Antidepressiva nicht
wirksamer als Placebos
Die britische Zulassungsbehörde rät explizit vom Einsatz sechs neuerer
Antidepressiva bei Minderjährigen ab.
Zwei Vorwürfen vor allem sehen sich Verfechter
der Arzneien ausgesetzt: Zum einen erhöhten die Mittel, vor allem bei Kindern
und Jugendlichen, das Selbstmordrisiko. Und zum anderen seien sie kaum
wirksamer als Placebos, also Scheinmedikamente. Provokant titelte jüngst das
pharmakritische "Arznei-Telegramm": "Lebensgefährliche
Placebos?" und kam zu dem Fazit: "Trotz jahrzehntelanger Anwendung
sind weder Wirksamkeit noch Sicherheit der verfügbaren Antidepressiva
belegt."
Bruno Müller-Oerlinghausen, Vorsitzender der
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, sekundierte in einem
Leserbrief: "Ich möchte nicht ausschließen, dass wir in Zukunft eine Reevaluation des Stellenwerts von Antidepressiva bekommen,
wie wir sie jetzt beim Thema "Hormone in den Wechseljahren"
erleben."
Es ist ein vernichtender Vergleich, den
der Professor zieht: Die Hormonersatztherapie in den Wechseljahren senkt neuen Studien
zufolge nicht, wie erhofft, die Wahrscheinlichkeit, an Herz-Kreislauf-Leiden zu
erkranken, erhöht aber das Krebsrisiko. Millionen von Patientinnen haben also
Pillen geschluckt, die nicht nur nicht helfen, sondern sogar schaden.
Kaum wirksamer als Placebos?
Zudem
fällt bei Pillen, die auf die Psyche wirken, der Placebo-Effekt besonders stark
ins Gewicht: Allein die Erwartung, dass die Krankheit bekämpft wird, setzt
heilende Kräfte frei. Bei Antidepressiva-Tests macht
der Placebo-Effekt bis zu 80 Prozent der Besserung aus. Selbst kritische
Forscher verzeichnen aber eine darüber hinausgehende Wirkung, die den
Medikamenten zuzuschreiben ist. Nur ist sie aus Sicht der Skeptiker zu klein,
um den Einsatz der Mittel zu rechtfertigen.
Auszug aus Spiegel-online