Die Amalgam-Kontroverse:Was steckt wirklich dahinter?

 

Seit mehr als 170 Jahren verwendet die Zahnmedizin Amalgam. Es ist preisgünstig, leicht modellierbar und auch langlebiger als Kunststofffüllungen. Doch Amalgam besteht zu rund 50 % aus dem giftigen Schwermetall Quecksilber. Und immer mehr Studien zeigen, dass zahlreiche Krankheiten, darunter schwere Leiden wie Alzheimer und Multiple Sklerose, durch das aus den Amalgamfüllungen austretende Quecksilber zumindest mit verursacht werden können. Dennoch findet Amalgam nach wie vor in den allermeisten Ländern Verwendung. Auch deutsche Patienten bekommen immer noch Jahr für Jahr die quecksilberhaltigen Füllungen kiloweise in ihre Löcher gelegt. Der Grund dafür ist, dass die Befürworter von Amalgam die entscheidenden Kämpfe im „Amalgamkrieg“, der in der wissenschaftlichen Literatur, den Massenmedien, vor Gerichten und in Zahnarztpraxen geführt wird, letztlich immer wieder für sich entscheiden konnten.

 

Einen Meinungskampf um Amalgam gibt es seit Anbeginn seiner Verwendung. 1831 hatten die französischen Brüder Crawcour ihr „revolutionäres“ Füllungsmaterial aus metallischem Quecksilber und gefeilten Silbermünzen in London angeboten – so erfolgreich, dass zwei der Brüder nach New York gingen und dort 1833 Amalgam als billige Alternative zu Goldlegierungen bekannt machten. Ohne jede medizinische Ausbildung, aber in einer eleganten Praxis füllten sie die Mischung aus Silber und Quecksilber in die kariösen Zahnlöcher ihrer Patienten. In kurzer Zeit hatten die Crawcours dadurch ein Vermögen gemacht, und ihre mühelose und einträgliche Behandlungsweise fand schnell Nachahmer. Doch als Folge der Verwendung von Amalgam wurden Vergiftungssymptome, Zahnfleischerkrankungen und andere Leiden beobachtet, so dass sich zunehmend Widerstand von Seiten vieler Zahnärzte regte – bis es 1840 schließlich zum Verbot von Amalgam kam. Die im selben Jahr gegründete American Society of Dental Surgeons schloss sogar Mitglieder aus, die Amalgam verwendeten. Doch der Widerstand der ausgeschlossenen Mitglieder, die sich zu der heute mächtigsten Zahnärztegesellschaft American Dental Association (ADA) zusammenschlossen – mit dem Ziel, die Verbreitung von Amalgam zu fördern – wurde größer. Auch wuchs der wirtschaftliche Druck, da die Karieshäufigkeit infolge des stark vermehrten Konsums von nun billigem Zucker rapide zunahm. Und so wurde das Verbot 1855 wieder aufgehoben.

 

Großer Widerstand der Zahnärzteverbände

Seither haben seriöse Wissenschaftler immer wieder versucht, auf die Giftigkeit von Amalgam aufmerksam zu machen. „In den 1930-er Jahren etwa zeigte Prof. Alfred Stock, Leiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie in Berlin und selber Betroffener einer Quecksilbervergiftung, in Studien auf, dass Quecksilber aus Amalgamfüllungen austreten kann und vom Körper aufgenommen wird“, so Dr. Joachim Mutter, Umweltmediziner von der Universität Freiburg und Amalgamexperte sowie Autor des Buches „Amalgam – Risiko für die Menschheit“. „Er riet daher, auf Amalgam zu verzichten.“ Stock damals: „Es wird einmal festgestellt werden, dass die Verwendung von Amalgam ein schweres Vergehen an der Menschheit war.“ Doch es kam bald zum Protest der deutschen Zahnärzteschaft. Und bis heute ist es den Amalgambefürwortern immer wieder gelungen, die Kritik an Amalgam zum Verstummen zu bringen.

Erst  kürzlich konnten die Befürworter wieder bedeutendes Terrain gutmachen. So sollte die Kommission der Europäischen Union vor einigen Monaten darüber befinden, ob der Gebrauch von Amalgam EU-weit untersagt werden soll. Norwegen z. B. hat Anfang 2008 ein solches Verbot ausgesprochen, und Dänemark und Schweden wollen dieses Jahr noch nachziehen. Doch die EU-Kommission rang sich nicht dazu durch, ein solches Verbot zu erlassen. Amalgam sei, wie es hieß, letztlich unbedenklich.

 

Die Münchener Amalgamstudie 2008

Auch die Münchener Amalgamstudie sorgte im April dieses Jahres für Schlagzeilen. Diese Arbeit wurde vom Zentrum für naturheilkundliche Forschung am Klinikum rechts der Isar von der TU München, von der toxikologischen Abteilung der Universitätsklinik, von der Universitätszahnklinik und vom Helmholtz-Zentrum Neuherberg (ehemals GSF-Forschungszentrum) durchgeführt – und z. B. von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit der Headline „Austausch von Amalgam meist unnötig" kommentiert. Die Süddeutsche Zeitung gab ebenso „Entwarnung in aller Munde".

Doch wer sich mit der EU-Entscheidung und den Schlagzeilen im Zusammenhang mit der Münchener Amalgamstudie ernsthaft auseinandersetzt und die Fakten aussortiert, reibt sich die Augen. Quecksilber – der Hauptbestandteil von Amalgam – gilt als das giftigste nicht-radioaktive Material und ist um ein Vielfaches giftiger als andere schwere Nervengifte wie Blei und Arsen. „Quecksilber wurde aus allen sonstigen medizinischen Anwendungen verbannt [Anm.. d. Red.: Mit Ausnahme einiger Impfstoffe], warum also sollten wir annehmen, dass es ungefährlich ist, sobald es in den menschlichen Mund implantiert wird?“, so Richard Fischer, ehemaliger Präsident der International Academy of Oral Medicine & Toxicology (IAOMT), in einer Aussage vor dem US-Repräsentantenhaus. Darüber hinaus wurde die Freisetzung von Quecksilber aus Amalgam vor allem in Form von Dämpfen, die wohlgemerkt unsichtbar, geschmack- und geruchlos sind, sowie dessen Speicherung in den Organen in zahlreichen Forschungsarbeiten belegt. Diese Studien – allerdings im Rahmen von makabren Tier- und Menschenversuchen durchgeführt – wurden in wissenschaftlich anerkannten Fachjournalen veröffentlicht. Als Beispiele seien hier genannt:

Einen Beitrag, der eindeutig die Unschädlichkeit von Amalgam beweisen könnte, sucht man in der wissenschaftlichen Literatur hingegen vergeblich.

Auch die Münchener Amalgamstudie liefert diesen nicht – allen Medienschlagzeilen zum Trotz. Schon in der Überschrift des Pressetextes von Anfang April steht keine Aussage, sondern nur eine Frage: „Amalgam – schädlich oder ungefährlich?“ Und im Lauftext der Mitteilung wird der Studienleiter, Prof. Dieter Melchart, mit der Kernaussage zitiert: „Eine eindeutige Aussage, ob Amalgam gefährlich oder harmlos ist, können wir nicht machen.“ Wie aber, fragt man sich, kann es dann sein, dass selbst bedeutende Medien wie die Süddeutsche Zeitung oder die FAZ zu dem Schluss kommen, die Studie belege, dass Amalgam letztlich ungefährlich sei? „Der Streit, ob Amalgam nun schädlich oder nicht schädlich ist, wurde in der Presse mit dem Tenor 'allgemeine Entwarnung' verkürzt dargestellt“, so Prof. Melchart. „Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse unserer Studien keinen Beleg für eine absolute Sicherheit des Füllstoffs enthalten.“ Sprich, die Medien haben nicht genau hingeschaut. Dies zeigt sich auch an Aussagen wie die in der SZ, die die Arbeit als Langzeitstudie pries: „Zwölf Jahre lang spürten Wissenschaftler von der TU München den Folgen des Amalgams nach. Ihr Fazit beruhigt.“ Tatsächlich aber ist diese „Formulierung missverständlich“, wie auch Prof. Melchart sagt, denn das Forschungsprojekt dauerte zwar zwölf Jahre, einzelne Patienten wurden aber maximal 18 Monate beobachtet.

Derweil hat auch die TU München ihren Teil zur „allgemeinen Entwarnung“ in Sachen Amalgam beigetragen. So gab der Zahnprofessor Reinhard Hickel, Mitautor der Studie, gegenüber den Medien kund: „Es gibt keinen Grund, eine intakte Amalgamfüllung zu entfernen.“ Und: „Mit Sicherheit besteht kein Zusammenhang zwischen viel Amalgam im Mund und hohen Beschwerden.“ Prof. Hickel brachte es mit diesen Aussagen sogar bis zu Spiegel Online oder auch in die Zeitschrift Schrot&Korn. Doch diese Aussagen lassen sich aus den Ergebnissen der Forschungsarbeit gar nicht ableiten, allein weil diese ja auch laut Studienleiter Prof. Melchart keine „eindeutige Aussage [darüber zulässt], ob Amalgam gefährlich oder harmlos ist“.

Diese Vorgehensweise ist unsauber, zumal erschwerend hinzukommt, dass die Pressemitteilung versandt wurde, bevor einige der insgesamt fünf Studienteile (Projekt I und III) in einem Peer reviewed Journal, das die Studienqualität durch unabhängige Gutachten bestätigt, veröffentlicht worden waren. Dies stellt eine schwere Verletzung der wissenschaftlichen Etikette dar, weil der Wissenschaftlergemeinde dadurch die Möglichkeit verwehrt wurde, die Ergebnisse der Münchener Amalgamstudie in Gänze einzusehen und entsprechend Stellung zu nehmen.

Die Aussage von Prof. Hickel, wonach „mit Sicherheit“ kein Zusammenhang bestehe zwischen viel Amalgam im Mund und hohen Beschwerden, ist im Übrigen schlicht unmöglich, weil sich die Studie mit „hohen Beschwerden“, sprich schweren Krankheiten, gar nicht befasst hat. Doch gerade für deren Entstehung wird Amalgam von Wissenschaftlern ja (mit)verantwortlich gemacht. Zu solchen Leiden zählen Multiple Sklerose, Alzheimer, Parkinson, Bluthochdruck, Schilddrüsenerkrankungen, Krebs, Allergien, Entzündungen, Autismus, Fehlgeburten, Unfruchtbarkeit, Autoimmunerkrankungen, Morbus Crohn und auch Colitis Ulcerosa. Dr. Wolfgang Weidenhammer, der an der Münchener Amalgamstudie mitwirkte, bestätigt auf Nachfrage: „Ob diese Erkrankungen Folge der Amalgambelastung sind, wurde nicht untersucht. Dazu wären zusätzliche aufwändige Fall-Kontroll-Studien nötig.“

 

Beschwerden nach Amalgam-Entfernung

Dennoch liefert die Münchener Amalgamstudie einige erwähnenswerte Ergebnisse. Studienprojekt I etwa ergab, dass Amalgam im Reagenzglas (in vitro) Blutzellen messbar beeinträchtigt. Zusätzlich wurde bei Nieren-, Nerven- und Leberzellen durch Quecksilber die Resistenz gegen andere Umweltgifte vermindert. Was umso bemerkenswerter ist, wenn man bedenkt, dass für dieses Projekt I „nur“ anorganisches Quecksilber verwendet wurde, das deutlich weniger giftig ist als der tatsächlich aus den Amalgamplomben austretende Quecksilberdampf. Dieser Dampf spielt bei Amalgamträgern wohlgemerkt die Hauptrolle. „Quecksilberdampf ist merklich toxischer, weil es leichter durch die Zellmembran in das sensible Zellinnere gelangen kann als anorganisches Quecksilber“, so Dr. med. Joachim Mutter. „Zudem überwindet der Quecksilberdampf leicht die Blut-Hirn-Schranke und gelangt dort u. a. in das Zellinnere des Zentralnervensystems, was für anorganisches Quecksilber praktisch nicht möglich ist. Innerhalb der Zelle wird der Quecksilberdampf schließlich durch Enzyme zum anorganischen Quecksilber-Ion Hg2+ oxidiert, was in der Folge intrazelluläre Strukturen in ihrer Funktion hemmen oder diese gar zerstören kann.“

Die Verfasser der Studie relativieren das Projekt I unterdessen mit der Aussage, dass die Ergebnisse nicht auf den Menschen übertragbar seien. Wieso aber wurde Projekt I dann überhaupt angefangen bzw. durchgeführt, zumal diese Art von Experiment in der Medizin und Pharmakologie eine wichtige Forschungsgrundlage darstellt? Auf diese Frage war keine Antwort zu bekommen.

Bei einem weiteren Teil der Studie (Projekt III) wurde der Gesundheitszustand von 137 Patienten, die im Schnitt 39 Jahre alt waren, untersucht, nachdem ihnen ihr Amalgam entfernt worden war. Der Beobachtungszeitraum waren die zwölf Monate nach der Amalgamentfernung. Die Patienten hatten im Schnitt knapp 19 Amalgamfüllungen, und sie klagten über eine Reihe von Beschwerden – von allgemeiner Mattigkeit über rasche Ermüdung bis hin zu Kopfschmerzen (36 %). Die Beschwerden nahmen nach der Amalgamsanierung ab, und zwar sowohl quantitativ als auch von der Intensität her. Dies deutet darauf hin, dass eine Amalgamentfernung verschiedene Beschwerden zu einem hohen Prozentsatz dauerhaft mindern kann. Zumal zwar 81 % der Studienteilnehmer eine „Ausleitung“ durchführten, dabei aber lediglich Selen, Zink, Knoblauch und Vitamine erhielten – was definitiv nicht als effektive Ausleitung bezeichnet werden kann. Diese ist nur möglich mit Mitteln (Chelatbildnern) wie DMPS, DMSA, Glutathion, Koriander und Chlorella-Algen.

Die Beschwerden nahmen zudem meist während und kurz nach der Amalgamentfernung zu. Die Autoren können dies „nicht nachvollziehen“. Eine plausible Erklärung wäre jedoch, dass dieses Phänomen zustande kam, weil bei der Entfernung nicht konsequent alle optimalen Schutzmaßnahmen angewendet worden waren. „Rund die Hälfte der schwerkranken Patienten, die etwa unter Multipler Sklerose leiden und denen ich bei der Schwermetallausleitung zur Seite stehe, berichten, dass sie erst dann richtig krank wurden, nachdem man ihnen ihre Amalgamplomben ohne entsprechende Schutzmaßnahmen herausgebohrt hatte“, berichtet Dr. Mutter. So wäre es vor allem wichtig gewesen, den Patienten Atemschutzmasken (luftdicht, inklusive Anschluss an eine Sauerstoffflasche) aufzusetzen, um zu verhindern, dass der beim Ausbohren entstehende Quecksilberdampf über die Nase zurück zum Patienten findet. Dass dieser Schutz fehlte, könnte ebenfalls erklären, weshalb die Beschwerden bei der Gruppe, bei denen Amalgam entfernt worden war, weniger stark zurückgingen, als möglich gewesen wäre.*

 

Quecksilber nicht im Urin nachweisbar

Die Verfasser der Studie versuchten im Übrigen auch, das Verhältnis von Anzahl an Amalgamfüllungen zum Quecksilbergehalt im Blut zu messen. Doch in der Fachliteratur ist hinreichend dokumentiert, dass es keinen Sinn macht, den Quecksilbergehalt in Körperflüssigkeiten wie Blut oder Urin zu messen und daraus eine mögliche amalgambedingte chronische Quecksilbervergiftung abzuleiten. So kann Nierengewebe mehr als 1000-mal so viel Quecksilber enthalten wie Urin. Belegt wird dies durch die eingangs erwähnten Studien an Toten genau wie durch eine umfassende Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Und selbst das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das nicht unbedingt für eine besonders kritische Haltung gegenüber der Chemie- und Pharmaindustrie bekannt ist, schreibt 1995 in einer Reaktion auf ein Gutachten, das Prof. Stefan Halbach, einer der Mitautoren der Münchener Studie, damals im Auftrag der Amalgamindustrie vorgelegt hatte: „Auch aus Blut- und Urinuntersuchungen können nicht ohne weiteres Voraussagen über die toxischen Wirkungen durch die Aufnahme von Quecksilberdampf im Niedrigdosisbereich getroffen oder gesicherte Rückschlüsse auf die innere Quecksilbergesamtbelastung des Individuums aus Amalgamfüllungen gezogen werden.“

 

Wissenschaftler im Interessenskonflikt

Es drängt sich die Frage auf, ob alle an der Studie beteiligten Wissenschaftler frei von Interessenskonflikten sind. Schenkt man der TU München Glauben, so „haben alle Autoren der Hauptstudie im Rahmen der Publikation im Journal of Dental Research erklärt, dass für sie keine Interessenskonflikte bestehen“. Zu den Autoren zählt aber auch der bereits erwähnte Prof. Halbach, dessen Unabhängigkeit nicht nur angezweifelt wird, weil er ein bekannter Gutachter der Amalgamindustrie ist. Auch hat er eine enge Verbindung zu den Zahnärzteverbänden, die Amalgam vehement verteidigen. Darüber hinaus ignoriert Prof. Halbach toxikologische Basisfakten. So behauptet er, Quecksilber sei kein Speichergift – und nicht Amalgam stelle die größte Quecksilberquelle für den Menschen dar, sondern die Umwelt und Nahrung (vor allem Fisch). Ein Standpunkt, der erwiesenermaßen falsch ist und selbst von den amalgambefürwortenden Behörden nicht vertreten wird.

Erwähnenswert ist außerdem die u. a. von Prof. Halbach und Prof. Hickel – beide wie erwähnt Mitautoren der Münchener Studie – verfasste Gegendarstellung auf das so genannte Kieler Amalgamgutachten. Dieses wurde 1997 vom damaligen Frankfurter Staatsanwalt Erich Schöndorf beim Institut für Toxikologie der Universität Kiel in Auftrag gegeben, um die Risiken von Amalgam abzuklären. Hintergrund war – nach Aussagen von Dr. Mutter –, dass die Degussa AG, bis 1993 größter Amalgamhersteller Deutschlands, der  dann aus der Amalgamproduktion ausstieg, nachdem Studien von Prof. Gustav Drasch vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München nachwiesen, in welch gefährlicher Weise schwangere Mütter das Quecksilber aus ihren Amalgamfüllungen auf ihre Babys übertragen. Die Degussa AG wurde vor dem Frankfurter Landgericht mit einer Schadensersatzklage von 1.500 Privatpersonen, die sich durch Amalgam geschädigt sahen, konfrontiert. Letztlich wurde der Amalgam-Hersteller aufgefordert, 1,5 Millionen DM zu zahlen, von denen 1,2 Millionen DM – umgerechnet 600.000 € – für deren Beteiligung an der Münchener Studie verwendet wurden.

Das damalige Gegenpapier von Prof. Halbach und Kollegen wurde im Auftrag der Bundeszahnärztekammer verfasst – und es lieferte die Vorlage für Politiker, Richter und Medien für die These, die Kieler Toxikologen seien unseriös. Dabei hatten diese nur die wissenschaftlichen Daten zu Amalgam aus sieben Jahrzehnten zusammengetragen. Dieses Kieler Gutachten veranlasste die Frankfurter Staatsanwaltschaft schließlich zu folgender Stellungnahme: „Von Amalgamplomben geht offenbar eine nicht unerhebliche Gefahr für die menschliche Gesundheit aus. Amalgam kann krank machen, d. h. Amalgam ist generell geeignet, gesundheitliche Beschwerden bei einer relevanten Anzahl von Amalgamträgern auszulösen.“ Sogar die für Amalgam damals zuständige Beamtin im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinalprodukte, Dr. Tamara Zinke, lobte das Kieler Gutachten ausdrücklich.

Im Zusammenhang mit der Münchener Amalgamstudie stellt sich im Übrigen die Frage, welche Rolle die beiden eingebundenen Institute – das Helmholtz-Zentrum, für das Prof. Halbach arbeitet, genau wie der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft – spielen.

Beide Organisationen leben von Forschungsaufträgen aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Wenn aber ein Institut, das die Bewertung von Schadstoffen vornimmt, durch die Aufträge der schadstoffproduzierenden Industrie (mit)finanziert wird, so besteht eindeutig ein Interessenskonflikt.

 

Die EU-Kommission – Der Konflikt reicht in allerhöchste Kreise

Und die Interessensvermengungen erreichen offenbar allerhöchste Kreise. Dass sich etwa die EU-Kommission zu Beginn dieses Jahres zu keinem Verbot von Amalgam durchringen konnte, ging ja auf die Einschätzung von zwei Expertengremien zurück. Kritiker bemängeln aber, dass diese Gremien eine Nähe zur Industrie haben. So sind etwa über den Vorsitzenden des einen Komitees (SCHER), den deutschen Toxikologieprofessor Helmut Greim, zahlreiche Unseriositäten und enge Verbindungen zur Industrie bekannt. „Das Problem bei Amalgam besteht nicht nur darin, dass sich die Verantwortlichen dieser legalen Quecksilbervergiftung, zu denen letztlich auch die Gesundheitsbehörden gehören, vor möglichen Schadensersatzklagen aus der Bevölkerung fürchten“, so die Einschätzung von Dr. Mutter, „sondern auch darin, dass Zahnärzteverbände wohl Patente für Amalgam halten und eng mit der Amalgamindustrie verflochten sind. Die Zahnärzteverbände verdienen also am Verkauf von Amalgam, dessen Verwendung weltweit künftig stark zunehmen wird, und zwar durch die Übernahme westlicher Ernährungsgewohnheiten in aufstrebenden Ländern.“ Würde ein Amalgamverbot tatsächlich EU-weit erlassen werden, könnte dies als Vorbild für andere Kontinente dienen, auch für die USA. Doch dies würde den Interessen der mächtigsten und weltweit tonangebenden Zahnärzteorganisation, der American Dental Organisation (ADA), völlig zuwiderlaufen, da diese Patente für Amalgammischungen besitzt und engste Verbindungen zu Amalgamherstellern hat.

 

Verharmlosung durch Amerikanische Medikamentenzulassungsbehörde

Allerdings hat die „Amalgam-Lobby“ Anfang Juni 2008 eine empfindliche Niederlage einstecken müssen. So zogen US-Patientenschutzorganisationen, darunter Consumers for Dental Choice und Moms Against Mercury, gegen die amerikanische Medikamentenzulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) vor Gericht. Der Vorwurf: Amalgam-Verharmlosung u. a. infolge von Interessensvermengungen mit der Industrie. Und die Kläger haben nun einen Sieg errungen. „Wir haben unseren zehnjährigen Kampf gegen die FDA gewonnen“, so Boyd Haley, Chemieprofessor und Amalgamforscher von der University of Kentucky und zugleich Berater von Consumers for Dental Choice. „Weg, weg, weg sind alle Behauptungen der FDA, es gebe keine wissenschaftlichen Daten, die zeigen würden, dass Amalgam gefährlich sei. Jetzt muss die FDA endlich Amalgam klassifizieren, und zwar bis zum 28. Juli 2009.”

Eigentlich wurde die FDA bereits 1976 vom US-Kongress aufgefordert, alle Zahnfüllstoffe – inklusive Amalgam – und Implantate zu klassifizieren, also in eine von drei Gefahrenstufen einzusortieren. Und die FDA tat dies auch, nur nicht für Amalgam. „Amalgam war einfach zu toxisch und gab zu viel Quecksilber frei, um es der Class I oder Class II zuordnen zu können”, so Prof. Haley. „Somit blieben nur zwei Optionen: Es entweder in die höchste Risikostufe Class III zu packen oder das Mandat des Kongresses zu ignorieren. Und die FDA entschied sich für die zweite Möglichkeit, hätte die Einordnung in die Class III doch bedeutet, Amalgam als höchst gesundheitsgefährdend einzustufen.“

1987 akzeptierte die FDA zwar auf Anraten der hauseigenen Dentalabteilung, eine Klassifizierung vorzunehmen – doch nicht von Amalgam als Ganzes, sondern nur separat von den beiden Amalgamkomponenten Dental Mercury (Dentalquecksilber) und Amalgam Alloy (sonstige Amalgammetalle wie Silber, Zinn und Kupfer). Amalgam Alloy erhielt daraufhin den Class-II-Stempel, während Dentalquecksilber sogar in die Class I eingestuft wurde. Mit anderen Worten: Die FDA war der Auffassung, dass Quecksilber – immerhin wie erwähnt das stärkste nicht-radioaktive Nervengift der Erde – dasselbe Gesundheitsrisiko birgt wie Zahnseide. 1991 hieß es dann vom Direktor der Dentalabteilung bei der FDA, die Behörde könne Amalgam nicht regulieren, weil es vom Zahnkliniker erst zusammengemixt werden müsste. Diese Argumentation zieht aber nicht, vor allem weil die FDA etwa Kunststofffüllungen und Dentalzemente längst klassifiziert hatte, obwohl diese auch erst vom Zahnkliniker zubereitet werden müssen. Eine konkrete Begründung für diese Vorgehensweise war von der FDA nicht zu bekommen.

1998 rang sich die FDA schließlich dazu durch, Dentalquecksilber als „nicht generell sicher“ zu bezeichnen, beließ es aber merkwürdiger Weise in der Class I. Immerhin heißt es seit dem kürzlich ergangenen Richterspruch auf der Website der mächtigsten Zulassungsbehörde: „Dentalamalgam enthält Quecksilber, das neurotoxische Effekte auf das Nervensystem von heranwachsenden Kindern und Föten haben kann.“ Warum es notwendig war, die FDA zu verklagen, damit sie wenigstens ein solches Statement abgibt, war von der Behörde auch nicht in Erfahrung zu bringen.

„Bedenken sind natürlich da, die FDA könnte auch auf Druck der ’American Dental Association’ Amalgam nicht der höchsten Risikostufe Class III zuordnen, sondern nur der Class II”, so Prof. Haley. „Dies würde es Zahnärzten ermöglichen, Amalgam fast wie gehabt zu benutzen.“ Doch Prof. Haley und die Organisation Consumers for Dental Choice denken schon konkret über weitere Prozesse nach, „um die FDA dazu zu bewegen, Amalgam als das einzustufen, was es den wissenschaftlichen Fakten nach ist: höchstgefährlich.“

In den USA ist die Zahl der Zahnärzte, die Amalgam nicht mehr einbauen, im Übrigen seit Jahren im Steigen begriffen. Wie Untersuchungen zeigen, arbeiteten 1995 rund 9 % der Zahnärzte ohne den quecksilberhaltigen Zahnfüllstoff, während es 2005 schon 32 % waren – und 2007 sollen es bereits 52 % gewesen sein. Immerhin ein kleiner Lichtblick!

Torsten Engelbrecht

 

* Siehe auch: NATUR & HEILEN 9/06 „Umwelt-Zahnmedizin. Belastungen durch zahnärztliche Materialien“

 

 

Über den Autor:

Torsten Engelbrecht ist Journalist in Hamburg und schreibt vor allem über brisante Themen wie z. B. den Regenwald, AIDS oder die Vogelgrippe. Er ist  Co-Autor des Buches „Virus-Wahn – Vogelgrippe, SARS, BSE, Hepatitis C, AIDS“ (emu-Verlag), Internet: www.torstenengelbrecht.com

 

 

Literatur:

- Dr. Joachim Mutter: Amalgam – Risiko für die Menschheit. Quecksilbervergiftungen richtig ausleiten. Fit fürs Leben Verlag.

- Prof. O. Wassermann et al.: Kieler Amalgam-Gutachten 1997. Hrsg.: Institut für Toxikologie im Klinikum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, (Kiel, 1997), 170 Seiten Bestellung bei: Internationaler Gesellschaft für ganzheitliche Zahnmedizin, Tel. 0621/476400

 

Weiterführende Informationen zu Amalgam:

- Toxcenter e.V., Dr. Max Daunderer, Tel. 089/64914949, www.toxcenter.org

- Amalgam-Beratung, Naturheilkundliche Tagesklinik AG, Deutschhausstr. 28, 35037 Marburg, Tel. 06421/690074,  www.naturmednet.de

- Beratungsstelle für Amalgamvergiftete e.V., Ellen Carl, Lochhamer Str. 79, 82166 Gräfelfing, Tel. 089/8541301, www.amalgam-carl.de

- Bundesverband der Beratungsstellen für Umweltgifte e.V. (BBFU), Kölner Str. 131, 53879 Euskirchen, E-Mail: info@bbfu.de

 

* Broschüren und Adressen ganzheitlicher Zahnärzte:

- Bundesverband der naturheilkundlich tätigen Zahnärzte in Deutschland e. V. (BNZ), Auf der Seekante 7, 50735 Köln, Tel.0221/3761005,  www.bnz.de

- Internationale Gesellschaft für ganzheitliche Zahnmedizin(GZM), Tel. 0621/48179730, www.gzm.org

 

* Umfangreiche Internetseiten:

www.amalgam.homepage.t-online.de

www.amalgam-info.ch

www.b-hauck.de.vu

 

* Schwermetallausleitung:

- Nature Power, aus Deutschland über die kostenlose Hotline: 0800/00111125. Von außerhalb Deutschlands: 0049/6355953300, www.naturepower.ch

-  Gapa-Inc. Spezialversand, Tel. 001815/9184281 (1,7 Cent/min),  www.gapa-inc.com (Ausleitung nach Dr. Dietrich Klinghardt mit Bärlauch, Koriander und Chlorella-Algen)

 

 

www.naturundheilen.com.