Amalgamfüllungen bei Wikipedia

== Gesundheitliche Bedenken ==

 

Die Verarbeitung von reinem Quecksilber und der hohe Quecksilbergehalt (ca. 50 %) haben bereits sehr früh eine Diskussion über mögliche Gesundheitsgefährdungen bewirkt, die von der Verwendung von Amalgam als Füllungsmaterial ausgehen könnten. Bereits [[1833]] brach in den USA nach der forcierten Einführung von Amalgam als Füllmaterial der sogenannte „Amalgamkrieg“ aus, der zu einem zeitweiligen Verbot des Amalgam als Füllmaterial führte. In Deutschland flammte eine ähnliche Diskussion in den 1920er Jahren auf. <ref name="Diss_MS">Ingrid Müller-Schneemayer: [http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=971084297&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=971084297.pdf „Die Amalgamkontroverse in den Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts]“</ref>

 

Während dieser sich mittlerweile über fast zweihundert Jahren hinziehenden Debatte konnte eine wesentliche Gesundheitsgefährdung nicht direkt nachgewiesen werden. In der Theorie werden zwei verschiedene Mechanismen der Schädigung angenommen: [[Intoxikation]] (Vergiftung) und [[Allergie]].

 

Menschen, die ''mehrere'' verschiedene (Schwer-)Metalle im Mund haben (z.&nbsp;B. [[Gold]], Amalgam, Silber), weisen erhöhte Quecksilberwerte auf, da durch die im Mund stattfindende [[Elektrolyse]] Quecksilber[[ion]]en aus dem Amalgam gelöst werden und im Mundraum „herumwandern“. Ferner treten im Mund [[Korrosion]] und [[Abrasion (Zahnmedizin)|Abrasion]] auf und die Bestandteile der Verbindung – bei Zahnfüllungen sind auch die Schwermetalle Kupfer und Zinn darunter – gelangen in den Organismus. Quecksilber wird vor allem in Form von Quecksilberdampf aufgenommen (BfArM 2005, S.8 <ref name="BfArM-Broschüre"/>).

 

Bei der Aufnahme von Quecksilber kommt es zu vermehrter Ausscheidung im Urin und zur Einlagerung von Quecksilber im Körper, vor allem im Fettgewebe. Dies ermöglicht die neurotoxische Wirkung des Schwermetalls, denn [[Nervengewebe]] ist u.&nbsp;a. von Fett umgeben. In Tierversuchen sammelte sich radioaktiv markiertes Quecksilber aus Zahnamalgam in der Niere, der Leber, den Basalganlien, dem Kieferknochen und langfristig im Gehirn an.<ref>Hahn, L.J. / Kloiber, R. / Vimy, M.J. / Takahashi, Y. / Lorscheider, F.L.: Dental „silver" tooth fillings: A source of mercury exposure revealed by whole-body image scan and tissue analysis, In: FASEB Journal 3 1989, S. 2641-2646; Hahn, L.J. / Kloiber, R. / Leininger, R.W. / Vimy, M.J. / Lorscheider, F.L.: Whole-body imaging of the distribution of mercury released from dental fillings into monkey tissues, In: FASEB Journal 4 1990, S. 3256-3260.</ref> Bei verstorbenen Kindern wurde in mehreren Studien eine exakte Korrelation zwischen der Anzahl der Amalgamfüllungen der Mutter und den jeweiligen Quecksilberspeichern im kindlichen Gehirn nachgwiesen.<ref>Drasch, G. / Schupp, I. / Höfl, H. / Reinke, R. / Roider, G.: Mercury burden of human fetal and infant tissues, In: European Journal of Pediatrics 153 1994, S. 607-610; Daunderer, M.: Säuglingstod durch

mütterliches Amalgam, In: Deutsches Ärzteblatt 102 11 2005, S. A-764.</ref> Keim (2000) fand bei den gemessenen Werten in Zellstudien eine beginnende reaktive Astrogliose - die ersten Anzeichen einer toxischen Schädigung von Nervenzellen.<ref>Keim, C.T.: Die Auswirkungen chronischer prä- und postnataler Quecksilberbelastung auf die Stärke der reaktiven Astrogliose in der Medulla Oblongata innerhalb der ersten 24 Lebensmonaten des Menschen - eine Untersuchung an 76 Leichen, Diss. Berlin 2000.</ref> Die Problematik liegt hierbei in der Plazentagängigkeit des Quecksilbers und der damit ermöglichten pränatalen Einlagerung von Quecksilber in das kindliche Gehirn.

 

Das [[BfArM]] empfiehlt daher, bei Schwangeren und auch bei Nierengeschädigten auf die Verwendung von Amalgam zu verzichten (BfArM 2005, S.&nbsp;17 <ref name="BfArM-Broschüre"/>).

 

In jüngster Zeit werden vor allem Reaktionen bei Allergikern und systemische Schäden durch elektrochemische Effekte vermutet. So wird z.&nbsp;B. im Reagenzglas die Toxizität von Quecksilber etwa um den Faktor 10.000 erhöht, wenn es mit [[Aluminium]] vermischt wird. Diese Tatsache führt in vielen Staaten mittlerweile dazu, dass gleichzeitig aluminium- und quecksilberhaltige [[Impfstoff]]e (Beispielsweise enthalten in den Konservierungsstoffen [[Thiomersal]] oder [[Timerfonat]]) nach und nach vom Markt entfernt werden. Ein Problemszenario wäre konkret der Fall, in dem bei einem Amalgamträger, der mindestens eine Goldfüllung besitzt und gerade wegen einer Weltreise mit multiplen Impfungen behandelt wurde, erhöhte Quecksilberwerte nachgewiesen werden.

 

Amalgam gilt allerdings als das Füllungsmaterial mit dem niedrigsten Allergiepotential. Eine Allergie auf Amalgam ist sehr selten. Allerdings kann ein im Säuglingsalter (Alter&nbsp;<&nbsp;1&nbsp;Jahr) durch quecksilberhaltige Impfungen (siehe oben) sensibilisierter Mensch mit höherer Wahrscheinlichkeit besagte Quecksilberallergie entwickeln.

 

Die Quecksilberallergie ist in der Regel eine zelluläre Sensibilisierung vom Typ&nbsp;IV (Spättyp). Aus diesem Grund kann eine Allergie gegen Quecksilber mittels Kurzzeit[[epikutantest]] auf der Haut in der Regel nicht festgestellt werden. Dieses ist aber mit einem Langzeitepikutantest oder einem [[Lymphozytentransformationstest]] möglich.

 

Im Jahre 1997 wurde zum Umgang mit Quecksilberamalgam ein Konsenspapier des [[Bundesgesundheitsministerium]]s, des BfArM sowie diverser zahnärztlicher Gesellschaften und Institutionen veröffentlicht <ref>Konsenspapier [http://www.dgzmk.de/index.php?site=Restaurationsmaterialien „Restaurationsmaterialien in der Zahnheilkunde“]</ref>. Ähnliche Empfehlungen kamen in den letzten Jahren von der EU. Im Dezember&nbsp;2004 erschien eine Studie des "Life Sciences Research Office" der USA: Eine Auswertung aller Forschungsarbeiten seit 1996 fand keinen Nachweis der Gefährdung durch Amalgamfüllungen <ref>Pressemitteilung der LSRO zur Studie [http://www.lsro.org/presentation_files/amalgam/amalgam_pressrelease.pdf „LITTLE EVIDENCE TO LINK MERCURY FILLINGS TO HUMAN HEALTH PROBLEMS“]</ref>.

 

Eine aktuelle und umfassende Literaturstudie des Instituts für Krankenhaushygiene der Universitätsklinik Freiburg kam dagegen zu dem Schluss: „''Aufgrund der Berücksichtigung aller verfügbaren Daten kann Amalgam weder medizinisch, arbeitsmedizinisch noch ökologisch als sicheres Zahnfüllungsmaterial bezeichnet werden.''“ <ref>J. Mutter, J. Naumann, H. Walach, F. Daschner: [http://www.amalgam-info.ch/Amarisk5.pdf „Amalgam: Eine Risikobewertung unter Berücksichtigung der neuen Literatur bis 2005“]</ref>

 

Die Diagnostik von Quecksilbervergiftungen umfasst Blut-, Urin- und/oder Stuhluntersuchungen. Speicheltests und Haaranalysen gelten als unzuverlässig und werden nicht empfohlen. <ref>[http://arbmed.med.uni-rostock.de/bkvo/m1102.htm Merkblatt zur BK Nr. 1102: Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen]</ref>

<ref>[http://www.medweb24.de/Lexikon///Infoframe/q/Quecksilber.htm Laborlexikon: Amalgam]</ref>

<ref>[http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/002-023.htm AWMF: Umweltmedizinische Leitlinie: Quecksilber]</ref> Biopsien und weitere Untersuchungen von operativ entferntem Körpermaterial (z.B. Zahnwurzeln), die bei chronischer Aufnahme geringer Quecksilbermengen eine zuverlässigere Aussage über die Gesamtbelastung des Organismus zuließen"<ref>Mutter, J. / Naumann, J. / Sadaghiani, C. / Walach, H. / Drasch, G.: Amalgam studies. Disregarding basic principles of mercury toxicity, In: International Journal of Hygiene and Environmental Health 207 2004, S. 391-397.</ref>, werden kaum verwendet.

Bei einer nachgewiesenen akuten Quecksilbervergiftung sollte der Einsatz von [[Chelat]]bildnern wie [[DMPS]] und [[DMSA]] erwogen werden. Diese bilden mit Quecksilber- und anderen Metallatomen wasserlösliche [[Komplex (Chemie)|Komplex]]e, die dann über den Urin oder Stuhl ausgeschieden werden können. Diese Behandlung kann jedoch zu massiven Nebenwirkungen durch Ausscheiden notwendiger Spurenelemente führen.

 

Eine neuere Studie der Technischen Universität München kommt zu dem Ergebnis, dass eine Amalgamentfernung die Spiegel an anorganischem Quecksilber senkt, die subjektiven Beschwerden jedoch sowohl durch die Entfernung als auch durch allgemeine Gesundheitsmaßnahmen ohne Amalgamentfernung positiv beeinflusst werden können. Eine zusätzliche „biologische Detoxifikation“ mit Vitaminen und Spurenelementen erbrachte in der Amalgamentfernungsgruppe keine zusätzliche Verbesserung.<ref>Melchart D et al. Treatment of health complaints attributed to amalgam. J Dent Res. 2008 Apr;87(4):349-53. PMID 18362317</ref> Die Studie selbst wurde stark kritisiert.<ref>Baehr, V. von: Stellungnahme zu den Ergebnissen aus dem Lymphozytentransformationstestungen (LTT) auf anorganisches Quecksilber und andere Legierungsbestandteile im German Amalgam Trial (GAT), In: Umwelt-Medizin-Gesellschaft 21 3 2008, S. 256-257.</ref> Insbesondere die Organspeicher wurden bei den Probanden nicht untersucht, was darauf hindeutet, dass die Autoren die "grundsätzlichen Prinzipien der Quecksilbertoxizität"<ref>Mutter, J. / Naumann, J. / Sadaghiani, C. / Walach, H. / Drasch, G., Amalgam studies. Disregarding basic principles of mercury toxicity, In: International Journal of Hygiene and Environmental Health 207 2004, S. 391-397.</ref> übersahen. Das methodische Design erschien in einer umfassenden Rückschau auf die Entstehung der Studie fehlerhaft.<ref>Mutter, J.: Ist Amalgam unschädlich? Stellungnahme zur "Münchener Amalgamstudie", In: Umwelt-Medizin-Gesellschaft 21 3 2008, S. 224-229.</ref> Melchart et al. schreiben selbst, dass die Auswahl der Probanden nicht repräsentativ für die Gesamtpopulation aller Amalgamträger ist (S. 353).

 

In der Diskussion nahezu unbeachtet blieb bisher, dass innerhalb des menschlichen Organismus auch das weitaus giftigere organische Quecksilber entstehen kann. Diese so genannte Methylierung aus Amalgamen geschieht sowohl durch Mundbakterien<ref>Heintze, V. / Edwardson, S. / Derand, R. / Birkhead, D.: Methylation of Mercury from Dental Amalgam and Mercuric Chloride by Oral Streptococci in Vitro, In: Scandinavian Journal of Dental Research 91 2 1983, S. 150-152.</ref>, als auch durch Darmbakterien.<ref>Rowland, I.R. / Grasso, P. / Davies, M.J., The Methylation of Mercuric Chloride by Human Intestinal Bacteria, In: Experientia 31 1975, S. 1064-1065.</ref> Zudem konnten hohe Dosen von Vitaminen im Tierversuch die Aufnahme des umgewandelten Quecksilbers ins Gehirn stark beschleunigen.<ref>Zorn, N.E. / Smith, J.T., In vivo methylation of inorganic mercury in guinea pigs, In: Biochemical Archives 141 4 1989, S. 141-146.</ref> Methylquecksilber konnte auch bei Amalgamträgern nachgewiesen werden, bei denen der Konsum von Fisch ausgeschlossen wurde.<ref>Schiwara, H.-W., Daunderer, M., Kirchherr, H. et al. Bestimmung von Kupfer, Quecksilber, Methylquecksilber, Zinn, Methylzinn und Silber in Körpermaterial von Amalgamträgern. Klinisches Labor 38 1992, S. 391-403.</ref>

 

[[Bild:Amalgam_filling.JPG|thumb|Amalgam-Füllung im Röntgenbild]]