Hochbau durften Platten aus festgebundenem Asbest noch
bis Ende des Jahres 1990 produziert und bis Ende 1991 verwendet werden.
Asbestrohre für den Tiefbau durften bis Ende 1993 hergestellt und bis Ende 1994
eingesetzt werden. Spritzasbest ist
bereits seit 1979 verboten.
Privatpersonen sollten Produkte, die Weichasbest enthalten,
unzerkleinert und in staubdichte Folie
verpackt beim „Giftplatz“ der Sondermüllentsorgung abliefern.
Asbestgefahr bei der Entsorgung von
Nachtspeicheröfen:
Der Dachverband Hamburger Mieter-Initiativen hat vor der
unsachgemäßen Entsorgung von asbestbelasteten Nachtspeicheröfen gewarnt. In
einigen Wohnungen würden derzeit aus Kostengründen ohne Schutzmaßnahmen Öfen
auseinandergebaut und so Asbestbelastungen hergestellt, die nicht entstehen
müssten. Es sei davon auszugehen, dass
dabei „regelmäßig ganze Häuser auf diese Art und Weise unzumutbar kontaminiert
werden“. Nach Angaben der
Mieter-Initiativen stehen in Hamburg derzeit in rund 50000 Wohnungen etwa 200 000 asbesthaltige
Nachtspeicherheizgeräte. (ÄA 5.5.91)
Vorsicht bei Asbestreinigung:
Die Reinigung von Dächern und Fassaden aus Asbestzement mit
Bürsten oder Sandstrahlen belastet
Anwohner und Nachbarschaft. Darauf wies im September 1990 das
Umweltbundesamt hin. Die Behörde macht
auch auf die schärfere Einstufung von Asbest als sehr stark krebserregender
Stoff in der novellierten
Gefahrstoff-Verordnung aufmerksam sowie auf die strengeren Vorschriften
beim Umgang mit der Substanz. Bereits
Mitte der achtziger Jahre hatten Untersuchungen gezeigt, dass die üblichen
trockenen Reinigungsverfahren bei der
Anwendung über zwei Millionen Fasern pro Kubikmeter Luft freisetzen. Wenn einem Hausbesitzer verwitterte oder
bemooste Zementflächen nicht mehr gefallen, empfiehlt das Bundesamt den emissionsarmen Austausch gegen
asbestfreie Produkte durch Fachbetriebe.
TRGS 519 (Technische Regeln für Gefahrstoffe): Asbest-,
Abbruch-, Sanierungs-oder Instandhaltungsarbeiten (Stand März 1995)
Auszüge im Wortlaut abgedruckt.
4 Expositionsverbot, Verwendungsbeschränkungen und Ersatzstoffe
4.1 Expositionsverbot
(1) Arbeitnehmer dürfen asbesthaltigen Gefahrstoffen nicht
ausgesetzt sein. Das gilt nicht für Abbruch-,
Sanierungs-oder Instandhaltungsarbeiten an bestehenden Anlagen,
Fahrzeugen, Gebäuden, Einrichtungen oder Geräten, die asbesthaltige
Gefahrstoffe enthalten, und die Abfallentsorgung, soweit die Einhaltung des Gebotes nach Satz 1 nach dem
Stand der Technik nicht möglich ist.
(2) Unter das Expositionsverbot fällt auch das Anbohren von
Asbestzementplatten und das Eintreiben von
Befestigungen für das An-oder Aufbringen einer zusätzlichen Dachdeckung,
Abdichtung oder Bekleidung, da es sich
hierbei nicht um ASI-Arbeiten handelt.
4.2 Verwendungsbeschränkungen und
Ersatzstoffe
(1) Nach Anhang IV Nummer 1 GefStoffV darf mit
asbesthaltigen Gefahrstoffen mit einem Massengehalt von mehr als 0,1 vom Hundert Asbest nicht
umgegangen werden.
Das gilt nicht für
1. Abbrucharbeiten,
2. Sanierungs-oder Instandhaltungsarbeiten an bestehenden
Anlagen, Fahrzeugen, Gebäuden, Einrichtungen oder Geräten und die
Abfallentsorgung.
Nicht zulässig ist
– die Bearbeitung von Asbesterzeugnissen mit Arbeitsgeräten,
die deren Oberfläche abtragen, wie z.B.
Abschleifen,
Hoch-oder Niederdruckreinigen oder Abbürsten,
– das Reinigen von Dachflächen aus unbeschichteten
Asbestzementprodukten.
(2) Bei Sanierungs-und Instandhaltungsarbeiten müssen beim Austausch
asbesthaltige Gefahrstoffe nach dem
Stand der Technik durch Stoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse mit einem
geringeren gesundheitlichen Risiko ersetzt werden.
6 Vorsorgemaßnahmen
(1) Vor dem Beginn von Abbrucharbeiten sind asbesthaltige
Produkte nach dem Stand der Technik zu
entfernen und geordnet zu entsorgen. Bei Sanierungsarbeiten sind vor dem
Beginn der Arbeiten asbesthaltige Produkte, soweit notwendig, zu entfernen
sowie geordnet zu entsorgen.
(2) Beim Umgang mit asbesthaltigen Gefahrstoffen am
Arbeitsplatz sind insbesondere folgende
Maßnahmen zu ergreifen:
1. Die Zahl der Arbeitnehmer in den betroffenen
Arbeitsbereichen ist auf das Minimum zu beschränken, das notwendig ist, um die vorgesehenen
Arbeiten durchzuführen.
2. Arbeitsbereiche, in denen mit asbesthaltigen
Gefahrstoffen umgegangen wird, sind von anderen
Arbeitsbereichen deutlich abzugrenzen und nur solchen Arbeitnehmern
zugänglich zu machen, die sie zur
Ausübung ihrer Arbeit oder zur Durchführung bestimmter Aufgaben betreten
müssen. Unbefugten ist das Betreten
durch Verbotszeichen „Halt, Zutritt verboten“ entsprechend der UVV
„Sicherheitskennzeichnung am Arbeitsplatz“ (VBG 125) mit dem zusätzlichen
Hinweis „Asbestfasern“ zu verbieten
(Muster siehe Anlage 2 zu dieser TRGS). Die betroffenen Arbeitsbereiche sind so
zu gestalten, dass ihre Reinigung jederzeit möglich ist.
3. Abgeschottete Arbeitsbereiche, in denen mit
asbesthaltigen Gefahrstoffen umgegangen wird, sind
durch geeignete Warn-und Sicherheitszeichen sowie mit dem Zeichen
„Essen, Trinken und Rauchen
verboten“ zu kennzeichnen.
4. Asbesthaltige Gefahrstoffe sind in geeigneten und nach
Nummer 9.3 Abs. 2 gekennzeichneten Behältern zu lagern, aufzubewahren und zu
transportieren.
5. Abfälle, die asbesthaltige Gefahrstoffe enthalten, sind
in geeigneten und nach Nummer 9.3 Abs. 2
gekennzeichneten Behältern ohne Gefahr für Mensch und Umwelt
zu sammeln, aufzubewahren und zu
entsorgen.
6. Alle Räume, Anlagen und Geräte sind regelmäßig zu
reinigen.
(3) Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Asbestfasern
nach Maßgabe der nachfolgenden Regeln nicht
an andere Arbeitsplätze, in asbestfreie Räume oder in die Außenluft
gelangen können (siehe auch Nummern 7,
14, 15 und 16 dieser TRGS und Asbest-Richtlinien).
7 Sicherheitstechnische Maßnahmen
7.1 (1) Das Arbeitsverfahren ist so zu gestalten, dass
Asbestfasern nicht frei werden, soweit dies nach dem Stand der Technik möglich ist.
(2) Kann durch Maßnahmen nach Absatz 1 nicht unterbunden
werden, dass Asbestfasern frei werden, so
sind diese an der Austritts-oder Entstehungsstelle vollständig zu
erfassen und anschließend ohne Gefahr für Mensch und Umwelt zu entsorgen,
soweit dies nach dem Stand der Technik möglich ist.
(3) Ist eine vollständige Erfassung nach Absatz 2 nicht möglich,
so sind die dem Stand der Technik entsprechenden Lüftungsmaßnahmen zu treffen.
7.2 Ist die Sicherheitstechnik eines Arbeitsverfahrens
fortentwickelt worden, hat sich diese bewährt und erhöht sich die Arbeitssicherheit hierdurch
erheblich, so hat der Arbeitgeber das nicht entsprechende Arbeitsverfahren soweit zumutbar innerhalb
einer angemessenen Frist dieser Fortentwicklung anzupassen.
7.3 (1) Abgesaugte Luft muß so geführt oder gereinigt
werden, dass Asbestfasern nicht in die Atemluft
auch anderer Arbeitnehmer gelangen.
(2) Der Asbestfasergehalt in der ins Freie abgeleiteten Luft
darf 1000 F/m3 nicht überschreiten. Bei den
eingesetzten lufttechnischen Anlagen ist die Einhaltung
dieses Wertes durch Messungen nach VDI 3861 Bl.
2 nachzuweisen
– bei der ersten Inbetriebnahme der Anlagen,
– mindestens in dreijährigem Abstand, soweit keine
Baumusterprüfung nach Absatz 6 vorliegt.
(3) Es ist sicherzustellen, dass der Arbeitsraum mit
ausreichend Außenluft (Frischluft) versorgt wird. Siehe hierzu VDI 2262.
(4) Beim Umgang mit asbesthaltigen Gefahrstoffen ist eine
Rückführung gereinigter Abluft in Arbeitsräume grundsätzlich nicht zulässig.
(5) Beim Umgang mit asbesthaltigen Gefahrstoffen ist, wenn
eine Aufnahme der dabei auftretenden
Asbestfasern nur mit ortsveränderlichen Entstaubern oder
Industriestaubsaugern möglich ist, bei
folgenden Arbeiten abweichend von Absatz 4 eine Reinluftrückführung
zulässig:
– ASI-Arbeiten an Bauteilen und Einrichtungen sowie Maschinen und Geräten in
geschlossenen Räumen,
wenn diese Arbeiten nur geringen Umfangs sind,
– Nebenarbeiten nach Nummer 2.4.
(6) Ortsveränderliche Entstauber oder Industriestaubsauger,
die entsprechend Absatz 5 eingesetzt werden
dürfen, müssen folgenden Anforderungen genügen:
– Die Geräte müssen berufsgenossenschaftlich (Bauartprüfung)
oder behördlich anerkannt sein.
– Der Abscheidegrad für das Filtermaterial oder die
Filterkombination muss mindestens 99,995%
betragen. Der Abscheidegrad wird erfahrungsgemäß erreicht mit Geräten
der Verwendungskategorie K 1 in
Kombination mit einem im Gerät vorgeschalteten C-Filter (Bauartprüfung nach ZH
1/487 in Verbindung mit den
entsprechenden Hinweisen zur Prüfung bzw. DIN VDE 0700 Teil 205). Derartige
Sauger erfüllen auch die Anforderungen des Absatzes 2.
– Bei kleinen Geräten mit einer Leistungsaufnahme bis 1 kW
genügt die Verwendungskategorie K 1 mit
einstufiger Filterung.
– Die Geräte müssen dem Einsatz entsprechend weiteren
sicherheitstechnischen Anforderungen genügen,
z.B. auf Baustellen der Schutzart IP 54 nach DIN 40 050.
(7) Wenn technisch möglich, ist auch die Abluft der
ortsveränderlichen Entstauber ins Freie abzuleiten.
(8) Die lufttechnischen Anlagen (Entstauber,
Industriestaubsauger und Geräte, die zur Entlüftung bzw. Unterdruckhaltung eingesetzt werden) sind
nach Bedarf, mindestens aber einmal jährlich, zu warten, erforderlichenfalls instandzusetzen und durch
einen Gerätesachkundigen zu prüfen. Das Prüfergebnis ist auf Verlangen vorzulegen.
(9) Beim Auf-und Abbau und bei der Instandhaltung (z.B.
Filterwechsel) der bei ASI-Arbeiten eingesetzten
Geräte und Anlagen sind die einschlägigen Vorgaben dieser
TRGS zu beachten.
7.4 (1) Die gleichzeitige Exposition mit anderen
krebserzeugenden Gefahrstoffen ist zu vermeiden.
(2) Für den Antrieb der bei AS-Arbeiten eingesetzten
Maschinen sind möglichst Elektromotoren einzusetzen. Werden Dieselmotoren
eingesetzt, so sind die Emissionen durch laufende Instandhaltung und Abgasfilteranlagen soweit wie möglich zu
mindern.5
7.5 Zum Abschluss der Arbeiten sind Arbeitsgeräte
einschließlich Absaugleitungen, Arbeitsmittel und der Arbeitsbereich (Arbeitsraum) sorgfältig
zu reinigen. Es ist ausreichend zu lüften. Mit Asbestfasern verunreinigte Teile, die nicht gereinigt
werden können, sind anzufeuchten und ordnungsgemäß nach Nummer 13 zu entsorgen, z.B. Dämmstoffe,
Teppichböden.
8 Persönliche Schutzausrüstung
8.1 (1) Der Arbeitgeber hat
1. wirksame und hinsichtlich ihrer Trageeigenschaft
geeignete persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen und diese in
gebrauchsfähigem, hygienisch einwandfreiem Zustand zu halten und
2. dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer nur so lange
beschäftigt werden, wie es das Arbeitsverfahren
unbedingt erfordert und es mit dem Gesundheitsschutz vereinbar ist.
(2) Die Arbeitnehmer müssen die zur Verfügung gestellten
persönlichen Schutzausrüstungen benutzen.
5 TRGS 554 – Dieselmotoremissionen
(3) Vor Beginn der Arbeiten ist vom Arbeitgeber festzulegen,
welche persönlichen Schutzausrüstungen zu
benutzen sind (auf die Nummer 12 wird hingewiesen).
8.2 (1) Das Tragen von Atemschutz darf keine ständige
Maßnahme sein. Auf die Tragezeitbegrenzung
von Atemschutzgeräten nach TRgA 415 wird hingewiesen.6
(2) Als Atemschutzgeräte sind geeignet, sofern bei Ziffer 1 und 2 kein
Sauerstoffmangel zu befürchten ist:
1. bei Asbestfaserkonzentrationen im Arbeitsbereich bis zu
150000 F/m3 (z.B. bei Arbeiten an Asbestzementprodukten, Arbeiten geringen
Umfangs, Probenahmen)
– Halb-/Viertelmasken mit P2-Filter
– partikelfiltrierende Halbmasken FFP2 oder
– Masken mit Gebläse und Partikelfilter TMIP.
2. bei Arbeiten mit höherer Faserkonzentration
– Vollmasken mit Partikelfilter P3. Nach Möglichkeit sind
Masken TM3P mit Gebläseunterstützung
einzusetzen – erforderlichenfalls mit Anwärmung der Einatemluft.
3. beiArbeiternmitFaserkonzentrationengrößerals6000000F/m3
(sofernz.B.trockenes Entfernen von
Spritzasbest unvermeidbar)
– Isoliergeräte mit Vollmaske oder Mundstückgarnitur. Atemschutzgeräte müssen geprüft sein.78
(3) Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass
Atemschutzgeräte sachgerecht gelagert, gereinigt und
instandgehalten werden.9
(4) Atemschutzgeräte dürfen nur außerhalb des durch
Asbestfasern gefährdeten Bereiches auf-und abgesetzt werden.
(5) Bei Arbeiten mit geringer Exposition kann auf das Tragen
von Atemschutz verzichtet werden. Auch bei
diesen Arbeiten kann jedoch die Benutzung z.B. einer P2-Maske, je nach
Art und Häufigkeit der Arbeit,
insbesondere wenn Expositionsspitzen auftreten, sinnvoll sein. Bei
Arbeiten mit geringer Exposition dürfen
Arbeitnehmer ohne Atemschutzgerät nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei
denen es auf Grund des Arbeitsverfahrens,
der Arbeitsorganisation oder der räumlichen oder klimatischen Verhältnisse am
Arbeitsplatz zu einer erhöhten Aufnahme von Asbestfasern
über die Atmungsorgane kommen kann.
8.3 (1) Den Arbeitnehmern sind geeignete Schutzanzüge zur
Verfügung zu stellen und von diesen zu tragen.
Ausgenommen sind Instandhaltungsarbeiten nach Nummern 16.2 Abs. 1, 16.3 Abs. 8,
16.4 Abs.
9, Deponiearbeiten nach Nummer 13.3 Abs. 2 und allgemein
Arbeiten, bei denen die Unterschreitung von
15000 F/m3 nach Nummer 2.10 nachgewiesen ist, sofern kein Körperkontakt
mit dem asbesthaltigen Material besteht.
Einweganzüge sind nach Schichtende entsprechend Nummer 13 zu entsorgen,
Mehrweganzüge gemäß Nummer 9.3 regelmäßig zu pflegen und zu reinigen.
(2) Besteht die Gefahr anderer Verletzungen oder Gesundheitsgefahren,
sind zusätzlich entsprechende
persönliche Schutzausrüstungen zu tragen, z.B. Schutzhelm, Augenschutz,
Handschuhe, Schutzschuhe, Schutzstiefel.
9 Hygienemaßnahmen
9.1 Arbeitnehmer, die beim Umgang mit asbesthaltigen
Gefahrstoffen beschäftigt werden, dürfen in
Arbeitsräumen oder an ihren Arbeitsplätzen im Freien keine Nahrungs-oder
Genussmittel zu sich nehmen. Für diese
Arbeitnehmer sind Bereiche (Pausenbereiche) einzurichten, in denen sie
Nahrungs-oder Genussmittel ohne Beeinträchtigung ihrer Gesundheit durch
asbesthaltige Gefahrstoffe zu sich nehmen können.
9.2 (1) Arbeitnehmern, die beim Umgang mit asbesthaltigen
Gefahrstoffen beschäftigt werden, sind
Waschräume sowie Räume mit getrennten Aufbewahrungsmöglichkeiten für
Straßen-und Arbeitskleidung zur Verfügung zu stellen.
(2) Bei Arbeiten mit asbesthaltigen Gefahrstoffen ist eine
Duschmöglichkeit am Arbeitsort bereitzustellen.
Die Forderung ist z.B. erfüllt beim Einsatz von Personenschleusen mit
Nasszelle nach Nummer 14.1.4. Die Forderung
nach Satz 1 entfällt bei Arbeiten an Asbestzementprodukten im Freien, sofern
diese nicht länger als drei Tage dauern,
und bei Arbeiten geringen Umfangs (siehe Nummer 14.2 Abs. 7).
(3) Arbeits-und Schutzkleidung ist vom Arbeitgeber zu
reinigen. Erforderlichenfalls ist sie geordnet zu entsorgen und vom Arbeitgeber zu ersetzen. 6
TRgA 415 – Tragzeitbegrenzungen von Atemschutzgeräten und isolierenden
Schutzanzügen ohne Wärmeaustausch für Arbeit
7 8. Verordnung zm Gerätesicherheitsgesetz vom 10.6.1992
8 Verzeichnis geprüfter Atemschutzgeräte ZH 1/606
9 Regeln für den Einsatz von Atemschutzgeräten ZH 1/701
9.3 (1) Wird kein Einwegschutzanzug getragen, so hat der
Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass die Mehrwegschutzkleidung oder die
Arbeitskleidung regelmäßig gereinigt wird. Die Mehrwegschutzkleidung bzw.
Arbeitskleidung ist bei Arbeitsunterbrechung, bei Pausen, am Arbeitsende und
beim Verlassen des asbestgefährdeten Bereichs gründlich zu reinigen (Abwaschen
von abwaschbarer Mehrwegschutzkleidung, sonst Absaugen).
(2) Falls Mehrwegschutz-oder Arbeitskleidung nach Absatz 1
zum Waschen abgegeben wird, ist sie in entsprechend gekennzeichneten Behältern
zu sammeln. Die Behälter sind wie folgt zu kennzeichnen: (Abb. siehe Anhang III
Nr. 1 GefStoffV). Der Wäschereibetrieb ist darüber hinaus besonders über die
Gesundheitsgefährdung beim Einatmen von Asbestfasern zu informieren. Die
Wäscherei ist zur Anzeige nach Nummer 3.2 dieser TRGS verpflichtet.
10 Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
(1) Wird am Arbeitsplatz die Asbestfaserkonzentration von
15000 F/m3 überschritten, so dürfen Arbeitnehmer dort nur beschäftigt werden,
wenn sie innerhalb der im Anhang VI GefStoffV genannten Fristen
Vorsorgeuntersuchungen unterzogen worden sind.
(2) Das Benutzen von Atemschutzgeräten befreit nicht von der
Verpflichtung nach Absatz 1.
(3) Auf die Vorschriften der UVV „Arbeitsmedizinische
Vorsorge“ (VBG 100) über nachgehende Untersuchungen und das Tragen von
Atemschutz wird hingewiesen.
11 Beschäftigungsbeschränkungen
(1) Der Arbeitgeber darf Jugendliche mit Arbeiten, bei denen
diese Asbestfasern ausgesetzt sein können,
nicht beschäftigen, auch nicht zu Ausbildungszwecken.
(2) Der Arbeitgeber darf werdende und stillende Mütter mit
Arbeiten, bei denen sie Asbestfasern ausgesetzt
sein können, nicht beschäftigen.
(3) Beim Umgang mit asbesthaltigen Gefahrstoffen dürfen
Arbeitnehmer täglich nicht länger als 8 Stunden
und wöchentlich nicht länger als 40 Stunden – bei Vier-Schicht-Betrieben
42 Stunden pro Woche im Durchschnitt von
vier aufeinanderfolgenden Wochen – beschäftigt werden.
(4) Bei ASI-Arbeiten ist eine leistungsabhängige Entlohnung
unzulässig. (Für Arbeiten an schwach gebundenen Asbestprodukten oder
Instandhaltungsarbeiten an Asbestprodukten gelten spezielle Regelungen.)
17 Weitere Regelungen
– Gefahrstoffverordnung vom 26.10.1993 (BGBl. I S. 1782),
zuletzt geändert am 19.9.1994 (BGBl. I S. 2557)
– TRGS 555 „Betriebsanweisung und Unterweisung“11
– TRGS 507 „Oberflächenbehandlung in Räumen und
Behältern“11)
– Berufskrankheitenverordnung vom 20.6.1968 (BGBl. I S 721),
zuletzt geändert am 18.12.1992 (BGBl. I
S. 2343)
– Verordnung über Arbeitsstätten vom 20.3.1975 (BGBl. I S.
729), zuletzt geändert am 1.8.1983 (BGBl.
I S. 1057), viertes Kapitel „Baustellen“
– Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der
Bekanntmachung vom 14.5.1990 (BGBl. I S. 880),
zuletzt geändert am 22.4.1993 (BGBl. I S. 466)
– Abfallgesetz vom 27.8.1986 (BGBl. I S. 1410), zuletzt
geändert durch das Investitionserleichterungsund Wohnbaulandgesetz vom
22.4.1993 (BGBl. I S. 466)
– Zweite allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz
(TA Abfall)11)
– Dritte allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz
(TA Siedlungsabfall)11)
– Merkblatt der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA)
„Entsorgung asbesthaltiger Abfälle“
– Sicherheitsregeln für Deponien (GUV 17.4)
– UVV „Allgemeine Vorschriften“ (VBG 1)11)
– UVV „Bauarbeiten“ (VBG 37)11)
– UVV „Arbeitsmedizinische Vorsorge“ (VBG 100)11)
– UVV „Gesundheitsgefährlicher mineralischer Staub“ (VBG
119)11)
– UVV „Müllbeseitigung“ (VBG 126)11)
– Richtlinien für Arbeiten in Behältern und engen Räumen –
ZH 1/7711)
– Regelnfür denEinsatz vonAtemschutzgeräten – ZH
1/70111) 11 zu beziehen bei Carl
Heymanns Verlag KG, Luxemburger Str. 449, 50939 Köln
– Rasterelektronenmikroskopisches Verfahren zur Bestimmung
von lungengängigen Fasern – ZH 1/120.4611)
– VDI-Richtlinien 2262, 3492, 3861
– Richtlinien für die Bewertung und Sanierung schwach
gebundener Asbestprodukte in Gebäuden
(Asbest Richtlinien) Fassung Mai 1989 mit den Änderungen und ergänzenden
Bestimmungen vom Dezember 199212
– Merkblatt „Asbest in Elektrospeicherheizgeräten“ der
Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke e.V.
– Merkblatt „Asbest in Elektro-Speicherheizgeräten von
Firmen der ehemaligen DDR“, Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern
Adressen zur Identifizierung und Messung von Asbestprodukten:
Institute:
Batelle Institut e.V., Am Römerhof 35, 60486 Frankfurt
Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitssicherheit –
BIA –, Lindenstraße 80, 53757 St. Augustin
Bautest Gesellschaft für Forschung u. Materialprüfung im
Bauwesen mbH, Welserstr. 1, 41468 Neuss
Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin der
Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, Postfach, 52074 Aachen
Medizinisches Institut für Umwelthygiene, Auf’m Hennekamp,
40223 Düsseldorf
Medizinische Fakultät der Rheinisch-Westfälischen
Technischen Hochschule, Abteilung Hygiene und
Arbeitsmedizin, Neuklinikum, Pauwelsstraße, 52074 Aachen
Technische Überwachungsvereine:
TÜV Baden e.B., Dudenstraße 28, 68617 Mannheim
TÜV Bayern e.V., Ridlerstr. 65, 80339 München
TÜV Hannover e.V., Masurenweg 1–3, 30163 Hannover
TÜV Hessen e.V. TÜH, Landesamt für Umweltschutz,
Mergenthalerallee 27, 65760 Eschborn/Ts
TÜV Norddeutschland e.V., Sylvesterallee 2, 22525 Hamburg
TÜV e.V., Knorrstr. 36, 34121 Kassel
TÜV e.V., Ohmstr. 2–4, 94342 Straßkirchen
TÜV Stuttgart e.V., Gottlieb-Daimler-Straße 7, 70469
Stuttgart
Materialprüfungsanstalten in Deutschland:
Materialprüfungsanstalt für das Bauwesen, MPA Dresden,
Georg-Schumann-Str. 7, 01187 Dresden
Materialforschungs-und Prüfungsanstalt für Bauwesen Leipzig
e.V., MFPA Leipzig e.V., e-mail: mfpafuer bauwesen@metronet.de,
Richard-Lehmann-Str. 19, 04252 Leipzig
Außenstelle Jena der mfpa Weimar, Amtliche Prüfstelle des
Landes Thüringen, e-mail: p5uwge@rz.unijena.de, Löbdergraben 32, 07743
Jena
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), e-mail: info@bam.de,
Unter den Eichen 87, 12205 Berlin
Materialprüfungsamt des Landes Brandenburg, Müggelseedamm
109/111, 12587 Berlin
Materialprüfanstalt Eckernförde (MPA) – Öffentliche
Baustoffprüfstelle – Lorenz-von-Stein-Ring 1–5,
24340 Eckernförde
Amtliche Materialprüfanstalt der Freien Hansestadt Bremen,
e-mail: mpa@mpa-bremen.de, Paul-Feller- Str. 1, 28199 Bremen
Materialprüfanstalt für das Bauwesen Hannover, e-mail:
office@mpa-bau.de, Nienburger Straße 3,
30167 Hannover
iBMB Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz
Materialprüfanstalt für das Bauwesen, e-mail:
mpa@tu-bs.de, Beethovenstraße 52, 38106 Braunschweig
Materialprüfanstalt für Nichtmetallische Werkstoffe –
Betrieb des Landes Niedersachsen – e-mail:
amse@tu-clausthal.de, Zehntnerstraße 2a, 38678 Clausthal-Zellerfeld
Landesmaterialprüfamt Sachsen-Anhalt (LMPA), Große
Steinernetischstr. 4, 39104 Magdeburg
Materialprüfungsamt Nordrhein-Westfalen, e-mail: info@mpanrw.de, Marsbruchstr.
186, 44287 Dortmund
Staatliche Materialprüfungsanstalt Darmstadt, Technische
Universität Darmstadt, e-mail: berger@mpaifw.tu
darmstadt.de, Grafenstr. 2, 64283 Darmstadt
Materialprüfamt für Bauwesen, Fachhochschule Wiesbaden,
e-mail: info@mpa-wiesbaden.de, Kurt- Schumacher-Ring 18, 65197 Wiesbaden
Universität Kaiserslautern Materialprüfamt, e-mail:
mpa@rhrk.uni-kl.de, Gottlieb-Daimler-Str. 60,
67663 Kaiserslautern
Forschungs-und Materialprüfungsanstalt, Baden-Württemberg,
Otto-Graf-Institut (FMPA), e-mail:
fmpapost@po.uni-stuttgart.de, Pfaffenwaldring 4, 70569 Stuttgart
Staatliche Materialprüfungsanstalt, Universität Stuttgart,
e-mail: www@mpa.uni-stuttgart.de, Pfaffenwaldring 32, 70569 Stuttgart
Institut für Massivbau und Baustofftechnologie, Amtliche
Materialprüfungsanstalt Universität Karlsruhe
(TH), e-mail: gd11@rz.uni-karlsruhe.de, Am Fasanengarten, 76131
Karlsruhe
MPA Bau TUM, Materialprüfungsamt für das Bauwesen der
Technischen Universität München, e-mail:
mpa-bau@mpa-bau.bauwesen.tu-muenchen.de, Theresienstraße 90, 80333
München
LGA (Landesgewerbeanstalt Bayern) – Materialprüfungsamt –
e-mail: lga@lga.de, Tillystr. 2, 90431
Nürnberg
mfpa Weimar, Materialforschungs-und Prüfanstalt, an der
Bauhaus Universität, Amalienstr. 13, 99423
Weimar
Im Jahre 1871 wurde Asbest erstmals im großtechnischen
Maßstab verarbeitet. Seit 1933 erschienen
Berichte über die zunehmende Häufigkeit von Lungenkrebs bei
Asbestarbeitern. 1936 wurde die „Asbestose“ als Berufskrankheit anerkannt, 1943
erfolgte die Anerkennung der Asbestose in Verbindung mit Lungenkrebs als Berufskrankheit. Die durch
Asbest verursachten Mesotheliome des Lungen-und Bauchfells konnten erst 1960
entdeckt werden. Es dauerte noch bis 1970, dass Asbest in die Gruppe der
„krebserregenden Arbeitsstoffe“ aufgenommen wurde. Während die Asbestproduktion
zwischen 1960 und 1970 noch auf ca. 200000 Jahrestonnen verdoppelt wurde,
führte erst ab 1980 die zögernde Einführung von
Ersatzprodukten zu einer Senkung der Produktion. Erst 1993 wurde mit der
Novellierung der Gefahrstoffverordnung ein Herstellungs-und Verwendungsverbot
für Asbest und asbesthaltige Zubereitungen
erlassen.
Auszug aus der Gefahrstoffverordnung
(GefStoffV) vom 15. November 1999:
Anhang IV Nr. 1
Asbest
(1) Folgende asbesthaltige Gefahrstoffe dürfen nicht
hergestellt und verwendet werden:
1. Asbest,
2. Zubereitungen, die einen Massengehalt von mehr als 0,1
vom Hundert Asbest enthalten, und
3. Erzeugnisse, die Asbest oder Zubereitungen nach Nummer 2
enthalten.
Asbest sind folgende Silikate mit Faserstruktur:
1. Chrysotil,
2. Amphibol-Asbeste (Aktinolith, Amosit, Anthophyllit,
Krokydolith, Tremolit).
(2) Absatz 1 gilt nicht für
1. die Verwendung asbesthaltiger Gefahrstoffe für
analytische Untersuchungen,
2. die Forschung an asbesthaltigen Gefahrstoffen,
3. Abbrucharbeiten,
4. Sanierungs-oder Instandhaltungsarbeiten an bestehenden
Anlagen, Fahrzeugen, Gebäuden, Einrichtungen oder Geräten mit Ausnahme der
Bearbeitung von Asbesterzeugnissen mit Arbeitsgeräten, die deren Oberfläche abtragen, wie z.B.
Abschleifen, Hoch-und Niederdruckreinigen oder Abbürsten,
5. die Gewinnung, Aufbereitung und Weiterverarbeitung
natürlich vorkommender mineralischer
Rohstoffe, die freie Asbestfasern mit einem Massengehalt von nicht mehr
als 0,1 vom Hundert enthalten.
6. Materialien, die als Vorsatzmaterial im Untertage-Bergbau
verwendet werden und in denen Asbest
mittels hydraulischer Bindung durch Zement oder andere gleichwertige
Stoffe in Fremdkörpern oder in Gebinden
eingeschlossen ist, bei denen eine Freisetzung von Asbestfasern ausgeschlossen
ist,
7. die Verwendung von vor dem 31. Dezember 1994
hergestellten Acetylenflaschen mit chrysotilhaltigen porösen Massen bis zum Ende ihrer
Lebensdauer, wenn eine Exposition der Arbeitnehmer ausgeschlossen ist.
Aus einem Schreiben des Ministeriums für Umwelt und
Gesundheit Rheinland-Pfalz:
Als Mindest-Qualitätskriterium für eine „gesundheitlich
zuträgliche Atemluft“, wie sie z.B. in § 5 Arbeitsstättenverordnung, aber auch
für Innenräume von öffentlichen und privaten Gebäuden gefordert wird,
sollte grundsätzlich die Außenluft herangezogen werden.
Rechtsprechung
Asbest am Arbeitsplatz:
Arbeitnehmer, die am Arbeitsplatz Asbest oder anderen
„besonders gefährlichen krebserregenden
Stoffen“ ausgesetzt sind, dürfen zu Hause bleiben, wenn der Arbeitgeber
die Gefahr nicht abstellen kann, entschied das Bundesarbeitsgericht in Kassel.
Das Gericht begründete dies mit neuen Vorschriften der Gefahrstoffverordnung, wonach Beschäftigte
die Arbeit verweigern dürfen, wenn sie einer „unmittelbaren Gefahr“ für ihre Gesundheit ausgesetzt sind.
Lohn und Gehalt müssen trotzdem weiterbezahlt werden. Sobald es Anzeichen für eine
Gesundheitsgefährdung gibt, liegt dem Urteil zufolge die Beweislast beim Arbeitgeber. Dieser muss nachweisen, dass
eine Gefährdung auszuschließen ist. Weil es bei Asbest keinen sicheren Grenzwert gebe, sei hier bereits
jede Belastung erheblich. Das BAG verhandelte die Klage eines Gebäudetechnikers der Deutschen Welle in
Köln. 1988 ergaben Messungen in den Ende der siebziger Jahre errichtetenGebäudenerheblicheAsbestwerte, die
bis zu 850000 Fasern pro Kubikmeter inden Schächten der Klimaanlage erreichten. Daraufhin zogen
150 Mitarbeiter der Deutschen Welle vor Gericht. Die Klage des Gebäudetechnikers wurde als Musterprozess
bis zum Bundesarbeitsgericht fortgeführt. Die Kasseler Richter wiesen sie allerdings zurück an das
Landesarbeitsgericht. Dort müssen die Richter nun feststellen, welchen Gefahren
konkret der Techniker ausgesetzt ist und ob sich diese durch Sanierung oder
Schutzkleidung abstellen lassen (AZ: 5 AZR 273/93).
Asbestsanierung:
Aufwendungen zur Vermeidung oder Behebung gesundheitlicher
Schäden durch Asbestverseuchung
werden bei der Steuer als außergewöhnliche Belastung
anerkannt. Dieses Zugeständnis hat die Finanzverwaltung den Betroffenen gemacht
(z.B. Verfügung der Oberfinanzdirektion München vom 17.7.1992, S 2284 – 33/4 St
41).
Voraussetzung ist, dass Gesundheitsschäden bereits
eingetreten oder konkret zu befürchten sind. Das muss durch ein ärztliches Attest nachgewiesen
werden. Des Weiteren muss der Zusammenhang mit dem Asbest durch ein Gutachten der zuständigen amtlichen
technischen Stelle (zuerfragenbei denUmweltbehörden) nachgewiesen werden. Bei der Sanierung einer
Wohnung durch teilweise oder vollständige Zerlegung des Gebäudes ist es notwendig, dass durch das
Gutachten nachgewiesen wird, welche Baumaßnahmen im Rahmen der Sanierung erforderlich sind. Die
notwendigerweise anfallenden, unmittelbaren und mittelbaren Aufwendungen kommen
als außergewöhnliche Belastung in Betracht.
Hinsichtlich der Wiederbeschaffungskosten für Kleidung und Hausrat wird
eine außergewöhnliche Belastung nur insoweit anerkannt, als die Kosten
angemessen sind und im Gutachten detailliert nachgewiesen wird, welche Gegenstände auch nach einer
entsprechenden Reinigung nicht wiederverwendet werden können. Wenn in einem konkreten Fall entsprechende
Kosten als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, erlässt das Finanzamt im Hinblick auf
eventuelle Schadensersatzleistungen den betreffenden Steuerbescheid vorläufig.
Miete:
Asbest gilt unwidersprochen als krebserregend. Unbedenkliche
Konzentrationswerte können hier nicht
angegeben werden, so dass bei Vorliegen von Asbestbelastungen der Mieter
die entsprechenden Gewährleistungsrechte geltend machen kann. Insbesondere kann
er die Wohnung fristlos kündigen, wenn der Vermieter nicht die Schadstoffe
beseitigt. Die Baubehörden sind nach den
Bauordnungen der Länder sowie den darauf basierenden Asbest-Richtlinien gehalten,
aus Gründen der Gesundheitsvorsorge die Freisetzung von Asbestfasern zu
unterbinden (vgl. OVG Hamburg WM 91, Heft 10).
Berufskrankheit:
I § 551 Abs. 1 RVO
Die Auslegung der Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO)
betreffend die Anlage 1 Nrn. 4103 bis 4105
hat die Rechtsprechung bisher noch nicht wesentlich gefordert.
Anknüpfend an die Ausführungen von Herrn
Prof. Woitowitz und von Direktor Elster (Mitteilungen der LVA Oberfranken und
Mittelfranken 1985, 485, 489) könnte sie
jedoch einmal vor die Frage gestellt werden, ob im Rahmen der Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKVO die Arbeit mit Asbest als
eine wesentliche Ursache zum Beispiel des Lungenkrebses angesehen werden kann, wenn der Versicherte
durch einen nicht unerheblichen Tabakgenuss die Gefahr, an Lungenkrebs zu
erkranken, um ein Vielfaches erhöht hat. Man wird jedoch davon ausgehen können,
dass die Rechtsprechung auch in diesen Fällen die Asbesteinwirkung am
Arbeitsplatz als ein wesentliche Mitursache der Lungenerkrankung ansehen wird.
Rechtlich entscheidend ist, dass der Raucher mit Asbeststaubeinwirkung wegen
dieser Einwirkung der vielfachen höheren Gefahr, an Lungenkrebs zu erkranken,
ausgesetzt ist als der Raucher ohne Asbeststaubeinwirkung.
Der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat im
Zusammenhang mit einer schweren Spätasbestose und einem Übergewicht und Bluthochdruck des
Versicherten wiederholt, dass der Versicherte grundsätzlich gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten in
dem Zustand geschützt ist, in dem er seine Tätigkeit verrichtet (Urteil vom 22. März 1983 – 2 RU
22/81). Zwar ist der Unterschied zwischen einer Konstitution und der Zufuhr von Nikotin nicht zu
verkennen. Aber das BSG hat in der angeführten Entscheidung nicht als wesentlich
angesehen, worauf der Bluthochdruck oder die Übergewichtigkeit beruhte. Auch
bei einem Raucher wird deshalb die
Asbeststaubeinwirkung als wesentliche Ursache eines Lungenkarzinoms nicht allein deshalb zu verneinen sein, weil das
Rauchen das berufsbedingte Risiko um ein Vielfaches erhöht hat. Unabhängig davon erschiene es auch vom
Ergebnis kaum tragbar, Jahrzehnte nicht und später nicht voll erkannte Gefahren des Asbests und
insbesondere diese Gefahren für Raucher nachträglich allein dem Versicherten aufzubürden. Die
Berufsgenossenschaft hatden Rauchergegebenenfalls gemäߧ3Abs.1 Satz 2 BKVO aufzufordern, die gefährdende
Tätigkeit zu unterlassen.
Argumente für Anerkennung von
asbestassoziierten Erkrankungen:*
Das asbestbedingte Bronchialkarzinom sollte auch ohne eine
zusätzliche Lungen-und Pleuraasbestose als Berufskrankheit entschädigt werden.
Vorliegende Studien belegten, dass ein höheres Lungenkrebssterblichkeits-Risiko
auch ohne eine Lungenasbestose vorhanden sei. Das erklärte Dr. Ulrich
Bolm-Audorff, staatlicher Gewerbearzt in Hamburg, auf einer Veranstaltung der
Ärztekammer in Hamburg. Bolm-Audorff verwies unter anderem auf die Studie von
COUTTS (1987), nach der keine deutliche Korrelation zwischen asbestbedingtem
Bronchialkarzinom und dem Ausmaß der Lungenasbestose festzustellen sei. Deshalb
sei es fraglich, das asbestbedingte Bronchialkarzinom an das Vorliegen einer
Lungenasbestose zu knüpfen. Zusammengefasst nannte Bolm-Audorff folgende
Argumente, die für eine Entschädigung des asbestbe dingten Lungenkrebses ohne
Vorliegen einer Lungen-und/oder Pleuraasbestose sprächen:
● Die Fibrosehypothese muss verlassen
werden;
●
Asbest ist im Tierversuch auch ohne Fibrosezeichen kanzerogen;
● die gentoxischen Wirkungen von Asbest (Induktion
von Chromosomenaberrationen, Hydroxylierung von DNA-Basen);
● die immunsuppressive Wirkung von Asbest
(Inhibition von Fresszellen) sowie die Adsorption von Benzoapyren (BaB) an Asbest, Metabolisierung
von BaB durch Asbest zum ultimalen Kanzerogen.
Auch der Zusammenhang zwischen Asbestexposition und der Tumorentstehung in den
Bereichen Kehlkopf, Magen-Darm-Trakt und dem hämatopoetischen System müsse
weiterverfolgt und ernsthaft diskutiert werden. Eine Anzahl von Studien würden
als Ursache für Kehlkopfkrebs neben Alkohol und Rauchen die Asbestexposition
beweisen. Bei den Magen-und Darmtumoren sei der kausale Zusammenhang mit Asbest noch umstritten, bei Nieren-,
Ovarial-, Penis-und Augen-Ca gebe es dagegen deutliche Hinweise dafür. Fraglich ist, ob Asbest auch Nieren-, Penis-,
Ovarial-und Augen-Ca auslöst.
Kasuistik
1. Fall:*
Ein 66 Jahre alter Arbeiter, der in einem Isolierungsbetrieb
beschäftigt war, hatte 32 Jahre lang Leitungsrohre mit asbesthaltigem
Isolationsmaterial versehen. 1967 trat zum ersten Mal Dyspnoe nach körperlicher
Belastung auf. Es bestand keine Angina pectoris. Die Diagnose einer fortgeschrittenen Asbestose
wurde durch drei voneinander unabhängige Ärzte gestellt. Sie basierte auf
Röntgenaufnahmen, die eine deutliche Veränderung des Lungenparenchyms und der
Pleura zeigten. Die Lungenfunktionsprüfung ergab eine restriktive
Ventilationsstörung. Am 27. Juni 1983
mussten wegen eines hochdifferenzierten Adenokarzinoms ein etwa 20 cm langes
Colonsegment und ein Teil des Mesenteriums reseziert werden. Bei der
histologischen Untersuchung des resezierten Darmabschnittes fanden sich
fibrosierte Areale in der Muskularis. In
der Serosa war das Fettgewebe durch fibrotisches Gewebe verdrängt. Ebenso war
die Serosa des Peritoneums fibrotisch
umgebaut. Asbestkörperchen konnten nicht festgestellt werden. Zur Kontrolle wurden Colonkarzinome von fünf
Patienten, die nie in ihrem Leben gegenüber Asbest exponiert waren,
histologisch untersucht. Fibrinöses Gewebe in der Muskularis oder Serosa wurde
bei diesen Patienten nicht gefunden.
Fünf Gramm des Tumors und des angrenzenden gesunden Darmgewebes wurden lysiert
und über eine Membran filtriert (SMITH,NAYLOR, 1972; CHURG,WARNOCK, 1979). Die mikroskopische Untersuchung der Membran
zeigte danach 54 typische Asbestkörperchen. In einer zweiten Gewebsprobe des gleichen Tumors von
etwa 3 Gramm wurden 30 Asbestkörperchen nachgewiesen. 210 Gramm des bei der Operation resezierten
Mesenteriums und Fettgewebes wurden in Formaldehyd aufbewahrt. Drei Gramm des
Resektats wurden lysiert (SMITH,NAYLOR, 1972; CHURG,WARNOCK, 1979).
Bei der mikroskopischen Untersuchung fanden sich 28 typische
Asbestkörperchen. Eine 2,8 g schwere
Probe des Mesenteriums enthielt 34 Asbestkörperchen. Somit fanden sich
durchschnittlich 10 Asbestkörperchen pro Gramm Feuchtgewicht. Eine quantitative
Analyse von Asbestkörperchen wurde bei Colonkarzinomen unseres Wissens nach
bisher nicht publiziert.
Zwei Gramm des Mesenteriums wurden in
Natrium-Hypochloridlösung transferiert. Das Restgewebe wurde
elektronenmikroskopisch aufgearbeitet. Es fanden sich zahlreiche Asbestfasern
in verschiedenen Gewebeabschnitten. In
allen Fasern, die mikro-chemisch analysiert wurden, konnte das Mineral Amosit
nachgewiesen werden. Amosit ist ein Bestandteil von
Asbestmaterial, das besonders häufig zur Isolation verwendet wird. Die
Konzentration des Amosits in den analysierten Mesenteriumabschnitten betrug
1,06 × 106 Fasern pro Gramm Trockengewicht.
Eine beträchtliche Anzahl von Asbestkörperchen wurde im
Tumorgewebe und im angrenzenden Mesenterium eines Adenokarzinoms des Colons bei
einem Arbeiter nachgewiesen, der berufsbedingt mit Asbest zu tun hatte und bei dem eine Asbestose bekannt
war. Diese Beobachtung bestätigt zahlreiche epidemiologische Untersuchungen, in
denen gezeigt werden konnte, dass eine Exposition gegenüber Asbest mit dem erhöhten Risiko eines gastrointestinalen
Karzinoms assoziiert ist. Sie bestätigt insbesondere die Ergebnisse einer Arbeit (ROSEN et al., 1974), in der
Lysierungsmethoden (SMITH,NAYLOR, 1972; CHURG,WARNOCK, 1979) angewendet wurden, um 21 PE’s von
Adenokarzinomen des Colons im Allgemeinen Patienten gut zu analysieren. In
keiner PE konnten Asbestkörperchen gefunden werden. Asbestfasern und Asbestkörperchen können eingeatmet
oder verschluckt und später in der Mucosa des
Darms nachgewiesen werden (COOK, 1983; MEEK, 1983). In diesem Fall
wurden jedoch Asbestkörperchen auch im
Mesenterium festgestellt (LANGER, 1974; AUERBACH et al. 1980). Diese
Asbestfasern haben möglicherweise die Lamina Propria der Mucosa penetriert,
wurden durch neutrophile Zellen und Makrophagen phagozytiert – mit dem Ergebnis
konsekutiver Fibrose und Asbestkörperchenbildung. Ähnliche Zusammenhänge nach
Asbestexposition sind für die Lunge bekannt (CHRYSTAL et al., 1981). Es ist
denkbar, dass Asbest biologisch aktiv ist, das Colongewebe verletzt und zur
Fibrosierung der Muskularis und Serosa führt. Es fand sich darüber hinaus eine
Verdickung der peritonealen Gewebsschichten des Mesenteriums, die der Pleurafibrose
der pulmonalen Form der Asbestose entsprechen könnte. In einer weiteren Untersuchung, die zum
gegenwärtigen Zeitpunkt durchgeführt wird, soll herausgefunden werden, ob Asbestkörperchen generell häufiger
in lysiertem Gewebe von Colonkarzinomen bei Personen nachgewiesen werden, die berufsbedingt
gegenüber Asbest exponiert waren, als bei Personen einer entsprechenden Kontrollgruppe. Das Ziel der
Untersuchung ist es zu klären, welcher kausale Zusammenhang zwischen dem
Nachweis von Asbestkörperchen im Darm und dem Auftreten von Colonkarzinomen
besteht. Die Ergebnisse dieser Fallbeschreibung weisen auf die Notwendigkeit
einer solchen Studie hin.
*Quelle: EHRLICH,A., ROHL, A.N., HOLSTEIN, E.C.: Nachweis
von Asbestkörperchen in einem Colonkarzinom bei einem Arbeiter eines
Isolierungsbetriebes, JAMA, 2 (1986)
2. Fall*
Über 70 ehemalige Mitarbeiter einer Vellberger
Asbesttextilspinnerei sind nach den Recherchen des in dem hohenlohischen Städtchen praktizierenden
Allgemeinmediziners Dr. Jürgen Hinz den „Asbest-Tod“ gestorben. Hinz geht zudem
von einer hohen Dunkelziffer aus. Viele der Gastarbeiter, die in den 50er
und 60er Jahren am Aufbau der
Bundesrepublik teilnahmen, sind längst in ihre Heimat zurückgekehrt. Ihr Schicksal ist ungewiss. Die Erkrankungen
brechen aber meist erst 20 bis 40 Jahre später aus. 60 der über 70 Männer, die inzwischen
gestorben sind, gehörten bereits 1955 zur Firma, in der damals 240 Menschen beschäftigt waren. Damit sei ein
Viertel der gesamten damaligen Belegschaft „asbestbedingt ums Leben gekommen“, sagte Hinz bei einer
Veranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Schwäbisch Hall. Rund die Hälfte der 70 Toten
sei in den vergangenen sechs Jahren zu beklagen gewesen. Mit weiteren
Todesfällen müsse gerechnet werden. Ein hoher Anteil der Arbeiter der 50er und
60er Jahre sei an Asbestose erkrankt oder müsse mit der Angst leben – „ein
tägliches und beklemmendes Problem in der Sprechstunde“. 1952 öffnete die
Vellberger Asbesttextilspinnerei ihre Pforten. Sie blies den Asbeststaub
ungehindert und ungefiltert in die Luft.
„Man hat ausgesehen, als habe man sich irgendwo in den Federn gewälzt. Es hat
überall durchgestaubt. Die Nase war voller Staub. Wenn man sie geputzt hatte,
dann ist der Staub besser durchgegangen, bis man auf die Idee kam, die Nase
besser nicht zu putzen, denn dann schluckt man nicht soviel Staub“, so eine Arbeiterin, die rund
zweieinhalb Jahre in der Fabrik gearbeitet hatte. Die Frau starb vor wenigen Wochen mit 57 Jahren an
Asbestose.
Auf die Bekämpfung des gefährlichen Asbeststaubes wurde in
den Nachkriegsjahren kein Wert gelegt,
obwohl bereits in den 30er Jahren seine Gefährlichkeit bekannt war,
kritisierte Hinz. „Katastrophal versagt“
habe der Arbeitsschutz in den 50er und 60er Jahren. Die vom Gesetzgeber erst
1973 erlassenen Vorschriften für
Entstaubungsmaßnahmen seien für viele Arbeiter zu spät gekommen. Hinz verweist
darauf, dass die heute weit niedrigeren Werte am Arbeitsplatz immer noch rund
250mal höher sind als die empfohlenen
Richtwerte in üblichen Innenräumen und nennt dies „eine makabre
Diskrepanz“. „Ohne Wenn und Aber“ lehnt
er aus Gesundheitsgründen jegliche Asbestbearbeitung ab. Dies gilt auch für die
neuen Pläne der Firma, die zum Jahreswechsel 1990/91 die Rohasbestverarbeitung
eingestellt hat und künftig im Asbest-Sanierungsgeschäft tätig werden will.
*Quelle: BISSWURM M., Gesundheitspol. 61 (1991)
3. Fall:
Bei einer Routineuntersuchung fand der Arzt einen Schatten
auf der Lunge von Frau A. und empfahl ihr,
einen Spezialisten aufzusuchen. Dessen Diagnose lautete: Asbestose. Die
Büroangestellte konnte sich zunächst gar
nicht erinnern, je etwas mit Asbest zu tun gehabt zu haben. Doch dann fiel es
ihr wieder ein. Ihre ersten drei
Berufsjahre war sie als Arbeiterin in einer Fabrik tätig, eine Bürostelle hatte
sie damals, vor 30 Jahren, noch nicht
gefunden. In der Halle neben ihrem Arbeitsplatz wurde Asbest verarbeitet. Jeden
Tag wurden abends die Tische und Räume gekehrt. Dabei musste sie wegen des
Staubs oft husten, und die
Augen tränten.
4.
Fall:
In hämatologisch-arbeitsmedizinischer Zusammenarbeit wurden
n = 20 Krankheitsverläufe maligner
Tumoren des leukozytären Zellsystems bei Männern nach langjähriger
Asbestfaserstaub-Gefährdung am Arbeitsplatz
kasuistisch-empirisch ausgewertet (FREITAG). Hiervon entfallen zwölf auf
Kohortenmitglieder der Berufskrebsstudie
Asbest (WOITOWITZ et al. 1986) und drei auf Patienten der Hämatologischen
Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg, Hamburg. Fünf Patienten
entstammen dem Krankengut der Poliklinik
für Arbeits-und Sozialmedizin der Universität Gießen. Sämtliche Diagnosen
wurden hämatologisch anhand der bestverfügbaren Information überprüft und wie folgt
bestätigt (Tab. 4).
An Erkrankungen, die dem myeloischen Formenkreis zugerechnet
werden, kam somit lediglich einmal der
Befund der Osteomyelofibrose zur Beobachtung. Die
Asbestfaserstaub-Gefährdung der 20 Patienten lag zwischen 2 und 35 Jahren bei einem Mittelwert
von ¯x = 14 Jahre. Die Latenzzeit betrug 5 bis 35 Jahre bei einem Mittelwert von ¯x = 20,3 Jahren. Die
Patienten waren zum Diagnosezeitpunkt 43 bis 77 Jahre alt ( ¯x = 60,5 Jahre) (FREITAG).
Seit 1966 wird aus den USA kasuistisch über Zusammenhänge zwischen langjähriger
Asbestfaserstaub- Gefährdung am Arbeitsplatz und der Entstehung von
Hämoblastosen berichtet. LIEBEN
berichtete 1966 bei 68 wegen Asbestinhalationsfolgen hospitalisierten Patienten
aus einer Chrysostil-verarbeitenden Firma über den hohen Anteil von 21 malignen
Erkrankungen. Darunter befanden sich 4 Patienten mit Hämoblastosen, und zwar
ausschließlich vom lympho-plasmazellulären Typ. In den Folgejahren beobachteten
ROBINSON et al. weitere 7 Erkrankungen an Non-Hodgkin-Lymphom bei Beschäftigten
dieser Fabrik. GERBER fand 1970 im laufenden Autopsiegut von n = 1334
Obduktionen unter 35 Todesfällen an Asbestose 4 Patienten mit
lymphoplasmazellulären Neoplasien. In einer Fall-Kontrollstudie konnte ROSS
(1982) bei 12 und 28 Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphom eine erhebliche
Asbestfaserstaub-Gefährdung am Arbeitsplatz eruieren. Der Arbeitsgruppe um
KAGAN gebührt das Verdienst, kasuistisch aufgezeigt zu haben, dass es sich bei
den Lympho-plasmazellulären Neoplasien nach Asbestfaserstaub-Gefährdung am
Arbeitsplatz speziell um Neubildungen der B-Zellreihe handelt. Hiermit
übereinstimmend berichtete JACOBSEN, 1987, über 12 Patienten mit
Non-Hodgkin-Lymphom nach erheblicher Asbestfaserstaub-Gefährdung am
Arbeitsplatz, darunter 6 mit dem immunzytologischen Nachweis der B-Zell-Lymphoms.
Die eigene Fallsammlung enthält mit 17:20 Patienten weit überwiegend
lympho-plasmazelluläre Neoplasien.
Die mittlere Gefährdungsdauer beträgt international
übereinstimmend 6 14 Jahre mit Minimalwerten
von 0,5 und Maximalwerten von 37 Jahren. T-und B-Lymphozytenfunktion
eine zunächst präkanzeröse und im Einzelfall nachfolgende maligne Entartung –
speziell der B-Lymphozyten – wesentlich mitursächlich induziert (FREITAG).
Gestützt wird diese Hypothese maßgeblich durch das
Tierexperiment. So konnte beispielsweise SUZUKI
nach intraperitonealer Gabe von Amosit, Chrysotil oder Zeolith bei n =
586 Mäusen 93 peritoneale Tumoren,
darunter 83 Mesotheliome und 6 Plasmocytome nachweisen (SUZUKI). Die
Arbeitsgruppe um ÖZESMI fand nach intraperitonealer Injektion von Zeolith bei n
= 391 Mäusen 41 Mesotheliome, 31
Lymphome und 11 Mesotheliome mit gleichzeitigen Lymphomen (ÖZESMI et
al., 1985). Inkorporierte Asbestfasern können nach FREITAG u.a.:
– in verschiedenen Zielgeweben starke kanzerogene Wirkungen
ausüben,
– z.T. der Lymphdrainage unterliegen und sich in regionalen
Lymphknoten anreichern,
– u.a. eine Dysbalance der T-und B-Lymphozytenfunktion
verursachen,
– im i.p.-Test bei der Maus u.a. maligne
lymphoplasmazelluläre Tumoren induzieren.
Die starke Häufung von 17:20 kasuistisch beobachteten
Hämoblastosen der lympho-plasmazellulären Reihe legt den Schluss ätiologischer
Zusammenhänge nahe (FREITAG). Die mittlere Latenzzeit liegt zwischen 20 und 34
Jahren mit Extremwerten zwischen 4 und 47 Jahren. Die Erkrankung tritt
überwiegend in den höheren Lebensdekaden auf. Einzelne Erkrankungsfälle wurden
jedoch bereits im 3. Lebensjahrzehnt beobachtet.
5. Fall:
Herr J. war neun Jahre als Schichtleiter in einem
nordrhein-westfälischen Isolierbetrieb beschäftigt. Unter seiner Aufsicht wurden in der Werkshalle
lange Asbestteppiche zu handlichen Stücken geschnitten und vernäht, daraus wurden Isolierverkleidungen
für Turbinen und Rohrleitungen hergestellt.
Bei der Arbeit flogen die mikroskopisch kleinen Asbestflusen umher, sie
setzten sich in den Haaren, Kleidern und Atemwegen der Beschäftigten fest. Etwa
zehn Jahre nachdem er den Betrieb verlassen hatte, erkrankte Herr J. an Asbestose, 1973 starb er
50jährig. Wie er sind mittlerweile viele Mitarbeiter asbestbedingten Leiden wie
Lungen-oder Brustfellkrebs (Mesotheliom) zum Opfer gefallen. Auch seine Ehefrau erlag 1986 mit 63 Jahren
einem Brustfelltumor; sie hatte ihres Mannes Arbeitskleidung, Cordhose,
Wolljacke und Kittel, regelmäßig gesäubert und dabei ebenfalls die spitzen
Fasern eingeatmet. Bald erkrankte auch der Sohn an einem Mesotheliom, der
46jährige wurde 1992 beerdigt. Er hatte dem Vater das Mittagessen im Henkelmann
in den Betrieb gebracht und war samstags öfters mitgegangen, wenn der Vater
Überschichten schob.
Die Behörden bestätigten, dass alle drei Familienmitglieder
eindeutig an den Folgen der Asbestbelastung
gestorben sind. Einen Pflegezuschuss für die Mutter, bereits im Jahre
1986 beantragt, lehnte das Bundessozialgericht kürzlich jedoch in letzter
Instanz ab.
Begründung: Die Arbeitskleidung des Mannes zu reinigen sei
schliesslich normale Hausfrauenpflicht.
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