Allgemeines

Inhalt

I – 3.2

Inhalt – Gesamtverzeichnis

I

Allgemeines

I-1

Vorwort

I-1.1

Vorwort zur 1. Auflage

I-2

Mitautoren

I-3

Inhalt

I-3.1

Inhalt-Übersicht

I-3.2

Inhalt-Gesamtverzeichnis

I-4

Zum Umgang mit diesem Handbuch

I-4.1

Hinweise für den Benutzer

I-5

Register

I-6

Ergänzungslieferungen

I-6.1

Übersicht

I-6.2

Titelblätter

I-6.3

Vorworte

I-6.4

Sortierhinweise

II

Einzelgifte

II-1

Historischer Überblick

II-2

Originalzitate

II-2.1

Original Miller, 1907

II-2.2

Original Stock, 1926

II-2.2.1

Original Stock, 1939

II-2.3

Original Beaulieu, 1970

II-2.4

Original Lewin, 1898

II-3

Verlauf

II-4

Forderung des Amalgamverbotes, erster Jahresbericht

II-5

Quecksilber

II-5.1

Quecksilber anorganisch

II-5.1

Beschaffenheit/Vorkommen

II-5.1.1

Wirkungscharakter

II-5.1.2

Toxizität

II-5.1.3

Symptome

II-5.1.4

Nachweis

II-5.1.5

Therapie

II-5.1.6

Risikobewertung

II-5.1.7

Kasuistik

II-5.1.8

Quecksilber, organisch

II-5.2

Beschaffenheit/Vorkommen

II-5.2.1

Wirkungscharakter

II-5.2.2

Toxizität

II-5.2.3

Symptome

II-5.2.4

Nachweis

II-5.2.5

Therapie

II-5.2.6

Risikobewertung

II-5.2.7

Kasuistik

II-5.2.8

Mordversuch mit Quecksilber

II-5.3

Liste quecksilberhaltiger Arzneimittel

Daunderer - Handbuch der Amalgamvergiftung - 6. Erg.-Lfg. 11/95

I – 3.2

Inhalt – Gesamtverzeichnis

II-6

Zinn

II-6.1

Beschaffenheit/Vorkommen

II-6.2

Wirkungscharakter

II-6.3

Toxizität

II-6.4

Symptome

II-6.5

Nachweis

II-6.6

Therapie

II-6.7

Kasuistik

II-6.8

Literatur

II-7

Kupfer

II-7.1

Beschaffenheit/Vorkommen

II-7.2

Wirkungscharakter

II-7.3

Toxizität

II-7.4

Symptome

II-7.5

Nachweis

II-7.6

Therapie

II-7.7

Kasuistik

II-7.8

Literatur

II-8

Silber

II-8.1

Beschaffenheit/Vorkommen

II-8.2

Wirkungscharakter

II-8.3

Toxizität

II-8.4

Symptome

II-8.5

Therapie

II-8.6

Kasuistik

II-8.7

Literatur

II-9

Amalgam

II-9.1

Beschaffenheit/Vorkommen

II-9.1.1

Monographie: Amalgame

II-9.2

Wirkungscharakter

II-9.2.1

Aufnahme

II-9.2.2

Metallspeicher durch Amalgam

II-9.2.3

Metalldepots durch Amalgam

II-9.2.4

Methylierung

II-9.2.5

Quecksilber im Gehirn

II-9.2.5.1

Feersyndrom

II-9.2.5.2

Krippentod-SID

II-9.2.5.3

Intoxikation von Säuglingen

II-9.2.6

Immunologie

II-9.3

Toxizität

II-9.3.1

Depots nach DMPS

II-9.3.2

Organischer Quecksilberanteil

II-9.4

Nachweis/Hinweise

II-9.4.1

Speichelteste

II-9.4.2

Mobilisationsteste

II-9.4.3

Allergieteste

II-9.4.4

DMPS-Teststrommessung

Daunderer - Handbuch der Amalgamvergiftung - 6. Erg.-Lfg. 11/95

I – 3.2

Inhalt – Gesamtverzeichnis

II-9.4.5

Depotmessung

II-9.4.5.1

Maligne Tumore durch Amalgam

II-9.4.6

Grenzwerte

II-9.4.7

Physikalische Methoden

II-9.4.7.1

Wechselbeziehung zwischen Zähnen und dem Organismus

II-9.4.8

Haaranalyse

II-9.4.9

Buttertest

II-9.4.10

Stuhl-Mobilisationstest

II-9.4.11

Staubprobe

II-9.5

Symptome

II-9.6

Folgekrankheiten

II-9.6.1

Chronische Formaldehydvergiftung

II-9.6.2

Multiple Sklerose – Morbus Alzheimer – Amyotrophe Lateralsklerose

II-9.6.3

Chemikalienintoleranz

II-9.6.4

Abort - Missbildung

II-9.6.5

Candidiasis

II-9.6.6

Psychosomatik

II-9.6.7

Hyperkinetisches Syndrom

II-9.6.8

Elektrosensibilität

II-9.6.9

Feer-Syndrom

II-9.6.10

Antibiotikaresistenz von Bakterien

II-9.6.11

Parodontose

II-9.6.12

Alopezie

II-9.6.13

Metallunverträglichkeit

II-9.7

Differentialdiagnostik

II-9.7.1

Nahrungsmittelvergiftung

II-9.7.2

Kasuistik

II-9.8

Fehldiagnose

II-10

Therapie

II-10.1

Amalgamsanierung

II-10.1.1

Langzeitprovisorium

II-10.1.2

Zahnärztliche Maßnahmen

II-10.1.3

Kofferdam

II-10.1.4

Finanzierung

II-10.1.5

Recht

II-10.2

Alternativen zu Amalgam

II-10.2.1

Composite

II-10.2.2

Zement

II-10.2.3

Glaskeramik

II-10.2.4

Goldlegierungen

II-10.2.4.1

Palladium – Gallium

II-10.2.5

Kasuistik

II-10.3

Therapeutika

II-10.3.1

Zink

II-10.3.2

Selen

II-10.3.3

Natriumthiosulfat

II-10.3.4

DMPS

Daunderer - Handbuch der Amalgamvergiftung - 6. Erg.-Lfg. 11/95

I – 3.2

Inhalt – Gesamtverzeichnis

II-10.3.5

DMSA

II-10.4

Therapieergebnisse

II-10.5

Therapierichtlinien

II-10.6

Prophylaxe

II-11

Risikobewertung für den Zahnarzt

II-11.1

Der amalgamvergiftete Zahnarzt

II-11.2

Amalgamabscheider

II-11.3

Praxisstaub

II-11.4

Rechtliche Aspekte

II-12

(derzeit nicht belegt)

II-13

Palladium

II-13.1

Beschaffenheit

II-13.2

Vorkommen

II-13.3

Wirkungscharakter

II-13.3.1

Allergene Eigenschaften

II-13.4

Toxizität

II-13.4.1

Carzinogenität

II-13.4.2

MAK-Wert

II-13.4.3

Kreuzallergie

II-13.5

Nachweis

II-13.6

Symptome

II-13.7

Therapie

II-13.8

Recht

II-13.9

Kasuistiken

II-13.10

Literatur

II-14

Platin

II-14.1

Beschaffenheit

II-14.2

Vorkommen/Verwendung

II-14.3

Wirkungscharakter

II-14.4

Stoffwechselverhalten

II-14.5

Toxizität

II-14.6

Symptome

II-14.7

Nachweis

II-14.8

Therapie

II-14.9

Literatur

III

Kasuistiken

III-1

Allergien

III-2

Antriebslosigkeit – Koma

III-3

Bauchschmerzen

III-4

Blasenentleerungsstörungen

III-5

Blutbildveränderungen

III-6

Depression, Psychose, Hypochondrie

III-6.1

Drogenabhängigkeit

III-7

Durchfälle

III-8

Epilepsie

III-9

Gedächtnisstörungen

III-10

Gelenkschmerzen

Daunderer - Handbuch der Amalgamvergiftung - 6. Erg.-Lfg. 11/95

I – 3.2

Inhalt – Gesamtverzeichnis

III-11

Haarausfall

III-12

Herzinfarkt/Herzrhythmusstörungen

III-13

Infektanfälligkeit

III-14

Infertilität/Impotenz

III-15

Interaktionen

III-16

Kopfschmerzen

III-17

Krebs

III-18

Lähmungen/MS/Amyortrophe Lateralsklerose

III-19

Muskelschwäche

III-20

Schwangerschaftsbelastung

III-21

Schwindel

III-22

Seh-, Hör-, Sprachstörungen

III-23

Todesfälle

III-24

Zittern

III-25

Querulanten

IV

Statistik

V

Recht

V-1

Juristische Konsequenzen

V-2

Amalgam-Entschädigung

V-3

Strafanzeigen

V-4

Arzneimittelgesetz

V-5

Forderung Amalgamverbot

VI

Adressen

VI-1

VI-2

VI-3

DMPS-erfahrene Ärzte

VI-2

Naturheilkundliche Zahnmediziner

VI-3

 

Akupunkturärzte

VI-4

VI-2

VI-3

Selbsthilfegruppen

VI-5

Labors

VII

Bildmaterial

VIII

Patienteninformation

VIII-1

 

Geschichte

VIII-2

Giftigkeit

VIII-3

Erkennen

VIII-4

Vermeiden

VIII-5

Behandeln

VIII-6

Krankheitsspezialitäten

VIII-7

Bezahlung

VIII-8

Zahnärzte

VIII-9

Vorteile des Amalgams

IX

Fremdsprachige Literatur

IX-1

Englisch

X

Literaturverzeichnis

 

 

 

 

 

 

 

Daunderer - Handbuch der Amalgamvergiftung - 6. Erg.-Lfg. 11/95

II-2  Originalzitate                                                                       II-2.2 Original Stock, 1926

Hatte Stock doch recht? Fragen an die Medizingeschichte*

(Von Dr. med. dent. W. Breenkötter)

Im April 1926 veröffentlichte Alfred Stock, Professor für Chemie am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin eine Arbeit: „Die Gefährlichkeit des Quecksilberdampfes". Seine eige-ne Krankheit, die ihn an den Rand der Verzweiflung geführt hatte, trieb ihn, „alle, die mit Quecksilber zu tun haben, vor den Gefahren des flüchtigen Metalls zu warnen". In einem langen Bericht schildert Stock seine Leiden. Einiges sei sinn­gemäß zitiert; seit beinahe 25 Jahren litt ich an Beschwerden, die fast bis zur Unerträglichkeit zunah-men, so dass ich schon daran zweifelte, weiter wissenschaftlich arbeiten zu können. Die Ursache wurde von vielen Ärzten nicht erkannt, Symptome waren: geistige Mattig-keit und Abgespanntheit, Unlust und Unfähigkeit zu jeder, besonders geistiger Arbeit. Das Niederdrückendste war die Minderung des Gedächt­nisses. Es wurde immer schlechter, so dass ich völliger Gedächtnislosigkeit nahe war, ich vergaß die Fern-sprechnummer auf dem Weg zum Apparat, ich vergaß fast alles einst Gelernte, die eigenen Arbeiten, die ich veröffentlicht hatte. Dazu kam Niedergeschlagenheit, quälen-de Unrast. Von Natur lebenslustig, zog ich mich missmutig zurück, scheute die Öffent-lichkeit, mied Menschen und Geselligkeit, verlernte die Freude. Der Humor rostete ein. Hindernisse, über die ich früher lächelnd hinweggeglitten wäre, erschienen unüber-windlich.

Anfang der 20er Jahre klagten Mitarbeiter Stocks über Beschwerden, die seinen Anfangssymptomen ähnelten. Prof. Lewin, angesehener Toxikologe, wurde hinzuge-zogen. Er erklärte mit Bestimmtheit, dass alle Erkrankten an Quecksilbervergiftung litten. Tatsächlich ergab die Nachprüfung Quecksilber in der Luft der Arbeitsräume und im Urin aller Betroffenen, Stock war 25 Jahre lang dauernd mit Quecksilber in Berüh-rung gewesen. An eine Schädigung durch Dämpfe dieses Metalls hatte er nie gedacht.

Lewin empfahl dringend, auch das Amalgam aus den Zähnen entfernen zu lassen. Dieser Rat veranlasste Stock zur Nachprüfung. Er ermittelte die Menge des bei Kör-pertemperatur aus sorgfältig bereiteten Fül­lungen verdampften Quecksilbers. Sie be-trug in drei geschilderten Versuchen 0,487, 0,9 und 1,27 mg pro die. Eine jahrelang inkorporierte Füllung gab gar 2,1 mg ab. (Unser Trinkwasser darf maximal 0,004 mg Quecksilber pro Liter enthalten.) Stock forderte nun dringend, auf Amalgam zu verzich-ten, wo nur möglich. „Es wird sich dann wahrscheinlich herausstellen, dass die leicht-sinnige Einführung der Amalgame als Zahnfüllmittel eine arge Versündigung an der Menschheit war."

Stock war einer der angesehensten Chemiker seiner Zeit. Sein Rang und Ruf verschafften seiner Veröf­fentlichung weite Beachtung, Nicht nur medizinische, auch Tagespresse und Rundfunk bemächtigten sich des Themas. In der Zahnärzteschaft erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Bei Millionen von Menschen mit Amalgamfüllungen sei noch niemals eine Quecksilbervergiftung beobachtet worden. Der Zentralverband Deutscher Zahnärzte nannte die Angriffe unbegründet. Die Ablehnung war für Stock Ansporn, seinen als Mission empfundenen Kampf unermüdlich weiterzuführen. Eine Flut Berichte von an Quecksilbervergif­tung Erkrankter, Ergebnisse der an der Berliner Charité eingerichteten Untersuchungsstelle, die Resultate von Tierversuchen und Untersuchungen an Leichen waren ihm Beweis, dass winzige Mengen Quecksilber bei langer Einwirkung den Menschen schädigen. Stocks Werkverzeichnis zählt bis zu seinem Tod 1946 ca. 50 Veröffentlichungen in der Rubrik Quecksilber auf, vielfach gegen die Zahnheilkunde gerichtet.

 

*   Quelle: Biologische Medizin, Heft 4/1984t Seiten 194 -197. Aurelia-Verlag, Baden-Baden

Daunderer - Handbuch der Amalgamvergiftung - 6. Erg.-Lfg. 11/95

II-2 Originalzitate                           Einzelgifte                        II-2.2 Original Stock, 1926

Stock hatte auch die Vergangenheit befragt:

Der Gedächtnisverlust Faradays, das Siechtum Pascals, das Aussetzen des Gedächt-nisses bei Berzelius, Liebig, Wöhler,  die Klagen von Hertz und Oswald deuten für ihn auf Quecksilbervergiftungen hin. Sie alle hatten zeit ihres Lebens mit Quecksilber gearbeitet.

Es verwundert, dass Stock einem viel näher liegenden Gedanken nicht nachging. Seine Anklage, dass die leicht­sinnige Einführung der Amalgame eine arge Versündigung an der Menschheit war, drängt geradezu die Frage auf: Wann wurde Amalgam in die Zahnheilkunde eingeführt? Und weiter: Trat in Zusammenhang hiermit eine Krankheit auf, die vorher unbekannt war? Forschungen nach Antwort hätten Stock gravierende Argu­mente zur Stützung seiner Anklagen erbracht. Erstaunlich ist, dass bis heute nicht der Versuch gemacht wurde, Stocks Behauptungen von der Warte der Medizin-Geschichte her zu durchleuchten. Er sei daher unternommen:

Mit dem 19. Jahrhundert, mit dem Eintritt in das industrielle Zeitalter, begann die stürmische Entwicklung der Naturwissenschaften. Die deutsche Medizin wurde bald führend. Nur in der Zahnheilkunde blieb Deutschland, blieb Europa zurück. Hier übernahmen die Zahnärzte der USA die Führung. Dieses große Land hatte seine Pionierzeit hinter sich, die Bevormundung Englands abgeschüttelt. Frei von Unterdrük-kung, unbeengt von Traditionen und Dünkel, entwickelte sich eine Gesellschaft, in der sich jeder nach seiner Tatkraft entfalten konnte. Handel und Industrie blühten. Ein nirgendwo bekannter Wohlstand war breit gestreut. Dieses Zusammentreffen, Freiheit und Wohlstand, wird der Grund sein, dass die amerikani­sche Zahnheilkunde weit vorauseilte. Zahnärztliche Behandlung war bis in unser Jahrhundert Privileg der Wohlhabenden. In Europa war die breite Masse arm. Wie sollte sich ein Beruf entwickeln, wenn er kaum beansprucht wird? in Amerika hingegen wuchs ein gesunder Zahnärztestand. Waren in seinen Reihen auch viele Unwürdige, er brachte doch Könner hervor, die Grundlagen unseres Leistungsstandards schufen.

Schon früh versuchten Zahnärzte, kariöse Zähne konservierend zu behandeln. Auf der Suche nach einem leicht zu verarbeitenden Material kam man auf Amalgam. Der Zeitpunkt, von dem ab dieses Silber-Quecksilbergemisch angewandt wurde, liegt fest. 1830 begann die Londoner Zahnarztfamilie Crawcour Zähne in großer Zahl mit Amalgam zu füllen. Leider waren die Crawcours unwürdige Vertreter unseres Standes. Ohne die geringste Entfernung der Karies stopften sie in Minuten schmerzlos Amalgam in die Cavität und versprachen Wunderdinge. 1833 ließen sich 2 Brüder Crawcour in New York nieder. Mit ihnen begann das Amalgamzeitalter. Ihre Behandlungsräume waren hochelegant, ihre Manieren vorzüglich, ihre Methoden betrügerisch. Dennoch gehörten die wohlhabendsten Bürger zu ihrem Klientel, In kurzer Zeit hatten die Crawcours ein Vermögen zusammengerafft. Diese mühelose, einträgliche Behand-lungsweise fand schnell Nachahmer. Wie viele „Zahnärzte" sich niedergelassen und Zähne gefüllt haben, zeigt die Statistik. 1830 betrug die Zahl der Zahnärzte in den USA um 300, 1835 hatte sie sich mehr als verdoppelt, 1842 waren es 1400 und 1847 zwischen 1600 - 1700. Viele von ihnen besaßen „nur geringe, einige keinerlei wissenschaftliche Befähigung". Die seriösen Kollegen begannen einen erbitterten Kampf gegen die Methoden der Crawcours und ihrer Nachahmer. Er ging als Amalgamkrieg in die Standesge­schichte ein. Die harte Abwehr war gerechtfertigt. Die verwandten Amalgame, in jeder Praxis selbst herge­stellt, waren von minderwertigster Qualität. Der Vorwurf, dass sie wenig haltbar seien, dass sie bröckelten, kontrahierten

und Quecksilber abgaben, traf zu. Die schon damals gehegte Befürchtung, dass aus

 

Daunderer - Handbuch der Amalgamvergiftung - 6. Erg.-Lfg. 11/95

II-2 Originalzitate                           Einzelgifte                        II-2.2 Original Stock, 1926

ihnen verdampfendes Quecksilber Gesundheitsschäden hervorrufen würde, ließ sich indes nicht belegen. Die Quecksilbervergiftung war der Medizin bestens bekannt. Die Gegner des Amalgams hatten sie als Folge seiner Verwendung vorausgesagt, Ihre Prophezeiungen bestätigten sich nicht. Trotz der ständig steigenden Zahl der Füllungen trat keine Vergiftung auf. Damit entfiel ein Hauptargument der Kämpfer gegen dieses Material. Ihre Niederlage im Amalgamkrieg folgte zwangsläufig.

Von dieser erregenden Auseinandersetzung in den USA blieb die europäische Zahnheilkunde unberührt, ihr Niveau lag weit unter dem Amerikas, das deutsche rangierte noch hinter dem Englands und Frank­reichs. Dieser Vorsprung der USA eröffnet die ganz ungewöhnliche Chance, Stocks Anklage, die Einfüh­rung der Amalgame sei eine arge Versündigung an der Menschheit gewesen, nachzuprüfen, Jahrzehnte vor der übrigen Welt wurde nur in diesem Land, hunderttausende Mal, Amalgam in den menschlichen Körper eingebracht. Ungewollt wurde ein „Laborversuch in vivo" gigantischen Ausmaßes durchgeführt und uns ein riesiges Beobachtungsfeld gegeben. Wenn Amalgamfüllungen gesundheitliche Schäden auslösen, sie hätten sich vor über 100 Jahren in Amerika zeigen müssen. Die prophezeite Quecksilbervergiftung blieb aus. Könnten sich indes nicht Folgen gezeigt haben, deren Zusammenhang mit Quecksilber nicht erkannt wurde?

Hier ist die Medizingeschichte herausgefordert. Die Fragen an sie lassen sich klar formulieren: Trat in den USA nach 1833 eine bis dahin unbekannte Krankheit auf? Trat sie ständig eskalierend auf? Blieb ihr Vor­kommen Jahrzehnte auf die USA begrenzt? Erfasste sie alle Bevölkerungsschichten? Wann und in welcher Reihenfolge befiel sie Europa? Wurde die Ursache der Erkrankung, wurden organische Veränderungen, wurde eine Therapie gefunden? Glichen ihre Symptome den Leiden Stocks?

Die Medizingeschichte hat in der Tat Antworten auf diese Fragen.

Vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts beginnend, beunruhigten bisher unbekannte Krankheitserschei­nungen die amerikanischen Ärzte. Zunächst glaubten sie, diese neuen, schwer definierbaren Beschwerden, die vagen, kaum fassbaren Symptome, die krankhafte Ängstlichkeit, die Ermüdungserscheinungen, die irrationale Furcht, die Gedächtnisschwäche, die Hoffnungslosigkeit als Hypochondrie oder Hysterie klas­sifizieren zu können, Man erkannte bald, dass ein bisher unbekanntes Leiden vorliegen musste. Zu viele Symptome der Hypochondrie und Hysterie fehlten. Auch bewies die Ausbreitung der Erkrankung, dass sie sich in kein bekanntes Krankheitsbild einfügen ließ. Klagten anfangs nur einige, wurden es im Lauf der Jahre Tausende, schließlich Hunderttausende.

Es war der New Yorker Neurologe George M. Beard, der sich die Erforschung dieser Krankheit zur Lebensaufgabe machte. Er wird als erster amerikanischer Arzt einen Platz in der Medizingeschichte finden. Beard, geboren 1839, spezialisierte sich 1866 für die Fachgebiete Elektrotherapie und Neurologie. Als er erkannte, wie viele Patienten an „American nervosisme" litten, fand er sein Forschungsfeld. Er sammelte die endlose Reihe der Beschwerden, katalogisierte dutzende Symptome. Es erschien unmöglich, die vielfältigen Erscheinungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Die Suche nach organischen Verän­derungen blieb erfolglos. Trotz intensiver Forschung fand Beard keinen Hinweis auf die Ursache. Er war überzeugt, dass alle Beschwerden Manifestationen einer einzigen Krankheit waren. Mangels jeder Deu-tung machte Beard eine von Natur gegebene Schwäche des Nervensystems für das Leiden verantwortlich. Wie die Konstitution, die geistigen Fähigkeiten eines Menschen angeboren sind, so ist auch die Kraft seines Nervensystems von Natur gegeben.

 

 

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II-2 Originalzitate                           Einzelgifte                        II-2.2 Original Stock, 1926

Ein Dynamo, veranschaulicht Beard, dessen Kapazität auf 1000 Lampen begrenzt ist, wird irgendwo zusammenbrechen, wenn weitere 500 Lampen angeschlossen werden. Unser Nervensystem folgt gleichen Gesetzen. Ein Mensch, reich an Nervenkraft, kann schadlos verschwenderisch damit umgehen. Der „Arme" wird bei Überlastung bald Ausfälle in seinem Organismus erleiden. Beard hatte damit eine Erklärung für die Vielfalt der Symptome der Erkrankung gefunden. Er nannte sie Neurasthenie und bezeichnete sie als „funktionelles Leiden, was bedeutet, wir wissen zurzeit noch nicht, wo und wie das krankhafte Substrat ist**. Beard war sicher, dass irgendwann seine Ursache festgestellt werden wird. Nachdrücklich betonte er, dass Neurasthenie keine Geistes-, keine eingebildete Krankheit ist. Sie ist so real wie Pocken, Typhus oder Cholera, so körperlich wie ein gebrochenes Bein.

Weiter konstatierte Beard: Die Neurasthenie ist eine amerikanische Erkrankung. Während sie in den USA epidemieartig um sich griff, war sie in Europa kaum zu finden. Beard kannte Europa gut. Er hat es mehr­fach bereist und war mit seinem Wissen vertraut. Der deutschen Medizin zollte er größte Bewunderung* Die Anerkennung seiner Krankheitsdeutung durch sie hätte seine Stellung in Amerika bedeutend gestärkt. Doch die deutsche Medizin schwieg. Noch war die Erkrankung hier zu selten, um sie als eigenes Krank­heitsbild zu erkennen. Erst nach Beards Tod 1883 breitete sich die Neurasthenie auch in unserem Lande aus, Beards Feststellung „die Neurasthenie ist eine amerikanische Krankheit" traf für Jahrzehnte mit Sicherheit zu.

Ebenso auffallend war ein weiteres Kennzeichen der Nervenschwäche: Sie befiel allein Wohlhabende. In den Fabriken, den Armen vierteln, auf dem Lande blieb sie unbekannt. Unter den besseren Ständen suchte sie ihre Opfer. In einigen Staaten fand man sie „in jedem Haus, dessen Bewohner sich geistig beschäf­tigten".

Beard hatte eine Erklärung des Leidens gefunden. Wo aber lag der Grund, dass die Nervenkraft nur einer, dazu bevorzugten Schicht versagte und das allein in den USA? Es gab nur eine Möglichkeit: Die Neuras­thenie musste Folge der amerikanischen Zivilisation, der amerikanischen Sozialordnung sein. Als auslö­sende Faktoren sah Beard die Dampfkraft, den Telegraphen, die Presse, die geistigen Aktivitäten der Frauen und die unbegrenzte Freiheit an. In diesen Errungenschaften war Amerika Jahrzehnte voraus und somit auch deren Folge: die Neurasthenie. Die Erfolgreichen verdankten ihre Stellung nicht zuletzt ihrem sensitiven Nervensystem. Eben diese Sensibilität machte sie anfällig für die Neurasthenie.

In Europa war die Neurasthenie kaum zu finden. "Deutschland, Russland, Italien und Spanien kennt sie am wenigsten, häufiger kommt sie in Frankreich vor, noch mehr ist sie in England verbreitet" (Beard). In den letzten Dezennien des vorigen Jahrhunderts erfasste sie auch unser Land und wurde zur häufigsten Nervenerkrankung. Die deutsche Literatur griff sehr spät das Thema auf. Stein nannte 1883 als Grund: Die Neurasthenie hat deshalb in der deutschen Literatur so wenig Beachtung gefunden, weil die Kranken zumeist den besseren Ständen angehörig, immer noch als Hypochonder bezeichnet werden. 20 Jahre später gjbt es eine Fülle Literatur über die Neurasthenie. Auch die deutsche Wissenschaft sah in den „ungeahnt" raschen Fortschritten die Momente, an die sich unser Gehirn gewöhnen muss. Die neuen Verkehrs­mittel, Telegraph, Telefon, allgemeine Wehrpflicht, Schulzwang ruinieren unsere Nerven.** Die Therapie der Neurasthenie wurde auf verschiedensten Wegen versucht, Beard hatte seine speziellen Rezepte, in Deutschland setzte man auf Diät- und Wasserkuren, Seebäder und Elektrobehandlung. Nichts half wirklich. Das Dunkel über dem Krankheitsbild Neurasthenie wurde bis heute nicht überzeugend gelichtet.

 

 

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II-2 Originalzitate                           Einzelgifte                        II-2.2 Original Stock, 1926

Die Medizingeschichte hat unsere Fragen klar beantwortet: Ab 1833 wurde in den USA Amalgam ver­wandt. Eine neue Krankheit, die Neurasthenie, tauchte auf. Jahrzehnte wurde Amalgam nur in den USA benutzt. Jahrzehnte blieb Neurasthenie eine amerikanische Erkrankung. Zahnärztliche Behandlung war Privileg der Begüterten. Neurasthenie war Erkrankung der Begüterten. England übernahm als erstes Land die amerikanische Zahnheilkunde, Frankreich folgte, noch später Deutschland. In gleicher Folge fand Beard die Neurasthenie in Europa. Die Ursache dieser Krankheit wurde ebenso wenig gefunden wie eine erfolgreiche Therapie, Vergleichen wir die Leiden Stocks mit den Symptomen der Neurasthenie, so ist weitgehende Übereinstimmung offenkundig. Selbst prägnante Formulierungen der früheren Literatur finden sich wortgleich bei Stock.

Die Frage drängt sich auf: War Stock gar nicht an Quecksilbervergiftung erkrankt? Das wurde zwar nie bezweifelt. Dennoch: Litt Stock in Wirklichkeit an Neurasthenie? Aber ebenso stellt sich die Gegenfrage: War die Neurasthenie keine Krankheit sui generis, war sie eine Quecksilbervergiftung? Diese Frage, Kul­mination der aufgezeigten Koinzidenzen, ist, da nie in Betracht gezogen, aus der Literatur nicht zu beant­worten.

Ein Autor allerdings gibt Hinweise: George M. Beard! Schon in der Einleitung seines Standardwerkes heißt es: „Neurasthenie ist eine amerikanische Krankheit insofern, als sie in Amerika bei weitem häufiger ist als in irgendeinem Teil der zivilisierten Welt und hier zuerst (ebenso wie die Fäulnis der Zähne, welche öfters zu ihren Symptomen gehört) beschrieben" worden ist. Eine noch aufschlussreichere Passage sagt: „Rasche Fäulnis und Unregelmäßigkeit der Zahne gehört zu den Symptomen der Nervenschwäche. Sie ist ebenfalls die Folge eines Verarmungszustandes des Nervensystems“. Dass frühzeitig eintretende Fäulnis der Zähne ein Resultat der Zivilisation ist, ist eine unleugbare Tatsache. Die Zähne sind selten gesund bei denen, deren Konstitution entkräftet ist, und werden nur durch die Kunst der modernen Zahnheilkunde in gutem funktionsfähigem Zustand erhalten. Zahnärzte sind die Barometer der Zivilisation, ihre Zunahme und ihr Gedeihen ist eine der instruktivsten Tatsachen in der modernen Soziologie. Amerikanische Zahn­ärzte sind die besten in der Welt, weil die amerikanischen Zähne die schlechtesten in der Welt sind. In allen Klassen der Bewohner Amerikas, welche sich geistig beschäftigen und ein Stubenleben führen, beginnen die Zähne gewöhnlich vor dem Alter von 20 Jahren zu faulen und nur sehr selten sieht man einen nerven­kranken Menschen im Alter von 35 oder 40 Jahren mit einer gesunden Zahnreihe; welche Sorgfalt auch auf ihre Erhaltung verwendet sein mag; viel wahrscheinlicher ist, dass, wenn er überhaupt einige eigene Zähne hat, die Mehrzahl darunter plombiert ist und nur durch die Geschicklichkeit des Zahnarztes erhalten bleibt."

Beards auffälliger Hinweis auf die zerstörten Gebisse seiner Patienten und auf Füllungen sollten Anlass für Nachforschungen sein. In Amerika müssten sich Unterlagen finden, die Aufschluss geben könnten, über ärztliche und zahnärztliche Behandlung von Neurasthenikern. Es wäre nicht ohne Tragik, wenn die Zahn­heilkunde, die Beard mit soviel Hochachtung bedachte, in unheilvollem Zusammen-hang stehen sollte mit der Erkrankung, der er seine Lebenskraft widmete. Ich bin einer der tausenden Zahnärzte, die täglich ihrem Beruf nachgehen. Ich fühle mich in keiner Weise autorisiert, aus meiner Arbeit Schlussfolgerungen zu ziehen. Im Gegenteil, mich bedrückt der Gedanke, dass diese Veröffentlichung vorschnell und kritiklos aufgegriffen werden könnte. Die Wissenschaft möge unvoreingenommen prüfen, ob der Blick in die Geschichte der Medizin uns neue Erkenntnisse bringen kann.

 

 

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I-2.2.1                                                                                                   Original Stock, 1939__

Ich bin kein Historiker, kein Neurologe und erst recht kein Wissenschaftler. Ich bin einer der tausenden Zahnärzte, die täglich ihrem Beruf nachgehen. Ich fühle mich in keiner Weise autorisiert, aus meiner Arbeit Schlußfolgerungen zu ziehen. Im Gegenteil, mich bedrückt der Gedanke, dass diese Veröffentli-chung vorschnell und kritiklos aufgegriffen werden könnte. Die Wissenschaft möge unvoreingenommen prüfen, ob der Blick in die Geschichte der Medizin uns neue Erkenntnisse bringen kann.

 

Die Gefährdung des Zahnarztes

 

Wir kommen nun auf die zahnärztliche Bedeutung der chronischen Quecksilber-vergiftung zu sprechen, zunächst auf die Gefährdung der Zahnärzte selbst.

Der mit Amalgamen arbeitende Zahnarzt und seine Gehilfen sind der Möglichkeit der Vergiftung in hohem Maße ausgesetzt. Wird das Kupferamalgam, das im wesentlichen eine Legierung von Kupfer und Quecksilber ist, zum Plastisch machen erwärmt, so verdampft Quecksilber und bleibt als Dampf in der Luft- Bei der Herstellung des Silber-(Edel-) Amalgams muss mit flüssigem Quecksilber gearbeitet werden, um die in der Hauptsache aus Silber und Zinn bestehende „Feilung" in das plastische Amalgam zu ver­wandeln. Das früher allgemein und auch heute noch vielfach übliche Kneten des Amalgams in der Hand oder in einer erwärmten Reibschale bildet eine Gefahrenquelle. Noch schlimmer ist das Wegschleudern von ausgepresstem Quecksilber in den Arbeitsraum. Bei Benutzung neuzeitlicher Vorrichtungen für das Dosieren und Mischen der Ausgangsstoffe verringern sich die Gefahren. Doch lässt es sich, wie überall, wo mit Quecksilber gearbeitet wird, nicht vermeiden, dass gelegentlich Quecksilber verspritzt wird. So finden sich in der Luft zahnärztlicher Arbeitsräume fast immer beträchtliche, nicht selten erschreckend hohe Quecksilbergehalte, wie z. B. von Borinski und Binzegger festgestellt und veröffentlicht worden ist.

Es ist daher kein Wunder, dass die chronische Quecksilbervergiftung, wie schon Fleischmann hervorhob, unter den Zahnärzten und deren Helfern weit verbreitet ist, als deutliche Erkrankung, noch viel häufiger in ihren ersten, weniger auffallenden Symptomen, Benommenheit, Kopfschmerz, Verstimmung, Nach­lassen des Gedächtnisses, was meist als eine besondere, auch im Schrifttum behandelte „Berufsnervosität" angesehen und hingenommen wird.

Hinsichtlich der Erscheinungen, der Diagnose, der Behandlung (auch Entfernung vorhandener AmalgamfülIungen) und Vermeidung der Vergiftung gilt natürlich alles oben Gesagte. Besonders wichtig ist auch hier die Entquecksilberung der Arbeitsräume, die, ohne Fugen und sonstige unzugängliche Winkel, leicht zu reinigen sein müssen. Keine Teppiche und dergleichen, am besten als Fußbodenbelag möglichst fugen­loser Natur- oder Kunststein oder Linoleum, das nur gewachst, nicht geölt werden darf, damit verspritztes Quecksilber nicht (zu einer Art „grauer Salbe") verschmiert wird. Für die Reinhaltung der Luft empfiehlt sich eine Ventilationsvorrichtung. In Ermangelung einer solchen genügt es auch schon, ein Fenster dau­ernd ein wenig offen zu halten. Zu starker Abkühlung lässt sich mit einer "Heizsonne" oder dergleichen vorbeugen. Ich habe selbst beobachten können, wie

diese einfache Maßnahme nervös und müde gewordene Zahnärzte frischer machte und geradezu verjüngte. Vor allem: Vorsichtiges Umgehen mit Amalgam, solange dieses aus der Praxis nicht ganz verbannt werden kann!

 

 

 

 

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Die Gefährdung der Patienten

Bei der Gefährdung der Patienten hat man zwischen den Füllungen aus Kupfer-amalgam und denen aus Sil­beramalgam (Edelamalgam: bei kleinen Zusätzen von Edelmetall auch Gold- oder Platinamalgam genannt) zu unterscheiden. Auch hier wird die chronische Quecksilbervergiftung durch in die oberen Luftwege gelangen-den Quecksil­berdampf hervorgerufen, der in diesem Falle von den Amalgam-füllungen abgegeben wird und sich der ausgeatmeten Luft beimischt. Es kommt zu einer Vergiftung mit den üblichen Erscheinungen (nervös-psy­chische Beschwerden, chronischer Schnupfen, Katarrhe usw., wenn Beschaffenheit, Größe und Lage der Füllungen so sind, dass hinreichende Quecksilberdampf-Mengen in den Atemstrom gelangen. Die Höhe der hierfür mindestens erforderlichen Menge kann man nach den bei der beruflichen Vergütung gemachten Feststellungen auf etwa 2 µg im Kubikmeter Luft schätzen. Man muss berücksichtigen, dass hier die queck-silberhaltige Luft dauernd einwirkt, bei beruflicher Quecksilbervergiftung dagegen nur während der Arbeitszeit. Entgegen einer im Schrifttum gelegentlich geäußerten Ansicht wird die Verdampfung des Quecksilber durch Oberschichten mit Wasser oder wässerigen Lösungen (z. B. Speichel) nicht aufgehoben, sondern nur - und zwar verhältnismäßig wenig - verlangsamt.

Der für das Auftreten der Vergiftung notwendige Quecksilbergehalt in der Mundluft wird zum Glück bei der großen Mehrzahl der Amalgamträger nicht erreicht. So erklärt es sich, dass stärkere Amalgamvergif­tungen im Verhältnis zu der ungeheuren Verbreitung der Amalgamfüllungen selten auftreten. Immerhin sind sie häufiger, als die meisten Ärzte und Zahnärzte annehmen, und verdienen die Beachtung der Fach­kreise. Auch hier gilt wieder, dass zweifellos die leichtesten Vergiftungen, die sich nur in Müdigkeit und dergleichen äußern und kaum als „Krankheit" gewertet werden, weit öfter vorkommen als ernste Erkran­kungen, die den Patienten zum Arzt, wiederum meist zu Nerven- oder Nasenfachärzten, treiben. Diese müssen wenn sie keine andere Krankheitsursache finden, an die Möglichkeit einer Amalgamvergiftung denken. Der Zahnarzt selbst wird seltener in der Lage sein, eine Amalgamvergiftung zu diagnostizieren, weil die Patienten wegen derartiger Beschwerden nicht bei ihm Rat suchen. Auch die chronische Amal­gamvergiftung, die ja nichts anderes als eine chronische Quecksilberdampf-Vergiftung ist, führt zu einer allmählichen Steigerung der Empfindlichkeit, so dass sich die Beschwerden im Laufe der Zeit verstärken. Wird Überempfindlichkeit anderweitig, z. B. im Beruf (vielleicht auch durch Quecksilber-Medikamente) erworben, so können Amalgamfüllungen, die vorher nicht schadeten, nun Beschwerden hervorrufen oder verstärken. Darum ist in solchem Falle das Entfernen der Amalgamfüllungen geboten. Erst danach pflegt, auch wenn die übrigen Vergiftungsquellen verstopft sind, völlige Wiederherstellung zu erfolgen.

Es sei nochmals gesagt, dass eine angeborene Quecksilberüberempfindlichkeit nicht bekannt ist. Eine solche kann also auch bei den Amalgamvergiftungen keine entscheidende Rolle spielen. Wie bei allen phy­siologischen Vorgängen bestehen natürlich auch in der Anfälligkeit gegenüber der Wirkung des Quecksil­berdampfes gewisse individuelle Verschiedenheiten. Was das Kupferamalgam angeht, so kann ich mich kurz fassen, weil, soweit ich unterrichtet bin, der Stab über ihm heute fast allgemein gebrochen wird. Als ich seinerzeit vor den Amalgamen warnte, war ich erstaunt, wie viele harte Urteile über die Schädlichkeit des Kupferamalgams laut wurden. Von den ver­schiedensten Seiten bestätigte man die Quecksilberabgabe. Wer alte Füllungen gesehen hat, weiß, dass darin häufig schon mit bloßem Auge

 

*   Quelle: Prof. Dr. Alfred Stock: Zahnärztl. Rundschau 48, 403 - 407 (1939)

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Quecksilbertröpfchen zu erkennen sind. Das Kupfer wird von Luft und Speichel oxydiert, und das Quecksilber wird frei. Zwei aus jener Zeit stammende Äußerungen maßge­bender Fachleute seien angeführt: „Das Kupferamalgam muss unter allen Um-ständen als Füllmaterial abgelehnt werden" (Wannenmacher). „Das Kupferamalgam hat als Füllmaterial auszuscheiden“ (Schoenbeck).

Einen ähnlichen Standpunkt, wenn auch in etwas verbrämter Form, vertritt das „Merkblatt zur Verhütung von Quecksilbervergiftungen in der zahnärztlichen Praxis"8), in dem es heißt: „Die Verwen­dung von Amalgam-Präparaten, deren Quecksilbergehalt vor der Verarbeitung durch Erhitzung freige­macht werden muss, sollte in der modernen zahnärztlichen Praxis überhaupt nicht mehr stattfinden, da hierbei die größte Vergiftungsmöglichkeit besteht." Die Amalgam-Präparate, die erhitzt werden müssen, sind die Kupferamalgame. Bei dieser Sachlage ist nicht zu verstehen, dass das Kupferamalgam seinerzeit auch Verteidiger fand. Ganz unbegreiflich ist es, dass es, wie ich erfuhr, auch heute noch in einzelnen Zahn-kliniken weitgehend benutzt wird.

Über das Silberamalgam gehen die Meinungen noch heute weiter auseinander. Es fehlt zwar keineswegs an Fachleuten, die ihm die schwersten Vorwürfe machen. Andere dagegen beteuern seine Harmlosigkeit und leugnen jede Quecksilber-abgabe, sofern es richtig „dosiert" sei, d. h. die Zusammensetzung der Feilung und die für die Herstellung gewählte Quecksilbermenge richtig seien. Über die chemischen Vorgänge bei der Amalgambildung ist noch keine völlige Klarheit erreicht. Man nimmt an, dass die Feilung, die aus einer Silber-Zinn-Verbindung (Ag-Sn) und einem sogenannten elektrischen Gemisch von Silber und Zinn besteht, mit dem Quecksilber eine Mischung von einer Silber-Quecksilber-Verbindung mit sogenanntem Quecksilber-Zinn-Mischkristall bildet, ein Vorgang, der sich ziemlich langsam vollzieht, wobei die zunächst plastische Masse erhärtet. Ein Überschuss an „freiem" Quecksilber (ein nicht genau definierbarer Begriff!) müsse vermieden werden. Nun besitzt, wie besonders aus den Untersuchungen Wannenmachers hervorgeht; das theoretisch am günstigsten zusammengesetzte Amalgam zwar ein Minimum an chemischer Angreifbarkeit (Korrosion), aber wenig befriedigende mechanische Eigenschaften. Man muss des­wegen ein empirisch gefundenes "Optimum" der Zusammensetzung wählen. Früher stellte sich der Zahn­arzt - und es geschieht wohl auch heute noch vielfach — sein Amalgam aus Feilung und Quecksilber nach Gutdünken her. Dabei wird im Allgemeinen zu viel Quecksilber genommen. Heute liefert, wie erwähnt, die Industrie Vorrichtungen, mit denen aufeinander abgestimmte Mengen Feilung und Quecksilber zu einem „optimal" zusammengesetzten Amalgam vereinigt werden. Wie weit solche Apparate in die zahnärztliche Praxis Eingang gefunden haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Dass Amalgame, die mehr als die optimale Menge Quecksilber enthalten stärker zur Quecksilberabgabe neigen, ergibt sich wiederum aus den Wannenmacherschen Untersuchungen. Aber auch die besten Silberamalgame geben Quecksilber ab, teils in Form fester oder flüssiger Teilchen, teils als Dampf. Ersteres folgt schon aus der Tatsache, dass jede Füllung im Laufe der Zeit an Substanz ver­liert, sowohl durch mechanische Beanspruchung wie durch chemische „Korrosion". Bei der Korrosion geht, wie Wannenmacher schon vor zehn Jahren feststellte und eine neuere eingehende physikalisch-chemische Untersuchung von N. Brecht-Bergen9) bestätigte, der unedelste Bestandteil des Amalgams, das Zinn, in Lösung, d. h. der Quecksilber-Zinn-Mischkristall wird unter Freiwerden von Quecksilber zer­stört. Doch auch im unangegrif-

fenen Amalgam hat das Quecksilber eine gewisse Verdampfungsneigung (Dampfdruck), wie ebenfalls schon Wannenmacher hervorhob. Dieser schrieb damals allerdings: „Dieser Dampfdruck ist aber so gering - er ist meines Wissens noch nicht ge-

 

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messen worden -, dass er praktisch tatsächlich keine Rolle spielen kann.“ Inzwischen wurde er von Brecht-Bergen gemessen und als durchaus nicht so gering befunden. Er liegt bei kunstgerecht hergestellten Amalgamen mit 45 bis 70% Quecksilber­gehalt zwischen 11 bis 26%, bei einer Quecksilber-Zinn-Legierung mit 30% Quecksilber bei 54% vom Dampfdruck des reinen Quecksilbers. Um die Frage der Quecksilber-dampfabgabe aus Silberamalgam-Füllungen unter den wirklichen Verhält­nissen, d. h. im Munde, unzweideutig und endgültig zu beantworten, haben wir in der von drei uns von der hiesigen Universitäts-Zahnklinik zugewiesenen Amalgamträgern ausgeatmeten Luft das Quecksilber bestimmt.10) Die Versuchspersonen hatten durchweg gut aus-sehende, von der Zahnklinik als „in befriedigendem Zustande" bezeichnete, ältere Füllungen mittleren Umfanges. Keine von ihnen litt an Beschwerden, die deutlich auf eine Quecksilberwirkung hinwiesen. Wir fanden die folgenden (auf 1 Ku­bikmeter Luft berechneten) Quecksilbergehalte:

 

  I. (Größere Zahl meist sehr kleiner Füllungen, 2 Metallkronen): 0,2 µg;

 II. (8 kleinere Füllungen): 0,1 µg; im Harn 0,2 µg/1000 cm3;

III. (mehrere meist sehr kleine, 3 größere Füllungen: 1,0 µg; im Harn 4,1 µg/1000 cm3

 

In allen diesen Fällen mit verhältnismäßig günstigen Amalgamverhältnissen ließ sich also eine deutliche Quecksilberdampf-Abgabe nachweisen. Von dem Quecksilber, das die Amalgamfüllungen verlieren, geht der nicht dampfförmige Teil in die Ver­dauungswege, der dampfförmige teils in die Lunge, teils mit der ausgeatmeten Luft in die Nasenwege. Was in Magen Darm und Lunge gelangt — es ist die Hauptmenge11) ___ , richtet keinen gesundheitlichen Schaden an. Was in die obere Nase kommt, kann nach dem früher Gesagten im Laufe der Zeit eine chronische Quecksilber-, in diesem Falle „Amalgam"-Vergiftung hervorrufen, sofern die Quecksilberdampf-Konzentration dafür hoch genug ist. Diese Voraussetzung ist häufiger bei den sich schneller unter Ausscheidung metallischen Quecksilbers zersetzenden Kupferamalgam-Füllungen erfüllt als bei guten Silberamalgam-Füllungen. Dass aber auch diese Quecksilbervergiftungen verursachen können, ist sicher. Das Fachschrifttum, von fleischmann angefangen, bringt hierfür viele Belege. Ich selbst habe Dutzende sol­cher Fälle kennengelernt, viele aus nächster Nähe beobachtet und mehrere in früheren Veröffentlichungen beschrieben. Hier will ich noch über einige aus jüngster Zeit berichten.

Der erste Fall wurde mir von meinem hiesigen Zahnarzt mitgeteilt:

Eine 30jährige Sportlehrerin, müde, bis zur Berufsunfähigkeit elend, 20 Pfund Gewichtsabnahme, hatte bei allen möglichen Ärzten und Naturheil­kundigen vergeblich Heilung gesucht. Nach Entfernen ihrer 10 meist großen, teilweise bröckelig gewor­denen Füllungen, ohne sonstige ärztliche Behandlung, gesundete sie und war nicht wiederzuerkennen: Frisch, früheres Gewicht, berufsfreudig.

 

9)                                           „Korrosionsuntersuchungen an Zinn-Silber-Amalgamen“ Zeitschr. f. Elektrochemie 39, 927 (1933).

10)                  Die Versuchsperson bläst 200 bis 300 Liter Atemluft in eine Apparatur, die sich aus je einem mit Eis und mit flüssiger Luft gekühlten Kondensationsrohr und einer Gasuhr zusammensetzt. In den beiden Kondensaten wird das Quecksilber in der bei der Luftanalyse üblichen Weise bestimmt. Weil das Ausatmen, bei dem ein gewisser Gegendruck überwunden werden muss, schneller erfolgt als beim ruhigen Atmen durch die Nase, ist anzunehmen, dass die gefundene Quecksilberkonzentration hinter der im Munde gewöhnlich herrschenden etwas zurückbleibt.

11)              borinski (Zahnärztl. Mitteil. 1929, Nr. 35) kam bei umfangreichen Serien-Harnanalysen zu dem Schluss: „Ein praktisch ins Gewicht fallender Unterschied zwischen Edelamalgam und Kupferamalgam besteht hinsichtlich der Abgabe von Quecksilber nicht."

 

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Der zweite Fall betraf eine 30jährige Patientin eines hiesigen Nasenarztes, die hauptsächlich an chroni­schen, allen Behandlungsarten trotzenden Nasenbeschwerden, starkem Schnupfen und Katarrhen litt. Diese besserten sich schnell nach Beseitigung der Füllungen. Der Quecksilber-Hauttest war hier stark positiv.

Auf einen dritten Fall gehe ich ausführlicher ein, weil ich selbst daran beteiligt war. Dipl.-Ing. X., 37 Jahre, ohne berufliche Berührung mit Quecksilber, im Bürodienst tätig, litt seit 1932, nachdem ihm einige größere Edelamalgamfüllungen gesetzt waren, an starken nervösen Störungen, Mattigkeit, Nasen- und Rachenkatarrhen usw., ohne dass Ärzte eine Ursache fanden oder Kuren Besserung brachten. Die Harnanalyse ergab 3,1 µg Quecksilber im Liter, eine verhältnismäßig kleine, wenn auch deutlich übernormale Menge. In der ausgeatmeten Luft fanden wir 2,1 µg im Kubikmeter. X. ließ sich im Mai 1938 seine 2 großen und 11 kleinen Füllungen herausnehmen. Er schrieb mir kürzlich u. a.: „Ab September-Oktober verspüre ich nun eine gewaltige Verbesserung im Wohl-befinden... Ich wage zu sagen, dass mein Gemütszu­stand sich fast gänzlich gewandelt hat und dass fast alle Depressionen verschwunden sind." Ähnliche Äußerungen, wie „ein anderer Mensch" oder „wie neugeboren", sind typisch für die vom „Erethismus mercurialis" Befreiten. Wichtig ist, dass hier die Quecksilberkonzentration in der Atemluft bestimmt werden konnte. Etwa 2 µg im Kubikmeter reichten aus, um bei der dauernden Einwirkung die Erkrankung zu bewirken. Die Analyse der Atemluft hat vielleicht größeren Wert für die Diagnose der Amalgamvergiftung als die Harnanalyse. Zur Sammlung weiteren Beobachtungsmaterials wäre ich dankbar, wenn man mir in Fällen, wo Verdacht auf Amalgamvergiftung besteht, Gelegenheit gäbe, die „Atemluft-Analyseu vornehmen zu lassen. In Verbindung damit könnte auch die Hauttest-Probe gemacht werden, um deren diagnostischen Wert auch in solchen Fällen festzustellen. Sie war auch im letzterwähnten Falle positiv.

Ich wiederhole zum Schluss noch einmal: Sind auch so auffällige Amalgamvergiftungen verhältnismäßig selten, vielfach häufiger sind sicherlich, genau wie bei den übrigen chronischen Quecksilbervergiftungen, die leichtesten Vergiftungsfälle, bei denen sich die Symptome auf schwache nervös-psychische Störungen beschränken, die aber dem Betroffenen das Dasein schon gründlich vergällen können.

Bei einer chronischen Amalgamvergiftung ist — dies müssen die Krankenkassen beachten — die Ersetzung der Amalgamfüllungen ein notwendiges Heilverfahren.

Leider gibt es für die Amalgame, die sich so leicht verarbeiten lassen und in mancher Beziehung, z. B. in der mechanischen Widerstandsfähigkeit, befriedigen, für die Massen- (und Kassen-)Praxis noch keinen voll­wertigen Ersatz. So ist es begreiflich, dass man den Mängeln der Amalgamfüllungen gegenüber auch dort, wo man sie kennt, den Vogel Strauß spielt und vorläufig auch spielen muss. Ich weiß aus Unterhaltungen mit Zahnärzten und aus dem zahnärztlichen Schrifttum, dass Fachleute dem Amalgam noch andere Vor­würfe machen als den der gelegentlichen Giftwirkung: Erzeugung von sekundärer Karies, Zahnfleisch- und Schleimhautreizungen u. dgl. m.

Hoffentlich kommt bald der Tag, der ein anderes, dem Amalgam gleichwertiges, aber unschädliches Zahnfüllmittel bringt. Vielleicht helfen auch hier die neuen Allerweltskunststoffe. An dahin zielenden Ver­suchen arbeitet man, wie ich weiß. Vorläufig wird die Zahnheilkunde noch Silberamalgam benutzen und dessen Nachteile in Kauf nehmen. Aber jeder Zahnarzt muss die gesundheitliche Gefährdung, der er selbst und seine Patienten ausgesetzt sind, kennen und nach Möglichkeit vermeiden.   

 

 

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F  a l  s c h e   Z  a  h  l  e  n    !                                           —                                  R  i  c  h  t  i  g  e    E  r  g  e  b  n  i  s  s  e   ?

E. BIRZER*

Als ich kürzlich einem der Autoren des hier kritisierten Aufsatzes (Kalb R., Barocka A., Hickel R., Schiele R.: Amalgam und Psyche. In: Fundaments Psychiatrica 6, 37—40; Schattauer Verlagsgesellschaft GmbH (1992)) mein Vorhaben mitteilte, wurde mir vorgehalten, ich würde damit das Geschäft "der anderen Seite" betreiben. Ich müsste— um meinem Vorhaben, wissenschaftliche Aufklärung zu betreiben, gerecht zu werden — wenigstens auch ndie andere Seite" genauso kritisch überprüfen. Dies werde ich freilich nicht tun. Denn, bei der Amalgam-Problematik handelt es sich eben nicht um zwei mehr oder weniger gesicherte, wissenschaftlich gleichrangige Positionen, sondern darum, dass ein ärztliches Hilfs­mittel eingeführt wurde, ohne dass dessen Ungefährlichkeit bewiesen ist und dieses Hilfsmittel - so seine Zwi­schenlagerung im Zahn beendet ist - aufgrund gesetzlicher Auflagen als Sondermüll entsorgt werden muss. Es besteht damit eine höhere moralische Verpflichtung zur Kritik der Unwissenschaftlichkeit der Befürworter!

 

1 .   Ü b e  r t r i e b e n e   A n g s t  ?

 

Unter dieser Überschrift erscheint am 26. März 1993 ein Artikel in den Nürnberger Nachrichten, der auf eine Fachtagung „Umwelt, Beruf und Nervensystem" an der Erlanger Kopfklinik hinweist. Vorab wird über ein Referat berichtet, das Prof. Barocka von der Psychiatrischen Universitätsklinik halten wird* Zusammengefasst wird dessen Ergebnis durch Barocka pressegerecht dargestellt; „Die Angst vor Amalgam im Zahn ist nach unserem Eindruck nichts anderes als eine Hypochondrie.*4 Bei dieser als Zitat dargestellten Aussage -so bestätigt mir der Redakteur der NN —, handelt es sich wirklich um wörtliche Rede des Zitierten.

Darüber hinaus ist dem Redakteur die Untersuchung, die im Artikel angesprochen und auf der Tagung the­matisiert wird, nur aus dem Gespräch mit dem Psychiater Barocka bekannt. Wem sind dann die Ungenauigkeiten vorzuwerfen, dass im Artikel von 53 Untersuchten und davon, dass „bei fast allen Untersuchten jedoch ... eine psychische Erkrankung zutage (trat)", gesprochen wird, während das Vortragsmanuskript 50 Untersuchte und der Artikel „Amalgam und Psyche", der die fachliche Grundlage des Vortrags zu sein scheint, 60% der Untersuchten als psychisch auffällig benennt?

 

2.  D e r   A u f s a t z  „A m a l g a m   u n d   P s y c h e" —  

       O d e r:   W ü r d e n   S i e  I h r  defektes Auto zum Fernsehtechniker bringen?

 

Dieser Aufsatz ist ein Ergebnis jener Untersuchungsreihe der Psychiatrischen Klinik, der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie und des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin der FAU Erlangen-Nürnberg, die landläufig als die „Erlanger Amalgam-Studie" gehandelt wird. Gegenstand dieses Aufsatzes ist offensichtlich ein Teilbereich der Gesamtuntersuchung, nämlich das Verhältnis von Quecksilberbela­stung und psychischer Störung. Es handelt sich also um eine Themenstellung aus dem Bereich der Psychia­trie. Warum z. B. freilich ein Zahnmediziner als Mitautor genannt wird, ist mir unverständlich, denn ein vierseitiger Aufsatz, der eine annähernd fünfjährige Untersuchungsreihe zusammenfasst, wird nicht dadurch besser, dass er vier Autoren vorweisen kann. Bekanntlich verderben viele Köche den Brei. Und so muss sich jeder der namentlich genannten vier Autoren die Mängel des Aufsatzes vorwerfen lassen!

 

        *   E. Birzer ist promovierter Erziehungswissenschaftler. Magister Artium und Dipl.-So-

             zialpädagoge, übt(e) Tätigkeiten im Hochschulbereich, im Sozialwesen und

           Dienstleistungsbereich aus.

 

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2.1 Verallgemeinerbarkeit? Oder: Trifft die Studie auf mich zu?

 

Es ist die Absicht von Wissenschaft, berechtigt Aussagen treffen zu können über einen möglichst großen Kreis von Fällen/Personen/Gegenständen u. ä. Wissenschaftliche Grenzen sollen allgemein anwendbar sein und nicht zur Beschreibung eines Einzelfalls dienen. Versuchen wir deshalb zunächst zu klären, ob diese Allgemeingültigkeit dieser Veröffentlichung bzw. Untersuchung von Kalb, Barocka u. a. zukommt.

Es dürfte eigentlich ganz augenscheinlich sein, dass sich bei einer empirischen Untersuchung mit 50 Versuch­spersonen eine Verallgemeinerung von selbst verbietet. Hier ist in keiner Weise eine Repräsentativität gegeben. Lässt man einmal diesen Mangel außer acht, so sind die Versuchspersonen auch in der Geschlechtszusammensetzung keineswegs repräsentativ:

Eine Versuchsgruppe mit einer Aufteilung in 44% Männer und 56% Frauen (= 22 Männer und 28 Frauen), weicht von dem realen Verhältnis (47,5 % Männer - 52,5 % Frauen) deutlich ab. Einzig das Durchschnittsalter von 39 Jahren entspricht erstaunlich genau dem Durch­schnitt der Bundesbevölkerung von 1990. Weniger stimmig wird das Durchschnittsalter jedoch dann, wenn man als Vergleichsgröße für die Versuchsgruppe nicht das Durchschnittsalter der bundesrepublikanischen Bevölkerung, sondern das Durchschnittsalter potentieller oder realer Amalgamträger ansetzt.

Wer auf der Basis solcher Zahlen Aussagen mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit aufstellt, und dies wird sowohl im Artikel der Nürnberger Nachrichten wie auch im persönlichen Gespräch (Dr. Barocka mit mir) getan, der handelt rundweg unwissen-schaftlich! Wer allerdings aufgrund solcher Untersuchungen ein neues Krankheitsbild Amalgamhypochondrie" behauptet, und dies tun Barocka und Kalb in ihrem Vor­trag bei der ärztlichen Fortbildungstagung „Umwelt, Beruf und Nervensystem" im März 1993, ist wohl­wollend formuliert - gerade noch als Erfinder, freilich keinesfalls als Erforscher zu bezeichnen.

Als Angehöriger des geisteswissenschaftlichen Bereiches, also jenes wissenschaft-lichen Bereiches, der häufig wegen seiner scheinbaren Unwissenschaftlichkeit diffa-miert wird, kann ich mich nur über solche Unwissenschaftlichkeit der vorgeblich so strengen Naturwissenschaftler wundern!

Nun wäre freilich - bei Aufgabe des Allgemeingültigkeitsanspruchs - immer noch darauf zu verweisen, dass die Untersuchung der „Patienten" (wie sie von Kalb u. a. genannt werden!) relevante wissenschaftliche Daten über diese untersuchten Personen erbracht hätte. Es wird jedoch nachfolgend gezeigt werden, dass das Fehlen der Wissenschaft-lichkeit nicht nur bei der Frage der Allgemeingültigkeit, sondern auch bei der Geltung der Aussagen für die untersuchten Personen zu bemerken ist.

 

2.2. Erfolgt eine tendenziöse Darstellung von Daten?

 

Die beiden nachfolgenden Balkendiagramme haben — trotz sehr unterschiedlichem Aussehens - die gleichen Ausgangsdaten: So wurde im Zuge der Untersuchung die Quecksilberbelastung der einzelnen Ver­suchspersonen ermittelt. Im Aufsatz "Amalgam und Psyche" wurde dieser Sachverhalt in der untenste­henden Weise dargestellt. An dieser Darstellungsweise stellt man zunächst einmal ein inkonsequentes Ein­halten der gewählten Darstellung fest. Während im unteren Bereich — zwischen 0—9 µg — je-weils ein µg als eigenständige Gruppe dargestellt wird, wird im Bereich über 10 µg das Zehnfache des Werts der vorhe­rigen Gruppen gruppenkonstituierend. Diese plötzliche Verwendung einer zweiten Gruppengröße erscheint um so willkürlicher, als damit gera-

 

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de die erste Gruppe, die nach dem veränderten Prinzip konsti­tuiert wird (10 - 19,99 µg),

die größte aller dargestellten Gruppen bildet. D. h., hier bilden 10 Personen eine Gruppe, während die 25 geringer belasteten Versuchspersonen insgesamt 10 Gruppen bilden. Die graphische Aufbereitung von Daten soll aber üblicherweise komplexere Sachverhalte optisch besser erschließbar machen. Dem wird die gewählte Darstellung jedoch nicht gerecht.

Gänzlich verwundert mich allerdings, dass nicht das Ausmaß des Ausscheidens von Quecksilber in den Kolonnen dargestellt wird, so wie das die Beendung der Grafik "Tagesausscheidung von Quecksilber im Urin nach Dimaval-Verabreichung behauptet, sondern die Zahl der Angehörigen der auf die vorab beschriebene absonderliche Art gebildeten Gruppen. Die Grafik stellt also vielmehr die Zugehörigkeit der Testpersonen zu inkonsequent gebildeten Gruppen dar.

Gänzlich anders gestaltet ist, bei gleichen Werten die von mir entwickelte Grafik: Dort ist das reale Ausmaß der Ausscheidung einer jeden einzelnen Versuchsperson dargestellt. Was bietet uns diese Grafik mehr?

 

a.      Wir haben eine Darstellung, die der Betitelung entspricht.

b.     Es ist eine graphische Vorstellung der Einzelwerte möglich.

c.  Der „geringe" Durchschnittswert der Quecksilberbelastung für Nicht-amalgamträger in Höhe von 5,5 µg (vgl. nAmalgam und Psyche", S. 38, Sp. 1) kann gegenüber der realen Belastung der untersuchten Amalgam­träger abgelesen werden. Das Ausmaß der Belastung der Testpersonen wird damit augenscheinlicher.

d.     Die „Verwandtschaft" von Angehörigen der Gruppe der niedrig belasteten mit denen der hoch bela­steten Versuchspersonen und die Künstlichkeit der Bildung der Gruppen (vgl. nachfolgenden Aufsatz „N.N., Ein Kommentar aus sozialwissenschaftlicher Sicht“), die von den Autoren zur weiteren Untersuchung (vgl. hierzu auch den nachfolgenden Abschnitt 2.4 Fehlinter-pretation der Daten41) eingeführt werden, wird m. E. hierüber transparent.

 

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Wer sich Daten in solcher Weise „verstellt, der lässt Befürchtungen aufkommen, ob er die erhobenen Daten in ihrem quantitativen Ausmaß und ihrer qualitativen Bedeutung überhaupt richtig erfasst hat. Diese Befürchtung wird sich leider in den nachfolgenden beiden Abschnitten bestätigen!

 

2.3  Welche Daten stimmen nun?

 

Bereits im ersten Abschnitt habe ich auf merkwürdige Differenzen zwischen dem Artikel der NN und dem Vortragsmanuskript bzw. dem Aufsatz „Amalgam und Psyche" hingewiesen. Bliebe es in diesem Vorgang bei dieser einen fehlerhaften Zahlenangabe bzw. der Falschdarstellung von „Fakten“, so könnte dies häu­figer auftretenden Kommunikationsstörungen — in diesem Fall zwischen einem Journalisten und einem Psychiater (!) — zugeschrieben werden.

Jedoch bleibt es nicht dabei — wie nachfolgend gezeigt werden wird. Vielmehr ist der Aufsatz „Amalgam und Psyche" für sich allein betrachtet, bereits ein grandioses Zahlenverwirrstück. Dies wird nachfolgend an einer Reihe von Beispielen dokumentiert.

Bleiben wir gleich bei jener Gruppe der Versuchspersonen, die im NN-Artikel fast gänzlich unterschlagen wird, nämlich bei jenen Versuchspersonen, die als psychisch unauffällig beurteilt werden. Über diese Gruppe lesen wir, dass „nur 20 Patienten (40%) psychisch unauffällig (waren)" (Seite 38, Spalte 2, Zeile 20/21) und dass dabei „das weibliche Geschlecht (14 Frauen, 4 Männer) (überwog)" (S. 38, Sp. 3, Z. 8/9).

 

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Wenn schon von einer Textspalte zur nächsten zwei Versuchspersonen verloren gehen, so wundert es fast, dass bis zur nächsten Seite nur noch eine zusätzliche Person abhanden kommt:

 

In der Abb. 2 auf Seite 39 werden dann nur noch 17 Versuchspersonen als unauffällig dargestellt*

Dann müssten es also 30, 32 oder 33 psychisch auffällige Versuchspersonen sein, wenn die wiederholt auf der ersten Aufsatzseite angegebene Gesamtzahl der Versuchspersonen 50 stimmt. Der Originaltext meint zur Frage der Anzahl der psychisch auffälligen Personen nun: „30 Patienten (60%) wurden als psychisch auffällig eingestuft* (S. 38, Sp. 2, Z. 21 ff). Gleich nachfolgend können wir lesen, dass „dabei... die Neu­rosen (12 Patienten), die Persönlichkeits-störungen (9 Patienten) und die depressiven Reaktionen (6 Pa­tienten) (dominierten)." Bilden wir hier die Zwischensumme, so sind bis jetzt 27 Patienten klassifiziert. Doch weiter im Original: "Nur jeweils ein Patient war endogen depressiv (= 28, Anmerkung d. E. B.), medikamenten-abhängig (= 29, E.B.) oder litt unter einer funktionellen Störung (= 30, E.B.) oder einer Hirn-störung (=31, E.B.)-"

Oh, welch Wunder, hatten wir anfänglich 30, 32 oder 33 Versuchspersonen als psychisch auffällig erwartet und waren uns eben noch 30 zugesichert worden, so sind es nach unserer Rech-

nung jetzt plötzlich 31 psychisch auffällige Versuchspersonen.

Bleibt nach soviel Unklarheit über die Gesamtzahl der Unauffälligen und über die Gesamtzahl der Auffäl­ligen wenigstens zu hoffen, dass die Gesamtzahl der Untersuchten (Wir erinnern uns an den NN-Artikel: 53) im Aufsatz Eindeutigkeit erfährt: Wiederholt finden wir auf der eisten und der zweiten Seite des Auf­satzes hierzu die Angabe "50" Ebenso können wir uns den Wert aus der Angabe der Größe der beiden Patientengruppen, deren Quecksilberbelastung unter bzw. über dem Medianwert von 10 µg/l/24h liegt, erschließen, denn diese Gruppen zählen jeweils 25 Angehörige. Ich höre den Leser direkt aufatmend bemerken: "Na, endlich mal...", „Nein", so muss ich ihn unterbrechen "so ist es nicht, wie Du jetzt hoffst, denn auf Seite 38 finden wir ja die Grafik, die oben bereits einmal kritisiert wurde. In der Unterzeile trägt sie zwar die Anmerkung „(n = 50)", addiert man allerdings die Einzelzahlen der Grafik, so umfasst sie -49 Versuchspersonen,"

„Nun musste die Zahl 49 vom Kritiker errechnet werden, „50" wird dagegen im Text häufiger benannt. Bleiben wir also durchaus bei „50" ? mag der den Erlanger Amalgam"forschern" wohlwollende Leser vor­schlagen. Freilich bin ich hierzu nicht bereit, denn es handelt sich bei dem errechneten Wert um einen, für den eine größere Exaktheit zu erwarten ist, denn hier handelt es sich um einen der beiden Fälle in dieser Studie, in denen alle Personen gemeinsam in einem Zusammenhang und zusätzlich mit der Nennung eines spezifischen Kriteriums dargestellt werden. Also rechnen wir wieder neu: 49 VPS, 40% davon unauffällig, das sind ... Nein, Polemik beiseite! Betrachten wir abschließend gemeinsam noch einen Sachverhalt in seiner verwir­renden Darstellung. Das zweite Mal werden alle Versuchspersonen gemeinsam dar-gestellt in der Grafik

„Häufigkeit der ICD-9-Diagnosen" auf Seite 39: Dort lassen sich, wie bereits erwähnt, 17 als unauffällig diagnostizierte Versuchspersonen ablesen. Diese bereits oben erwähnte Abweichung gibt uns den Anlass, auch die anderen Werte dieser Grafik genauer zu betrachten. Der Einfachheit halber werden die Werte der Grafik den im Text genannten Werten (S. 38, Sp. 2 und 3) in Form der untenstehenden Tabelle gegenüber-

gestellt. Dabei stellen wir erneut eine ganze Reihe von Abweichungen fest. Interessant sind wieder die Gesamtsummen, vor allem die der Abbildung. Sollten Mehrfachnennungen vorhanden sein? Warum wird dann solches in der Beschreibung der Grafik nicht erwähnt? Freilich erscheint mir das Vorhandensein von Mehrfachnennungen unwahrscheinlich, da sie die Zahl der Unauf­fälligen nicht reduzieren dürften. Mehr noch: Im Text wurde Alkoholabhängigkeit ausdrücklich ausgeschlossen: „Eine Alkoholabhängigkeit kam nicht vor." (S. 38, Sp. 3, Z. 2 und 2) Was einmal ausdrücklich ausgeschlossen wurde, kann auch als Mehrfachnennung nicht wieder erscheinen.

 

Einzelgift                                         Amalgam                                           Symptome   II - 9.5

Bleibt noch zu bemerken, dass die ICD-Diagnose 305 (Missbrauch) im Text keine Erwähnung findet, wäh­rend ihr in der Grafik drei Personen zugeordnet sind. Das Unerwähntbleiben im Text kann sicherlich nicht auf die geringe Zahl der betroffenen Versuchspersonen zurückgeführt werden, da Diagnosen - wie „endogen depressiv", „medikamentenabhängigu, „funktionelle Störungen" bzw. „Hirnstörungen" trotz geringerer Häufigkeit im Text genannt werden.

 

 

Es handelt sich also hier um ein grandioses Zahlenverwirrspiel, bei dem man geneigt ist zu fragen, ob die Autoren selbst noch die Fakten in ihrer quantitativen Ausprägung exakt benennen können. Selbst wenn sie dazu in der Lage wären, dann sind sie jedenfalls nicht fähig dazu, diese in der Niederschrift einer fünfjäh­rigen Forschungstätigkeit exakt zu dokumentieren. Die exakte Dokumentation ist allerdings eine wichtige Voraussetzung, damit eine Arbeit Wissenschaftlichkeit beanspruchen darf. Sie muss nämlich durch andere Betrachter überprüfbar und nachvollziehbar sein. Dies ist hier offensichtlich nicht möglich!

 

 

 

2 . 4  F e h l i n t e r p r e t a t i o n  d e r  D a t e n

 

Vorab sei bemerkt, dass auch die Werte, die in der nachfolgend behandelten Grafik enthalten sind, von jenen abweichen, die zum gleichen Sachverhalt im Text (S. 38, Sp. 3) genannt werden.

Schwerwiegender als alle im Text aufzufindenden Unstimmigkeiten dieser Art ist mir allerdings der Sach­verhalt der Fehlinterpretation von Daten. Dies soll nachfolgend an der „Abb. 3 Häufigkeit der beklagten Beschwerden bei niedriger (bis 10 µg/l/24h) und hoher (über 10 µg/1/24 h) Tagesausscheidung von Quecksilber im Urin nach Dimavalverabreichung (n = 50)" gezeigt werden. Diese Grafik ist unten in inhaltlicher Nachbildung des Originals und in einer modifizierten Fassung zu sehen. Bevor ich allerdings auf diese Grafik selbst eingehe, soll ihre textliche Entsprechung bzw. Interpretation in „Amalgam und Psyche" benannt werden. Auf Seite 39 ist in Spalte 1 zu lesen: „Wie ebenfalls aus Abbil­dung 3 zu entnehmen ist, unterscheiden sich die Beschwerden bei Patienten mit niedrigen und hohen Quecksilberwerten nur wenig voneinander." Zum Zusammenhang: Es waren zwei Gruppen der Versuchspersonen gebildet worden. Grenzwert war dabei die Belastung von 10 µg/1/24 h Queck-silberausscheidung. Zudem waren die Versuchspersonen befragt worden über Beschwerden, die sie ihrer Amalgambelastung anlasten. Die Ergebnisse dieser Befra­gung wurden, bezogen auf die beiden Gruppen, in der Abb. 3 dargestellt Die Bewertung dieser Zuord­nung durch die Autoren ist oben genannt. Sie ist zunächst dadurch gekennzeichnet, dass sie unpräzise gehalten ist: „unterscheiden sich ... nur wenig voneinander". Gehen wir einmal davon aus, dass dies in der Weise zu interpretieren sei, dass die Abweichung zwischen den beiden Gruppen nur 10% ausmacht. Dann können wir allerdings von den 15 Beschwerden (einschl. Beschwerdelosigkeit!) nur noch fünf Beschwerden (Schweißaus-brüche, Sehstörungen, Unruhe, gastrointest. Sympt. und Gelenk-/Knochenschmerzen) benennen, die eine geringere Abweichung aufweisen.

 

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Also nur ein Drittel aller Beschwerden hat real eine geringe Abweichung, wie sie von den Autoren generell behauptet wird, Betrachten wir die Abb. 3 genauer, so müssen wir in extremem Widerspruch zu Kalb u. a. feststellen, dass eine deutliche Abweichung zwischen den beiden Gruppen besteht.

Wir können nämlich sicherlich bei jenen Beschwerden von einer deutlichen Abweichung sprechen, bei denen die Abweichung der Gruppen 33% überschreitet. Und dieses Maß der Abweichung wird von allen anderen als den oben genannten fünf Beschwerden erreicht bzw. überschritten. D.h. bei 10 bis 15 Be­schwerden ist die Betroffenheit der größeren Gruppe um ein Drittel oder mehr höher als bei der Gruppe mit der geringeren Ausprägung des Merkmals,

 

Abb. 3: Häufigkeit der geklagten Beschwerden bei niedriger (bis 10 µg/l/24 h) und hoher

(über 10 µ/l in 24 h) Tagesausscheidung von Quecksilber im Urin nach Dimavalverabreichung (n = 50)

 

Ein noch gravierenderer Unterschied dürfte vor allem dann vorliegen, wenn ein Merkmal in der einen Gruppe einmal oder mehrfach auftritt, in der andern Gruppe dagegen nicht vorzufinden ist. Und dies gilt immerhin noch für drei Merkmale (keine Beschwerden, Geschmacksveränderungen bzw. Schluckstö­rungen).

Wer in der Interpretation von Fakten so sehr von der Realität abweicht, dem würde sicherlich mancher Psychiater ein getrübtes Verhältnis zur Realität diagnostizieren. Ich gehe freilich vielmehr davon aus, dass die Autoren eine gänzlich andere Untersuchung interpretieren.

 

 

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Modifizierte Abb. 3: Sortierte Häufigkeit der geklagten Beschwerden; differenziert nach der Tagesaus­scheidung von Quecksilber im Urin.

 

Nun ist freilich den Autoren nicht nur eine falsche Bewertung dieser Daten vorzuwerfen. Vielmehr haben sie sogar noch versäumt, durch eine geordnete Aufbereitung der Daten deren Aussagekraft genügend zu entschlüsseln. Sehen wir uns hierzu die obenstehende modifizierte Abbildung genauer an, so ergibt sich eine „Klassifizierung" dieser Daten: Wir können nämlich vier Klassen von Beschwerden zusammenfassen:

a)            Merkmale, die ausschließlich bei der Gruppe der „niedrig"-belasteten Versuchs-personen vorzufinden sind (Schluckstörungen, Geschmacksveränderungen bzw. keine Beschwerden),

b)            Beschwerden, die bei den „Niedrig" bei asteten häufiger als bei den Höher-belasteten vorzufinden sind (Juckreiz/Hautsymptome, Brennen, Müdigkeit und Kopfschmerzen),

c)             Beschwerden, die durchgängig gleich ausgeprägt sind (Gelenk-/Knochen-schmerzen, gastrointest. Sym­ptome, Sehstörungen, Schweißausbrüche und Unruhe) und

d)     solche Beschwerden, die bei den Höherbelasteten häufiger auftraten, wie Schwindel, Insuffizienzge­fühle und Schlafstörungen.

 

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Angesichts der geringen Stichprobe will ich diese Klassifikation nicht weiter intensiver thematisieren. Sie ist jedenfalls plausibler als die oben widerlegte Behauptung, dass sich die Beschwerden nur wenig vonein­ander unterschieden.

 

2 . 5   F e h l e n d e  T r a n s p a r e n z !

 

Ein zentrales Mittel der Beweisführung innerhalb dieser Veröffentlichung ist die Berechnung des statisti­schen   Verhältnisses   zwischen   der   Quecksilberbelastung  und   der  einzelnen   ICD-Diagnose   bzw. Beschwerde mittels des CHI-Quadrat-Verfahrens. Die Anwendung dieses durchaus üblichen statistischen Verfahrens wird jedoch unzureichend dokumentiert (Nullhypothese?t Signifikanzniveau? usw.), eine wis­senschaftliche Nachprüfung ist nicht möglich, sie erhält dadurch den Charakter einer unbewiesenen Behauptung. Auf Grund der vorher genannten Punkte (tendenziöse Darstellung von Daten, ungeheuerliche Schludrigkeit bei der Wiedergabe von Daten, Fehlinterpretation von Daten) nehmen sich die Autoren hier jegliche Glaubwürdigkeit. Es ist deshalb, so von den Autoren weiter Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhoben wird, Offenlegung des Einsatzes dieses zentralen Verfahrens gefordert!

 

2.6 Abschließendes

 

Die hier dargelegte Kritik bezieht sich nur auf einen Teilbereich möglicher Kritik. Ich wollte hier nur einer Kritik unterziehen, was die Autoren getan haben. Damit ist noch lange nicht behauptet, dass deren Vorge­hensweise grundsätzlich richtig war. Immanente Kritik des unsauberen Arbeitens lässt noch lange nicht den Schluss zu, dass dann aber methodisch richtig gearbeitet wurde und nur die Detaildarstellung mangel­haft war. Vielmehr wäre eben noch zu kritisieren, was Kalb u. a. versäumt haben, um ein wissenschaftlich haltbares Verfahren zu installieren! Dies ist u. a. Gegenstand des nachfolgend dargestellten „Kommentars aus sozialwissenschaftlicher Sicht".

 

E. Birzer, Gerstenstr. 3, 90547 Stein

 

Ein Kommentar aus sozialwissenschaftlicher Sicht zu: Kalb/Barocka/Hickel/Schiele:Amalgam und Psyche“

N.N.*

Der Bitte der Autorin/des Autoren um Anonymität konnte ich nur Rechnung tragen. Sie ist mir nachvoll­ziehbar, um so mehr der Kommentar  selbst in höchstem Maße fundiert ist. Sei-ne Veröffentlichung ist nicht zuletzt deshalb gefordert, weil die Autorin/der Autor über-zeugend zeigt, dass Kalb u. a. aus den gewon­nenen Daten mit dergleichen Berechtigung und Richtigkeit eine ihrer zentralen Aussage entgegen gesetzte Hypothese hätten ent-wickeln können: „Amalgam führt zu einem deutlich erhöhten Risiko psychischer Störun- gen, wobei die quantitativen Unterschiede der Quecksilberbelastung (innerhalb der beobachteten Bandbreite) keine Rolle spielen: Schon geringe Konzentrationen führen zu einer erhöhten Wahrscheinlich­keit psychischer Störungen."

  Edgar Birzer                                                                                                                                                                                                                                                         Edgar Birzer                                                                                                                                                                       Edgar Birzer                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Edgar Birzer

 

1.

 

Das Problem, das sich die Autoren stellen, lautet in ihren Worten: "In dieser Arbeit geht es über den mögli­chen Zusammenhang zwischen Amalgamfüllungen und eventuell vor-

 

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handenen psychischen Störungen." In der Terminologie der empirischen Sozialfor-schung bedeutet das für die Untersuchung: Amalgamfül­lungen sind die unabhängige Variable1), psychische Störungen die abhängige Variable2).

Wie kann man mögliche Zusammenhänge zwischen solchen Variablen feststellen?

 

Die eine Möglichkeit ist das experimentelle Vorgehen.

In solchen Experimenten werden

a)     alle sonstigen Faktoren, die möglicherweise die abhängige Variable beeinflussen können, konstant gehalten,

b)   die unabhängige Variable planmäßig variiert, und

c)   beobachtet bzw. gemessen, was sich daraufhin bei der abhängigen Variablen ereignet.

Danach werden die Werte aus (b) und (c) verglichen und geprüft, ob die Änderungen bei (b) mit signifi­kanten Änderungen bei (c) einhergehen.

 

Die andere Möglichkeit sind Vergleichsuntersuchungen. Man sucht Probanden,

a)            bei denen (im Idealfall) alle sonstigen Merkmale, die möglicherweise die abhängige Variable beein­flussen können, völlig gleich sind,

b)  stellt fest, in welcher Ausprägung jeweils die unabhängige Variable vorhanden ist, und

c)      beobachtet oder misst, in welcher Ausprägung die abhängige Variable auftritt. Danach werden auch hier die Werte aus (b) und (c) verglichen und geprüft, ob die Änderungen bei (b) zu signifikanten Änderungen bei (c) führen.

 

Zur Erkundung eines möglichen Zusammenhangs zwischen Amalgamfüllungen und eventuell vorhan­denen psychischen Störungen ist rein schon aus ethischen Gründen ein experimentelles Vorgehen nicht möglich. Gewählt wurde deshalb die Methode der Vergleichsuntersuchung, genauer einer sog. ex-post-facto-Studie3).

 

Hierbei wurden

a)        bei 50 Probanden mit Amalgamfüllungen, die sich freiwillig gemeldet hatten,

     mittels eines bestimmten Verfahrens die Quecksilberbelastung festgestellt4)

     (= unabhängige Variable),

b)        diese Probanden psychiatrisch daraufhin untersucht, ob psychische Störungen vorhanden sind (= abhängige Variable),

c)  der Median5) der Quecksilberausscheidung ermittelt und die Probanden so in zwei gleich große Gruppen geteilt, dass die Werte der einen unter („niedrige Belastung"), die der anderen über („hohe Bela­stung'*) dem Median lagen, und

d)        geprüft, ob die jeweilige Häufigkeit psychischer Störungen in diesen beiden Gruppen differiert.

 

2.

 

An dieser Vorgehensweise fällt auf: Nach den üblichen Kriterien empirischer Forschung hätten zur Unter­suchung der o.  g. Frage zwei Gruppen von Probanden (A und B) gebildet werden müssen, die sich in den sonstigen möglichen Ursachen für psychische Störungen nicht unterscheiden, sondern nur in dem Faktum (= unabhängige Variable), dass die Probanden der einen Gruppe (A) Zähne mit Amalgamfüllungen haben, die Probanden der anderen Gruppe (B) nicht.6)

 

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Zeigt sich dabei, dass in der Gruppe (A) signifikant häufiger psychische Störungen {= abhängige Variable) auftreten als in der Gruppe (B), so lässt dies den Schluss zu, dass Amalgam womöglich7) ein kausales Agens für psychische Störungen ist. Wenn nicht, dann nicht.

Eine Kontrollgruppe nach dem Muster B kommt jedoch in der Studie nicht vor. Vielmehr hatten die Teil­nehmer beider Gruppen, die in der Untersuchung verglichen werden, Zähne mit Amalgamfüllungen und unterscheiden sich lediglich im Grad der Quecksilberausscheidung.

Außerdem wird über das Vorhandensein sonstiger möglicher Ursachen für psychische Störungen nichts berichtet; es muss deshalb angenommen werden, dass darüber keine Befunde erhoben wurden. Daraus folgt: Ganz gleich, wie die Ergebnisse der Studie aussehen — zur Frage, ob es einen „Zusammen­hang zwischen Amalgamfüllungen und eventuell vorhandenen psychischen Störungen" gibt, kann sie für sich genommen8) nichts beitragen.

 

 

*      N.N. ist als Sozialwissenschaftler/in seit vielen Jahren im Hochschulbereich tätig und bat um

       Anonymität. Sie/Er befürchtet wegen dieser Kritik z. Z. möglicherweise berufliche Schwierig-

      keiten.

1)                   „Als unabhängige Variable wird im Rahmen einer empirischen Untersuchung diejenige Variable

         bezeichnet, die nun als verur­sachende oder beeinflussende Variable auffasst,*

                Krapp/Hofer/Prell: Forschungswörterbuch. München usw. 1982. Auch die anderen Begriffsbe-

       stimmungen in den folgenden Anmerkungen stammen aus diesem Text.)

2)         „Als abhängige Variable wird im R ahmen einer empirischen Untersuchung diejenige Variable bezeichnet, die man als abhängig oder beeinflusst von einer oder mehreren Einflussgrößen auffasst."

3)         „Mit Ex-post-facto-Studie bezeichnet man die Erhebung von Daten nachdem sich bestimmte Einflussfaktoren bereits ausge­wirkt haben."

4)         Da ich keine eigenen medizinischen Kenntnisse habe, gehe ich in meiner weiteren Argumentation davon aus, dass es sich dabei um ein anerkanntes und zuverlässiges Verfahren handelt, um die Quecksilberbelastung festzustellen.

5)         „Der Median ist ein Maß für den Durchschnitt. Er bezeichnet denjenigen Wert einer Stichprobe, der diese in zwei gleich große Hälften teilt."

6)         Strenggenommen niemals Amalgamfüllungen, nicht einfach nur Probanden mit entfernten Amalgamfüllungen!

7)         „Womöglich" deshalb, weil eine signifikante Korrelation zwischen zwei Faktoren nicht direkt als Ursache-Wirkungs-Ver­hältnis interpretiert werden darf,

8)         Wenn man jedoch das Auftreten psychischen Störungen in der Probandengruppe mit dem Auftreten psychischer Störungen in der Allgemeinbevölkerung vergleicht, ergibt sich ein erstaunlicher Befund. Vgl. dazu Pt. 5 & 6.

 

3.

 

Da die beiden in der Studie verglichenen Gruppen sich im Grad der Quecksilberausscheidung unter­scheiden, könnte sie als Beitrag zur Klärung der Frage angesehen werden, ob ein Zusammenhang zwischen dem Grad der Quecksilberausscheidung und psychischen Störungen besteht. Notwendig wäre jedoch auch hier, dass, bezogen auf sonstige mögliche Ursachen für psychische Störungen, zwischen diesen beiden Gruppen keine Unterschiede bestehen.

Da dies jedoch - s. o. - offensichtlich nicht abgeklärt wurde, sind auch bezogen auf diese zweite Fragestel­lung die Ergebnisse nicht aussagekräftig: Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass möglicherweise beob­achtbare Variationen der psychischen Störungen (abhängige Variable) nicht durch die unabhängige Vari­able Amalgam, sondern durch

 

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dritte Faktoren verursacht werden. Und es kann ebenso wenig ausge­schlossen werden, dass eine möglicherweise zu beobachtende Gleichheit der abhängigen Variablen durch unterschiedliches Zusammenwirken verschiedener Faktoren entsteht: 2 x 6 ist ebenso 12 wie 3 x 4.

Außerdem ist die Art und Weise, wie die beiden Gruppen gebildet wurden, bezüglich der Aussagekraft des Vergleiches höchst problematisch:

Die beiden Gruppen waren hinsichtlich ihrer jeweiligen Quecksilberbelastung in sich keineswegs

homogen, sondern wiesen sehr unterschiedliche Betastungen auf:

In der Gruppe „niedrige Belastung" (0—9,99 µg) waren

  3 Probanden……………….……………..…………………….…… zwischen     0 und    0,99

  8 Probanden………..………………………………………….……zwischen   1 und   4,99

14 Probanden…………………………………………………….…..zwischen   5 und   9,99.

In der Gruppe „hohe Belastung“ (10—99,99 µg) waren

10 Probanden…………………………………………………….…..zwischen 10 und 19,99

  5 Probanden………………..………………………………….…...zwischen 20 und 29,99

  4 Probanden………………………………………………………….zwischen 20 und 39,99

  5 Probanden………………………………………………………….zwischen 40 und 99,999).

 

Zwei Drittel (33 Personen = 67%) lagen also im Bereich von 5 bis 39,99 (= 35 % der erfassten Band­breite). Fast die Hälfte der Probanden (24 Personen = 49 %) lagen in dem relativ kleinen Bereich von 5 bis 19,99 µg (= etwa 15 % der erfassten Bandbreite) — durch die Teilung der Gesamtgruppe gemäß des Medians gerieten 14 dieser Proban-den in die Gruppe „niedrige Quecksilberbelastung“ und 10 in die Gruppe „hoher Quecksilberbelastung“. Fast die Hälfte der Patienten wurde also trotz verhältnismäßig eng beieinander liegender Werte verschiedenen Gruppen zugeordnet.

Außerdem: 10 Probanden mit Belastungswerten zwischen 10 und 19,99 µg wurden der Gruppe „hohe“ Belastungen zugeordnet. Ihnen standen die 22 Probanden der „niedrigen*4 Belastungsgruppe mit Werten zwischen 1 und 9,99 µg näher (Unterschiede zu diesen zwischen 0,1 - 9 µg) als die 9 Probanden der Gruppe „hohe" Belastung mit Werten zwischen 30 und 99,99 (Unterschiede zu diesen zwischen 10,01 bis 89,9 µg).

 

Schon diese kurze Analyse zeigt;

Aus einer Gesamtgruppe von Probanden, die hinsichtlich der unabhängigen Variable höchst unterschied­liche Werte ohne erkennbares Muster aufweisen, wurden durch die mathematische Medianbestimmung künstlich zwei Gruppen mit dem Eriken „hohe" und „niedrige" Belastung gebildet.10) Ein Vergleich zwi­schen diesen beiden Gruppen ist bezüglich seiner Aussagekraft

à      wegen der inneren Inhomogenität der Vergleichsgruppen und

à      wegen der - von den qualitativen Werten her betrachtet - sehr zufälligen Aufteilung

          in ‚niedrige’ und ,hohe' Belastung

h ö c h s t   p r o b l e m a t i s c h  !

 

9)           Die Grafik ist leider nicht exakt: Ein Proband ist offensichtlich im Grafikprogramm       verlorengegangen.

10)         Wenn in einer Probandengruppe die Werte anders verteilt sind, ergibt sich ein anderer Median. Solange eine Probandengruppe — bezogen auf das zu untersuchende Merkmal - keine repräsentative Stichprobe darstellt, gilt (um beim Fall der QuecksilberbeLastung zu bleiben) die Aussage „niedrige" bzw. „hohe" Belastung nur für diese Gruppe. Derselbe Wert eines Probanden kann also, je nachdem, wie die Gesamtgruppe sich zusammensetzt, als ‚niedrig' oder ,hoch' gelten.

 

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4.

Auf diese methodischen Probleme des Vergleichs, aufgrund derer die Ergebnisse nur mit größten Vorbe­halten interpretierbar sind, wird in dem Artikel nicht eingegangen. Vielmehr wird lapidar mitgeteilt: „Es fand sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen den Beschwerden der Patienten und der Quecksilberbelastung" (S. 37). „Zwischen dem Vorhandensein einer psychiatrischen Diagnose und der Quecksil-berbelastung ... (konnte) kein signifikanter Zusammenhang festgestellt werden" (S. 39). Diese Aussagen sind außerdem, bezieht man sie auf die anfangs zitierte Problemstellung, ungenau bis irre­führend; Die Studie verglich nicht Patienten mit und ohne Amalgam-Quecksilberbelastung, sondern Patienten mit mehr oder weniger Amalgam-Quecksilberbelastung. Exakt müsste die Formulierung also lauten: „Zwischen dem Vorhandensein einer psychiatrischen Diagnose und dem Ausmaß der bei allen vorhandenen Quecksilberbelastung ...".

Ein weiterer Punkt kommt hinzu:

Selbst wenn man die eben genannten Kritikpunkte außer acht lässt, ist diese Aussage der Autoren auch aus einem weiteren Grund nicht haltbar, der schon oben erwähnt wurde: Es wurde nicht abgeklärt, ob auch andere Faktoren für psychische Krankheiten vorliegen. Allenfalls könnte also gesagt werden: Falls die (noch nicht geprüfte) Voraussetzung gegeben sein sollte, dass die beiden Gruppen sich in sonstigen Risiko­faktoren für psychische Krankheiten nicht unterscheiden, ergibt sich, dass der Grad der Quecksilberbela­stung keinen Einfluss auf psychische Störungen hat.

 

5.

Die Autoren haben jedoch einen anderen erstaunlichen Befund mitzuteilen:

Insgesamt war das Auftreten psychischer Störungen erheblich höher als in der Allgemeinbevölkerung: Bei 60% aller Patienten wurden psychische Störungen festgestellt. Dieser Befund „verlangt", wie die Autoren zu Recht sagen, „nach einer Erklärung**.

Sie argumentieren dabei wie folgt: Wegen des fehlenden Zusammenhangs von Amalgamfüllungen und psychischen Störungen, den ihre Studie belegt habe, könne die Quecksilberbelastung nicht der Grund sein. „Man muss sich also fragen, ob sich nicht umgekehrt vorwiegend psychisch auffällige Patienten um eine Aufnahme in diese Studie bemühten. Demnach hätten Patienten mit neurotischen und Persönlichkeitsstö­rungen sowie depressiven Reaktionen vermehrt an dieser Studie teilgenommen, auf der Suche nach einer körperlichen Ursache ihrer seelischen Beschwerden. Es könnte sich hier um eine sehr sensible Gruppe der Bevölkerung handeln, die früher als andere auf mögliche Bedrohungen reagiert," (S, 39) In der Tag, es könnte so sein, es handelt sich dabei um eine legitime Hypothese, also eine Erklärungsmög­lichkeit, wie auch in den zitierten Formulierungen zum Ausdruck gebracht wird (muss sich fragen ... hätten ... könnte).

Um zu prüfen, ob sie tatsächlich zutrifft sind weitere Untersuchungen nötig. Z.B. könnte man bei den Pro­banden auch nach sonstigen Risikofaktoren für psychische Krankheiten suchen und die angetroffene Häu­figkeit mit einer repräsentativen Kontrollgruppe vergleichen. Von solchen oder ähnlichen Untersu­chungen ist jedoch nirgends die Rede. Dennoch wird in der Zusammenfassung, die dem Artikel vorange­stellt ist, diese Erklärungsmöglichkeit als die faktische Erklärung dieses Problems bezeichnet: „Dies wurde so erklärt, dass ... "!

 

 

 

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6.

 

Es gibt jedoch noch eine andere Erklärungshypothese für diesen Befund, die den Autoren nicht in den Sinn kommen kann, da sie übersehen, dass sie de facto nicht die (qualitative) Frage untersuchten, ob Amalgam­füllungen psychische Störungen verursachen, sondern die (quantitative) Frage, ob Unterschiede im Grad der Quecksilberbelastung unterschiedliche Auswirkungen haben.

Diese andere Erklärungshypothese — die natürlich auch noch geprüft werden müsste — lautet: Amalgam führt zu einem deutlich erhöhten Risiko psychischer Störungen, wobei die quantitativen Unter­schiede der Quecksilberbelastung (innerhalb der beobachteten Bandbreite} keine Rolle spielen: Schon geringe Konzentrationen führen zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit psychischer Störungen.

 

Gegenstand dieser Kritik:

Kalb, R., Barocka, A., Hickel, R., Schiele, R,: Amalgam und Psyche. In: Fundamenta Psychiatrica, 1992, 6, 37- 40, F. K. Schattauer Verlagsges. mbH (1992)

 

Erwähnte Literatur:

Barocka, A., Kalb, R.: Umweltgifte aus psychiatrischer Sicht. Vortrag zur Fachtagung „Umwelt, Beruf und Nervensystem" an der Erlanger Kopfklinik, Nachdruck des Vortragsmanuskripts

 

Weitere Literatur der kritisierten Autoren zum Thema „Amalgam":

Schiele, R., Schaller, K-H,, Valentin, HL: Ausscheidung von Quecksilber, Blei, Arsen, Zink und Kupfer mit dem Urin bei Normalpersonen vor und nach Einnahme von DMPS. Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Erlangen (1989)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Daunderer - Handbuch der Amalgamvergiftung - 6. Erg.-Lfg. 11/95

Einzelgift                                         Amalgam                           II - 9.6.2   Multiple Sklerose

Ein Zusammenhang zwischen der resorptiven Hg-Indikation aus Amalgamen und der Erstmanifestation der Multiplen Sklerose wird seit langem diskutiert. Da Quecksilber zur Zerstörung der Myelinscheiden der Nerven führen kann, ist dies zumindest theoretisch möglich (s. o.). Arbeiter in metallverarbeitenden Berufen Leiden unter dem höchsten MS-Risiko. In einigen eigenen Fällen vermuteten wir dies seit län­gerem: 3 Fälle bei Fabrikanliegern in Marktredwitz, eine Angestellte des Eichamtes, die ungeschützt mit metallischem Quecksilber hantierte und zahllose Amalgamträger. Erkrankte fühlten sich besser nach DMPS-Therapie und Entfernung der Amalgamfüllungen, Intensive wissenschaftliche Forschungen sind hier noch nötig. Kasuistiken, nach denen bei Alzheimer-Patienten erhöhte Hg-Werte im Gehirn gefunden wurden, bedürfen ebenfalls exakter Nachuntersuchung (Till, 1989).

Interaktionen

Zahnamalgam führt über ein Quecksilberdepot zu einem Zinkmangel, da Zink zur Ausscheidung des Quecksilbers benötigt wird. Dadurch kommt es ebenfalls zur übermäßigen Einlagerung anderer toxischer Schwermetalle, insbesondere von Blei und auch Cadmium sowie zu einem Kupferdepot* Der Zinkmangel ist auch dafür verantwortlich, dass Holzgifte wie Pentachlorphenol ebenfalls im Körper gespeichert werden. Die Folsäure verbrauchende Wirkung von anorganischem Quecksilber — gleiches gilt für Vit­amin C und die daraus resultierende Entstehung der chronischen Formaldehydvergiftung — wurde oben so beschrieben.

Eine DMPS-Entgiftung einer chronischen Vergiftung führt jedoch nie zu einem Zinkmangel!

Immunschäden

Da zumindest bei der MS die gestörte Immunität als wesentlicher Störfaktor angesehen wird, erscheinen die durch die Quecksilbervergiftung schon lange bekannten Immunveränderungen hier besonders wesent­lich: Köstler beschrieb 1990, dass bei Studenten mit Amalgamfüllungen, im Gegensatz zu solchen ohne Amalgamfüllungen, schon binnen 20 Min. hochsignifikante Depressionen der T4-Lymphozyten natür­liche Killerzellen und Helferzellen) nach Trinken eines Zitronensaftes oder Kauen eines Kaugummis (was beides Quecksilber, Zinn und die anderen Metalle aus den Amalgamfüllungen auslöst), im Vergleich zu amalgamfreien gemessen werden mussten. Auch bei unbehandelten, leichten, umweltbedingten Bleivergif­tungen fanden wir dieselben Veränderungen. Dies erklärt die häufig beobachtete Infektneigung, die hohe Allergiebereitschaft und die Tumorpromotion. Ob sich bei entsprechender Disposition dann ein Virusin­fekt manifestiert oder lediglich die Immunschäden zu dem MS-ähnlichen Bild führen können, muss unter­sucht werden. Bei ausnahmslos allen Amalgamgeschädigten hatten sich die Immunveränderungen norma­lisiert, nachdem die Amalgamfüllungen ausgewechselt und das Schwermetalldepot weitgehend durch Antidote abgebaut war. Besonders eindrucksvoll war der Effekt bei AIDS-Patienten, deren Helferzellen sich nur durch diese Therapie wesentlich verbesserten, Ausnahmen bildeten lediglich Patienten mit MS und Karzinomen. Hier besserten sich zwar die Immunveränderungen, jedoch nicht mehr das Gesamtbild (mit Ausnahme der häufigen beobachteten Fehldiagnosen)* Wir nehmen jedoch an, dass für eine grundle­gende Änderung bei Krebs und MS ein längerer Reparationszeitraum erforderlich ist. Durch eine rechtzei­tige Substitution von Zink kann eine immunstabilisierende Wirkung eintreten, da Amalgam als Zink- und Selenfresser wirkte. Da die Pflegekosten bei diesen beiden Krankheiten besonders hoch und die Erfolgs­quote zugleich besonders hoffnungslos ist, muss gerade hier jeder nur denkbar mögliche Schritt einer Pro­phylaxe durchgeführt werden. Die Vermeidung steht natürlich an erster Stelle, zumal nur diese volkswirt­schaftlich vertretbare Erfolge zeigt. Nur ein einziger

 

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begründeter Verdachtsfall auf eine Quecksilber- oder Blei-induzierte Multiple Sklerose oder M. Alzheimer berechtigt ein sofortiges Verbot der Weiter-Exposition auszusprechen. Wir fordern daher unablässig, wie seit Beginn des Jahres 1989, das sofortige Amal­gamverbot ebenso, wie das Verbot des bleihaltigen Benzins. Beide Maßnahmen hatten in Japan zu kei­nerlei persönlichen Einschränkungen geführt. Außerdem fordern wir das Verbot von Cadmium in offenen Kreisläufen, insbesondere als Weichmacher im PVC und im Autoreifen. Wegen der ohnehin erheblichen Umweltbelastung sollte man auf die Drogen, wie Alkohol und Nicotin u. a., völlig verzichten, da sie stets mit einer Neurotoxizität einhergehen. Nach mittlerweile über 8000 Patientenbeobachtungen sind wir ent­setzt über die verheerenden Folgeschäden der chronischen Vergiftung, von denen wir einzelne Kasuistiken veröffentlichten, da die Folgen erst im Nachhinein zu beurteilen sind. Diese Spätschäden müssen schon heute bei einer Bewertung von Amalgamschäden mitbedacht werden.

Wenn auch die Ätiologie der Multiplen Sklerose noch unbekannt ist, so lässt doch der morphologische Befund gewisse Rückschlüsse auf die Pathogenese der Entmarkungsherde zu. Die Tatsache, dass im Zen­trum der Herde ein Gefäß liegt, spricht dafür, dass von dem Gefäß her ein Markscheiden schädigender Stoff in das Hirngewebe eindringt und sich allseitig ausbreitet. Dieser hypothetische Markscheiden schädigende Stoff, bei dem es dahingestellt bleiben muss, ob es sich um ein Toxin handelt, führt zu einem primären Markscheidenzerfall und zu resorptiven und reparatorischen Veränderungen, wobei die jüngsten Stadien des Prozesses immer an der Peripherie der Herde zu finden sind. Die saumartigen Entmarkungen in der Wand der Ventrikel und seltener an der äußeren Oberfläche der Medulla oblongata und des Rücken­markes veranlassten zu der Ansicht, dass der toxisch wirkende Stoff aus dem Liquor in die äußere und innere Randzone des Gehirns diffundiert (Hallervorden 1931, Ule 1948).

Der Alzheimer-Krankheit auf der Spur*

Wissenschaftler sind in der Erforschung der Alzheimer-Erkrankung einen entscheiden-den Schritt vorange­kommen. Sie haben erstmals ein Enzym identifiziert, das offenbar wesentlich an den zerstörenden Prozessen mitwirkt, die bei Alzheimer-Patienten zum Untergang des Hirngewebes führen. Aufgespürt wurde das Enzym von Max-Planck-Forschern, die am Deutschen Elektronen-Synchrotron in Hamburg Analysen durchfüh-ren. Wie die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) in München mitteilte, wurde das Enzym bei Strukturanalysen an sogenannten Mikrotubuli gefunden. Das sind fadenförmige Moleküle, die „Leitschienen" für den Stofftrans­port in Nervenfasern sind. Diese bilden bei Alzheimer-Patienten den Angaben zufolge eine Art „Eiweiß-Müll" aus wirr ver-knäuelten Molekülen. Für diese falsche Struktur soll das Enzym mitverantwortlich sein.

Myastenia gravis

Die Myasthenia gravis (MG) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Antikörper (AK) gegen den Acetylcholinrezeptor (ACHR) der neuromuskulären Endplatte eine zentrale Rolle in der Pathogenese spielen. Die Ursache für die Produktion von Autoantikörpern durch B-Lymphozyten der Patienten ist noch nicht geklärt. Möglicherweise erfolgt eine Stimulation dieser Zellen durch Helferfaktoren, gebildet von Acetylcholinrezeptor-erkennenden T-Helfer-Zellen, oder es liegt eine verminderte T-Suppressorzell-Aktivität vor (Wekerle).

Die Verbesserung bei Amalgamvergifteten läuft sehr langsam, sie tritt erst nach Normalisierung der B-Lymphozyten ein und braucht etwa 5 Jahre.

 

*   Quelle: Der Kassenarzt 43 (1992)

 

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Literatur:

 

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HOHLFELD, R., KaLIES, I., Heinz, F., Kalden, J. R., Wekerle, H.: Autoimmune rat T-lymphocytes mono-specific for acetylcholine receptors: purification and fine specificity. J Immunol 126: 1355 - 1359(1981)

Hohlfeld, R., ToyKa, K. V., Weininger, K., Grosse-WIlde, H., Kalies, I..: Autoimmune human T-lymphocytes specific for acetylcholine receptor. Nature 310: 244-246 (1984)

KaLIes, I., Kalden, J. R., HeInz, F., Janzen, R. W. Ch., Lachenmayer, L.: Nachweis von Acetylcholin-Re-zeptor-Antikörpern im Serum von Myasthenia-gravis-Patienten unter Verwendung affinitätschromato-graphisch gereinigter humaner Acetylcholin-Rezeptor-Präparationen. Klin. Wochenschr. 57: 875 - 881 (1979)

KaLIes, I., Heinz, F., Kaschka, W., Druschky, K.-F., Kalden, J. R.: Heterogenität von Acetylcholinrezeptor- Antikörpern bei Myasthenia-gravis-Patienten. Klin. Wochenschr. 62: 377-385 (1984)

Kalies, I., Heinz, F., Hohlfeld, R., Wekerle, H., Birnberger, K. L., Kalden, J. R.: Isolation and characterization of Acetylcholinreceptor protein from human muscle. Molec. Cellul. Biochem. (in press) (1984)

Wekerle, H., Hohlfeld, R., Ketelsen, U.-P., Kalden, J. R., Kalies, I.: Thymic myogenesis T-lymphocytes and the pathogenesis of Myasthenia gravis. Ann NY Acad. Sci. 377: 455 -476 (1981)

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Morbus-Bechterew ist eine auto-immunologische Krankheit* *

 

Morgendliche Steifheit, Schmerzen über dem Brustbein, tief im Kreuz oder an den Fersen, Entzündungen im Knie oder Sprunggelenk sowie Regenbogenhautentzündungen sind Warnzeichen für den Hausarzt, dass es sich um einen entstehenden Morbus-Bechterew handeln könnte. Je nach Erkrankungsgrad und Beschwerden wären Physiotherapie oder medikamentöse Behandlungen nötig. Doch noch immer ver­gehen sechs bis sieben Jahre, ehe eine klare Diagnose gestellt werden kann. Das soll sich jetzt ändern.

Auf der neunten Mitgliederversammlung der Deutschen Vereinigung Morbus-Bechterew des Landesver­bandes Baden-Württemberg, machte Professor Heinz-Jürgen Lakomek die Anwesenden mit neuen Dia­gnosemöglichkeiten bekannt. Der Chefarzt der Abteilung Rheumatologie und physikalische Medizin des Klinikums Minden arbeitet seit vielen Jahren an der Grundlagenforschung zum Morbus-Bechterew und stellte fest: Bei dieser Diagnose handelt es sich nicht, wie bisher gedacht, um eine Verschleißerscheinung, sondern um eine auto-immunologische Erkrankung.

Bei Laboruntersuchungen fanden sich in den Zellen von Fruchtfliegen spezifische Immunreaktionen, die sich später auch im menschlichen Serum nachweisen ließen. Im vergleichenden Test in einer Rheumaklinik fand Lakomek heraus; Von 400 Patienten reagierten 78 positiv auf den Anti-Körper und stehen damit im Verdacht, an Morbus-Bechterew erkrankt zu sein.

„Je eher die Diagnose gestellt werden kann, desto besser sind die Chancen auf Heilung oder wenigstens einen Krankheitsstopp", sagt Lakomek. Immerhin rechnet man, dass drei bis fünf Prozent der Gesamtbe­völkerung an MB erkrankt sind. Da die Anlagen vererbt werden können, erkranken auch immer wieder Kinder.

Doch bis der Test jedem Hausarzt zur Verfügung steht, werden noch einige Jahre vergehen. Lakomek emp­fiehlt Patienten mit unsicherer Diagnose, bis dahin Kontakt zu seiner Klinik über den Hausarzt aufzu­nehmen (Klinikum Minden, Friedrichstraße 17).

Morbus-Bechterew geht bei Amalgamvergifteten sehr oft mit einer Colitis, d.h. blutigen Durchfällen, einher.

 

** Quelle: ÄHNIGEN, B.: Stuttg. Nachr. (28. 9. 92)

 

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Kasuistik:

 

Der 44jährige Patient leidet seit 20 Jahren an Wirbelsäulenbeschwerden („M. Bechterew"), rezidivie­renden Gelenkschwellungen der Finger, Handgelenke, Gefäßerkrankungen („M. Raynaud"), Beschwerden beim Wasserlassen seit Einsetzen der Palladiumkrone vor 2 Jahren, Uveitis und Iridocyclitis, Gastritis und Colitis, Akne an den Wangen, Fettleber und Pigment-störungen (Leberflecke).

Nach wie vor bestehen 15 Amalgamfüllungen (9 zweiflächige, 3 dreiflächige und 3 ein-flächige), daneben 6 Palladium-Brücken-Zähne. Im Speicheltest war Quecksilber mit 79,4 µg/l krass erhöht.

Im Panoramabild der Zähne findet sich ein Metallsplitter (15), Karies unter vielen Amalgamfüllungen und den Palladiumkronen, eine dichte Amalgam- und Palladiumablagerung im Oberkiefer sowie atypische Granulome an den Schneidezähnen („Darm- und Wirbelsäulen-Zähne“).

Es handelt sich hier sicher eindeutig um die Folgen einer Metallunverträglichkeit (Amalgam und Palla­dium) mit konsekutivem Herdgeschehen und den typischen Schäden der Aufnahmeorgane (Haut, Darm) und Speicherorgane (Nerven, Augen, Leber und Gelenke).

Vor Therapiebeginn sollte eine exakte Diagnose erfolgen:

DMPS-Test mit Urinkontrolle nach 1 Stunde auf: Hg, Cu, Sn, Pb und am dritten Tag Stuhl-kontrolle auf Hg, Allergietest auf Palladium, Nickel, Amalgambestandteile. Kernspin des Kopfes mit Augenschnitten. Probeexzision aus einem Kieferherd und Untersuchung auf: Hg, Sn, Pd.

Danach sollten alle Kieferherde chirurgisch saniert und toxikologisch und bakteriologisch nachuntersucht werden. Erst wenn alle Metallherde operativ gründlich entfernt sind, hilft eine anschließende Entgiftung mit DMPS. Allerdings sind erst wenige Kieferchirurgen auf diese mühsame Therapie spezialisiert.

 

Bestätigung: Amalgam löst Multiple Sklerose, Rheuma oder Diabetes aus

 

Unsere seit 1989 veröffentlichte Feststellung, dass Amalgam Autoimmunkrankheiten wie Multiple Skle­rose, Rheuma und Diabetes auslösen kann, wurde jüngst vom Bundesministerium für Bildung, Wissen­schaft, Forschung und Technologie bestätigt (Bonn, Nr. 24/95,7.8.95).

Hier der Bericht Projektträger „Arbeit, Umwelt und Gesundheit" (AUG) des BMBF:

An Autoimmunkrankheiten leiden Schätzungen zufolge bis zu fünf Prozent aller Erwachsenen in Europa und den USA. Das Krankheitsbild: Eine Störung des Immun-systems führt zu Entzündungen in verschie­denen Organen des Körpers. Einmal aufgetreten, bleiben sie mit wechselnder Stärke meist lebenslang bestehen. Solche chronischen Entzündungen können bis zur Zerstörung der betroffenen Organe führen,

Zu den von Autoimmunprozessen ausgelösten Krankheiten gehören so unterschied-liche Krankheitstypen wie die Diabetes, die Multiple Sklerose und rheumatische Erkrankungen.

Der Entstehungsmechanismus von Autoimmunkrankheiten war bisher weitgehend unbekannt. Ein vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) seit 1990 mit 13 Mio. DM geförderter Forschungsverbund brachte neue Aufschlüsse.

Bisher war weitgehend unbekannt, wie diese Störungen des Immunsystems ablaufen. Ein Projekt des vom BMBF geförderten Forschungsverbundes „Autoimmunitäts-forschung" fand heraus, wie die Schwerme­talle Quecksilber oder Gold eine Störung des Immunsystems auslösen können: Eine Schlüsselrolle spielt nach heutigem

 

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Wissensstand eine bestimmte Gruppe weißer Blutkörperchen, die T-Lymphozyten, Nor­malerweise schützen sie zusammen mit anderen Immunzellen den Organismus vor eindringenden Bakte­rien und Viren. Es gibt jedoch T-Lymphozyten, die sich „verirren" und körpereigene Zellstrukturen angreifen. Im gesunden Körper wird ein Großteil dieser defekten Zellen durch einen Selbstzerstörungsme­chanismus ausgeschaltet oder durch verschiedene Kontrollmechanismen ruhiggestellt Anders bei Auto­immunkrankheiten: Fehlgesteuerte T-Zellen werden aktiv und greifen körpereigenes Gewebe an.

Was diesen Angriff auf das „Selbst" auslöst, ob äußere Faktoren oder Prozesse im Körper, konnte bei den meisten Autoimmunkrankheiten nur vermutet werden. Unklar war auch, welche körpereigenen Moleküle vom Immunsystem fehlgeleitet werden. Die Beobachtung, dass bestimmte Schwermetalle eine Autoimmun­erkrankung auslösen können, ist deshalb ein Glücksfall. Ernst Gleichmann und seine Mitarbeiter von der Universität Düsseldorf entdeckten, dass die Behandlung eines Antigens mit Gold- bzw. Quecksilbersalzen in Mäusen die Immunantwort gegen dieses Antigen verändert. Antigene sind körperfremde Stoffe.

Während ohne Gabe von Schwermetallsalzen der richtige Teil des Antigens von T-Zellen angegriffen wird, reagiert das Immunsystem nach einer Behandlung mit Gold oder Quecksilber verstört. Es greift auch Teile des Antigens an, die nicht bekämpft werden sollten. Der Grund: Schwermetalle lösen eine chemische Veränderung des Antigens aus. Die T-Zellen können das Antigen nicht mehr erkennen. Es wird vermutet, dass dieser Mechanismus auch für das Entstehen von Autoimmunkrankheiten verantwortlich ist.

Viele Medikamente zur Behandlung von Rheuma enthalten Goldsalze, da sie eine heilende Wirkung auf die rheumatische Arthritis ausüben. Bei 20 Prozent der so behan-delten Rheumapatienten treten Entzündungen als unerwünschte Nebenwirkungen auf. Wahrscheinlich sind sie auf die beschriebenen Autoimmunpro­zesse zurückzuführen. Allerdings sind auch die anderen verfügbaren Medikamente zur Rheumabehand­lung mit deutlichen Nebenwirkungen verbunden, so dass alternative Behandlungsmöglich-keiten deshalb begrenzt sind. Aufgrund der neuen Erkenntnisse können Forscher aber neue Strategien für eine wirkungs­vollere Behandlung von Autoimmunkrankheiten entwickeln.

Diese beobachtete Nebenwirkung von Quecksilber ist nur ein kleiner Bruchteil seines Schädigungsmu­sters, da Quecksilber primär ein Nervengift ist und nur nebenbei Immunschäden auslöst.

Es deckt sich jedoch mit unseren an über 20 000 Patienten gewonnenen Erfahrung, dass

à            Amalgam das gefährlichste heute verwendete Arzneimittel ist,

à      Autoimmunkrankheiten zur Amalgamentfernung unter Dreifachschutz und    nachgewiesenen Entgif­tung zwingen,

à      Gold als Alternative zu Amalgam die Gefahr von späteren Autoimmunkrankheiten birgt.

 

II - 9.6.3 C  h  e  m  i  e   k  a  l  i  e  n  i  n  t  o  l  e  r  a  n  z

 

Als gravierendste Spätfolge einer chronischen Amalgamvergiftung gilt heute die chronische Chemikalien-Intoleranz, die gewerblich und auch im Wohnbereich zu verheerenden Wirkungen auch bei geringsten Chemikalienspuren führt.

 

 

 

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Einzelgift                                         Amalgam                           II - 9.6.4   Schwangerschaft

ABORT – MISSBILDUNG –FERTILITÄT

 

Nach Larsson ist die Spontanabortrate bei Schwangeren mit Amalgamen deutlich erhöht, worauf die schwedische Regierung Amalgame für Schwangere untersagt hat. Auch die kindlichen Missbildungen wie Spina bifida und andere initiale Defekte sind erhöht (Sikorski, 1987; Larsson, 1989).

Noch heute gilt die Empfehlung des BGA, in der Schwangerschaft auf Amalgam-sanierungen zu verzichten. Dies fehlt jedoch auf dem Beipackzettel.

Die am häufigsten beobachteten Missbildungen durch Methylquecksilber beim Men-schen sind: Enzephalozele, Enzephalie und Hydrozephalus.

Im Gegensatz zu Methylquecksilber durchdringen Quecksilberionen die Plazenta-schranke nicht so leicht. Schädigungen des Embryos durch HgCI2 und Phenylqueck-silber wurden aber bei Hamstern nachge­wiesen. Beide Verbindungen führten im Tier-versuch zu Wachstumshemmungen, subcutanen Ödemen, Enzephalie und Anophthal-mie.

Obwohl die Fähigkeit der beiden Quecksilberformen, die Plazentaschranke zu durch-dringen, sehr unter­schiedlich geprägt ist, können beide Formen sehr leicht in die Mut-termilch gelangen. Die Muttermilch stellt damit eine bedeutende Kontaminationsquelle für das Kind dar.

Der Großteil der Informationen über Toxizität am menschlichen Föten stützt sich auf Beobachtungen der Patienten in der Minimata-Bucht und im Irak.

Bei den Nachkommen der Überlebenden von Minamata fanden sich fast durchweg eine verminderte Auf­fassungsgabe, Veränderungen im emotionalen Verhalten, erniedrigter IQ. Es wurde über acht Fälle von Idiotie berichtet. Die Patienten wiesen kleine, symmetrisch atrophische Gehirne mit 2/3 reduziertem Gewicht, ausgedehnte Schäden an Neuronenzellen im Cerebrum, Cerebellum und Brüche in der normalen Zellarchi-tektur auf.

Die Neugeborenen zeigten nach normaler Geburt Lethargie, verspätete Bewegungen, Reizschwellenerhöhung und unkoordiniertes Saugen und Schlucken, z. T. Krämpfe. Viele Kinder blieben im Wachstum zurück. Bei allen waren neurologische Störungen nachweisbar.

Bei den irakischen Kindern wurden 5 von 15 blind, alle litten an Untergewicht. In der 5-Jahres-follow-up-Studie waren die Symptome bei den Müttern verschwunden, die Schä-den am kindlichen Nervensystem persistierten jedoch. Sie äußerten sich in verschiede-nen Formen der Entwicklungshemmung, überstei­gerten Sehnenreflexen und pathologi-schen Fußsohlenreflexen.

Kurzkettige Alkylquecksilberverbindungen wirkten im Tierversuch in den meisten Fällen teratogen und embryoschädigend. Sogar bei niedrigen Dosen kam es gehäuft zu Absterben in utero mit Resorption des Fötus oder zu Abort. Einzelne Injektionen bei trächtigen Nagern führten u. U. zu Tod oder Missbildung des Fötus. Am häufigsten fan-den sich Gaumenspalten und andere Gesichtsmissbildungen, Anenzephalie und Amelie.

Bei Fabrikarbeitern, die Quecksilberkonzentrationen ab 0,05 mg/m3 ausgesetzt waren, fand man erhöhte genetische Abnormalitäten gegenüber einer Kontrollgruppe.

Bei schwangeren Frauen durchdringen organische Quecksilberverbindungen die Pla-zentaschranke und reichern sich im Fötus an. Die Methylquecksilberkonzentrationen liegen bei Neugeborenen in den Erythrozyten um 28% höher als bei ihren Müttern.

 

 

 

 

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Einzelgift                                         Amalgam                                II - 9.6.9   Feer-Syndrom

Emil F. Feer (1864-1955), der bekannte Pädiater in Zürich, beschrieb 1923 ein Krankheitsbild, das als toxallergische Stammhirnenzephalitis in die Weltliteratur einging und mit einer weiteren Symptomenpa­lette als Feer-Fanconi-Felter-Swift-Chomel-Syn-drom als reine Quecksilbervergiftung erkannt wurde. Quacksalber werden die genannt, die mit Quecksilber alles zu heilen glauben (Fuller). Synonyma der Krankheit sind: Akrodynie(-syndrom), vegetative Neuropathie, Trophodermatoneurose, Rosakrankheit.

 

Fehldiagnosen sind: Hysterie, Neurose, Schizophrenie u. a.

 

Vorkommen:

 

Während früher quecksilberhaltige Salben (graue) oder Zahnputzmittel bzw. zerbrochene Fieberthermo­meter die wesentliche Ursache für Quecksilbervergiftungen waren, sind es heute fast ausschließlich Amalgamfüllungen der Mutter, die das Kind durch das sechsfach stärker belastete Fetalblut krankmachen, bzw. eigene Amalgamfüllungen. Amalgam ent-hält mindestens 50% Quecksilber, das im Mund verdampft. Fanconi diagnostizierte in den 30er Jahren in London über 30 000 Kinder mit diesem Syndrom. Nach der Erkennung und Vermeidung der grauen Salbe als Giftquelle sank die Krankenrate auf ein Zehntel herab. Dies bewies eindeutig als Giftquelle Quecksilber.

Erwachsene erkranken ebenso wie Kinder (Bode, Klein) - nur wird hier das Erkrankungsbild fast aus­schließlich als psychisch bedingt fehlgedeutet (Bockers), da die Giftwerte nur im Gehirn (Kernspin) ein­deutig erhöht sind.

 

Wirkungscharakter:

 

Kinder, Schwangere, Allergiker und Patienten mit einem Spurenelementmangel sind mindestens um den Faktor 100 empfindlicher als Gesunde.

Die Toxizität ist um den Faktor 1000 höher, wenn Quecksilber eingeatmet wird (GAdicke}, intraoral ist die Quecksilberkonzentration bei Amalgamträgern im Schnitt um den Faktor 32 höher als bei Amalgam-freien (BGA).

Resorption auch über die (Schleim-)Haut. Bindung und Inaktivierung von Sulfhydrylgrup-pen der Enzyme.

Störung der Synthese der Sphingomyeline, „neuroallergische" Reaktionsform auf Queck-silber. Die klinische Besserung geht einher mit dem Absinken der Quecksilberkonzen-tration.

 

Toxizität:

 

Für Quecksilber gibt es keinen „no effect level", d. h. das Feer-Syndrom tritt auch bei geringsten Konzen­trationen auf, was auch die Zunft der „Quacksalber" einst in Verruf brachte.

Die Folgen sind durch die Speicherung im Kieferknochen und im Gehirn zum großen Teil irreversibel. Die Mortalität der nicht erkannten Erkrankung wird mit 5 – 7 % beziffert, der Tod tritt meist durch Lun­geninfektionen (BodE) bzw. Schlafapnoe (Krippentod) ein.

 

Interaktionen:

 

Zink- und Selenmangel begünstigt die Schwere der Erkrankung.

 

 

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Einzelgift                                         Amalgam                                II - 9.6.9   Feer-Syndrom

Bei Kranken wird Blei, Thallium, Arsen, Aluminium und Pentachlorphenol verstärkt gespeichert.

Im Amalgam verstärkt das Zinn die Hirntoxizität (Koma, Ataxie), das Silber die Erkran-kung der Sehnen und Bänder (lschialgie) und Kupfer die Lebertoxizität. Amalgame mit Aluminium werden bei Morb. Alz­heimer im Gehirn gefunden.

Formaldehyd, Wohngifte, Lösungsmittel, Alkohol und andere Nervengifte verstärken die Symptomatik.

 

Symptome:

 

Appetitlosigkeit

Bewegungsstörung (Känguruhstellung)

Fieber

Fingerspitzen feucht-rot-blau, schmerzhaft

Frieren

Gewichtsverlust (Anorexie)

Gliederschmerzen

Haarausfall

Hautekzem

Hautschuppung

Herzjagen

Hirnentzündung

Hochdruck

Hypersexualität

Juckreiz

Krämpfe, epileptiform

Lähmungen (Ataxie, Steppergang, Polyneuritis, Polyradiculitis, Landry)

(Lichtscheu)

Müdigkeit, chronische

Mund-Schleimhautentzündung

Muskelschwäche und -schrumpfung

Pelzigkeit der Glieder

Reizbarkeit

Schmerzen, lanzenstichartig (Hexenschuss)

Schweiß (Mäusegeruch)

Speichelfluss

Tod durch Atemlähmung (Schlafapnoe) und M. Alzheimer

Tränenfluss

Wesensveränderung (Depression, weinerliche Art, Negativismus, Schlafumkehr, Apathie)

Zahnlockerung und -Ausfall

Zittern

Zuckerentgleisung

 

Nachweis:

 

DMPS-Test im Urin

Kiefer-Panorama-Röntgen (OPT)

Kernspintomografie (Multi-lnfarktsyndrom)

Hausstaubuntersuchung                                       Daunderer - Handbuch der Amalgamvergiftung - 6. Erg.-Lfg. 11/95

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Pathologie:

 

Degeneration der Markscheiden (irreversibel) Degeneration des Zwischenhirns

 

Therapie:

 

Expositionsstopp (Zähne extrahieren und Depots ausfräsen) DMPS in Kiefer injizieren (alle 6 Wochen).

 

Recht:

 

Arzneimittelschäden bis 500 000 DM sind versichert vom Hersteller (Formular bei der Allianz abrufen). Die Vergiftung mit Zahnamalgam geschieht definitionsgemäß mit mindestens 50% Quecksilber. Sie ist iatrogen, d. h. durch den Zahnarzt verursacht. Diese Vergiftung ist wie jede sehr heimtückisch. Da fast kein Arzt diese Vergiftung erkennt, ist die Dunkelziffer extrem groß.

 

Literatur:

 

BGA: Amalgame in der zahnärztlichen Therapie, Jan. 1992

BÖckers, M., Schönberger* W., Oster, 0.t Neumann, P.: Inhalative Quecksilbervergiftung unter dem klinischen Bild einer Akro­dynie (Selter-Swift-Feer), Dtsch. med. Wschr, 108, 825 (1983) Boot, H. G., Scheuffler, A.: Feer'sche Krankheit, Z. Haut-Geschl. 43, 241 (1933)

Bureau, Y.M.M., Boiteau, H., Barriere, H.,Titoux, P., Bureau, B.: Acrodynie d'origine mercurielle. Bull. Derm. 77, 184 (1970), Faconi, G.( Botzdztein, A., Schenker, P.: Überempfindlichkeitsreaktionen auf Quecksilbermedikation im Kindesalter. Helv. pae-diät. Acta (Suppl, 4) 2, 3 (1947)

FUller Royal, F.: Are dentists contributing to our declining health? Towns. Lett. 5, 311 (1990) Fessler, A.: Hautveränderungen bei der Feer'schen kindlichen vegetativen Neurose, Arch. Der. Syph. 173, 283 (1936) GÄdicke, L., Heuver, E.: Intrafamiliäre, subakute Quecksilbervergiftung bei Kindern. Med. Welt 13, 1768 (1962) Klein, M.: Feer'sche Neurose, eine Überempfindlichkeitsreaktion des Kindes auf Quecksilbermedikation, Med, Klin. 46, 101 (1951)

 

Die Akrodynie (Feer'sche Krankheit) der Prototyp einer iatrogenen Erkrankung*

 

Historisches

Die Akrodynie ist seit der monographischen Beschreibung des Schweizer Kinderarztes Prof. Dr. Emil Feer (1923) allgemein bekannt.

Allerdings hat Chardon bereits 1830 von einer eigenartigen „Epidemie" in Frankreich berichtet, für die er den Namen Akrodynie vorschlug.

Selter beschrieb sie 1903 als Trophodermatoneurose.

Aber erst 1914 wurde die Krankheit neu entdeckt, und zwar in Australien: Swift sprach von Erythrodermie, Clabb von pink disease. Fanconi, Bozstejn und Schenker (1947) sowie WaRkanie (1948) haben auf die ätiologische Bedeutung des Quecksilbers hingewiesen, welches Kin-dern z. B. in kalomelhaltigen Zahnungsmitteln und quecksilberhaltigen Wurmmitteln verabreicht wurde.

Warkany publizierte 1948 in Cincinnati, dass bei der Akrodynie bis 270 µg Hg/1 ausgeschieden wird.

Ein weiteres Zentrum der Akrodynieforschung befand sich in Frankreich, wo insbesondere die Forscher Boucomont, CombY, DebrÉ mit seiner Pariser Schule, ferner Haushalter, PÉhu und Mitarbeiter, Rocaz durch seine wertvollen Monographien, Woringer und viele andere mehr, bestrebt waren,

* Renate Frank (Feer-Syndrom-erkrankt) ehrenamtliche Mitarbeiterin der SHG der Behinderten für Ganzheitsmedizin

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das Rätsel der Akrodynie zu lösen. Die Hydragyria cutis wurde 1947 von Mayerhofer (Professor an der Universitätskin­derklinik Zagreb) mit anderen Metallvergiftungen im Mendeleffschen System der Elemente erwähnt.

 

Klinik

 

Prof. Dr. Emil Feer nannte die Krankheit vegetative Neurose des Kleinkindes, weil die Symptome sich als Folge einer Übererregbarkeit des autonomen, sowohl des sympatischen als auch des parasympatischen Nervensystems erklären.

In seinem Lehrbuch „Diagnostik der Kinderkrankheiten" beschrieb Feer 1947 das Krankheitsbild wie folgt:

Beginn schleichend mit Störung des Allgemeinbefindens, psychische Veränderung, Anorexie, Insomnie, Abmagerung, Schweiße, Zyanose der feuchtkalten Hände und Füße mit Des-quamation, verminderte Motilität bis lähmungsartiger Schwäche, Tremor, Tachykardie, erhöhter Blutdruck, Hyperglykämie, ver­mehrte Adrenalinausschüttung, Hyperglobulie,

Oft trophische Störungen, Ausfall von Haaren und Zähnen, Ulceration im Mund und auf der Haut, Nekrosen und Abstoßung von Fingergliedern. Verlauf chronisch, Tod in 5 - 10 % durch Pneunomie oder Sepsis, Atemlähmung und Krippentod.

Auffällig sind starke Lichtscheu, psychische Depression, Schmerzen der Extremitäten, Krampfanfälle. Leichte Fälle (Schweiß, Lichtscheu) sind an der Tachykardie und der Hypertension zu erkennen. Die Grundlage bildet eine degenerative Störung des vegetativen Nervensystems, dessen Zentren im Hirnstamm liegen und die sich in einer Dystonie des sympatischen und parasympatischen Systems äußern.

 

Bei schwer anhaltenden Störungen durch die Feer'sche Krankheit kommt es zu schweren somatischen Schädigungen,

Bei älteren Kindern zeigen sich Facialisphänomene, Lidflattern, Herzklopfen, Farbwechsel, pavor nocturnus, Pollakisurie, Onanie, Nabelkoliken, Darmspasmen, Ohnmachten, Wutkrämpfe, Stottern, Schaukelbewegungen, feuchte Hände und Füße, Hyperthermie, Ferner sind hier zu nennen Migräne, Tik-krankheiten, Stottern, Kopfschmerzen, krankhafte Phantasietätigkeit, pathologische Träumerei, Zwangs­handlungen, depressive Verstimmung, Aufregungszustände, Wutanfälle usw.

Es können sich ausgesprochene Psychopathien entwickeln mit gestörten Trieben und Instinkten, Schwer­erziehbarkeit, Grübelsucht, Hemmungslosigkeit usw.

Schon beim Säugling tritt die Neuropathie in Erscheinung als Schreckhaftigkeit, auffälliges Schreien und Weinen, Neigung zu Schweißen, leichter Schlaf» Dermographismus, Reflex-störungen, Anorexie und man­gelndes Gedeihen (Prof. Dr. Feer).

Hier ist der Moment, um auf die bemerkenswerte Arbeit von Prof. Mayerhofer über Poliomyelitiden und deren ätiologische Beziehung zur infantilen Akrodynie einzugehen. Der Autor beschreibt drei atypische Fälle von Polyomyelitis mit Beteiligung des Gehirns, welche zwei Monate bzw. sieben Wochen bzw. sechs Monate nach der Lähmung, Symptome der Feer'schen Krankheit bekamen. Die Akrodyniesymptome waren in den gelähmten Gliedern ausgesprochener als in den normalen.

Er schreibt: „So beobachtete ich z. B. kindliche Poliomyelitisrekonvaleszenzen, welche in ihrer Genesungs­zeit, in der bekanntlich die gelähmten Arme und Beine auffallend kühl und ohne Schweiße sich anfühlen, plötzlich an diesen Extremitäten wärmer wurden.

Weiterhin hyperämisieren sich auch die Hohlhand und die Sohlen, sie beginnen stark zu schwitzen und zeigen nach solchen länger oder kürzer währenden Attacken, die für die infantile Akrodynie typischen mazerativen Hautschälungen.

 

Daunderer - Handbuch der Amalgamvergiftung - 6. Erg.-Lfg. 11/95

Einzelgift                                         Amalgam                                II - 9.6.9   Feer-Syndrom

Faconi, Nachfolger von Feer: Den Eltern fallen in der Regel zuerst die psychischen Störungen auf. Das Kind wird verdrießlich, reizbar, der Gesichtsausdruck traurig oder mürrisch» es gelingt aber» das Kind zum Lachen zu bringen, und man bekommt leicht einen guten psychischen Rapport zu ihm. Es ist also weniger die Psyche als vielmehr die vom Zwischenhirn beherrschte mimische Äußerung derselben, die verändert ist. Typisch sind Störungen des Schlafes. Die ganze Nacht „nestet" das Kind im Bett herum, ohne Schlaf zu finden, und schlummert dafür tagsüber (Schlafumkehr wie beim postencephalitischen Parkinsonismus). Bald gesellen sich Haut und Schleimhautveränderungen hinzu. Die Haut fühlt sich feucht an, die Nägel werden brüchig, ebenso die Haare, die häufig wegen Haarschmerzen von den Kindern ausgerauft werden.

Die Muskulatur ist hypotonisch oder gar adynamisch. Wegen der gestörten extrapyramidalen Innervation nehmen die Kinder außergewöhnliche Körperstellungen ein, die zusammen mit dem missmutigen Gesicht den Erfahrenen prima vista auf die Diagnose hinlenken. Die Eigenreflexe können abgeschwächt, ja erlo­schen sein. Oft besteht ein deutlicher Tremor der hochgehaltenen Hände wie bei einem Basedow.

Die kardiovaskulären Störungen, auf die Feer zuerst aufmerksam gemacht hat, gehören zu den Kardinal­symptomen der Akrodynie.

Eine Tachykardie bis zu 180 Pulsschlägen, auch ohne Temperaturerhöhung, zusammen mit einer Hypertension bis 140 mmHg und darüber ohne Nierenschaden kommen kaum bei einer anderen Krankheit des Kleinkindes vor. Weniger charakteristisch sind die Störungen des Stoffwechsels. Oft besteht hartnäckige Appetitlosigkeit, die zu starker Abmagerung führt, bald gesellen sich Verstopfung, bald häufige kleine Defäkationen und Pollakisurie hinzu. Die Temperaturkurve kann unregelmäßig verlaufen. Infolge von Sekundär­infektionen, zum Teil wohl auch wegen einer Störung der Wärmeregulation, kann die Kurve subfebril oder auch hochfieberhaft verlaufen.

Das Blut ist eingedickt, der Hämoglobin- und Serumeiweißwert erhöht» der Hämatokritwert im Plasma erniedrigt. Der Blutzucker schwankt unregelmäßig (Glykolabilität), gelegentlich findet man eine Glykosurie. Der Liquorbefund ist meist normal, ab und zu findet man Eiweißvermehrung, besonders in den Über­gangsformen zur Polyradiculitis.

Die Kombination einer Polyradiculitis mit disseminierten Entmarkungsherden im Gehirn und Rücken­mark, d.h. mit einer Encephalomyelitis disseminata, subacuta führt zur auch im Kindesalter vorkommenden multiplen Sklerose über die Akrodynie, welche als neuro-allergische Reaktionsform auf Queck­silber aufzufassen ist.

Vieles spricht dafür, dass bei der Entstehung von neurologisch-allergischen Prozessen leblose Allergene, ja Haptene wie Quecksilber, die Auslöser sein können.

Choreaähnliche Krankheitsbilder wurden als neuroallergische Quecksilberreaktionen nach Wurmkuren mit Kalomel beschrieben.

 

FALL 1

Das folgende Beispiel der Kombination einer Chorea minor mit einer schizophrenieartigen Psychose ist auch deswegen interessant, weil die Patientin acht Jahre früher eine Feer´sche Krankheit, also wahrschein­lich eine neuroallergische Spätform durchgemacht hatte.

Rosmarie M., 12 1/2  Jahre {siehe auch Fanconi und Wissler, Fall 46, Seite 89). Zweites Kind, Familie gesund. Als Säugling sehr viele Durchfälle, mit sieben Monaten zwei Tage lang dauernde Krämpfe, die sich später nie mehr wiederholten. Das Kind wurde damals steif, bewusstlos, verdrehte die Augen. Mit vier Jahren klassische Feer'sche Erkrankung, im Kinderspital behandelt. Innerhalb von zwei Monaten geheilt. Mit 11 3/4 Jahren erster rheumatischer Schub von Polyarthritis mit Noduli rheumatici. Erythema anulare Leiner mit schwerer Pankarditis. Vier Monate später, im September

 

Daunderer - Handbuch der Amalgamvergiftung - 6. Erg.-Lfg. 11/95

 

1939, Beginn einer typischen Chorea> Erythema annulare Leiner, kompensierter Mitralfehler. SR 6 Std., Leuko 6600 mit 71,5% N. 0,5% Eos. Kein Fieber, Psychisches Verhalten, außer einer choreatischen Labilität, normal.